High-turnover-Osteopathie (mit sekundärem Hyperparathyreoidismus)
Diese Knochenstoffwechselstörung ist in erster Linie durch eine erhöhte Resorption von Knochensubstanz als Folge eines sekundären Hyperparathyreoidismus und der oben erläuterten Erhöhung von FGF-23 charakterisiert. Zu den Faktoren, die zur Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidismus führen, gehören die defiziente Synthese von 1,25-(OH)
2-Vitamin D3, die Retention von
Phosphat, die
Hypokalzämie und Veränderungen in der Sekretion und Rezeptorfunktion des
Parathormons. Laborchemische und radiologische Zeichen eines sekundären Hyperparathyreoidismus können sich bereits in einem sehr frühen Stadium der
Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate, GFR, 50–80 ml/m
2) manifestieren.
Im Einzelnen erklären sich die laborchemischen Veränderungen wie folgt (Abb.
2): Sobald die Nierenfunktion auf 25–30 % gefallen ist, steigt infolge der reduzierten renalen Phosphatelimination die Phosphatserumkonzentration. Dies verstärkt
Hypokalzämie und Hyperparathyreoidismus. Letzterer wird über verschiedene Mechanismen induziert: Einerseits wird die Parathormonsekretion durch transkriptionelle und posttranskriptionelle Vorgänge verstärkt, andererseits führt erhöhtes
Phosphat zur Proliferation der Nebenschilddrüsen. Durch alimentäre Phosphatrestriktion lassen sich diese Vorgänge antagonisieren. Eine Senkung der Phosphatserumkonzentrationen steigert darüber hinaus die renale Synthese von 1,25-(OH)
2-Vitamin D3.
Die 1,25-(OH)
2-Vitamin-D3-Synthese findet vor allem im proximalen Tubulus der Niere durch das
Enzym 1α-Hydroxylase statt, das damit limitierend für die Synthese von aktivem Vitamin D ist. Das Enzym wird durch
Parathormon,
Hypokalzämie und
Hypophosphatämie stimuliert und durch
Hyperphosphatämie und Urämie gehemmt. Die Hypokalzämie stimuliert entsprechend die Parathormonsekretion.
Veränderungen in der Ausschüttung des
Parathormons und Hyperplasie der Nebenschilddrüsen sind die zwei wesentlichen Determinanten der erhöhten Parathormonserumkonzentrationen.
Der jeweilige Anteil dieser beiden Komponenten an der Genese des sekundären Hyperparathyreoidismus ist jedoch noch umstritten. Es wird von einer Erhöhung des „Setpoints“ für die kalziuminduzierte Suppression der Parathormonfreisetzung bei Urämie ausgegangen, sodass erst höhere Kalziumserumkonzentrationen eine Senkung der Plasmaparathormonkonzentration bewirken.
Von besonderem Interesse für die Therapiegestaltung der renalen Osteopathie ist die Rolle des Kalzium-Sensing-Rezeptors (CaR), der außer der Nebenschilddrüse auch in zahlreichen peripheren Organen wie der Niere exprimiert ist.
Low-turnover-Osteopathie
Im Gegensatz zur High-turnover-Osteopathie findet sich bei dieser Störung ein reduzierter Knochenstoffwechsel. In den 1970er und zu Beginn der 1980er-Jahren lag die Hauptursache dieser Erkrankung in der toxischen Wirkung aluminiumhaltiger Dialysatlösungen und Phosphatbinder. Aber auch heute in der „Post-Aluminium-Ära“ beträgt die
Prävalenz der adynamen Osteopathie 30–40 % für die pädiatrischen Dialysepatienten.
Das Auftreten der Erkrankung wird heutzutage durch eine Reihe von prädisponierenden Faktoren beeinflusst:
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langdauernde Therapie mit kalziumhaltigen Phosphatbindern,
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Dialysatlösungen mit hohem Kalziumgehalt,
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aggressive Vitamin-D-Therapie mit der Folge niedriger bis normaler Parathormonwerte als Zeichen eines relativen
Hypoparathyreoidismus (Abb.
2).
Die aluminiumhaltigen Phosphatbinder sind hierbei aufgrund der oben beschriebenen Toxizität im Kindes- und Jugendalter kontraindiziert. Die besten Erfahrungen liegen mit den kalziumhaltigen Phosphatbindern vor. Hierbei sind Kalziumacetat und Kalziumcarbonat im Hinblick auf ihre Effizienz als gleichwertig zu betrachten.
Die Hauptkomplikation dieser Therapie liegt in der Gefahr einer
Hyperkalzämie, der unter Hämo- und
Peritonealdialyse durch die Verwendung von Dialysatlösung mit niedriger Kalziumkonzentration entgegengewirkt werden kann. Der Einsatz von nichtkalziumhaltigen, polymeren Phosphatbindern wie dem Sevelamer kann, wie klinische Studien zeigen, zumindest einen Teil der kalziumhaltigen Phosphatbinder erfolgreich ersetzen. Es konnte auch gezeigt werden, dass Sevelamer erhöhte FGF-23-Spiegel senken kann.
Ein wesentlicher Bestandteil in der Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus ist die frühzeitige Substitution von 1,25-(OH)
2-Vitamin D3. Ein wichtiges Problem dieser Therapie besteht in der Entstehung einer
Hyperkalzämie, die vermieden werden muss, um eine Verschlechterung der Nierenfunktion zu verhindern. Daneben besteht die Gefahr einer fortschreitenden Koronarverkalkung schon im jungen Lebensalter. Um eine Low-turnover-Osteopatie zu verhindern, ist darüber hinaus ein Parathormonspiegel im 2- bis 3-Fachen des Referenzbereichs anzustreben. Aufgrund der Gefahr einer Hyperkalziämie wurden unterschiedliche Vitamin-D-Analoga in die Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus wie das Paracalcitol eingeführt. Klinische Studien zeigen weniger Hyperkalzämieepisoden und ein niedrigeres Kalzium-Phosphat-Produkt.
Eine neue Klasse von Medikamenten verspricht eine mögliche Verbesserung der Therapiemöglichkeiten des sekundären Hyperparathyreoidismus. Die Kalzimimetika stimulieren den in der Urämie z. T. resistenten CaR und führen damit zu einer Verminderung der Parathormonfreisetzung. In klinischen Studien zeigt sich eine signifikante Senkung der Parathormonspiegel und des Kalzium-Phosphat-Produktes durch den Einsatz von Kalzimimetika.