Der multifaktoriellen Pathogenese schizophrener Psychosen steht korrespondierend ein mehrdimensionaler und multiprofessioneller therapeutischer Ansatz gegenüber, bei dem medikamentöse Behandlungsmaßnahmen durch psychotherapeutische und psychosoziale Therapieangebote ergänzt werden. Mit dem Begriff psychosoziale Therapiemaßnahmen ist ein Spektrum von therapeutischen Aktivitäten gemeint, das in die Bereiche
Psychotherapie und Soziotherapie unterteilt werden kann. Die Psychotherapie umfasst dabei das gesamte Spektrum von supportiver Therapie bis hin zu speziellen Psychotherapieformen, wie der
kognitiven Verhaltenstherapie. Die Soziotherapie umfasst Milieugestaltung, Tagesstrukturierung, Beschäftigungstherapie, Arbeitstherapie, sowie spezielle Formen beruflicher und sozialer Rehabilitation.
Der jeweilige Stellenwert der einzelnen Elemente der mehrdimensionalen Therapie hängt vom klinischen Bild und auch vom Verlaufsstadium der Erkrankung ab. Welche Intervention bei welchem Patienten zum Einsatz kommt, sollte daher Ergebnis einer detaillierten modifikationsorientierten Diagnostik sein. Bei einigen Patienten kann zudem eine Kombination verschiedener Interventionen indiziert sein.
Modifikationsorientierte Diagnostik
Das Ziel einer modifikationsorientierten Diagnostik ist neben der Erstellung und Bestätigung einer zuverlässigen Diagnose ein Verständnis des Kontextes, in dem die Symptomatik auftritt, und des mit der Symptomatik einhergehenden Leidensdrucks. Dabei geht es v. a. darum, sich einen Eindruck von möglichen auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen zu verschaffen und die Bewertung der Symptome durch den Patienten und seine bisherigen Bewältigungsversuche in Erfahrung zu bringen. Typische Fragen in diesem Zusammenhang sind im Folgenden am Beispiel von
Halluzinationen dargestellt.
In ähnlicher Weise werden dann andere prominente Symptome (wie Rückzug, Antriebslosigkeit, Wahnsymptomatik, desorganisiertes Verhalten, Angst und depressive Symptomatik) oder Problembereiche (z. B. somatische Probleme) erfragt (Lincoln 2015).
Neben dem Verständnis für den Kontext einzelner Symptome gilt es in dieser Phase auch die relevanten Faktoren zu erfassen, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Gesamtsymptomatik relevant sind. Zu Beginn der Therapie sollte anhand von Erklärungsmodellen erarbeitet werden, wie Probleme entstanden sind und aufrechterhalten werden, auch um daraus abzuleiten, wo therapeutisch angesetzt werden kann. Dazu muss sich der Therapeut ein Bild davon machen, wie sich die Probleme vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Patienten sowie verschiedener Vulnerabilitätsindikatoren und Stressoren entwickelt haben. Am Ende der diagnostischen Phase sollte er Zusammenhänge zwischen verschiedenen Problemen herstellen und zwischen auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren differenzieren können.
Um dabei keinen wichtigen Bereich außen vor zu lassen, sollte sich die multifaktorielle Bedingung der
Schizophrenie auch in den diagnostischen Ansatzpunkten widerspiegeln. Eine hilfreiche Basis hierfür schaffen zum einen die Vulnerabilitäts-Stress-Modelle (Nuechterlein und Dawson 1984) sowie ihre Weiterentwicklung in Form von kognitiven Modellen zur Entstehung von Wahn und
Halluzinationen (Garety et al. 2001). Im folgenden Übersichtskasten werden therapierelevante individuelle Vulnerabilitätsindikatoren und Stressoren sowie daraus abgeleitete Therapieziele und Interventionsmöglichkeiten dargestellt, die für die Diagnostikphase und Indikationsentscheidungen eine hilfreiche Orientierung bieten.
Ein detaillierter Überblick über spezifische Messinstrumente zur Erhebung personen- und umweltbezogener Vulnerabilitätsfaktoren in der Diagnostikphase einer Schizophreniebehandlung findet sich bei Maß (2010). Für weitere Instrumente zur Erhebung psychotherapeutisch relevanter Aspekte der Symptomatik und dysfunktionaler Kognitionen im Rahmen von
kognitiver Verhaltenstherapie wird auf einschlägige Therapiemanuale und -materialien verwiesen (Lincoln 2014; Mehl und Lincoln 2014).
Weil
Schizophrenie multifaktoriell bedingt ist, sollte eine modifikationsorientierte Diagnostik Aufschluss über relevante auslösende und aufrechterhaltende Faktoren auf verschiedenen Ebenen geben. Daraus lassen sich im Anschluss unter Einbezug des Patienten sinnvolle Interventionen ableiten.
Überblick zu psychotherapeutischen Verfahren
Viele Probleme von Patienten mit psychotischen Störungen bieten sich für psychotherapeutische Interventionen an. Zum einen findet man die eigentlichen Symptome wie Verfolgungswahn, das Hören von Stimmen, das Gefühl, getrieben zu sein, oder – wenn Negativsymptomatik im Vordergrund steht – den Verlust von Antrieb und Motivation. Zum anderen ziehen diese Symptome Begleitprobleme nach sich. So gehen sie mit belastenden Gefühlen wie Angst, Ärger, Scham oder Niedergeschlagenheit einher. Betroffene grübeln oft über die Bedeutung oder Folgen ihrer Symptome. Hinzu kommen interpersonelle Probleme, wenn Freunden und Angehörigen das Einfühlen in die Symptomatik schwer fällt. Häufig finden sich intrusive Erinnerungen an die psychotische Episode, den möglicherweise unfreiwilligen Krankhausaufenthalt sowie eine anhaltende Sorge über mögliche Rückfälle. Die Erfahrung der Psychose kann beim Patienten den Eindruck hinterlassen, dass etwas Fundamentales mit ihm nicht stimmt, oder die Befürchtung auslösen, nie wieder ein normales Leben führen zu können. Ferner zeigen sich bei vielen Patienten mit schizophrenen Psychosen Einbußen bestimmter Fertigkeiten (z. B. Probleme effektiv zu lösen, sozial erfolgreich zu kommunizieren oder Gefühle effektiv zu regulieren). Auch Einschränkungen der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktionen können den Patienten bei der Wiedereingliederung in den beruflichen und sozialen Alltag Schwierigkeiten bereiten. Da die antipsychotische Behandlung diese Probleme in der Krankheits- und Symptombewältigung sowie im kognitiven und sozialen Bereich, die häufig nach Remission der psychotischen Symptome auftreten, nicht direkt beeinflussen kann, wünschen sich viel Patienten für diese und weitere Probleme psychotherapeutische Unterstützung (Lincoln 2015).
Erfreulicherweise gibt es inzwischen eine breite Palette wirksamer psychotherapeutischer Ansätze. Diese lassen sich zunächst grob unterteilen in verhaltenstherapeutische Ansätze und psychodynamische Ansätze. Eindeutige Leitlinienempfehlungen liegen für kognitive Interventionen und psychoedukativ orientierte familientherapeutische Ansätze vor (NICE
2014), die beide zu den verhaltenstherapeutischen Ansätzen gezählt werden und aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit im Folgenden etwas ausführlicher behandelt werden. Hinzu kommen, ebenfalls in der Kategorie
Verhaltenstherapie, psychoedukative Ansätze und verschiedene spezifische und integrative Fertigkeitentrainings. Die psychodynamischen Ansätze können wiederum in die klassische psychoanalytische Langzeittherapie und neuere
psychodynamische Verfahren mit vergleichsweise kürzerer Behandlungsdauer eingeteilt werden.
Im Vergleich zur großen Datenlage der pharmakologischen Behandlung ist die Datenlage für psychotherapeutische Verfahren geringer. Ferner gilt es zu beachten, dass die psychotherapeutischen Interventionen in nahezu allen Studien als add-on zu einer stabilen antipsychotischen Behandlung erfolgt sind. Von daher können die Effektstärken nicht direkt miteinander verglichen werden und es darf nicht der Rückkehrschluss erfolgen, dass diese Interventionen in der Regel statt der antipsychotischen Medikation in der klinischen Praxis ausreichend seien. Eine Stärke der psychotherapeutischen Evidenzforschung ist darin zu sehen, dass viele der Studien auch Follow-up-Untersuchungen nach einem oder mehreren Jahren durchgeführt haben, und somit die Stabilität der Effekte belegt werden kann.
Im Jahr 2014 passte, mit einiger Verspätung, auch der Gemeinsame Bundesausschuss die Psychotherapie-Richtlinie dem aktuellen Forschungsstand an und erklärte
Psychotherapie bei
Schizophrenie, schizotypen oder
wahnhaften Störungen für uneingeschränkt indiziert.
Die aktuelle Versorgungssituation für Patienten mit einer schizophrenen Psychose ist jedoch sektorübergeifend weiterhin als schwierig abzusehen: Während in der stationären Behandlung psychotherapeutische Elemente aufgegriffen werden, gelingt die psychotherapeutische sektorübergreifende Versorgung mit diesen häufig nicht in dem gewünschten Maße. Spezialisierte Therapeuten mit Erfahrung im Schizophreniebereich im ambulanten Sektor sind weiterhin im Vergleich zur großen Gruppe der Experten für affektive und neurotische Erkrankungen verhältnismäßig dünn gesät und es ist für Menschen mit einer schizophrenen Psychose weiterhin sehr schwierig einen ambulanten Therapieplatz zu erhalten.
Es gibt eine Reihe psychotherapeutischer Ansätze, die empirisch gut belegt sind und in Leitlinien empfohlen werden. Eine Herausforderung für die Zukunft wird es sein, sektorübergreifende Strukturen zu schaffen, die möglichst allen Patienten Zugang zu diesen Angeboten ermöglichen.
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze
Dabei macht der Therapeut deutlich, wie durch dysfunktionale Bewertungen ein Teufelskreis aus Rückzug und Verstärkung der Symptomatik in Gang gesetzt werden kann. Die Umstrukturierung solcher dysfunktionalen Annahmen erfolgt durch die bekannten Techniken kognitiver Umstrukturierung.
Eine weitere gängige Technik zur Behandlung von starkem Rückzugsverhalten lehnt sich an die für die Depressionstherapie entwickelten Techniken zum Aufbau positiver Aktivitäten an. Der Therapeut instruiert den Patienten, Selbstbeobachtungsprotokolle zur Erhebung seiner aktuellen Aktivitäten zu führen. Dabei notiert der Patient seine Gefühle vor, während und nach den Aktivitäten. Ziel ist, den Zusammenhang zwischen Stimmung und Aktivität zu verdeutlichen. Im Anschluss wird der Patient angeleitet, angenehme Aktivitäten nach und nach in seinen Alltag zu integrieren.
Je nach Ergebnis der individuellen Problemanalysen wird auch an weiteren spezifischen Aspekten zu arbeiten sein, die zur Aufrechterhaltung der Negativsymptomatik beitragen. Hierzu zählen beispielsweise das Fehlen bestimmter Fertigkeiten, neuropsychologische Defizite, komorbide
Angststörungen, die familiäre oder Arbeitssituation oder die Medikation.
Wirksamkeitsnachweise für besondere Indikationsbereiche
Weitere Studien haben sich zudem mit der Frage der Indikation befasst und Prädiktoren des Therapieerfolgs untersucht. Zusammengenommen finden sich in diesen Studien keine Hinweise darauf, dass KVT für bestimmte Patientengruppen (z. B. solche mit geringerem Funktionsniveau, ausgeprägten neurokognitiven Defiziten oder besonders schwerer Symptomatik) nicht wirksam ist, auch wenn einige Befunde dafür sprechen, dass eine kürzere Störungsdauer und etwas mehr kognitive Flexibilität, im Sinne der Fähigkeit eigene Überzeugungen infrage stellen zu können, das Ergebnis der Therapie positiv beeinflussen (Lincoln 2014).
Allerdings wurde in den meisten Therapiestudien Positivsymptomatik als primärer Endpunkt untersucht. Viele Studien schlossen sogar gezielt Patienten aus, die keine persistierende Positivsymptomatik aufwiesen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass eine aktuelle
Metaanalyse, die verschiedene therapeutische Ansätze miteinander verglich, zu dem Ergebnis kam, dass KVT hinsichtlich der Reduktion von Positivsymptomatik anderen psychotherapeutischen Ansätzen überlegen ist, nicht aber im Hinblick auf Negativsymptomatik (Turner et al. 2014).
Zwei Studien untersuchten die Effekte von kognitiv-behavioralen Interventionen, die speziell auf Negativsymptomatik zugeschnitten waren. Eine RCT der Gruppe um A. T. Beck ergab, dass KVT auch bei Patienten mit ausgeprägter Negativsymptomatik und geringem Funktionsniveau wirksam ist (Grant et al. 2012), wobei die Effekte auf die Negativsymptomatik nicht durchgehend signifikant waren. In einer in Deutschland durchgeführten randomisierten kontrollierten Wirksamkeitsstudie (Klingberg et al. 2011) war KVT bezüglich der Reduktion von Negativsymptomatik gegenüber einem kognitiven Remediationstraining nicht überlegen. Zusammenfassend muss also festgehalten werden, dass Negativsymptomatik oder ausgeprägte Funktionseinschränkungen zwar keine Kontraindikation für KVT darstellen, dass KVT bislang aber nicht notwendigerweise die Methode der Wahl ist, wenn eine Reduktion von Negativsymptomatik als primäres Ziel angestrebt wird.
In mehreren Studien wurde untersucht, ob kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen ohne begleitende Medikation dazu geeignet sind, bei Personen, die noch keine klinisch diagnostizierbare psychotische Störung, aber Symptome der Prodomalphase aufweisen, den Übergang in eine psychotische Episode zu verhindern oder aufzuhalten. In einer ersten
Metaanalyse zur Effektivität einer Frühintervention („early intervention“) konnten Hutton und Taylor (2013) zeigen, dass sich das Risiko, während der Nachbeobachtungszeiträume nach 6, 12, 18 und 24 Monaten eine volle klinische psychotische Diagnose zu erhalten, bei den Patienten, die an KVT teilgenommen hatten, gegenüber den Kontrollgruppen um mehr als die Hälfte verringerte. Im Einklang damit wird in den S3-Leitlinien (Gaebel et al.
2006) der Einsatz von KVT bei Menschen in der präpsychotischen Prodromalphase mit einem hohen Übergangsrisiko in eine
Schizophrenie empfohlen.
Erwähnenswert sind zudem 2 Studien zur Wirksamkeit von KVT bei Patienten (Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, inkl.
wahnhafte Störungen), die keine Medikamente einnehmen. In einer ersten Pilotstudie (Morrison et al. 2011) wurde in einem Prä-post-Design die Wirkung von KVT in einer Gruppe von 20 Patienten mit psychotischen Störungen untersucht, die zwar im Gesundheitssystem vorstellig geworden waren, aber während der letzten 6 Monate (Mindestkriterium) eine Medikamenteneinnahme verweigert hatten. In dieser Studie fand die kognitive Therapie in durchschnittlich 26 Sitzungen über einen Zeitraum von 9 Monaten statt. Die Studie ergab signifikante und große Prä-post-Effekte für die Gesamtsymptomatik, die über den 6-Monats-Zeitraum sogar noch zunahmen. Nach 6 Monaten zeigten 50 % der in die Studie eingeschlossenen Patienten eine Symptomreduktion von > 50 % auf der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS). Dieser Studie folgte eine randomisiert-kontrollierte Studie (Morrison et al. 2014), in der 72 Patienten mit ausgeprägter Positivsymptomatik, die seit mindestens 6 Monaten keine antipsychotische Medikation einnahmen, zu einer KVT- oder zu einer TAU-Bedingung randomisiert wurden. Die primäre Outcomevariable war auch hier die PANNS, die in 3-Monats-Abständen zwischen 3 und 18 Monaten nach der Therapie erhoben wurde. Die mittleren PANSS-Werte waren in der KVT-Gruppe konsistent niedriger als in der TAU-Gruppe, mit einer durchschnittlichen Effektstärke im kleinen bis moderaten Bereich (Cohens’ d = 0,46). Diese Studie deutet darauf hin, dass KVT bei Patienten, die eine antipsychotische Medikation verweigern, eine sinnvolle Alternative darstellen könnte.
Familieninterventionen
Während des Rollenspiels gibt der Therapeut gezielte Hilfestellungen, zum einen in Form direkter Instruktionen („Fragen Sie Ihren Sohn, welche konkrete Situation er meint“), zum anderen durch kurze Hinweise während der Übungen, wie etwa „lauter sprechen“. Ziel ist, dass die Familienmitglieder den Hinweis aufgreifen. Beachten die Beteiligten die erwünschten Regeln, wird dies durch den Therapeuten unmittelbar während des Gespräches verstärkt. Nach dem Rollenspiel ermuntert der Therapeut einen Angehörigen dazu, dem Rollenspieler eine spezifische positive Rückmeldung zu geben und/oder gibt sie selbst (Hahlweg et al. 2006).
In der nächsten Sitzung steht das Äußern von Wünschen im Mittelpunkt. Häufig wird der Wunsch eines Familienmitglieds, ein anderes Familienmitglied möge sein Verhalten ändern, entweder gar nicht oder aber in Form von Forderungen bzw. Anschuldigungen ausgesprochen. Der Therapeut arbeitet darauf hin, ungünstige Kommunikationsstile in Form von Vorwürfen, Drohungen und destruktiver Kritik durch das spezifische Äußern von Bitten zu ersetzen. Er zeigt zunächst anhand von Beispielen die Wirkung negativer Wunschäußerungen auf und übt dann eine konstruktive Form des Bittens ein, die die im vorherigen Überblick aufgeführten Kommunikationsregeln beinhaltet. Ferner wird das spezifische Ausdrücken negativer Gefühle eingeübt, dem gerade vor dem Hintergrund der Dimension „Kritik“ des Expressed-Emotion-Konzeptes eine wichtige Bedeutung zukommt. Im Training wird geübt, diese negativen Gefühle angemessen auszudrücken, sodass sie nicht in einen Eskalationszirkel führen, der dem Klima in der Familie langfristig schadet. Durch den Transfer in den Alltag und die Anwendung in der Familie können eine Reihe problematischer Situationen im gemeinsamen Gespräch gemeistert werden, die sonst möglicherweise zu belastenden Auseinandersetzungen geführt hätten.
Themen für das Problemlösetraining sind neben Schwierigkeiten im Umgang mit dem Patienten und dessen Symptomatik auch spezifische Schwierigkeiten der Angehörigen wie Konflikte zwischen den Eltern oder die Bewältigung von Stigmatisierung.
Das Problemlösetraining beginnt mit der Klärung eng umgrenzter Probleme, die das Erlernen der Problemlösestruktur erleichtern und kann dann zunehmend auf komplexere Probleme übertragen werden. Im Verlauf des Problemlösetrainings delegiert der Therapeut so früh wie möglich die Gesprächsleitung an die Familienmitglieder. Mit anfänglich engmaschigeren Therapiesitzungen und später einem allmählichen Ausschleichen dieser soll die Familie am Ende in der Lage sein, Problemlösesitzungen eigenständig und eigenverantwortlich durchzuführen.
Fertigkeitentrainings
Von der Beobachtung ausgehend, dass Defizite z. B. in der sozialen Interaktionsfähigkeit, im Problemlösen und in der Informationsverarbeitung (s. nachfolgende Übersicht) insbesondere bei chronisch erkrankten Patienten mit einer schizophrenen Psychose im Vordergrund stehen, dienen solche Trainings, basierend auf dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell, v. a. dem kompetenteren Umgang mit Folgeproblemen der Erkrankung (d. h. durch die schizophrene Störung verloren gegangene Fähigkeiten sollen wieder aufgebaut werden) sowie dem Aufbau von auch prämorbid nicht vorhandenen Kompetenzen. Ursprüngliche Hoffnungen mit der Verbesserung von Fertigkeiten auch direkt die krankheitsspezifische Vulnerabilität und somit die Wahrscheinlichkeit psychotischer Rückfälle zu reduzieren, konnten nicht aufrechterhalten werden. Heute zielen Fertigkeitentrainings v. a. darauf ab, betroffenen Patienten eine bessere Rollenerfüllung im Alltag und damit mehr soziale Teilhabe und
Lebensqualität zu ermöglichen. Sie sind innerhalb einer phasenspezifischen Behandlungsplanung üblicherweise in der postakuten Stabilisierungsphase und in der Remissionsphase angesiedelt (Exner und Lincoln
2012).
Für jeden der verschiedenen Fertigkeitsbereiche existieren eine Reihe verschiedener Trainings, die unterschiedlich spezifisch auf
Schizophrenie zugeschnitten sowie unterschiedlich gut evaluiert sind und deren ausführliche Darstellung den Rahmen dieses Kapitels sprengen würde. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von kombinierten Programmen, die ebenfalls kurze Erwähnung finden werden.
Training sozialer Fertigkeiten
Erste Ansätze im Sinne verhaltenstherapeutischer Interventionen zur Verbesserung der sozialen Adaptation waren sog. Token-economy-Programme, die bei chronisch schizophren erkrankten Patienten eingesetzt wurden (Ayllon und Azrin 1968; Paul und Lentz 1977). Die derzeitigen Programme zur Verbesserung sozialer Fertigkeiten sind jedoch von diesem operanten Verstärkermodus weit abgerückt und ziehen den Patienten aktiv in die Behandlung ein. Aufgrund seiner Ausführlichkeit und Spezifität hervorzuheben ist das soziale Kompetenzprogramm von Bellack et al. (2004), das im Gruppensetting durchgeführt wird und verschiedene Module umfasst, die sich auf diverse Lebensbereiche wie Gestaltung der Freizeit und Kommunikationsfertigkeiten, aber auch auf den Umgang mit Symptomen und Medikamentenmanagement beziehen. In dem Training werden Kompetenzen wie aktives Zuhören oder „Nein sagen“ trainiert (s. Beispiele). Hierfür wird jeweils erarbeitet, wozu diese Fertigkeit relevant ist, und welche konkreten Verhaltensweisen eingesetzt werden sollten.
Empirische Evidenz
In den 1990er-Jahren wiesen Übersichtsarbeiten und
Metaanalysen zur Effizienz der sozialen Trainingsprogramme (z. B. Halford und Hayes 1991; Bellack und Mueser 1993) daraufhin, dass schizophren Erkrankte bei ausreichender Behandlungsdauer verschiedene soziale Fertigkeiten erlernen können. In kontrollierten Studien zum Training sozialer Kompetenzen (z. B. Marder et al. 1996) konnte ein höheres soziales Funktionsniveau belegt werden. Das Ausmaß der Generalisierung ist jedoch je nach Komplexität der jeweiligen Fertigkeit und dem Ausmaß der kognitiven Defizite des Patienten begrenzt und es zeigt sich kein deutlicher Einfluss auf die Rückfallrate. In einer Metaanalyse mit 9 kontrollierten, randomisierten Studien kommen Pilling et al. (2002) zu dem Schluss, dass für das Training sozialer Fertigkeiten kein klarer Wirksamkeitsnachweis im Hinblick auf Rückfallrate, psychosoziale Anpassung oder
Lebensqualität erbracht und dieses Verfahren nicht für die klinische Anwendung empfohlen werden kann. Mueser (2004) kritisiert diese Analyse, da sie nicht die eingeschränkte Datenlage der Studien berücksichtigt und im Widerspruch zu Übersichtsartikeln steht. In einer aktuelleren Metaanalyse (Kurtz und Mueser 2008) mit 22 Studien und insgesamt 1521 Patienten zeigte sich eine große gewichtete Effektstärke für inhalts- und leistungsbasierte Testungen, für das soziale Funktionsniveau und negative Symptome, jedoch geringere Effekte im Hinblick auf andere Symptome und insbesondere die Rückfallrate. Eine jüngere Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass soziale Kompetenztrainings anderen Interventionen im Hinblick auf die Reduktion von Negativsymptomatik sogar überlegen seien (Turner et al. 2014).
Kognitive Remediation/kognitive Trainings
Therapeutische Angebote zur Behandlung kognitiver Störungen gehen von der Annahme aus, dass eine verbesserte kognitive Leistungsfähigkeit sowohl die Informationsverarbeitung und Problemlösung bei sozialen und berufsbezogenen Aufgaben direkt verbessert, zum anderen auch die weitere Rehabilitation komplexer sozialer Fertigkeiten vorbereitet und ermöglicht (Exner und Lincoln
2012). Die therapeutischen Angebote sind sowohl hinsichtlich ihrer begrifflichen Bezeichnung als auch hinsichtlich der verwendeten Behandlungsmethoden sehr heterogen. Es finden sich einerseits Therapieansätze, die direkt durch Übung oder Vermittlung von Kompensationsstrategien die kognitive Leistungsfähigkeit steigern sollen. Für diese Ansätze lassen sich die Begriffe kognitives Training, kognitive Remediation, kognitive Rehabilitation oder
neuropsychologische Therapie relativ synonym verwenden. Andererseits existieren auch Behandlungsansätze, die durch eine Gestaltung der Umwelt eher indirekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit einwirken. Durch eine verbesserte Strukturierung der Umgebung und optimale Anregungsbedingungen sollen vorhandene kognitive Defizite kompensiert und dem Patienten seine individuell beste Leistungsfähigkeit ermöglicht werden.
Kognitive Trainingsprogramme für Personen mit
Schizophrenie basieren häufig auf Techniken der Funktionsrestitution für kognitive Defizite, die bei der Rehabilitation von hirngeschädigten Patienten entwickelt wurden. Auf dem deutschsprachigen Markt stehen verschiedene Materialien für das übungsbasierte Training von kognitiven Funktionen zur Verfügung (Überblick bei Exner und Lincoln
2012), die entweder mit Papier-und-Bleistift-Materialien oder mit computergestützt dargebotenen Übungsserien arbeiten. Letztere haben den Vorteil eines adaptiven Vorgehens, das die nächste vorgegebene Übung an den bereits erreichten Schwierigkeitsgrad anpasst. Die Evidenz für die verschiedenen Programme ist sehr unterschiedlich.
Das Problem bei rein übungsbasierten Verfahren, die eine oder mehrere kognitive Funktionen anhand artifizieller Aufgaben trainieren, bleibt die mangelnde Übertragbarkeit auf konkrete und wechselnde Aufgabenstellungen im Alltag. Häufig werden sie zudem „paketartig“ verordnet, ohne dass eine diagnostische Überprüfung der individuellen kognitiven Schwächen und Stärken erfolgt und Bezüge zu übergeordneten Rehabilitationszielen hergestellt werden (Exner und Lincoln
2012). Komplexere kognitive Remediationsprogramme verfolgen daher stärker individualisierte Ansätze und vermitteln auch übergeordnete kompensatorische Strategien. Hilfreiche kognitive Strategien, die den Patienten vermittelt werden können, sind z. B. Merkstrategien für die Einspeicherung von neuen Lerninhalten wie Wiederholung, Visualisierung und semantische Elaborationsstrategien sowie Techniken der Selbstinstruktion, die sowohl exekutive Prozesse bei der Problemlösung als auch die emotionale Regulation während schwieriger Aufgabenstellungen fördern können. Ein Beispiele für ein strategie- und kompensationsorientiertes Programm ist das NEAR-Programm (Neuropsychological Educational Approach to Cognitive Rehabilitation) von Medalia et al. (Überblick bei: Medalia et al. 2009).
Bessere Effekte lassen sich ersten Arbeiten zufolge durch Interventionen in der Umwelt des Patienten erzielen. Das Cognitive-Adaptation-Training (CAT)-Programm von Velligan et al. (2008) setzt ausschließlich auf die Kompensation kognitiver und motivationaler Defizite durch individuelle externe Hilfsstrategien, z. B. Hinweisreize und Listen. Die jeweils gewählte Kompensationsstrategie orientiert sich dabei am Ausmaß exekutiver und motivationaler Defizite, die die Patienten bei der Auswahl, Initiierung und Strukturierung von Verhaltensweisen zeigen. Trainer besuchen dazu die Patienten auch in ihrer häuslichen und Arbeitsumgebung und suchen mit den Betroffenen nach pragmatischen, gut umsetzbaren Lösungen (Exner und Lincoln
2012).
Die Durchführung des Programms wird für Patienten in unterschiedlichen Stadien der Erkrankung empfohlen. Allerdings gehen die Autoren davon aus, dass bei stärker chronifizierten Patienten ggf. eine längere Motivierungsphase und eine größere Intensität des Programms nötig sind. Empfohlen werden i. d. R. in Gruppen von 4–8 Patienten 2- oder 3-wöchentlich durchgeführte Therapiesitzungen von 60–90 min über einen Zeitraum von 6–24 Monaten, wobei je nach den vorhandenen Defiziten eine Auswahl der Behandlungskomponenten zu treffen ist.