Generelle Prinzipien der Transition
Rheumatische Erkrankungen können auch im Erwachsenenalter noch aktiv sein und sind mit Einschränkungen auf körperlicher, funktioneller und sozialer Ebene verbunden. Die meisten Patienten mit JIA benötigen eine Langzeitbehandlung und einen strukturierten Transitionsprozess für eine günstigere Prognose und ein besseres Langzeit-Outcome der Erkrankung (Conti et al.
2018).
Prognostisch ist es entscheidend, die medizinische und psychosoziale Betreuung über das Jugendalter hinaus kontinuierlich fortzuführen. Die Bewältigung einer rheumatischen Erkrankung ist gerade in der Übergangsphase zum Erwachsenenalter geprägt durch die körperlichen und kognitiven Veränderungen des Patienten in der Adoleszenz.
Eine Verbesserung der Langzeitprognose und
Compliance erfordert einen koordinierten, strukturierten, kontinuierlichen Transitionsprozess mit enger Kooperation der medizinischen Betreuer und geplantem Übergang von Adoleszenten von einem pädiatrischen Gesundheitssystem in den Erwachsenenbereich. Ziel des Übergangsprozesses ist, eine koordinierte, nicht unterbrochene Gesundheitsversorgung anzubieten, die sich am Alter, den entwicklungsphysiologischen Reifungsprozessen und individuellen Bedürfnissen des Patienten orientiert (Blum
1995). Für die erfolgreiche Absolvierung der typischen Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz benötigt der Jugendliche eine umfassende Unterstützung durch die Familie, die seit der Kindheit betreuenden Ärzte und Pflegenden und eine psychosoziale Betreuung mit Austausch in altersentsprechenden Peergroups.
Der Übergang vom Kindes- in das Erwachsenenalter und die damit verbundene Bewältigung der Entwicklungsaufgaben kann für chronisch kranke Jugendliche erschwert sein. Sie sind häufiger in der Schule, im Berufsleben und in der Freizeit eingeschränkt und weisen häufiger chronische Begleiterkrankungen und Depressionen auf als gesunde Gleichaltrige (Beresford
2004). Ihre Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven unterscheiden sich signifikant von denen der Jugendlichen ohne Behinderung (Hurrelmann et al.
2003).
Die Folgen der JIA im Erwachsenenalter können sowohl auf körperlicher Ebene auf funktioneller Ebene und auch auf sozialer Ebene lebensverändernd sein (Minden et al.
2005).
Gerade der pädiatrische Rheumatologe hat aufgrund seines langjährigen Vertrauensverhältnisses gute Voraussetzungen dafür, die adoleszenten Patienten bei ihrer Balance zwischen Entwicklungsanforderungen und Krankheitsanpassung zu unterstützen, die erfolgreiche Absolvierung der Entwicklungsaufgaben als ein therapeutisches Ziel zu bewirken und die Krankheitsbewältigung in Peergroups zu steuern.
Die Phase der Adoleszenz ist aufgrund der soziologischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte (früherer Pubertätseintritt, längere Beschulung, höhere Qualifikationen erforderlich, längere finanzielle und emotionale Abhängigkeit [von den Eltern]) deutlich verlängert (Bühlmann
2001).
Günstige Zeitpunkte für den Transfer sind Änderungen der Lebenssituation der Adoleszenten, wobei der Patientenwunsch und die individuelle Entwicklung maßgeblich zu berücksichtigen sind. Die Schwere der Erkrankung, die Selbstverantwortung und Therapieadhärenz sollten den Zeitpunkt des Transfers wesentlich mit beeinflussen.
Pubertät und Adoleszenz
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen den Begriffen
Pubertät und Adoleszenz. Hierbei steht Pubertät für die somatischen Entwicklungen (Wachstumsschub, sekundäre Geschlechtsmerkmale, Erlangen der Geschlechtsreife), die unter dem Einfluss hormoneller Veränderungen ablaufen. Adoleszenz steht für die psychosozialen Entwicklungsschritte, die gleichzeitig mit der Pubertät
beginnen, diese jedoch um Jahre überdauern. Die Adoleszenz beginnt mit den ersten Pubertätszeichen und endet mit dem Abschluss der körperlichen und psychosozialen Adaptationsvorgänge (Bühlmann
2001).
Die WHO kennt darüber den Begriff „Jugend“ für die Altersgruppe der 14- bis 25-Jährigen. Zu den Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz gehören die Selbstständigkeitsentwicklung, der Aufbau reifer Beziehungen, eine Änderung der Körperwahrnehmung, Entwicklung einer Erwachsenensexualität, die
kognitive Entwicklung vom konkreten zum abstrakten Denken und eigener Identität sowie die Realisierung der Berufsplanung. Man teilt die Adoleszenz in eine frühe Phase von 10–13 Jahren, mittlere Phase von 13–16 Jahren und späte Phase von 17 und mehr Jahren ein.
Bereits in der Kindheit werden verdickte Gelenke als kosmetisch störend und unangenehm wahrgenommen. In der frühen Phase der Adoleszenz
erfolgt die Konfrontation mit den körperlichen Veränderungen der
Pubertät am intensivsten. Auch die Körperwahrnehmung spielt gerade bei einer rheumatischen Erkrankung eine besondere Rolle. Durch eine hohe Krankheitsaktivität kann das Längenwachstum reduziert sein oder die Pubertätsentwicklung verspätet eintreten (Minden et al.
2002). Bei frühzeitiger effektiver Therapie mit dem Ziel einer Remission oder dauerhaft niedrigen Krankheitsaktivität ist die Prognose wesentlich besser (Shoop-Worrall et al.
2017). Auch bei „gesunden“ Jugendlichen sind Probleme bei der Akzeptanz körperlicher Veränderungen, die zu Störungen der eigenen Körperwahrnehmung
,
psychischen Störungen oder Selbstverletzungen führen können, nicht selten. Jugendliche mit Rheuma sind hier besonders gefährdet, müssen sie doch krankheits- oder therapiebedingte Veränderungen ihres Körpers zusätzlich akzeptieren (Seiffge-Krenke et al.
1996).
In der mittleren Adoleszenzphase besteht eine Zeit der Auflehnung und Ambivalenz. Während die wesentlichen pubertären Veränderungen abgeschlossen sind, ist die Entwicklungsaufgabe, den Körper im Rahmen verschiedener Modellbilder anzunehmen. In dieser Phase beobachtet man häufig eine Ablehnung der chronischen Erkrankung mit Non-Compliance bezüglich medikamentöser und physikalischer Behandlungen. In der späten Adoleszenz ist eine Entwicklungsaufgabe, den Körper und die chronische Krankheit zu akzeptieren. Die Integration des Körpers in die Gesamtpersönlichkeit verlangt ein hohes Maß an
Toleranz sich selbst gegenüber. Aufgrund der rheumatischen Erkrankung kann eine Entwicklungsstörung entstehen, da äußerlich stigmatisierende
Veränderungen als unabänderlich hingenommen werden müssen. Hinsichtlich der
kognitiven Entwicklung ist die Fähigkeit zur Abstraktion auch Grundlage für ein zukunftsgerichtetes Denken und die Basis für eigene Wertmaßstäbe. So werden auch Aussagen der beratenden Ärzte bezüglich der Therapie und Langzeitprognose intensiv hinterfragt. Die Schwierigkeit der Beratung liegt darin, dass gerade bei der kognitiven Entwicklung keine Korrelation zum chronologischen Alter besteht. Eine kontinuierliche Betreuung bis zum Abschluss dieser Entwicklungsphase ist gerade bei chronischen Erkrankungen wertvoll, da sorgfältig abgeschätzt werden sollte, inwieweit der jugendliche Patient in der Lage ist, seine Erkrankung zu akzeptieren und die Therapieschemata konsequent durchzuhalten.
In Bezug auf die Sexualität Jugendlicher gibt es in der Regel keine entwicklungsbedingten Unterschiede zwischen juvenilen Rheumatikern und altersentsprechenden Jugendlichen. In der späten Adoleszenzphase werden langfristige individuelle Partnerschaften als Grundlage für die Intimität gesucht. Chronisch kranke Jugendliche zeigen bezüglich fester Partnerschaften oft eine besondere Zurückhaltung.
In einigen Studien war der Zeitpunkt erster sexueller Aktivität bei Patienten mit systemischer JIA deutlich verzögert. Junge Männer und Frauen mit JIA hatten es schwerer als Gleichaltrige, eine Partnerbeziehung einzugehen. Physische Behinderungen, ein negatives Selbstbild oder reduziertes Selbstbewusstsein stellten die bedeutendsten Hindernisse für sexuelle Aktivität dar. Aufgrund der komplexen Therapien benötigen Adoleszente ein differenziertes Wissen zu Fertilität und Antikonzeption unter Immunsuppression (Oestensen
2005). Die sozialen Auswirkungen der JIA im Erwachsenenalter betreffen auch Partnerschaft und Familienplanung.
Während der gesamten Adoleszenz spielt die Familie in der Diskussion mit den Jugendlichen eine wesentliche Rolle. Neben den Beziehungen zu den Eltern ist auch das Verhältnis zu den Geschwistern wichtig, gerade im Zusammenhang mit psychosomatischen Problemen oder Symptomen.
Jugendliche gehen den Weg in die Selbstständigkeit nicht in Isolation, sondern sind über weite Strecken in ihrer Meinungsbildung durch die Gleichaltrigen (Peergroups) geprägt. Kontakte außerhalb der Familie im erweiterten sozialen Raum wie Schule, Arbeitsplatz und Freizeit spielen eine besondere Rolle. Die Gruppe der Gleichaltrigen setzt auch wichtige Maßstäbe für medizinische Entscheidungssituationen. So können Einflüsse Gleichaltriger bezüglich Ernährung, Diätverhalten, körperlichem Krafttraining und sportlicher Betätigung zu einer Störung des Selbstbildes führen. Daher sollte bei der Evaluation der Therapieadhärenz die Umfeldsituation der Adoleszenten detailliert analysiert werden. Zeichen der Isolation, der sozialen Desintegration, Aktivität der chronischen Erkrankung und fehlende Kommunikation im Elternhaus sind wesentliche Risikofaktoren für eine Fehlentwicklung und Non-Compliance in der Adoleszenz.
Die ärztliche Betreuung und Beratung sollte berücksichtigen, wie weit der Ablösungsprozess bereits fortgeschritten ist. Hierbei können Eltern einen großen Rückhalt darstellen, andererseits aber auch den Autonomieprozess (z. B. durch rigide Wertvorstellungen oder „Overprotection“) wesentlich behindern. Am Ende der Adoleszenz steht eine Selbstständigkeit mit Lösung aus dem familiären Rahmen. Die Selbstständigkeit variiert in verschiedenen Gesellschaftsstrukturen und Kulturen. Chronische Krankheiten können schwerwiegende Auswirkungen auf die psychosoziale Adaptation der Adoleszenten haben. Hinzu kommt, dass Jugendliche häufig relativ lange mit ihren Familien zusammenleben – mit möglicherweise verspätetem Einstieg in das Arbeitsleben und hierdurch bedingt einer verlängerten materiellen Bindung an die Familie.
Die Belastungen und Bewältigungsstrategien hängen einerseits von der Art der chronischen Krankheit, andererseits von der Zeit ihrer Erstmanifestation ab. Krankheiten, die bereits im frühen Kindesalter begonnen haben, führen häufig zu einer vermehrten elterlichen Aufmerksamkeit und Sorge. Die Veränderungen in der
Pubertät sind unter Umständen verbunden mit einer Störung der intensiven Eltern-Kind-Beziehung
. Das normale Autonomiebestreben
des Adoleszenten trifft auf eine elterliche Haltung, die aufgrund der Sorge bezüglich des weiteren Verlaufs der Erkrankung restriktiv und überbehütend ist. Häufig sind demonstrative Konfrontationen die Folge. Das gezielte frühzeitige Einbeziehen des Kindes in diagnostische und therapeutische Verfahren verbunden mit einer Mitverantwortung und Selbstständigkeitserziehung auf der Ebene der Krankheit vermeidet die intensive Auseinandersetzung in der Adoleszenz. Durch frühes Delegieren von therapeutischen Aufgaben an die Kinder kann Selbstverantwortung gefördert und die krankheitsbezogene Selbstständigkeit bereits in der frühen Adoleszenz erhöht werden.
Die Reaktionsweise von Jugendlichen auf eine in der Adoleszenz neu auftretende Erkrankung hängt von der Selbstständigkeitsentwicklung, der eigenen Persönlichkeit und Resilienz, dem kognitiven Entwicklungsstatus, aber auch dem familiären Umfeld, der Unterstützung durch Peergroups und der Integration im sozialen Umfeld der Schule ab. Jede chronische Erkrankung birgt das Risiko einer veränderten Körperwahrnehmung, regressiven Verhaltens und schwerwiegender psychosozialer Störungen. Die Gruppe der Gleichaltrigen übernimmt eine entscheidende Rolle für die Krankheitsakzeptanz, da gerade durch die Peergroup dem Patienten ein möglichst großes Maß an Integration und
Normalität vermittelt werden soll. Die Eltern werden ebenfalls auf die Krankheitsverarbeitung einwirken. Eine intensive Steuerung des Krankheitsmanagements und Überbehütung durch die Eltern birgt das Risiko einer reduzierten Selbstständigkeitsentwicklung, die trotz der chronischen Erkrankung eine zentrale Entwicklungsaufgabe bleibt. Hierdurch bedingt können Regressionstendenzen oder Störungen der Entwicklung oder Körperwahrnehmung mit begleitenden Erkrankungen (z. B.
Essstörungen),
psychischen Störungen oder Selbstverletzungen auftreten.
Der Behandler sollte für die Wahl der geeigneten Behandlungsstrategie deshalb die persönlichkeitsspezifischen (intrinsischen) und krankheitsbedingten (extrinsischen) Faktoren analysieren und mit dem Patienten gemeinsam Strategien zur Bewältigung der Erkrankung entwerfen, d. h. Herstellen einer größtmöglichen
Normalität in der persönlichen Entwicklung (Bühlmann
2001).
Der Kinder- und
Jugendmediziner hat durch das oft langjährige Vertrauensverhältnis auch die Möglichkeit, in Konflikten zwischen Eltern und Geschwistern zu vermitteln, Fehlentwicklungen bei der Ausbildung des adulten Körperschemas zu verhindern und die
Transition an der Absolvierung der Entwicklungsaufgaben auszurichten.
Es besteht in der Phase der
Pubertät und Adoleszenz eine deutlich erhöhte Sensibilität gegenüber dem eigenen Körper und dem äußeren Erscheinungsbild. In der Pubertät und Adoleszenz ist nicht immer die medizinisch optimale Therapie die beste Lösung, sondern ein gemeinsam erarbeiteter Kompromiss, der vom Adoleszenten akzeptiert und mitgetragen wird und damit eine größere Chance zur Umsetzung hat. Themen wie Eigenverantwortung im Rahmen der zunehmenden Selbstständigkeit, Körperwahrnehmung, Freizeitverhalten und psychosomatische Probleme nehmen in der Adoleszentenbetreuung einen besonderen Raum ein.
Nach Absolvierung der maßgeblichen Entwicklungsaufgaben sollte der Jugendliche bzw. junge Erwachsene den Zeitpunkt des Transfers in eine internistisch-orientierte Behandlung selbst bestimmen.
Besonderheiten der Anamnese und Untersuchung in der Adoleszenz
Als besondere Anforderung an das medizinische Personal wird insbesondere Professionalität gefordert; hierbei spielen Vertrauen, Respekt und Ehrlichkeit eine besondere Rolle. Die angewandte Sprache soll gut verständlich sein, medizinische Fachausdrücke sind weitgehend zu meiden. Adoleszente sollten bei möglichen entwicklungsassoziierten Problemen in der Sprechstunde die Gelegenheit haben, ihre Anliegen alleine vorzubringen. Anamnese, körperliche Untersuchung und das Beurteilungsgespräch können unter diesen Umständen mit dem Patienten alleine erfolgen, bevor man die Ergebnisse in Anwesenheit des Patienten auch den Eltern mitteilt. Andererseits ist darauf zu achten, dass bei der Untersuchung eines Adoleszenten, der zum Untersucher gegengeschlechtlich ist, eine für den Patienten vertrauenswürdige Person der Untersuchung beiwohnt, die zum Patienten gleichgeschlechtlich ist. Dies kann ein Elternteil, aber auch ein Mitarbeiter der Einrichtung sein.
Zu berücksichtigen ist, dass die körperliche Untersuchung für Jugendliche eine Belastung darstellen kann, insbesondere bei fehlendem Vertrauensverhältnis zu dem Untersucher. Aus der Sicht der Adoleszenten geht es nicht darum, abnorme Befunde zu erheben, um eine Krankheitsbeurteilung durchzuführen, sondern auch um die körperliche Integrität und somit eine intime und intensive Auseinandersetzung mit dem persönlichen Befinden. Daher ist es wichtig, sich vor Beginn der Untersuchung ein Bild über den psychosozialen Entwicklungszustand des Patienten zu machen und auf die Psychodynamik der Adoleszenten einzugehen.
Die Untersuchungssituation sollte von den Adoleszenten mitgestaltet sein, insbesondere ist die Gegenwart eines Elternteils vor der körperlichen Untersuchung zu besprechen. Es ist zu berücksichtigen, dass Jugendliche, die körperliche Veränderungen aufgrund ihrer Erkrankung aufweisen, sich häufig nur ungern betrachten und anfassen lassen. Die Untersuchungsschritte sind von daher ausreichend zu erläutern und der Untersuchungsgang zu kommentieren. Mit Rücksicht auf das Bedürfnis nach Intimität sollte der Patient teilweise bekleidet bleiben. Der Untersuchungsgang beinhaltet eine internistische Untersuchung, die Pubertätsentwicklung, die Beurteilung sämtlicher Gelenke hinsichtlich Schwellungen, Überwärmungen und Funktion, Bewegungs- und Gangbildanalyse.
Wesentlich ist auch die Beurteilung möglicher Störungen der körperlichen, psychosozialen und
kognitiven Entwicklung – somit der altersentsprechenden Absolvierung von Entwicklungsaufgaben.
Gerade eine Entwicklungsstörung in der Adoleszenz und eine gestörte Integration in Peergroups fördern das Risiko erhöhter Abhängigkeit von den Eltern, verzögerte Reifungsprozesse, ein schwaches Selbstbewusstsein, ein vermindertes Selbstvertrauen sowie die Angst vor dem Scheitern in Schule und Beruf. Entscheidend für positive Adaptationsvorgänge bei chronischen Erkrankungen sind langzeitige vertrauensvolle Beziehungen zur Familie, Freunden und Behandlern, um mit individuellen Krankheitsbewältigungsstrategien die chronische Erkrankung anzunehmen und zu meistern.
Adhärenz und Lebensplanung
Die antientzündliche Behandlung umfasst den Einsatz von Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie, physikalischen Maßnahmen und erfordert täglich einen zusätzlichen Zeitaufwand für den Patienten und seine Familie.
Die Verantwortlichkeit für die Behandlung geht in der Adoleszenz von den Eltern auf den Patienten selbst über. Die Fähigkeit zur Adhärenz ist einerseits von abstraktem Denken, von der Beurteilung der Konsequenzen für die eigene Zukunft, andererseits aber auch von der Beratung durch Eltern, Peergroups und eigenen Erfahrungen abhängig. Ein langjähriges Vertrauensverhältnis und eine konstante Behandlung durch spezialisierte Behandler wirken sich positiv aus.
Bei der Behandlung rheumakranker Jugendlicher gilt es außerdem, das in diesem Alter typische „Risikoverhalten“ zu berücksichtigen. Im Jugendalter werden im Rahmen der Identitätsfindung Grenzen ausgetestet und neu gesteckt. Das Bedürfnis nach neuen anderen Erfahrungen und Bewusstseinserweiterungen führt zum Kontakt mit Alkohol und Drogen. Ein gutes Vertrauensverhältnis mit Beratung bezüglich Lifestyle-Fragen, medikamentöser Nebenwirkungen, Sexualität und Antikonzeption ist erforderlich. Hinzuweisen ist sowohl auf den Schutz vor
sexuell übertragbaren Erkrankungen als auch auf eine sichere Konzeption (besonders relevant für die Jugendlichen unter Basistherapie) (Minden et al.
2005; Oestensen
2005).
Da die Mehrheit der Jugendlichen mit chronischer Erkrankung ihren ärztlichen Ansprechpartner als Vertrauensperson sieht, ergibt sich die Notwendigkeit der Beratung und Kooperation mit dem internistischen Rheumatologen über einen Zeitraum von mehreren Jahren (gemeinsame Transitionssprechstunden, strukturierter Transitions- und Transferprozess). Im Rahmen der rheumatologischen Betreuung Jugendlicher sind entwicklungsspezifische Besonderheiten und allgemeine Fragen des Gesundheitsverhaltens zu thematisieren, um die
Compliance und eine kontinuierliche Therapie zu gewährleisten sowie altersspezifisches Risikoverhalten zu reduzieren.
Transitionsprozess und Transfer
Eine Fortführung der medizinischen und psychosozialen Betreuung der Patienten mit JIA ist über das Jugendalter hinaus erforderlich, weil die rheumatische Erkrankung oft bis ins Erwachsenenalter persistiert. Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen haben noch eine aktive Erkrankung mit erhöhten Risiken für Morbidität, Mortalität und Behinderung (Minden et al.
2005). Auch wenn die Prognose der rheumatischen Erkrankung durch frühzeitige effektive Therapie mit dem Ziel einer klinischen Remission deutlich besser geworden ist, bleibt das Grundproblem der Krankheitsakzeptanz und Therapieadhärenz auch im Erwachsenenalter bestehen. Daher sollten gemeinsame Kooperationen und Transitionssprechstunden internistischer und pädiatrischer Rheumatologen flächendeckend entstehen und auch in unserem Gesundheitssystem adäquat abgebildet und vergütet werden. Dies ist auch erforderlich, weil die Kinder- und Erwachsenenrheumatologie sich erheblich unterscheiden, z. B. im Patientenklientel, in der Betreuungsform, den Therapiekonzepten und der Betreuungsintensität (White
2002).
Um dem Patienten den Wechsel von einem pädiatrisch geführten in ein internistisches Versorgungssystem zu erleichtern und Störungen der
Compliance und Entwicklung zu vermeiden, ist eine entsprechende langfristige Vorbereitung erforderlich.
In die Planung der
Transition sollen der Patient und seine Familie aktiv einbezogen sein. In einem strukturierten Transitionsprozess über Jahre sollen notwendige Kompetenzen und Fähigkeiten erlernt werden. Dies umfasst eine Unterstützung bei der Krankheits- und Alltagsbewältigung, Absolvierung der altersbezogenen Entwicklungsaufgaben, Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und
Compliance. Die individuellen Bedürfnisse des Patienten sollten berücksichtigt werden.
Die aktuelle Lebenssituation (z. B. Wohnortwechsel, abgeschlossene Ausbildung der Sekundarstufe II oder Lehre, Beginn des Studiums, Wehrdienst oder Zivildienst) als äußere Zeichen für absolvierte Entwicklungsaufgaben sowie der Wunsch des Patienten („Arztwahl“) sind wesentliche Kriterien für den Zeitpunkt des Transfers.
Der Betreuungswechsel (Transfer) wird demnach in der Regel zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr stattfinden, der Transitionsprozess umfasst die Adoleszenz und das junge Erwachsenenalter (16.–25. Lebensjahr).