Überblick
Die
primäre Nebenniereninsuffizienz ist durch eine erniedrigte Produktion von
Glukokortikoiden (
Kortisol) mit oder ohne erniedrigter Produktion von Mineralokortikoiden (
Aldosteron) gekennzeichnet. Die Diagnose der Nebenniereninsuffizienz ist wegen seiner unspezifischen klinischen Symptome oft verzögert. Allerdings können eine verpasste Diagnose einer Nebenniereninsuffizienz oder deren unzureichende Behandlung tödlich sein.
Bei der sekundären Nebenniereninsuffizienz führt eine beeinträchtigte Sekretion von ACTH aus der Hypophyse zur verminderten Nebennierenstimulation, während die tertiäre Form durch eine ungenügende hypothalamische
Kortikotropin-Releasing-Hormon(CRH)-Freisetzung bedingt ist.
Die klinischen Merkmale der
primären Nebenniereninsuffizienz bei Kindern können unspezifisch sein. Typische Zeichen sind Müdigkeit, Erbrechen, Übelkeit und
Bauchschmerzen, die häufig zu einer Gewichtsabnahme führen. Andere Symptome als Folge des Glukokortikoidmangels sind
Hypoglykämien mit dadurch bedingter Blässe, Schwitzen, Desorientierung und Stimmungsschwankungen, Schwäche und Gedeihstörung. Ein Mineralokortikoidmangel kann zu Dehydratation, Hypotonie,
Schwindel, Tachykardie, Gewichtsverlust und Salzhunger führen. Die chronisch erhöhte ACTH-Ausschüttung führt zu vermehrter Hautpigmentierung, vor allem im Bereich von Schleimhäuten, Handlinien und sonnenunbelichteten Hautarealen (Hsieh und White
2011).
Typische Laborbefunde bei
primärer Nebenniereninsuffizienz sind eine
Hyponatriämie, die in ca. der Hälfte der Fälle von einer
Hyperkaliämie begleitet wird, eine Hypochlorämie
, eine metabolische Azidose sowie
Hypoglykämien nach längerem Fasten, begleitet von niedrigen oder inadäquat niedrig-normalen Konzentrationen von
Kortisol und
Aldosteron, aber hohen ACTH- und Reninwerten. Bei sekundären Formen fehlen der Mineralokortikoidmangel
und die Elektrolytentgleisungen, die Reninkonzentration ist normal, die ACTH-Konzentration ist erniedrigt oder inadäquat normal-niedrig.
Der
ACTH-Test entlarvt eine unzureichende Reaktion der Nebennierenrinde nach ACTH-Stimulation. Bei sekundären und tertiären Formen mit niedrigen oder inadäquat niedrig-normalen ACTH- und Kortisolwerten kann durch die Gabe von Metyrapon, welches die 11β-Hydroxylase und damit die Umwandlung von
11-Desoxykortisol in
Kortisol blockiert, ein ungenügender Anstieg von ACTH und 11-Desoxykortisol nachgewiesen werden. Eine Urinsteroidanalyse mittels Gaschromatografie-Massenspektrometrie (GS-MS) aus einem 24-h-Sammelurin zeigt niedrige Kortisol- und Kortisonmetabolite sowie erniedrigte adrenale Androgenmetabolite.
Bei den Ursachen der
primären Nebenniereninsuffizienz im Kindesalter lassen sich genetische Störungen der Nebennierenentwicklung (adrenale Dysgenesien), der einzelnen enzymatischen Schritte der Steroidhormonsynthese, der ACTH-Wirkung, metabolische Störungen sowie erworbene, hauptsächlich autoimmune, Ursachen unterscheiden.
Eine chronische Nebenniereninsuffizienz kann durch Stresssituationen wie
Fieber oder akute Erkrankung (beispielsweise Gastroenteritis,
Influenza) jederzeit dekompensieren und in eine akute Nebenniereninsuffizienz oder
Addison-Krise mit
Kreislaufinsuffizienz übergehen.
Zur differenzialdiagnostischen Abklärung gehören die Anfertigung eines Steroidprofils, vorzugsweise als Plasmasteroidprofil mittels Liquid-Chromatografie-Tandem-Massenspektrometrie (LC-TMS) oder Urinsteroidprofil mittels GC-MS zur Aufdeckung von enzymatischen Defekten der Steroidhormonbiosynthese, immunologische Tests auf
Antikörper gegen die Nebennierenrinde bzw. gegen die 21-Hydroxylase, bei Jungen auch metabolische Test mit Bestimmung der überlangkettigen
Fettsäuren (VLCFA, Very long chain fatty
acids) zur Abklärung einer
X-chromosomalen Adrenoleukodystrophie sowie ggf. eine Bildgebung der Nebennieren. Weiterführende Tests beinhalten vor allem genetische Untersuchungen.
Patienten mit
Nebennierenrindeninsuffizienz sind bei Stress von einer
Addison-Krise bedroht. Eine sofortige Dosissteigerung von Hydrokortison auf das 3- bis 5-Fache der Erhaltungstherapie bei Infekten,
Fieber, Operationen etc. muss zur Prophylaxe einer solchen Krise erfolgen.
Für weitere Einzelheiten der Notfallmedikation Abschn.
8.
Störungen der Steroidhormonbiosynthese
Die Folge dieser Gruppe von Störungen der Steroidhormonbiosynthese
können eine eingeschränkte oder fehlende Synthese von
Glukokortikoiden mit oder ohne Einschränkung der Mineralokortikoidsynthese
sein, es kann aber auch zum Mineralokortikoidexzess durch Anhäufung von mineralokortikoidwirksamen Vorläufersteroiden kommen oder zum isolierten Mineralokortikoidmangel ohne Glukokortikoidmangel, wie beim Aldosteronsynthasedefekt. Je nach Ort des Defektes kommt es entweder zu vermehrter prä- und/oder postnataler Bildung von
Androgenen mit isosexueller
Pseudopubertas praecox beim Jungen oder vermehrter Virilisierung beim Mädchen, oder es kommt zu unzureichender Synthese männlicher
Steroidhormone mit konsekutiver Störung der Geschlechtsentwicklung beim Jungen (46,XY-DSD) bzw. fehlender Synthese weiblicher Steroidhormone bei Mädchen mit Störungen der Pubertätsentwicklung (
hypergonadotroper Hypogonadismus) und primärer Amenorrhö (Tab.
1) (Kap. „Störungen der Geschlechtsentwicklung“). Aufgrund der Kombination aus angeborener enzymatischer Störung der adrenalen Glukokortikoidsynthese und Androgenbildung (Mangel bzw. Überschuss) umfasst diese Gruppe die adrenogenitalen Syndrome
(AGS). Der isolierte Aldosteronsynthasedefekt bildet hiervon eine Ausnahme, da es weder zu einer verminderten Kortisolsynthese noch einer gestörten Androgensynthese kommt.
Tab. 1
Typische klinische und laborchemische Befunde bei adrenalen Enzymdefekten
Gen | CYP11A1 | StAR | HSD3B2 | CYP21A2 | CYP11B1 | CYP11B2 | CYP17A1 | POR |
| 15q24.1 | 8p11.2 | 1p13.1 | 6p21.3 | 8q24.3 | 8q24.3 | 10q24.3 | 7q11.2 |
Inzidenz | selten | selten | selten | 1:13–15000 | 1:200000 | selten | selten | selten |
Störung der Geschlechtsentwicklung | bei 46,XY | bei 46,XY | bei 46,XY bei 46,XX | bei 46,XX | bei 46,XX | – | bei 46,XY | bei 46,XY bei 46,XX |
| + | + | + | + | selten | – | – | – |
Salzverlustkrise | + | + | + | + | – | + | – | – |
ACTH | ↑ | ↑ | ↑ | ↑ | ↑ | normal | ↑ | (↑) |
| ↑ | ↑ | ↑ | (↑) | ↓ | ↑ | ↓ | normal |
Glukokortikoide | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ | normal | ↓ | (↓) |
Mineralokortikoide | ↓ | ↓ | ↓ | (↓) | ↑ | ↓ | ↑ | normal |
Androgene | ↓ | ↓ | ↓ bei 46,XY ↑ bei 46,XX | ↑ | ↑ | normal | ↓ | ↓ |
| ↓ | ↓ | ↓ | | | normal | ↓ | ↓ |
Blutdruck | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ | ↑ | ↓ | ↑ | normal |
| ↓ | ↓ | ↓ | ↓ | ↑ | ↓ | ↑ | normal |
| ↑ | ↑ | ↑ | ↑ | ↓ | ↑ | ↓ | normal |
pH | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ | (↑) | ↓ | (↑) | normal |
| keine | keine | Preg, 17-OH-Preg, DHEA(-S) | | DOC, 11-Deosxykortisol, A4 | Kortikosteron, 18-OH-Kortikosteron | DOC, Kortikosteron | 17-OH-Prog, P |
Erhöhte Steroide | keine | keine | Pregnentriol, DHEA | Pregnantriol, 17-OH-Preg, Pregnantriolon | TH-DOC, THS | THB, THA- | TH-DOC, THB, THA | Pregnantriol, THB |
Kongenitale Lipoidhyperplasie (StAR-Defekt)
In den ersten 3 Lebensmonaten können basal teilweise adäquate Konzentrationen adrenaler und gonadaler
Steroidhormone gemessen werden.
P450-Side-Chain-Cleavage-Enzym-Defekt (Defekt im CYP11A1-Gen)
3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Mangel (Defekt im HSD3B2-Gen)
Zum Therapiemonitoring eignet sich neben einem 24-h-Urinsteroidprofil die Bestimmung von ACTH,
Renin, 17-Hydropregnenolon und der adrenalen
Androgene im
Plasma.
21-Hydroxylase-Mangel (Defekt im CYP21A2-Gen)
Pathophysiologie
Der 21-Hydroxylase-Mangel ist die häufigste Ursache des adrenogenitalen Syndroms (AGS) und wird durch einen Defekt des
CYP21A2-Gens verursacht. Dies führt zu einer Einschränkung oder zum Verlust der Konversion von 17-OHP in
11-Desoxykortisol in der Glukokortikoidsynthese und von
Progesteron in
11-Desoxykortikosteron (DOC) in der Mineralokortikoidsynthese. Entsprechend des vorhandenen Rückkopplungsmechanismus via ACTH kommt es durch die Beeinträchtigung der Kortisolsynthese schon beim Feten zu einer Nebennierenhyperplasie und einer Steigerung der
Transkription der
Enzyme der Steroidhormonsynthese, was zu massiver Erhöhung von 17-OHP führt. 17-OHP dient dann als Vorläufer für die Androgensynthese
. Aufgrund der Lokalisation von
CYP21A2 inmitten des hochrekombinanten Genabschnittes des HLA-Genlokus sowie des Vorhandenseins des Pseudogens mit der Konsequenz der Anhäufung von
Genkonversionen zwischen
CYP21A2 und dem Pseudogen ist der 21-Hydroxylase-Mangel mit über 95 % der häufigste adrenale Steroidsynthesedefekt.
Historisch teilt man den 21-Hydroxylase-Mangel in ein klassisches AGS und ein nichtklassisches oder „late-onset“ AGS ein. Die klassischen AGS-Formen sind definiert durch die antenatale Virilisierung weiblicher Feten bedingt durch die gesteigerte Androgensynthese aus 17-OHP und werden weiter unterteilt in einen klassischen 21-Hydroxylase-Mangel mit und einen ohne Salzverlust, wobei Letzterer auch einfach virilisierender 21-Hydroxylase-Mangel genannt wird. Tatsächlich handelt es sich um ein Kontinuum mit fließenden Übergängen zwischen den klassischen und nichtklassischen Formen.
Bei der klinisch schwerwiegendsten Verlaufsform, dem klassischen AGS
mit Salzverlust, führt eine starke Funktionseinschränkung der 21-Hydroxylase von meist über 98 % zu einem kombinierten Glukokortikoid
- und Mineralokortikoidmangel
, sodass unbehandelte Neugeborene meist zwischen dem 5. und 15. Lebenstag eine lebensgefährliche und ohne Behandlung meist tödliche Salzverlustkrise erleiden. Aufgrund der übertragenen maternalen Mineralokortikoide sind Salzverlustkrisen innerhalb der ersten 5 Lebenstage selten, sodass das klassische AGS mit Salzverlust durch das
Neugeborenenscreening frühzeitig erfasst werden kann und so lebensgefährliche Salzverlustkrisen verhindert werden können. Ein Problem des Neugeborenenscreenings in Bezug auf das AGS besteht jedoch in der hohen Rate an falsch-positiven Befunden, welche beim AGS am höchsten von allen Zielkrankheiten des Neugeborenenscreenings ist. Der positive Vorhersagewert liegt bei Reifgeborenen bei ca. 30 %, bei Frühgeborenen unter 1 %. Ursachen der falsch-positiven Befunde sind transient erhöhte 17-OHP-Werte bei Frühgeborenen als Folge ihrer verminderten 11-Hydroxylase-Aktivität sowie falsch zu hoch gemessene 17-OHP-Werte durch Kreuzreaktionen mit anderen, insbesondere sulfatierten Steroiden, z. B. mit 17α-Hydroxypregnenolonsulfat.
Ursache des klassischen AGS
mit Salzverlust beim 21-Hydroxylase-Mangel sind Gendeletionen, große
Genkonversionen oder Mutationen, welche zu einer Verschiebung des Leserasters, zu frühzeitiger Bildung eines Stopkodons oder Störungen des Splicevorgangs führen, in entweder homozygoter oder compound-heterozygoter Form. Die Häufigkeit der klassischen AGS-Form liegt in Mitteleuropa bei ca. 1:12.000–15.000, entsprechend einer Heterozygotenfrequenz für das Tragen einer schweren Mutation von etwa 1:55–60.
Eine klinisch etwas schwächer ausgeprägte Verlaufsform des 21-Hydroxylase-Mangels stellt das einfach virilisierende AGS oder auch klassische AGS ohne Salzverlust dar. Da die Nebenniere normalerweise etwa 100- bis 1000-fach mehr
Kortisol als
Aldosteron sezerniert, ist bei einer Restenzymaktivität von über 2–5 % eine ausreichende Mineralokortikoidproduktion vorhanden, um lebensbedrohliche Salzverlustkrisen zu vermeiden. Weibliche Neugeborene mit dieser Verlaufsform zeigen ebenfalls eine Virilisierung des externen Genitales bei Geburt, während Jungen, die als Neugeborene nicht diagnostiziert werden, in der Kindheit durch eine
Pseudopubertas praecox auffallen können.
Die nichtklassische oder late-onset AGS-Form ist die klinisch mildeste Form des 21-Hydroxylase-Mangels, bei der eine Restaktivität der 21-Hydroxylase von ca. 20–30 % besteht. Hierbei sind auch weibliche Neugeborene phänotypisch unauffällig. Später können betroffene Mädchen eine
prämature Pubarche oder
Pseudopubertas praecox entwickeln. Bei vielen betroffenen Frauen wird die Erkrankung jedoch erst später im Erwachsenenalter durch
Hirsutismus, irreguläre Menstruationen oder verminderte Fertilität manifest. Die nichtklassische AGS-Form ist weitaus häufiger als die klassische Form. Die Häufigkeit beträgt ca. 1:1000.
Beim klassischen 21-Hydroxylase-Mangel mit Salzverlust kann es aufgrund der Störung der Mineralokortikoidbiosynthese ab der 2. Lebenswoche zu einem potenziell lebensbedrohlichen Salzverlust kommen.
Die Neugeborenen fallen durch unspezifische Symptome wie Trinkschwäche, Erbrechen, Gewichtsabnahme und eine zunehmende Apathie auf. Es zeigt sich eine schwere
Hyponatriämie, eine
Hyperkaliämie und eine metabolische Azidose. Aufgrund des konsekutiven Wasserverlustes kommt es zur arteriellen Hypotonie. Auch über die Neonatalperiode hinaus sind Patienten mit salzverlierendem 21-Hydroxylase-Mangel lebenslang in Gefahr, bei unzureichender Therapie eine Salzverlustkrise zu erleiden. Des Weiteren sind die Patienten aufgrund der inadäquaten Glukokortikoidproduktion durch
Addison-Krisen gefährdet. Zu den klinischen Symptomen zählen Müdigkeit, Apathie, verminderte Stresstoleranz, arterielle Hypotonie und vor allem in der Säuglings- und Kleinkindperiode
Hypoglykämien.
Zur weiteren Information sei auf die aktuelle S1-Leitlinie „Stellungnahme zur pränatalen Therapie des Adrenogenitalen Syndroms mit
21-Hydroxylase-Defekt (AGS) in Deutschland“ verwiesen.
11β-Hydroxylase-Mangel (Defekt im CYP11B1-Gen)
17α-Hydroxylase-Mangel/17,20-Lyase-Mangel (Defekt im CYP17A1-Gen)
Bei beiden chromosomalen Geschlechtern kommt es durch den kompletten
17α-Hydroxylase-Mangel und damit kompletten Mangel an Sexualsteroiden (
Androgene und
Östrogene) bei äußerlich unauffälligem weiblichem Phänotyp zu einer ausbleibenden Pubertätsentwicklung mit fehlender Thelarche, Pubarche und primären Amenorrhö.
Aufgrund der schwachen Glukokortikoidwirkung des in großen Mengen gebildeten Kortikosterons fallen die betroffenen Patienten nicht durch eine
Addison-Krise oder die Klinik einer chronischen Nebenniereninsuffizienz auf. Daher wird die Diagnose meist relativ spät gestellt. Daher führt entweder die Entwicklung des Hypertonus aufgrund des Mineralokortikoidexzesses zur weiterführenden Diagnostik oder aber die ausbleibende Pubertätsentwicklung. Bei der klassischen Patientin handelt es sich um eine Jugendliche mit infantilem Pubertätsstatus und Hypertonus.
Bei seltenerer partieller Inaktivierung des
Enzyms ist bei 46,XX-Mädchen eine gewisse Pubertätsentwicklung möglich. Hingegen können partielle Defekte bei männlichem Kerngeschlecht zu einem unzureichend virilisierten männlichen Genitale führen. Ein Hypertonus kann bei milderen Defekten fehlen.
Diagnostik
Die Kombination einer primären Amenorrhö mit infantiler Pubertätsentwicklung und mit einem Hypertonus bei supprimiertem
Renin sollte an einen
17α-Hydroxylase-Mangel denken lassen.
Im
Plasma sind beim
17α-Hydroxylase-Mangel die Konzentrationen von
Progesteron, DOC und Kortikosteron sowie von ACTH erhöht, die Kortisolkonzentration ist je nach Schweregrad basal oder nach Stimulation mit ACTH erniedrigt. Gleichzeitig führt der Mineralokortikoidexzess zu supprimiertem
Renin, oft begleitet von einer Hypokaliämie. Der Mangel an Sexualsteroiden führt ab dem Pubertätsalter zur Entwicklung eines hypergonadotropen
Hypogonadismus.
P450-Oxidoreduktase-Mangel (POR-Defekt)
Aldosteronsynthasemangel (CYP11B2-Defekt)
Differenzialdiagnostisches Vorgehen bei primärer Nebenniereninsuffizienz
Für das differenzialdiagnostische Vorgehen bei
primärer Nebenniereninsuffizienz müssen das Alter des Patienten, assoziierte Auffälligkeiten, insbesondere der Geschlechtsentwicklung oder neurologische Auffälligkeiten, ein begleitender Mineralokortikoidmangel oder -exzess und assoziierte Endokrinopathien, insbesondere autoimmuner Genese, bedacht werden.
Eine Nebenniereninsuffizienz mit Salzverlust innerhalb der ersten Lebenswochen macht eine genetische Störung der Steroidhormonsynthese oder der Nebennierenentwicklung (kongenitale Nebennierenhypoplasie) am wahrscheinlichsten. Bei Vorliegen einer Mindervirilisierung (46,XY-DSD) muss differenzialdiagnostisch am ehesten an einen StAR-Defekt gedacht werden, gefolgt von einem CYP11A1- oder HSD3B2-Defekt. Bei verstärkter Virilisierung eines weiblichen Neugeborenen liegt am ehesten ein 21-Hydroxylase-Mangel vor. Bei einer Nebenniereninsuffizienz mit Salzverlust innerhalb der ersten Lebenswochen bei einem männlichen Neugeborenen mit normaler Genitalentwicklung liegt am ehesten ein 21-Hydroxylase-Mangel vor, gefolgt von einem DAX-1-Defekt. Ein isolierter Kortisolmangel ohne begleitenden Mineralokortikoidmangel in der Neonatal- oder Säuglingszeit lässt am ehesten an einen familiären Glukokortikoidmangel Typ 2 denken.
Eine
primäre Nebenniereninsuffizienz im Kleinkindesalter beim Jungen sollte zur Bestimmung der überlangkettigen
Fettsäuren führen, um eine
X-chromosomale Adrenoleukodystrophie auszuschließen. Differenzialdiagnostisch bei beiden Geschlechtern sind nichtklassische Formen des
StAR- oder
CYP11A1-Mangels,
NNT-Mutation oder ein Triple-A-Syndrom abzuklären. Ab dem Schulalter dominiert die autoimmune Adrenalitis und die Bestimmung der Nebennierenantikörper sollte der erste Schritt sein. Bei Jungen sollte zudem eine Bestimmung der VLCFA erfolgen. Bei negativen Befunden sollte an eine
NNT-Mutation oder ein Triple-A-Syndrom gedacht werden. Bei isoliertem Glukokortikoidmangel wären differenzialdiagnostisch ein familiärer Glukokortikoidmangel Typ 1, Störungen bei der Bewältigung von oxidativem Stress durch Mutationen im
NNT- oder
TXNRD2-Gen und nichtklassische Verläufe bei
StAR und
CYP11A1 möglich.
Therapie der Nebenniereninsuffizienz
Zwei grundlegende Therapieprinzipien kann man als substitutive und suppressive Steroidtherapie bei Nebenniereninsuffizienz bezeichnen. Die substitutive Therapie kann bei allen Erkrankungen angewendet werden, die zu keiner übermäßigen Androgen- oder Mineralokortikoidbiosynthese führen. Es handelt sich hierbei um eine reine Ersatzbehandlung der fehlenden
Glukokortikoide bzw. Mineralokortikoide. Ziel der suppressiven Therapie ist die Unterdrückung einer vermehrter Androgen- bzw. Mineralokortikoidsynthese. In der Folge werden bei dieser Therapieform höhere Glukokortikoidmengen benutzt. Nebenwirkungen sind bei dieser Therapieform somit eher zu erwarten.
Die Patienten müssen wissen, dass eine parenterale Glukokortikoidgabe erforderlich ist, falls eine orale Aufnahme oder Resorption (z. B. bei Gastroenteritis) nicht möglich ist. Regelhaft erhalten die Patienten einen Notfallausweis sowie Notfallmedikamente wie Prednison-Suppositorien und Hydrokortison-Ampullen für die häusliche i.m. Injektion. Die Eltern müssen als Laien im Notfallmanagement geschult werden. Das Aufziehen der Medikamente und die i.m. Injektion sollten geübt werden. Mittlerweile gibt es auch kurze Animationsfilme dazu (
http://www.adrenals.eu, Stand: 15.09.2017). Als Richtdosis für die i.m. Gabe gelten 25 mg Hydrokortison bei Säuglingen, 50 mg i.m. bis zum Schulalter und 100 mg i.m. ab dem Schulalter.
Die Therapie darf niemals unterbrochen werden!
Für größere geplante operative Eingriffe bei manifester
Nebennierenrindeninsuffizienz ist eine gut geplante perioperative medikamentöse Prophylaxe einer Addison- und Salzverlustkrise mit Hydrokortison erforderlich. Ausreichende Analgesie und gute Hydrierung sind wichtige Grundvoraussetzungen. Kinder zeigen unter Anästhesie und kleineren chirurgischen Eingriffen einen Kortisolanstieg um ca. das 3- bis 5-Fache. Wichtig ist zu wissen, dass der höchste Kortisolanstieg in der unmittelbaren Post-OP-Phase nachweisbar ist (Hsu et al.
2012).
Genauso wichtig wie eine adäquate Stressdosis sind gute Hydrierung und ausreichende Schmerzmedikation!
Diese Vorgabe kann in Abhängigkeit von Art und Länge der Operation, bestehenden Schmerzen oder Komplikationen an den Einzelfall adaptiert werden. Weiter sind regelmäßige Kontrollen der
Elektrolyte und des Blutzuckers erforderlich. Eine begleitende Infusion, wie z. B.
Glukose 10 %/ NaCl 0,9 % 1:1, kann länger erforderlich sein.
Eine manifeste
Addison-Krise und/oder Salzverlustkrise bedarf der intensivmedizinischen Therapie. Neben allgemeinen Maßnahmen wie Volumenexpansion und Natriumsubstitution ist die Zufuhr von Hydrokortison essenziell. Ist kein Hydrokortison vorhanden, sollte Prednison verwendet werden, bei dem allerdings eine höhere Natriumsubstitution nötig ist. Schwere
Hyperkaliämien müssen mit Kalzium, Salbutamol,
Glukose/
Insulin, Ionenaustauschern oder im Extremfall per
Dialyse behandelt werden.
Wegen der mineralokortikoiden Wirkung von Hydrokortison ist eine zusätzliche Fludrokortisongabe nicht notwendig!
Zur sekundären Nebenniereninsuffizienz sei auf Kap. „Hypothalamus und Hypophyse: Anatomie, Physiologie und Erkrankungen“ verwiesen.