Die neuen Bildschirmtechnologien bringen Chancen mit sich und bergen aber auch Risiken. Das können bekannte wie auch völlig neue unbeabsichtigte und unvorhergesehene Risiken sein (siehe Computerspielabhängigkeit). Es ist meist nicht die Technologie selbst, sondern die Art und Weise, wie diese eingesetzt wird, welche über die Balance von Chancen und Risiken entscheidet. Wichtig ist, in welcher Altersgruppe, in welchem zeitlichen Umfang, mit welchen Inhalten und mit welchen Zielen Bildschirmmedien genutzt werden.
Möchte man Medienwirkung verstehen und in eine sinnvolle Medienerziehung umsetzen, ist es essenziell, sich am Kind und dessen entwicklungsphasenabhängigen Bedürfnissen für eine gesunde Entwicklung zu orientieren.
Risiken – Verschiedene Problemdimensionen der Mediennutzung
Wie aber erklären sich diese negativen Zusammenhänge? Sie werden erst verständlich, wenn man drei verschiedene Problembereiche der Bildschirmmediennutzung
berücksichtigt, nämlich den zeitlichen Umfang, die genutzten Inhalte sowie die Ziele der Bildschirmmediennutzung (Bleckmann und Mößle
2014). Zu beachten ist dabei, dass die Ausstattung von Kinder- bzw. Jugendzimmern mit eigenen Bildschirmmediengeräten sich als stark gekoppelt mit inhaltlich, zeitlich und auch funktional problematischer Nutzung erweist (Mößle
2012).
Zeit. Die derzeit vorherrschende Hypothese zur Erklärung, warum der frühe Bildschirmmedienkonsum sich derart schädlich auf die körperliche, seelische und geistige Entwicklung auswirkt, ist die Verdrängungs-Hypothese (z. B. Ennemoser und Schneider
2007). Der Bildschirmmedienkonsum raubt dem Kind schlicht Zeit für diejenigen Tätigkeiten, die für seine gesunde Entwicklung elementar sind: Erholung,
Schlaf, Bewegung. Die zeitliche Verdrängung ist dabei unabhängig davon, um welches Bildschirmmedium es sich handelt: Tablet, Fernseher, Computer, Spielkonsole, Smartphone oder sonstige. Vor diesem Hintergrund rät die American Academy of Pediatrics (
2011) von einer Bildschirmnutzung bei Kindern unter zwei Jahren grundsätzlich ab. Ennemoser und Schneider (
2007) konnten für die Altersgruppe der 6- bis 7-Jährigen eine Beeinträchtigung der Leseleistungen bereits bei über 45 Minuten täglicher Fernsehdauer belegen. In Deutschland lag die durchschnittliche tägliche Fernsehnutzungszeit der 6- bis 7-Jährigen 2018 bei 71 Minuten (Feierabend et al.
2018), sodass bei einem gewissen Anteil dieser Kinder nach diesem Kernkriterium von einer problematischen Mediennutzung ausgegangen werden muss. Im Jugendalter kann die nachteilige Wirkung von Bildschirmmedien im Leistungsbereich primär über Prozesse der Zeitverdrängung und über eine dysfunktionale Nutzung (siehe unten) erklärt werden, welche die Schule mit ihren Herausforderungen in den Hintergrund rückt (Rehbein et al.
2010a).
Inhalt. Die negativen Effekte treten zusätzlich verstärkt bei ungeeigneten Inhalten wie z. B.
Gewalt oder anderen nicht kindergeeigneten Inhalten wie z. B. Werbung für hochkalorische Produkte auf. Aber auch bei ungeeigneten Darbietungsformen wie hoher Reizdichte durch grelle Farben, schnelle Bildwechsel oder intensive Geräuscheffekte (Lillard und Peterson
2011) können schädliche Wirkungen auftreten, jedenfalls für jüngere Kinder. Werden Altersempfehlungen wie z. B. der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) nicht eingehalten, kann dies als inhaltlich problematische Nutzung erachtet werden. Höhere Altersfreigaben (z. B. USK 16, USK 18) werden vor allem aufgrund von gewalthaltigen und pornografischen Inhalten vergeben. Darunter fallen dann etwa 36 % der 6- bis 13-jährigen Kinder in Deutschland, wobei Jungen deutlich häufiger angeben, altersinadäquate Inhalte zu nutzen (Feierabend et al.
2018). Bei den 12- bis 13-jährigen Kindern gab sogar jeder Zweite an, Computerspiele zu spielen, die eigentlich nicht für sein Alter freigegeben waren. Interessant ist, dass die Kinder zu rund einem Drittel (31 %) angeben, diese Spiele von ihrer Mutter bekommen zu haben und zu einem Fünftel (19 %) von ihrem Vater (Feierabend et al.
2018).
Im Zusammenhang mit möglichen Wirkungen insbesondere gewalthaltiger Medien wird in verschiedenen Studien über die Abstumpfung
gegenüber
Gewalt sowie einer Reduzierung der Mitleidsfähigkeit
beim Anblick realer Gewalt berichtet (für einen Überblick Mößle
2012). Eine Abstumpfung für mediale Gewalt lässt sich dabei beschreiben als eine langfristige Veränderung zugrunde liegender Informationsverarbeitungsprozesse im Sinne einer allmählichen Abschwächung bzw. Löschung kognitiver, emotionaler und verhaltensbezogener Reaktionen auf die in Computerspielen spielerisch vermittelten Gewalthandlungen.
Aggression und Gewalt erscheinen in Folge auch auf normativer Ebene zunehmend als legitimes und für die Zielerreichung wirksames Mittel (Krahé et al.
2011).
Im Hinblick auf weitere nicht kindergeeignete Inhalte, wie z. B. Werbung für hochkalorische Produkte, konnte ein Einfluss insbesondere der Werbung auf eine ungesunde Ernährungswahl, d. h. besonders hochkalorische aber ansonsten nährwertarme Nahrungsmittel, in zahlreichen Überblicksartikeln und Reviews belegt werden; oft wurde dabei insbesondere auf daraus zu ziehende politische Folgerungen und Handlungsrichtlinien zur Vermeidung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen hingewiesen (Hastings et al.
2007; McGinnis et al.
2005). Auch die Darstellungen von Nahrung und Körpergewicht in den Unterhaltungsmedien können zu ungesünderen Ernährungsweisen bei Kindern und Jugendlichen führen.
Funktion. Wenn von problematisch im Sinne der Funktion gesprochen wird, kann zunächst jegliche Instrumentalisierung des kindlichen Medieneinsatzes durch die Eltern zu Betreuungs- oder Erziehungszwecken darunter verstanden werden: zum Einsatz als Kinderbetreuungsmittel (Fernsehen als Babysitter), zum Einsatz als Strafe oder zum Einsatz als Belohnung. Die Verhaltensforschung zeigt, dass wiederkehrende Medienhandlungen, wie zum Beispiel Fernsehen, die Nutzung von Apps oder Computerspiele spielen etc., zu starren Gewohnheiten werden können. So sehen Kinder später umso mehr fern, je mehr sie dies auch schon früher getan haben (Hancox et al.
2004). Fernseh-Exposition in den ersten vier Lebensjahren geht auch mit stärkeren Protesten beim Ausschalten des Fernsehers in späteren Jahren einher (Christakis und Zimmerman
2006). Nimmt man die elterliche Instrumentalisierung als Kriterium einer funktional problematischen Nutzung, können im Vorschulalter ca. 44 % der Kinder derart klassifiziert werden, da ihre Eltern Sie fernsehen lassen, wenn sie Zeit für etwas anderes brauchen; etwas höher liegen die Werte für den Einsatz von Fernsehentzug als Sanktionsmittel (Feierabend und Klingler
2009).
Vor dem Hintergrund einer funktional problematischen Nutzung ist auch die Stimmungsregulation von Bedeutung. Werden zur Stimmungsregulation
, d. h. zum Abschalten von Langeweile, Angst, Ärger, Stress etc. auf Knopfdruck, ausschließlich Medien eingesetzt, ist dies zum Beispiel ein bedeutsamer Risikofaktor zur Entwicklung einer Computerspielabhängigkeit (Bleckmann und Mößle
2014). Nach Auskunft von Jugendlichen stimmen Viel- und Exzessivspieler zur Hälfte, Normalspieler immerhin noch zu einem Viertel der Aussage „Ich spiele bei Stress“ zu (Mößle
2012). Werden realweltliche Sozialkontakte überwiegend durch virtuelle substituiert, ist dies auch problematisch im Sinne der Funktion.
Neben diesen drei Problemdimensionen sollte vor allem bei den jüngeren Kindern zusätzlich noch berücksichtigt werden, ob das Kind einer passiven Mediennutzung ausgesetzt ist, einer sog. background media exposition
. Das Kind befasst sich also nicht selbst mit Bildschirmmedien, sondern es ist in einem Umfeld, in dem Bildschirmgeräte eingeschaltet sind bzw. von anderen Personen verwendet werden (American Academy of Pediatrics
2011). Je jünger das Kind, desto bedeutsamer ist diese Hintergrund-Exposition, da diese z. B. bedingt durch die Smartphonenutzung der Eltern mit einer Abnahme von Blickkontakt und einem Rückgang des sprachlichen Austausches zwischen Eltern und Kindern verbunden ist (Radesky et al.
2015).
Chancen – Steigerung der Aufmerksamkeit durch Action-Videospiele
Nicht nur die letzten Ausführungen zeigen, dass es zwingend notwendig ist, nach dem Alter zu differenzieren, wenn über Medienwirkungen gesprochen wird. Dies trifft insbesondere auch bei der Betrachtung der Chancen zu. Obwohl digitale Medien – insbesondere das Spielen von Computer- und Videospielen – eine weit verbreitete Aktivität bei Kindern und Jugendlichen darstellt, gibt es bisher nur wenige Studien, die sich mit dem Einfluss von Videospielen auf kognitive oder perzeptuelle, geschweige denn neuronale Funktionen bei Kindern und Jugendlichen beschäftigten (aus diesem Grund soll im Folgenden auch stärker auf die einzelnen Studien fokussiert werden). Dies liegt unter anderem auch an ethischen Gesichtspunkten: Zum einen kann das Training mit Videospielen dazu führen, dass Kinder Gefallen am Videospielen finden, somit vermehrt spielen und andere – wichtige – Aktivitäten vernachlässigen (wie z. B. Sport, Lernen). Zum anderen beinhalten manche Spiele nicht altersadäquate Gewaltszenen.
Junge Erwachsene. Studien zeigen z. B. für junge Erwachsene, dass das Training mit Action-Videospielen (First- und Third-Person-Shooter), wie z. B.
„Unreal Tournament“ oder „Call of Duty“ (beide First-Person-Shooter; USK 16 bzw. 18) auch zu unerwarteten positiven Verhaltensänderungen führen kann (Bavelier und Green
2019). Diese Spielszenarien sind gefüllt mit visuellen Ereignissen, die an jeder Ecke auflauern und im Nu erscheinen, begleitet von einer Geräuschkulisse, die man nur sehr schwer ausblenden kann. Um erfolgreich in diesen Szenarien navigieren zu können und das nächste Level zu erreichen, muss der Spieler blitzschnell Entscheidungen treffen, und seinen Aufmerksamkeitsfokus erweitern, um Gefahrenquellen zu erkennen und vorauszusehen. Interessanterweise zeigt das Training mit Action-Videospielen Verbesserungen in perzeptuellen Fähigkeiten und zeitlicher Wahrnehmung. Darüber hinaus demonstrieren Trainingsstudien mit Action-Videospielen eine verbesserte selektive räumliche, zeitliche und objektzentrierte Aufmerksamkeit. Außerdem zeigte sich ein Leistungsanstieg in perzeptueller Entscheidungsfindung, Aufgabenwechsel und mentaler Rotation. Bisher wurden Transfereffekte des Videospielens hauptsächlich für die visuelle Modalität dokumentiert; wenige Studien zeigen Effekte im auditiven (Green et al.
2010) oder audio-visuellen Bereich (Donohue et al.
2010).
Was ist aber der zugrunde liegende Mechanismus, der diese Transfereffekte erklärt? Möglicherweise ist es eine verbesserte Aufmerksamkeitskontrolle, welche ein effizienteres Verhalten bei Action-Videospielern erklärt (Bavelier und Green
2019). Konkret bedeutet dies, dass Action-Videospieler in der Lage sind, ihre Aufmerksamkeitsressourcen flexibel einzusetzen und an neue Aufgabenanforderungen anzupassen (Bavelier und Föcker
2015). Dies zeigt sich in einer effizienten Ausrichtung der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit auf Zielreize und einer effizienten Unterdrückung Aufgaben-irrelevanter Reize. Darüber hinaus wird angenommen, dass Action-Videospieler Nicht-Videospielern darin überlegen sind, die perzeptuellen Templates, Regeln und Anforderungen einer Aufgabe zu erlernen (better learning to learn; Bavelier et al.
2012).
Studien, die bildgebende und elektrophysiologische Verfahren einsetzen, können zudem verschiedene neurophysiologische Marker
einer effizienten Aufmerksamkeitskontrolle bei Action- Videospielern demonstrieren. So zeigen sogenannte SSVEP(steady state visual evoked potenzial)-Studien, dass die Amplitude elektrophysiologischer Potenziale bei der Unterdrückung von Distraktoren bei Action-Videospielern stärker reduziert ist im Vergleich zu Nicht-Videospielern (Mishra et al.
2011). Gleichzeitig reagieren Action-Videospieler schneller auf dargebotene Zielreize und zeigen eine höhere Treffergenauigkeit. Weiterführende Studien mit
ereigniskorrelierten Potenzialen veranschaulichen eine frühere Modulation durch Aufmerksamkeit bei Spielern im Vergleich zu Nichtspielern – angezeigt durch die anteriore N1, eine Negativierung, die 100 ms nach Stimulusbeginn auftritt und im Bereich des intraparietalen Sulcus generiert wird (Föcker et al.
2019). Somit scheinen sich neuronale Prozesse bei Action-Videospielern bereits relativ früh von denen der Nicht-Spieler zu unterscheiden. Zugrundeliegende Areale scheinen hier frontoparietale Regionen des Aufmerksamkeitskontrollnetzwerks zu sein.
In der Literatur werden im Wesentlichen zwei Aufmerksamkeitsnetzwerke diskutiert, die eng miteinander zusammenarbeiten (Corbetta et al.
2008). Das Top-Down-Netzwerk und das Bottom-Up-Netzwerk. Top-Down-Kontrolle bezieht sich auf höhere kognitive Mechanismen, wie z. B. die Erwartung, dass ein Zielreiz an einem bestimmten Ort erscheinen wird. Bottom-Up-Prozesse werden hingegen mit der Reorientierung der Aufmerksamkeit hin zu sehr auffälligen Reizen, die z. B. unerwartet auftreten, in Verbindung gebracht. Interessanterweise konnte eine Studie zeigen, dass Action-Videospieler bei steigender Aufgabenschwierigkeit die Top-Down-Aufmerksamkeitsnetzwerke weniger stark rekrutieren als Nichtvideospieler (Bavelier et al.
2012). Gleichzeitig reagieren sie schneller auf bestimmte Zielreize. Die reduzierte Rekrutierung des Aufmerksamkeitsnetzwerkes wird mit einem stärkeren Automatisierungsprozess bei Spielern gleichgesetzt: Videospieler scheinen weniger Kapazitäten zu benötigen, um die gleiche Aufgabe zu lösen, als Nichtvideospieler. Zudem konnte gezeigt werden, dass Action-Videospieler eine höhere Aktivität in Arealen wie z. B. dem Temporal Parietal Junction (TPJ), medialen frontalen Gyrus (MFG) und superioren parietalen Kortex aufzeigen, sobald visuelle Reize auf dem Bildschirm dargeboten werden, welche z. B. eine Neuorientierung der Aufmerksamkeit oder aber eine Unterdrückung von Distraktoren verlangen. Diese erhöhte Aktivität geht mit einer insgesamt verbesserten Leistung in der Unterdrückung von Distraktoren einher (Föcker et al.
2018).
Kinder. Während sich die Mehrzahl der Studien bei jungen Erwachsenen auf Action-Videospiele (First- und Third-Person-Shooter) oder auch andere Genres, wie z. B. Real Time Strategy Games, beziehen (Bediou et al.
2018), wurde in Studien mit Kindern bisher nur selten nach bestimmten Game-Genres klassifiziert. Beitel und Kuhlman (
1992) unterteilten in ihrer Studie 105 7-bis 9-jährige Kinder gemäß ihrer Spielerfahrung in drei Gruppen: Kinder mit keiner, wenig (<2 mal pro Woche) oder hoher Videospielerfahrung (>2 mal pro Woche). Die Kinder sollten durch einen Tastendruck vorhersagen, wann das letzte Licht in einer dynamischen Sequenz von nacheinander aufleuchtenden Lichtern erscheint. Die Kinder mit hoher Videospielerfahrung zeigten höhere Trefferquoten im Vergleich zu Kindern mit wenig oder keiner Videospielerfahrung. In einer Studie von Yuji (
1996) mit 4- bis 6-jährigen Kindern zeigten sich kürzere Reaktionszeiten bei den Videospielern im Vergleich zu den Nicht-Videospielern. Neuere Studien, durchgeführt mit 934 3- bis 7-jährigen Kindern haben sogar einen positiven korrelativen Zusammenhang zwischen fluider Intelligenz (z. B. Problemlösen) und Videospielverhalten zeigen können (Fikkers et al.
2019). Um eine dahinterliegende Kausalität zu untersuchen, führten Subrahmanyam und Greenfield (
1994) Trainingsstudien mit 10,5- bis 11,5-jährigen Kindern durch. Eine Gruppe spielte „Marble Madness“, die sogenannte aktive Kontrollgruppe „Conjecture“ – ein Wortspiel. In der „Marble Madness“-Trainingsgruppe hatten die Kinder die Aufgabe, die Bewegungsrichtungen einer Murmel zu kontrollieren, wobei immer mehr Hindernisse und Gegner auf ihrem Bewegungspfad erschienen. Das Training mit „Marble Madness“ führte zu verbesserten visuo-räumlichen Aufmerksamkeitsleistungen im Vergleich zum Training mit „Conjecture“. In einer weiteren Studie zur räumlichen Vorstellung von De Lisi und Wolford (
2002) trainierten 8- bis 9-jährige Kinder entweder mit „Tetris“ oder mit „Where in the World is Carmen San Diego“ (ein Entertainment-Videospiel). Während sich die beiden Trainingsgruppen im räumlichen Vorstellungsvermögen im Pretest nicht unterschieden, zeigte die „Tetris“-Gruppe im Posttest deutlich bessere Ergebnisse im räumlichen Vorstellungsvermögen als die Kontrollgruppe.
Auch wenn Action-Videospiele
(First- und Third-Person-Shooter) aus ethischen Gründen bisher nicht als Trainingsinstrument bei Kindern eingesetzt wurden, so gibt es einige Studien, die sich dem Einfluss von Action-Videospielen auf kognitive und perzeptuelle Prozesse bei Kindern und Jugendlichen widmen. Trick und Kollegen (
2005) untersuchten die Leistungen von Kindern und Jugendlichen fünf verschiedener Altersgruppen (6, 8, 10, 12 und 19 Jahre) – eingeteilt in Action-Videospieler, Sport-Spieler und Non-Action-Videospieler – in einer Aufgabe zur Aufmerksamkeitsausrichtung auf verschiedene Objekte (Multiple Object Tracking). In dieser Aufgabe werden den Probanden auf einem Bildschirm sich bewegende Spione oder blaue lachende Gesichter dargeboten. Die Versuchsteilnehmer haben die Aufgabe, die lachenden blauen Gesichter zu verfolgen, auch wenn sich nach einer Weile die Objekte nicht mehr von den Spionen unterscheiden. Die Aufgabe der Probanden besteht darin, zu bestimmen, ob das markierte Objekt ursprünglich zu den blauen Objekten oder den Spionen gehört. Action-Videospieler zeigten bessere Leistungen im Vergleich zu den Nicht-Videospielern. Ähnliche Effekte wurden bei weiteren Aufgaben zur Testung von Arbeitsgedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozessen (Al-Gabbani et al.
2014) sowie anderen Aufgaben zur Testung von Aufmerksamkeit wie z. B. Tests zur Messung der Distraktorverarbeitung und Zielreizentdeckung in verschiedenen Exzentrizitäten berichtet (Dye et al.
2009). Während sich frühere Videospieltrainingsstudien mit Transfereffekten im Bereich höherer kognitiver Funktionen wie mentale Rotation oder Aufmerksamkeitskapazität beschäftigen, so zeigte eine Studie mit 4- bis 5-jährigen Kindern auch verbesserte Fähigkeiten, Sinneseindrücke aus verschiedenen Modalitäten (visuell und taktil) zu einem Wahrnehmungseindruck nach einem 10-tägigen Videospieltraining mit Action Mini Games zu integrieren (Nava et al.
2020). In dieser Studie hatten die Kinder die Aufgabe, zwei Holzklötzchen in ihrer Größe zu unterscheiden und zwar entweder, wenn ihnen die Holzklötzchen rein visuell dargeboten wurden, oder nur taktil, oder visuell-taktil. Die Ergebnisse zeigten, dass diejenigen Kinder, die mit Action Mini Videospielen trainiert wurden, besser darin waren, die Klötzchen in ihrer Größe zu vergleichen, als die Kinder in der Non-Action-Videospielgruppe oder der Gruppe, die kein Training erhielt.
Diese durch Training mit Videospielen induzierten positiven Verhaltensänderungen lassen sich therapeutisch sinnvoll einsetzen: Franceschini et al. (
2013) trainierten Kinder mit einer Lesestörung (Dyslexie) mit sogenannten Mini Games („Rayman’s Raving Rabbids“), wobei sie ein Action Game verwendeten und ein anderes Videospiel, das keine Action-Elemente beinhaltete. Nach 12 Stunden Training zeigte die Action-Videospielgruppe Verbesserungen sowohl in visuo-räumlicher Aufmerksamkeit als auch beim Lesen im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein Follow-up-Test, der nach 2 Monaten durchgeführt wurde, zeigte, dass die verbesserten Leistungen in der Action-Videospielgruppe aufrechterhalten werden konnten. Ähnliche Erfolge durch Training mit Action-Videospielen konnten auch im Bereich der visuellen Wahrnehmung berichtet werden, und zwar für Kinder, die unter einer Sehschwäche auf einem Auge leiden (sogenannte Amblyopie-Patienten; Gambacorta et al.
2018). Nach dem Training zeigten sich Verbesserungen in visuellen Funktionen, die auch noch 6–10 Wochen nach dem Training aufrechterhalten werden konnten.