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Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Tanja Legenbauer und Katharina Bühren
Klinisch relevante Formen gestörten Essverhaltens im Kindes- und Jugendalter sind die Anorexia nervosa (AN), Bulimia nervosa (BN), Binge-Eating-Störung (BES) und die neu im DSM-5 verankerten kindlichen Ess- und Fütterstörungen. AN und BN kommen am häufigsten im kinder- und jugendpsychiatrischen klinischen Alltag vor. Gemeinsame Merkmale der Essstörungen sind Veränderungen im Essverhalten, wie z. B. restriktives oder selektives Essverhalten und Essanfälle sowie eine übermäßige Beschäftigung mit den Themen Figur, Nahrung und Gewicht. Epidemiologische Studien zeigen, dass die Inzidenz von Essstörungen in den letzten Jahrzehnten relativ stabil geblieben ist, die Erstmanifestation zunehmend häufiger jedoch in jüngerem Lebensalter erfolgt. Die Entstehung der Essstörung ist multifaktoriell bedingt. Neben genetischen Einflüssen begünstigen soziokulturelle, familiäre und individuelle Besonderheiten deren Entwicklung. Als Methode der Wahl bei der Behandlung gelten psychotherapeutische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie und vor allem bei AN familientherapeutische Interventionen.

Einleitung

Essstörungen stellen eine der häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter dar. Insbesondere die Anorexia nervosa (AN) gilt als Pubertätserkrankung, deren Symptomatik in den letzten Jahren in immer jüngeren Altersgruppen zu finden ist. Darüber hinaus fällt auch der Beginn essanfallsbezogener Störungen wie die Bulimia nervosa (BN) und die Binge-Eating-Störung (BES) in die Adoleszenz. Neben diesen klassischen Essstörungsdiagnosen weisen viele Kinder und Jugendliche einzelne Essstörungssymptome auf. So geben bis zu 25 % der Jugendlichen an, aus Gründen der Gewichtsreduktion Erbrechen zu induzieren. Auch sehr restriktives Essverhalten ohne bedrohliches Untergewicht kann in Form einer ARFID (Avoidant and Restrictive Food Intake Disorder) bestehen und klinische Relevanz erlangen. Gemeinsam ist allen Essstörungen, dass diese veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Essen, Figur und Gewicht beinhalten. Trotz dieser transdiagnostischen Gemeinsamkeiten haben viele Forschungsarbeiten gezeigt, dass es in der Ätiologie und Aufrechterhaltung deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Formen gibt, welchen in der Behandlung Rechnung getragen werden sollte. Daher werden in diesem Kapitel die zwei für das Kindes- und Jugendalter wichtigsten Diagnosen, die AN und BN ausführlich dargestellt, um dem Praktiker zu erlauben, sich einen vertiefenden Überblick über diese einzelnen Störungsbilder zu verschaffen. Angelehnt an die aktuell überarbeiteten Leitlinien (Herpertz et al. 2019) werden zudem die wichtigsten therapeutischen Behandlungselemente beider Störungsbilder und deren Wirksamkeit dargestellt. Darüber hinaus werden die BES sowie die ARFID, welche im DSM-5 bei den Ess- und Fütterstörungen im Kindesalter neu hinzugekommen ist, in einem Abschnitt zu weiteren Störungen des Essverhaltens kurz beschrieben.

Anorexie im Kindes- und Jugendalter

„Beispiel“ Fallbeispiel
Die 14-jährige Sofie stellt sich in Begleitung ihrer Eltern im Rahmen einer kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanzsprechstunde vor. Die Familie berichtet, dass Sofie im letzten Jahr rapide an Gewicht verloren habe. Sie habe bei 1,68 von 60 kg auf knapp 43 kg abgenommen. Trotz des niedrigen Gewichts finde Sofie sich zu dick und weigere sich mittlerweile an den gemeinsamen Familienmahlzeiten teilzunehmen. Begonnen habe die Gewichtsabnahme nach einem Schüleraustausch. Sofie habe angefangen, ihre Nahrungsaufnahme deutlich einzuschränken und Süßigkeiten und sehr fettiges Essen abgelehnt. Zudem habe sie begonnen, zu joggen. Anfangs habe sich die Familie über die Gewichtsabnahme gefreut und Sofie darin unterstützt, da sie mit ihrem Körper nicht zufrieden gewesen sei und schon immer versucht habe, an Gewicht abzunehmen. Mittlerweile sei das Essen zu einem zentralen Streitthema in der Familie geworden und die Eltern seien sich nicht sicher, ob Sofie die Wahrheit darüber sage, was sie wann wie esse. Überhaupt habe sich Sofie sehr verändert – man erkenne das früher lebensfrohe Mädchen kaum wieder. Sofie lerne nur noch und treffe sich kaum noch mit Freunden. Sie sei gereizt und ziehe sich insgesamt von der Familie zurück.
Sofie selbst berichtet, dass ihr Tag davon bestimmt sei, wann sie essen (müsse), wann sie Sport machen und für die Schule lernen könne. Sie schlafe schlecht und fühle sich oft müde und unkonzentriert. Die Noten in der Schule seien aber weiterhin sehr gut, sie sei sehr diszipliniert. Essen bereite ihr Ekel, auch vor ihrem Körper ekele sie sich.

Klinisches Bild

Symptomatik

Die AN ist gekennzeichnet durch ein deutliches Untergewicht in Bezug auf Geschlecht, Größe und Alter. Bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich meist die restriktive Form, d. h. ein Gewichtsverlust oder eine unzureichende Gewichtszunahme während des Wachstums wird vorwiegend durch eine Einschränkung der Nahrungszufuhr oder eine verstärkte körperliche Betätigung erreicht. Typischerweise zeigen Patienten zu Beginn ein selektives Essverhalten, wie beispielsweise die Vermeidung von hochkalorischen Lebensmitteln, Fetten und Kohlenhydraten, und schränken dann zunehmend die Nahrungsmenge ein, z. B. indem einzelne Mahlzeiten weggelassen werden. Häufig zeigen die Patienten im Verlauf zunehmend ritualisiertes Essverhalten, wie z. B. extrem langsames und kleinbissiges Essen. Besonders bei jüngeren Kindern wird gelegentlich auch eine Verweigerung der Flüssigkeitsaufnahme beobachtet. Auch selbstinduziertes Erbrechen oder Missbrauch von Medikamenten, wie Abführmitteln, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika, können bei einer AN zur Gewichtsregulation eingesetzt werden (sog. Purging-Verhalten). Zudem ist häufig eine verstärkte körperliche Aktivität zu beobachten. Dabei ist eine starke, starvationsbedingte psychomotorische Unruhe bei extremem Untergewicht von zwanghaft-exzessivem Sporttreiben oder „Sportsucht“ abzugrenzen.
Die Mangelernährung hat Folgen auf der psychischen und der somatischen Ebene. Da die Erkrankung in den meisten Fällen in der Pubertät und Adoleszenz beginnt, treten die Beeinträchtigungen in einer bedeutsamen Lebensphase auf. Nicht selten kommt es zu einer Verzögerung der Pubertät, einer Stagnation der körperlichen Entwicklung und Minderwuchs sowie zu Verzögerungen in der schulischen und beruflichen Ausbildung.
Meistens besteht eine geringe Krankheitseinsicht, eine ausgeprägte gedankliche Beschäftigung mit den Themen Figur und Gewicht und eine Verkennung des eigenen Untergewichtes sowie der daraus resultierenden gesundheitlichen Gefährdung. Den Patienten gelingt es nicht mehr, ihren Körper objektiv wahrzunehmen. Im Rahmen der sog. Körperbildstörung werden der ganze Körper oder einzelne Körperteile trotz deutlichem Untergewicht als „zu dick“ empfunden.
Während zu Beginn der Gewichtsabnahme durch positive Rückmeldungen aus der Umgebung und einem Gefühl der Kontrolle eher ein euphorischer Gemütszustand vorherrscht, schlägt dies mit zunehmender Starvation meist in Gleichgültigkeit, Reizbarkeit und eine depressive Stimmungslage um. Typisch für den akuten Hungerzustand sind ein rigides Denken, mangelnde Spontaneität, zwanghafte Verhaltensweisen und Tendenzen zur Konfliktvermeidung sowie Schwierigkeiten im Umgang mit negativen Affekten und Selbstwertprobleme.
Auf körperlicher Ebene kommt es zu zahlreichen somatischen Beeinträchtigungen, die das Herz-Kreislauf-System, das endokrinologische System, den Magen-Darm-Trakt, die Knochen, das Gehirn und das Blut betreffen. Die Störung des endokrinen Systems zeigt sich je nach Alter in einem Ausbleiben der Menarche oder Sistieren der Monatsblutung. Die für die AN typischen körperlichen Veränderungen sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Körperliche Veränderungen bei AN (mod. nach Herpertz-Dahlmann 2020, p. 331 und Herpertz-Dahlmann und Dahmen, 2019)
Organsystem
Körperliche Veränderung
Haut
• Trockene, schuppige Haut
• Haarausfall
• Lanugobehaarung
Ödeme
Mund
Speicheldrüsenschwellung
Gastrointestinales System
Verlangsamte Magen-Darm-Motilität und Obstipation
Herz-Kreislauf-System
• Bradykardie
• Hypotonie
Blutwerte
• Blutbildveränderungen (Leukopenie, Anämie, Thrombozytopenie)
Elektrolytstörungen (Hypokaliämie)
• Transaminasen, Amylase, Kreatinin und Harnstoff erhöht
• Gesamteiweiß und Albumin erniedrigt
• Zinkmangel
Endokrinologie
• Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse: erhöhtes Kortisol
• Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse: fT3 erniedrigt, TSH und fT4 normal bis leicht erniedrigt
• Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse: FSH, LH, Östradiol erniedrigt
Leptin erniedrigt
Wachstumshormon erniedrigt
Nervensystem
Pseudoatrophia cerebri mit globaler Verminderung der grauen Substanz und Erweiterung der Liquorräume
Skelett
• Verringerte Knochendichte bzw. Osteoporose
• Minderwuchs
Allgemein
Meist sind die somatischen Veränderungen umso gravierender umso schneller die Gewichtsabnahme erfolgt und umso jünger die Patientin ist. Einige dieser Veränderungen, wie z. B. die Knochendichteminderung oder die Gehirnveränderungen sind teilweise nicht vollständig reversibel. Umso jünger die Patientin, desto schwerwiegender sind möglicherweise die Langzeitfolgen gerade für diese beiden Organsysteme bedingt durch die Minderversorgung in einer besonders vulnerablen Phase der Entwicklung.

Klassifikation

Im deutschsprachigen Raum und in der medizinischen Versorgung wird üblicherweise nach den Diagnosekriterien der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) der World Health Organisation (WHO) diagnostiziert. Die bei Erstellung dieses Kapitels noch bis auf Weiteres gültigen Kriterien des ICD-10 (DIMDI 2019) für die AN beinhalten ein Untergewicht (Unterschreiten der 10. BMI-Altersperzentile bei Kindern und Jugendlichen), eine Körperbildstörung sowie das Vorliegen einer endokrinen Störung (bzw. einer verzögerten Pubertätsentwicklung). Es werden ein Binge-Purging-Typ mit aktiven Maßnahmen zur Gewichtsabnahme (F50.01) von einem restriktiven Typ (F50.00) unterschieden. In der 2013 erschienenen 5. Auflage des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-5) der American Psychiatric Association gibt es gegenüber der Vorgängerversion deutliche Veränderungen, welche auch als wegweisend für die Überarbeitung des ICD gelten. So wurde vor allem auf eine Veränderung der diskriminierenden Sprache im DMS-5 geachtet und die Störung im endokrinologischen System – das Ausbleiben der Regelblutung – als nicht mehr notwendiges diagnostisches Kriterium gestrichen. Zudem entfiel die Einstufung in Subtypen, da die Subtypen als nicht zeitlich stabil gelten und aus klinischer Sicht phasenweise Wechsel beobachtet werden können. Entsprechend wird die Einordnung in Subtypen nun nur noch für die letzten 3 Monate vorgenommen. Des Weiteren bietet das DSM-5 die Einordnung in verschiedene Schweregrade der Störung anhand des Body-Mass-Index. So weist ein BMI ≥17 kg/m2 auf eine leichte Form der AN hin, während ein BMI <15 kg/m2 als extreme Form der AN eingestuft wird. 2019 soll die jetzige Vorlage der 11. Revision des ICD verabschiedet werden und ab 01.01.2022 in Kraft treten. Im Gegensatz zum ICD-10 und dem DSM-5 wird die AN ab einem BMI von <18,5 kg/m2 bzw. ein Unterschreiten der 5. BMI-Altersperzentile vergeben. Die Diagnose wird in Abhängigkeit vom Gewicht unterschiedlich kodiert: Die Diagnose der AN mit deutlichem Untergewicht wird bei einem BMI zwischen 18,5 kg/m2 und 14 kg/m2 bzw. zwischen 5. und 0,3. Altersperzentile bei Kindern und Jugendlichen vergeben (6B80.0), die Diagnose AN mit gefährlich niedrigem Körpergewicht bei Vorliegen eines BMI unter 14 kg/m2 bzw. unter der 0,3. Altersperzentile bei Kindern und Jugendlichen (6B80.1). Zusätzlich ist eine Subtypisierung in einen restriktiven Typ und Binge-Eating/-Purging-Typ mit der zweiten Nachkommastelle möglich. Daneben kann ein unspezifischer Typ kategorisiert werden (6B80.0Z bzw. 6B80.1Z) und die Diagnose einer gewichtsrestorierten AN (6B80.2) vergeben werden für Patienten, die sich im Gesundungsprozess befinden und die vollen Kriterien der Störung nicht mehr erfüllen. Ein vergleichender Überblick über die beschriebenen Klassifikationskriterien gemäß der verschiedenen Klassifikationssysteme findet sich in Tab. 2.
Tab. 2
Diagnostische Kriterien der AN gemäß ICD-10 (DIMDI, 2019), DSM-5 (2018)* und vorläufigem ICD-11-Entwurf (https://icd.who.int/browse11/l-m/en, Zugriff am 27.05.2021)
ICD-10: F50.0
ICD-11: 6B80
DSM-5: 307.1
A. Körpergewicht mindestens 15 Prozent unterhalb der Norm oder BMI <17,5 kg/m2
• Signifikant niedriges Körpergewicht für Größe, Alter und Entwicklungsstand (BMI) <18,5 kg/m2 bzw. BMI unterhalb 5. Altersperzentile.
• Untergewicht nicht auf andere Erkrankung oder Nicht-Verfügbarkeit von Nahrung zurückzuführen
A. Eine in Relation zum Bedarf eingeschränkte Energieaufnahme, welche unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Entwicklungsverlauf und körperlicher Gesundheit zu einem signifikant niedrigen Körpergewicht führt. Signifikant niedriges Gewicht ist definiert als ein Gewicht, das unterhalb des Minimums des normalen Gewichts oder, bei Kindern und Jugendlichen, unterhalb des minimal zu erwartenden Gewichts liegt
B. Gewichtsverlust (oder bei Kindern unzureichende Gewichtszunahme) ist selbst verursacht
• Betroffene zeigen persistierendes Verhaltensmuster, um die Wiederherstellung eines normalen Körpergewichts zu verhindern:
– reduzierte Energieaufnahme/Diätverhalten
– Gegenmaßnahmen wie selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxanzien
– Erhöhung des Energieverbrauchs wie exzessives Sporttreiben
• typischerweise ist dieses verbunden mit Angst vor Gewichtszunahme
B. Ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme oder davor, dick zu werden, oder dauerhaftes Verhalten, das einer Gewichtszunahme entgegenwirkt, trotz des signifikant niedrigen Gewichts.
C. Selbstwahrnehmung als zu „fett“ (Körperschemastörung)
• Das niedrige Körpergewicht oder die Figur sind zentral für die Selbstbewertung
• oder Körpergewicht/Figur werden fälschlicherweise als normal oder sogar übermäßig dick erlebt
C. Störung in der Wahrnehmung der eigenen Figur oder des Körpergewichts, übertriebener Einfluss des Körpergewichts oder der Figur auf die Selbstbewertung oder anhaltende fehlende Einsicht in Bezug auf den Schweregrad des gegenwärtig geringen Körpergewichts
D. Endokrine Störung auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse
 
Codierhinweis: Der ICD-10-CM-Code ist abhängig vom Subtyp (siehe unten)
Bestimme, ob:
(F50.01) Restriktiver Typ: Während der letzten 3 Monate hat die Person keine wiederkehrende Essanfälle gehabt oder kein „Purging“-Verhalten (d. h. selbstinduziertes Erbrechen oder Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder Klistieren) gezeigt. Dieser Subtyp beschreibt Erscheinungsformen, bei denen der Gewichtsverlust in erster Linie durch Diäten, Fasten und/oder übermäßige körperliche Bewegung erreicht wird
E. Bei Erkrankungsbeginn vor der Pubertät: Störung der pubertären Entwicklung einschließlich Wachstum, Brustentwicklung, Amenorrhoe, Genitale (Jungen), die nach Remission häufig reversibel ist
 
(F50.02) Binge-Eating/Purging-Typ: Während der letzten 3 Monate hat die Person wiederkehrende „Essanfälle“ gehabt oder „Purging“-Verhalten (d. h. selbstherbeigeführtes Erbrechen oder Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder Klistieren) gezeigt
  
Bestimme, ob:
Teilremittiert: Nachdem zuvor alle Kriterien für Anorexia Nervosa erfüllt waren, wird Kriterium A (niedriges Körpergewicht) seit einem längeren Zeitraum nicht erfüllt, während entweder Kriterium B (starke Angst vor Gewichtszunahme oder davor, dick zu werden, oder dauerhaftes Verhalten, das einer Gewichtszunahme entgegenwirkt) oder Kriterium C (Störung in der Wahrnehmung der eigenen Figur und des Körpergewichts) weiterhin erfüllt ist
Vollremittiert: Nachdem zuvor alle Kriterien für Anorexia Nervosa erfüllt waren, wird keines der Kriterien seit einem längeren Zeitraum erfüllt.
  
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
Die minimale Ausprägung des Schweregrades wird bei Erwachsenen durch den gegenwärtigen Body-Mass-Index (BMI, siehe unten) oder, bei Kindern und Jugendlichen, durch die BMI-Perzentile bestimmt Die BMI-Spannweiten (siehe unten) stammen aus der Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von Untergewicht für Erwachsene. Für Kinder und Jugendliche sollten die korrespondierenden BMI-Perzentile verwendet werden Der Schweregrad kann höher angesetzt werden, um das Ausmaß klinischer Symptome, den Grad der funktionellen Beeinträchtigung und die Notwendigkeit von Kontrollen zu verdeutlichen
Leicht: BMI ≥ 17 kg/m2
Mittel: BMI 16,00–16,99 kg/m2
Schwer: BMI 15,00–15,99 kg/m2
Extrem: BMI < 15 kg/m2
*Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2018 Hogrefe Verlag

Verlauf

Die Studienlage ist hinsichtlich des Störungsbeginns nicht eindeutig. So berichten beispielsweise Micali et al. (2013) von einem Störungsbeginn zwischen 15 und 19 Jahren, während in einer Studie von Nagl und Kollegen (2016) das kritische Zeitfenster als zwischen 13 und 21 Jahre liegend beschrieben wird. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die AN vor allem eine Pubertätserkrankung ist, deren Erkrankungsrisiko mit dem Eintritt in die Pubertät deutlich ansteigt, während Neuerkrankungen im jungen Erwachsenenalter wesentlich seltener sind. Als prognostisch ungünstig gilt vor allem ein Erkrankungsbeginn vor dem Eintritt in die Pubertät. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an psychosozialen und erkrankungsassoziierten Faktoren, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Bisher existieren allerdings keine prospektiven Untersuchungen, die gezielt Einflussfaktoren auf den Symptomverlauf untersucht haben. In Tab. 3 sind prognostisch relevante und aufrechterhaltende Faktoren aus Beobachtungs- und Interventionsstudien zusammengefasst.
Tab. 3
Zusammenfassende Übersicht prognostisch günstiger und ungünstiger Faktoren für den Verlauf der AN (s. auch Vall & Wade, 2015)
Positive prognostische Faktoren
Negative prognostische Faktoren
geringe Ausprägung von Purging-Verhalten/Impulsivität
Niedrigerer Aufnahme-BMI
Hoher Selbstwert
Lange Erkrankungsdauer
geringere Essstörungspsychopathologie
Höheres Lebensalter (Erwachsene vs. Jugendliche)
Hohe Behandlungsmotivation
Komorbide Depression
Höhere Gewichtszunahme während der stationären Therapie
Ängstlicher Trait
Höherer Entlass-BMI
Hohe körperliche Unzufriedenheit
frühe Symptomverbesserung (Mediator)
Vermeidende Persönlichkeitsstörung
 
Pathologische familiäre Interaktion
 
Unzureichende Gewichtszunahme in der frühen Phase der Behandlung
 
Exzessiv-zwanghaftes Sporttreiben
Der Verlauf der AN erstreckt sich häufig über mehrere Jahre und ist sehr variabel. Bedingt durch Folgen der Mangelernährung und Suizid zeigt die AN von allen psychischen Störungen die höchste Sterblichkeitsrate (ca. 6 %, Arcelus et al. 2011).
Die Prognose von jungen Patientinnen mit Krankheitsbeginn vor dem 17. Lebensjahr scheint in den meisten Fällen günstiger zu sein als von erwachsenen Patientinnen (Herpertz-Dahlmann 2015). In einer Übersichtsarbeit von Steinhausen (Steinhausen 2002), erreichten 60–73 % langfristig ein angemessenes Gewicht.

Differenzialdiagnose und Komorbidität

Wenn Symptomatik, Lebensalter und Geschlecht typisch sind, ist die Diagnose der AN leicht zu stellen. Grundsätzlich gehören jedoch alle Erkrankungen, die mit einer Gewichtsabnahme einhergehen, in das differenzialdiagnostische Spektrum der AN. Hierzu zählen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, Tumore des Zentralnervensystems, endokrinologische Veränderungen, aber auch andere psychiatrische Erkrankungen wie beispielsweise Nahrungsverweigerung im Rahmen einer psychotischen Erkrankung aufgrund eines Vergiftungswahnes oder Appetitminderung und Gewichtsabnahme im Rahmen einer depressiven Erkrankung. Differenzialdiagnostisch relevant ist vor allem die Störung des Körperbildes, die in entsprechendem Ausmaß weder bei der Schizophrenie noch der depressiven Störung auftritt (eine Übersicht findet sich in Tab. 4). In Einzelfällen kann eine Essstörung auch erst im Rahmen einer somatischen Erkrankung manifest werden. Beispielsweise erkranken überzufällig viele junge Patientinnen mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zusätzlich an einer Magersucht.
Tab. 4
Übersicht abzugrenzender Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf eine AN
Somatische Erkrankungen
Magen-Darm-Trakt
• Glutensensitive Enteropathie
• Morbus Crohn
• Colitis ulcerosa
Endokrinologische Ursachen
• Primärer oder sekundärer Hypokortisolismus
• Panhypopituitarismus
• Polyglanduläres Autoimmunsyndrom
• Insulinmangel-Diabetes
Tumoren
• Hypothalamustumoren
• Maligne Tumoren
Chronische Nieren- und Lungenerkrankungen
 
Nebenwirkung von Medikamenten
• z. B. Amphetamine
Psychiatrische Erkrankungen
Schizophrenie
Komorbide psychische Erkrankungen sind häufig bei der AN. Weitestgehend unklar ist allerdings bisher, ob sie Ursache oder Folge der AN oder aber Ergebnis eines gemeinsamen prädisponierenden Faktors sind. Da es aber regelhaft zu einer wechselseitigen Beeinflussung kommt, ist die Erfassung zusätzlicher Störungen und eine Berücksichtigung dieser in der Therapie grundsätzlich angezeigt.
Am häufigsten treten bei Patienten mit AN komorbid Depressionen, Angststörungen und Zwangserkrankungen auf. Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen sind rar, aber die Prävalenzen scheinen ungefähr denen der Erwachsenen zu entsprechen (Bühren et al. 2014). Für eine depressive Störung wird bei der AN eine Lebenszeitprävalenz von 40 % angenommen, dabei scheinen der Starvationszustand und eine mögliche Prädisposition zu depressiven Reaktionen eine Rolle zu spielen. Mindestens eine komorbide Angststörung weisen etwa zwei Drittel der Patientinnen mit einer AN auf. Meist handelt es sich dabei um eine soziale Phobie und häufig lag sie bereits vor Ausbruch der Essstörung vor. Bis zu ein Drittel der Patienten mit AN leiden komorbide an einer Zwangsstörung, männliche Patienten scheinen deutlich häufiger betroffen zu sein. Autismus-Spektrum-Störungen und Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Defizit-Syndrome (ADHS) kommen bei AN-Patientinnen ebenfalls gehäuft vor.

Ätiologie

Bei der AN ist von einer multifaktoriellen Genese auszugehen, d. h. biologische (genetische und neurobiologische), individuelle (persönlichkeitsbedingte und entwicklungspsychologische), soziokulturelle und familiäre Faktoren wirken zusammen (Abb. 1). Dabei sind der Erkrankung vorausgehende Faktoren von solchen zu unterscheiden, die zu einer Auslösung der Erkrankung führen oder deren Aufrechterhaltung begünstigen. Zu den auslösenden Faktoren zählen kritische Lebensereignisse, wie beispielsweise Trennungs- oder Verlusterleben, und körperliche Erkrankungen sowie erhöhte Anforderungen und Leistungsängste. Als aufrechterhaltende Bedingungen gelten insbesondere der restriktive Ernährungsstil, dysfunktionale Bewältigungsstrategien in Problem- und Konfliktsituationen sowie Schwierigkeiten in der Regulation von Emotionen und dysfunktionale kognitive Prozesse.

Genetische und neurobiologische Aspekte

Die Ergebnisse von Zwillings- und Familienstudien sprechen für einen deutlichen genetischen Einfluss auf die Entstehung der AN. Weibliche Angehörige 1. Grades mit familiärer Belastung haben ein ca. 11-fach höheres Risiko, ebenfalls am Vollbild einer AN zu erkranken (Jacobi et al. 2004). Molekulargenetische Untersuchungen deuten darauf hin, dass verschiedene Gene die phänotypischen Merkmale der AN beeinflussen. Eine genomweite Assoziationsanalyse (GWAS) zeigt bei ca. 3500 Patienten einen signifikanten Lokus auf Chromsom 12 und positive genetische Korrelationen mit Schizophrenie, Neurotizismus, Bildungsniveau und Cholesterin, sowie negative Korrelationen mit BMI, Insulin, Glukose und Lipid-Phänotypen. Diese Befunde geben einen Hinweis darauf, dass die AN nicht nur als psychische, sondern auch als metabolische Störung zu werten ist (Duncan et al. 2017).
Im Stadium des akuten Untergewichts werden eine Vielzahl von endokrinologischen Veränderungen (unter anderem Erniedrigung von Leptin und Erhöhung appetitstimulierender Hormone Ghrelin und Agouti related Protein (AGRP)) beobachtet. Unklar ist bisher, ob diese Veränderungen eine Prädisposition für AN oder eine Anpassungsreaktion an akutes Untergewicht darstellen. Es gibt zudem die Überlegung, dass Testosteron eine protektive Funktion innehat. Dies würde eine Erklärung für das 10-fach erhöhte Erkrankungsrisiko bei Mädchen und Frauen darstellen. Einen geringen Einfluss auf die Entwicklung einer AN scheinen dagegen Frühgeburtlichkeit und perinatale Komplikationen zu haben.
Die Ergebnisse von Studien mittels struktureller und funktioneller Bildgebung des Gehirns (PET, strukturelles/funktionelles MRT) zeigen bei bestehendem, akutem Untergewicht globale Reduktionen der grauen Substanz, die mit Gewichtszunahme ganz oder teilweise reversibel sind (Seitz et al. 2016). Es verdichten sich Hinweise, dass besonders Hirnregionen betroffen sind, die mit Belohnung und kognitiver Kontrolle in Verbindung gebracht werden können.

Soziokulturelle Aspekte

Verschiedene Untersuchungen belegen einen Einfluss des westlich orientierten schlanken Schönheitsideals auf die Entwicklung von Essstörungen. Zum einen gibt es Hinweise aus epidemiologischen Studien, welche zeigen, dass die Prävalenz der AN in westlich orientierten Ländern höher ist als in nichtindustrialisierten Ländern (Hoek 2016), zum anderen scheint das Risiko der Erkrankung in Subkulturen, die ein strenges und schlankes Körperideal vertreten, ebenfalls erhöht zu sein. Letzteres trifft beispielsweise auf spezielle Sportarten wie Ballett oder Eiskunstlauf und rhythmische Sportgymnastik, aber auch auf gewichtsbezogene Sportarten wie Ringen, Rudern und ähnliche zu (bspw. Kraus et al. 2018). Darüber hinaus gibt es mannigfaltige Studien, die einen Zusammenhang zwischen körperlicher Unzufriedenheit und Diätverhalten aufzeigen. Bereits im Grundschulalter berichten Kinder mit normalem Körpergewicht von einem Gefühl, zu dick zu sein und damit einhergehend frühen Diäterfahrungen. Insgesamt kann daher davon ausgegangen werden, dass das extreme Schlankheitsideal als prädisponierender Faktor für die Entwicklung von gestörtem Essverhalten oder zumindest einer absichtlichen Reduktion der Nahrungszufuhr gesehen werden kann (Culbert et al. 2015). Es gibt jedoch hinreichend Belege, dass die Auseinandersetzung mit dem schlanken Schönheitsideal allein nicht ausreichend ist, um essgestörtes Verhalten auszulösen. So konnte gezeigt werden, dass zusätzliche Faktoren wie das Ausmaß der Internalisierung des Schönheitsideals und das Ausmaß, mit welchem sich junge Mädchen und Frauen mit anderen vergleichen, einen bedeutsamen Einfluss auf die Auswirkung des Schlankheitsideals auf das Essverhalten haben (Rodgers et al. 2015). Zudem muss bedacht werden, dass auch der Druck aus der Peergroup sowie die Haltung, welche in der Familie zum Schönheitsideal transportiert wird, eine gewichtige Rolle spielen. Zu bedenken ist, dass diese Studien sich alle auf subklinische Ausprägungen wie restriktives Essverhalten beziehen – prospektive Studien, die das soziokulturelle Schlankheitsideal in einen direkten Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für das Vollbild einer AN bringen, fehlen bislang.

Individuelle und entwicklungspsychologische Faktoren

Einige Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmale sind insbesondere für AN-Patienten mit restriktiver Symptomatik typisch und haben sich in Studien als potenzielle Risikofaktoren für die Entwicklung einer Essstörung herausgestellt. Zu nennen sind hier zum einen ein vermindertes Selbstwertgefühl, ein negatives Selbstkonzept, Affektlabilität, eine negative Affektivität sowie ein ängstlich-vermeidender oder zwanghafter Persönlichkeitsstil. Zum anderen lassen sich bei diesen Patienten und auch ihren Angehörigen 1. Grades kognitive Dysfunktionen in Form von hohem Perfektionismus, einer kognitiven Inflexibilität, einer starken Detailorientierung und einer verminderten Fähigkeit zur Interpretation sozio-emotionaler Signale finden.
Da das Ersterkrankungsalter der AN häufig in der Pubertät liegt, werden Schwierigkeiten bei der Bewältigung alterstypischer Entwicklungsschritte wie Auseinandersetzung mit der körperlichen Reifung und der Veränderung des Körperbildes, Identitätsbildung und Autonomieentwicklung als mögliche Auslöser für die Entstehung einer Essstörung angesehen (Gander et al. 2015). Gastrointestinale Probleme und ein gestörtes Essverhalten im Säuglings- und Kleinkindalter prädisponieren ebenfalls für die Entwicklung einer AN (Kotler et al. 2001).

Familiäre Faktoren

Bestimmte familiäre Strukturen und Interaktionen wurden in der Vergangenheit als wesentlicher ätiologischer Faktor von Essstörungen diskutiert. Zu nennen sind hier hohe Norm- und Leistungsorientierung, Überbehütung, Konfliktvermeidung und starker Zusammenhalt innerhalb der Familie. Es wurde postuliert, dass ein solches familiäres Beziehungsfeld die Entwicklung einer stabilen Identität, eines positiven Selbstwertgefühls und Autonomie erschwert. Aktuelle Untersuchungen weisen eher auf einen Zusammenhang zwischen Schwere und Erkrankungsdauer der AN und pathologischen familiären Strukturen hin (Jacobi et al. 2004). Einschränkend ist zudem anzumerken, dass vor allem prospektive Studien in diesem Bereich fehlen und die meisten Untersuchungen an Familien mit bereits erkrankten Kindern durchgeführt wurden. Es ist daher nur eingeschränkt möglich, Aussagen darüber zu treffen, inwiefern die beschriebenen Familienstile Folge oder Ursache für die anorektische Erkrankung sind. Unabhängig davon scheint der familiäre Kommunikations- und Interaktionsstil eine bedeutsame Rolle für die Aufrechterhaltung der Essstörung zu spielen. So zeigen Therapiestudien, dass insbesondere die Familientherapie bei juveniler AN zu den besten Behandlungsergebnissen kommt (bspw. Lock 2015).

Epidemiologie

Die Prävalenzraten für die AN scheinen sich, nach Anstiegen in den 1950er- und 1960er-Jahren, in den letzten Jahrzehnten auf einem stabilen Niveau eingependelt zu haben. So lag die 12-Monats-Prävalenz der AN in der Altersgruppe 15–35 Jahre bei ca. 0,4 % (DSM-5). Zu berücksichtigen ist, dass im internationalen Kontext durch die breitere Fassung der Diagnosekriterien unter der Anwendung der DSM-5-Kriterien ein leichter Anstieg zu verzeichnen ist. Die Lebenszeitprävalenz für AN in europäischen Stichproben wird mit 1–2 % für Frauen angegeben (Keski-Rahkonen und Mustelin 2016). Frauen sind dabei 12-mal häufiger betroffen als Männer. Die AN hat unter allen psychischen Erkrankungen die höchste Mortalitätsrate. In der Adoleszenz sterben mehr Patientinnen aufgrund der AN als an Asthma oder Diabetes Typ 1 (Hoang et al. 2014). Eine große deutsche longitudinale Studie (Fichter und Quadflieg 2016) konnte mit Hilfe von korrigierten standardisierten Mortalitätsratios (SMR, normal = 1,0) zeigen, dass die Mortalität für Magersucht exzessiv erhöht ist (SMR = 5,35).

Diagnostik

Zur Diagnostik der AN gibt es neben der Möglichkeit, die Diagnosekriterien über klinisch-strukturierte Interviewverfahren zu erfassen (bspw. DSM-5-basierte Verfahren wie Kiddie-Sads und Kinder-DIPS), auch die Möglichkeit, ein essstörungsspezifisches Interview durchzuführen (Tab. 5). Für die AN ist dabei insbesondere das Strukturierte Interview anorektischer und bulimischer Störungen (SIAB-EX) zu nennen. Als internationaler Goldstandard gilt zur interviewbasierten Erfassung von Essstörungen das Eating Disorder Examination (EDE), welches ebenfalls in deutscher Übersetzung vorliegt (Hilbert und Tuschen-Caffier 2016). Das EDE gibt es zudem mit Normen für Kinder auch als Selbstberichtsbogen. Es enthält 4 Skalen zur Erfassung der Kernpathologie (essens-, figur- und gewichtsbezogene Sorgen, restriktives Essverhalten) sowie einige Fragen zu objektiven und subjektiven Essanfällen und Gegenmaßnahmen, die zur Validierung der Diagnose herangezogen werden können.
Tab. 5
Übersicht über Testverfahren zur Erfassung der Kernsymptomatik von AN
Testverfahren
Interview/Fragebogenbasiert
Altersbereich
Kiddies-Schedule for Affective Disorders and Schizophrenia
(K-SADS)
Delmo et al., (2001)
Klinisch-strukturiertes Interview zur Erfassung psychischer Störungen (DSM-basierend)
Von 6 bis 18 Jahren
Strukturiertes Inventar für anorektische und bulimische Essstörungen
(SIAB-EX)
Fichter und Quadflieg (1999)
Strukturiertes Interview anorektischer und bulimischer Störungen
Von 12 bis 65 Jahre
Eating Disorder Examination
(EDE)
dt. Übersetzung Hilbert und Tuschen-Caffier (2016)
Klinisch strukturiertes Interview zur Erfassung von Essstörungen
Für Jugendliche und Erwachsene
Children- Eating Disorder Examination
(ChEDE)
Dt. Übersetzung Hilbert (2016)
Selbstberichtsversion des EDE für Kinder
von 8 bis 14 Jahren
Eating Disorder Inventory
(EDI-2)
Dt. Version Paul und Thiel (2004)
Fragebögen zur allgemeinen Essstörungspathologie
Ab 13 Jahren
Contour Drawing Rating Scale
Thompson und Gray (1995)
Dt. Körperskalen
Vocks et al. (2018)
Fragebogen zur Einschätzung der Verzerrung der Körperausmaße
Ab dem Jugendalter
Body Image Checking and Avoidance Questionnaire
(BCAQ)
Legenbauer et al. (2017)
Fragebogen zu körperbezogenem Vermeidungs-, Kontroll- und Rückversicherungsverhalten
Ab 16 Jahren
Anorectic Behavior Observational Scale
(ABOS)
Salbach-Andrae et al. (2009)
Fragebogen für Bezugspersonen
(Erfassung anorexiespezifischen Verhaltens wie Hyperaktivität, restriktives Essverhalten und Gegenmaßnahmen)
Ab 12 Jahren
Darüber hinaus gibt es verschiedenste Fragebögen, die allgemein Essstörungspathologie abbilden. Das gängigste Verfahren mit Normen ab dem Alter von 13 Jahren ist dabei das Eating Disorder Inventory (EDI-2), welches ebenfalls in deutscher, validierter Form vorliegt. Es enthält 11 Subskalen, die neben den Kernsymptomen wie körperlicher Unzufriedenheit und Schlankheitsstreben sowie bulimischem Verhalten die Ausprägung von Perfektionsmus, Askeseneigung, Impulsivität, Angst vor dem Erwachsenwerden, interozeptive Wahrnehmung und interpersonales Misstrauen erfassen.
Neben diesen vor allem auf die kognitiven Verzerrungen und Störungen des Essverhaltens fokussierenden Instrumenten kann noch der Einsatz von sog. Silhouettenskalen empfohlen werden. Diese helfen, eine Einschätzung des Ausmaßes der Verzerrung der Körperausmaße zu erhalten (bspw. Contour Drawing Rating Scale) oder im deutschsprachigen Raum entwickelte und validierte Körperskalen (Vocks et al. 2018). Zuletzt ist durchaus auch die Erfassung von körperbezogenem Vermeidungs- und Kontrollverhalten zu empfehlen, da dieses zur Aufrechterhaltung eines negativen Körperbildes und infolge gestörten Essverhaltens beiträgt. Hierzu kann beispielsweise der im deutschsprachigen Raum entwickelte und validierte Body Image Checking and Avoidance Questionnaire (BCAQ; Legenbauer et al. 2017) eingesetzt werden. Obwohl keine Normen vorliegen, gibt der Fragebogen Aufschluss über das Ausmaß an Vermeidungs- und Kontrollverhaltensweisen und erfasst zudem Rückversicherungsverhalten der Patientinnen. Eine umfassende Übersicht über Fragebögen zur Erfassung verschiedener Facetten der Körperbildstörung findet sich in Steinfeld et al. (2017). Ein Fragebogen, welcher zudem von Bezugspersonen als zusätzliche Informationsquelle ausgefüllt werden und zur Überprüfung des AN-spezifischen Verhaltens wie Hyperaktivität, restriktives Essverhalten und Gegenmaßnahmen herangezogen werden kann, ist die Anorectic Behavior Observational Scale (ABOS; Salbach-Andrae et al. 2009).

Behandlung

Die Behandlung der AN sollte gerade bei Kindern und Jugendlichen möglichst frühzeitig erfolgen, um einer Chronifizierung entgegenzuwirken. Dabei sind neben einer psychotherapeutischen Behandlung auch körperliche und ernährungsbezogene Probleme zu berücksichtigen. Das Ausmaß der körperlichen Gefährdung und psychischen Beeinträchtigung ist ausschlaggebend dafür, ob eine ambulante Psychotherapie ausreichend ist oder eine tagesklinische oder stationäre Behandlung eingeleitet werden muss. Die Therapie der AN sollte immer durch ein multiprofessionelles Team aus Psychotherapeuten, Ärzten, Ernährungsberatern, Ergo- und Physiotherapeuten und Spezialtherapeuten (z. B. Körpertherapeuten) erfolgen. Wenn Schwierigkeiten hinsichtlich Schule, Ausbildung, Beruf oder Wohnsituation bestehen, kann eine zusätzliche sozialtherapeutische Unterstützung sinnvoll sein.

Behandlungssetting

Bei ausgeprägtem Untergewicht werden Patientinnen mit AN in Deutschland bisher vorrangig stationär behandelt. Drohende somatische Dekompensation, Fortschreiten des Gewichtsverlustes trotz ambulanter Behandlung, schwerwiegende andere psychiatrische Erkrankungen oder festgefahrene familiäre Interaktionen stellen Indikationen für eine stationäre Behandlung dar.
Indikationen für eine stationäre Behandlung bei AN (modifiziert nach Herpertz-Dahlmann 2017)
  • Kritisches Untergewicht (<3. BMI-Altersperzentile)
  • Rapide Gewichtsabnahme
  • Komplette Nahrungsverweigerung
  • Dehydration
  • Metabolische Komplikationen (z. B. Elektrolytstörung, erhöhte Leber- oder Pankreaswerte)
  • Kardiologische Komplikationen (z. B. niedrige Herzfrequenz, EKG-Veränderungen)
  • Akute Suizidalität oder schwere psychiatrische Begleitkomplikationen
  • Häufiges Erbrechen
  • Soziale Isolation
  • Festgefahrene familiäre Interaktion
  • Fehlschlagen der ambulanten Behandlung
Da Kinder und Jugendliche auf Grund der fehlenden Krankheitseinsicht für eine medizinisch erforderliche stationäre Behandlung oft wenig motiviert sind, müssen die Sorgeberechtigten Entscheidungen hinsichtlich der durchzuführenden Behandlung bei vitaler Gefährdung übernehmen und oft auch durchsetzen. In Einzelfällen kann eine Behandlung gegen den ausdrücklichen Willen des Patienten erforderlich sein.
Vor allem bei Kindern und Jugendlichen sollte die Notwendigkeit eines Klinikaufenthaltes auf Grund der sehr langen Behandlungsdauer der AN stets kritisch abgewogen und geprüft werden. Eine Herausnahme aus dem sozialen Umfeld erhöht für die häufig ohnehin schon sozial unsicheren Patientinnen das Risiko, den Kontakt zur Peergroup zu verlieren. Andererseits kann eine stationäre Aufnahme sinnvoll sein, um im Rahmen der Essstörung entstandene familiäre Konflikte zu entschärfen und die Patientin vom Schulalltag zu entlasten. Dieser stellt auf Grund der starvationsbedingten emotionalen und kognitiven Einschränkungen gepaart mit einem ausgeprägten Perfektionismus häufig eine Überforderung dar.
Bei somatisch stabilen Patientinnen, für die eine ambulante Therapie nicht ausreicht, kommt ein tagesklinischer Aufenthalt in Betracht. Der tägliche Wechsel zwischen intensiver Behandlung in der Klinik und einer Rückkehr in die Alltagssituation mindert die Nachteile einer längerfristigen Hospitalisierung und ermöglicht trotzdem komplexe Interventionen auf psychischer und körperlicher Ebene einschließlich einer Begleitung bei der Ernährung. Eine deutsche multizentrische, randomisiert-kontrollierte Studie verglich spezialisierte stationäre Behandlung bei Adoleszenten mit AN mit einer dreiwöchigen stationären und anschließenden spezialisierten tagesklinischen Behandlung (Herpertz-Dahlmann et al. 2014). Die stationär-tagesklinisch behandelte Gruppe unterschied sich 12 Monate nach Beginn der Therapie hinsichtlich Gewichtszunahme und Reduktion von Essstörungssymptomen nicht von der stationären Gruppe, zeigte aber stärkere Verbesserungen in Hinblick auf das Wohlbefinden und die psychosexuelle Entwicklung.
Neben der Frage des (teil-)stationären vs. ambulanten Settings stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit gruppentherapeutischer Interventionen, welche vornehmlich im stationären Kontext Anwendung finden. Insgesamt bewährt hat sich – insbesondere hinsichtlich der Behandlung der Schwierigkeiten auf emotionaler, kognitiver und interaktioneller Ebene – eine Kombination von Einzel- und Gruppensetting. Häufig benötigen die Patienten zusätzlich Unterstützung bei der Autonomieentwicklung sowie der Konflikt- und Abgrenzungsfähigkeit.

Behandlungsbausteine

Da die Patientinnen insbesondere im Anfangsstadium der Erkrankung oft fremdmotiviert in die Behandlung kommen, ist die Arbeit an der Motivation der Patientinnen nicht zu vernachlässigen. Die ersten therapeutischen Schritte zielen auf die Bereiche ab, die für die Patientinnen am schwierigsten auszuhalten sind – die Gewichtszunahme und den Aufbau eines ausreichenden, ausgewogenen Essverhaltens. Daher gehört eine ausführliche Psychoedukation zu Entwicklung und Folgen der Erkrankung sowie die Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells inklusive der aufrechterhaltenden Bedingungen zu den ersten therapeutischen Schritten. Unklar ist, inwiefern gezielte Interventionen zur Steigerung der Motivation beispielsweise in Form von speziellen vorgeschalteten Motivational Enhancement Therapiesitzungen zu einem besseren Behandlungsverlauf führen (Dray und Wade 2012).
Das vorrangige Ziel bei Kindern und Jugendlichen mit meist relativ kurzer Krankheitsdauer ist die Wiederherstellung eines für Alter und Größe angemessenen Körpergewichts und das Wiedereinsetzen der Menstruation.
Derzeit existiert allerdings keine einheitliche Empfehlung bezüglich eines Zielgewichtes, als Richtwert wird häufig die 25. BMI-Altersperzentile angegeben (Herpertz-Dahlmann 2015). Dies ist sinnvoll, da die biologischen Folgen der Erkrankung sich erst bei Erreichen eines normalen Körpergewichts zurückbilden. Zudem zeigen empirische Arbeiten, dass ein höheres Entlassgewicht prognostisch günstiger für den weiteren Verlauf ist. Bei der Realimentation sollte die Kaloriensteigerung – z. B. aus Angst vor dem sog. Refeeding-Syndrom – nicht zu vorsichtig gestaltet werden (Madden et al. 2015). Gemäß der Leitlinien sollte in Deutschland im Rahmen einer stationären Behandlung eine Gewichtszunahme zwischen 500 und 1000 g pro Woche und ambulant von 300 g pro Woche angestrebt werden. Angemessene Bewegung scheint zudem nicht nachteilig auf den Gewichtsverlauf zu wirken, wobei die Studienlage noch sehr begrenzt ist (Vancampfort et al. 2014). Nicht zu vernachlässigen ist, dass insbesondere in der Akutphase der Erkrankung möglicherweise zunächst lebensbedrohliche somatische Komplikationen behandelt werden müssen (Tab. 1, medizinische Folgeerkrankungen), bevor mit der therapeutischen Arbeit und dem Gewichtsaufbau begonnen werden kann.
Um eine optimale Gewichtszunahme zu erreichen, sollten die Patientinnen durch eine/n Ernährungsberater/in bei der Veränderung des Essverhaltens unterstützt werden. Die Patientinnen verfügen oft selbst über ein fundiertes Wissen im Bereich Ernährung, können dies im Alltag aber nicht in einer gesunden Form umsetzen. Es sollte ein individualisierter Essensplan bestehend aus 3 Haupt- und je nach Kaloriengesamtplan 2–3 Zwischenmahlzeiten zur Orientierung in der Gewichtszunahmephase erstellt werden. Zusätzlich sollten je nach Therapiesetting gemeinsam mit den Eltern begleitete Essensituationen stattfinden. Alle Leitlinien empfehlen für Kinder und Jugendliche dringend den Einbezug der Eltern/ nahen Bezugspersonen – dies gilt unabhängig vom Setting (Resmark et al. 2019). Da die Familien häufig stark belastet sind, sind in der Anfangsphase der Behandlung neben den Hospitationen bei Essenssituationen regelmäßige Elterngespräche sinnvoll.
Ein zentrales Element in der Behandlung stellt zudem die Veränderung der dysfunktionalen Einstellungen gegenüber Figur/Gewicht und Essen dar. Durch die enge Verbindung zwischen Selbstwert, Figur und Gewicht ist eine Veränderung negativer automatischer Gedanken und Grundannahmen unabdinglich. Hierzu eignen sich standardisierte kognitive Interventionen wie Dialogführung, Pro- und Kontra-Übungen, Kosten-Nutzen-Analysen und ähnliches, um die das restriktive Essverhalten aufrechterhaltenden Überzeugungen (beispielsweise „Schokolade macht dick“, „Wenn ich nicht widerstehe, bin ich ein schwacher Mensch“) zu verändern. Je jünger die Betroffenen sind, desto spielerischer sollte diese Arbeit erfolgen. Insbesondere im stationären Kontext eignet sich zur Prüfung dysfunktionaler Überzeugungen das Gruppensetting. Oft erkennen die Patientinnen ähnliche Einstellungen bei ihren Mitpatientinnen und können so erste Veränderungsschritte gehen. Insbesondere bei der Bearbeitung der Einstellungen zum negativen Körperbild eignet sich das Gruppenformat, da in diesem sehr gut das bestehende soziokulturelle Schlankheitsideal und damit assoziierter Gruppendruck diskutiert werden kann. Darüber hinaus sollte auch an der perzeptiven Verzerrung des eigenen Körpers gearbeitet werden. Dies sollte neben der kognitiven Arbeit auch Spiegel- oder Videoexpositionen beinhalten, während derer eine korrigierte Wahrnehmung der einzelnen Körperteile erfolgt und eine positive Bewertung des Körpers eingeübt wird. Eine ausführliche Darstellung der Übungen zur Verbesserung des Körperbildes findet sich in Vocks et al. (2018) sowie in Legenbauer und Vocks (2015). Aus klinischer Sicht profitieren gerade auch jüngere Betroffene von konkreten, praktischen Übungen auf der Erfahrensebene.
Mit fortschreitender Gewichtsrehabilitation sollten im weiteren Therapieverlauf dann auch komorbide psychiatrische Erkrankungen, wie Depressionen, Ängste und Zwänge, adressiert werden, da diese auch aufrechterhaltende Faktoren darstellen können.
Etwa die Hälfte der jugendlichen, stationär behandelten Patientinnen benötigt mindestens einen erneuten stationären Aufenthalt (Steinhausen et al. 2008). Daher ist eine ausreichende Vorbereitung der Rückführung in den Alltag durch Wochenendbeurlaubungen oder tagesklinische Behandlung notwendig. Das Zielgewicht sollten die Patienten bereits eine Zeit lang gehalten haben. Auch bei Beendigung einer ambulanten Therapie sollten Interventionen im Falle eines Rückfalles mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Sollte die Unterstützung in der häuslichen Situation nicht ausreichend oder nicht gesundheitsförderlich sein, kann die Unterbringung in einer geeigneten Wohngruppe mit spezifischem Konzept für die Betreuung von Patienten mit Essstörungen über den § 35a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelische Behinderungen) in Erwägung gezogen werden.
Kernelemente der Behandlung juveniler AN
  • Gewichtsrehabilition
  • Normalisierung des Essverhaltens
  • Bearbeitung dysfunktionaler Einstellungen zu Körper und Gewicht
  • Bearbeitung der Körperbildstörung
  • Einbezug der Eltern/des Familiensystems
  • Behandlung medizinischer und psychiatrischer Komorbidäten
  • Rückfallprophylaxe

Behandlungsverfahren und Methoden

In den letzten Jahren hat sich die Studienlage zur Wirksamkeit therapeutischer Ansätze bei der AN verbessert. Jedoch gilt dies insbesondere für das Erwachsenenalter, die meisten Studien im Kindes- und Jugendalter beziehen sich auf familientherapeutische Interventionen. Unabhängig von der Ausrichtung ist die Therapie der Wahl die Psychotherapie (Überblick bei Herpertz-Dahlmann et al. 2015). Dabei wird der kognitiven Verhaltenstherapie im Allgemeinen eine gute Wirksamkeit auch bei der Behandlung der AN zugeschrieben. Die CBT-E (Cognitive Behavior Therapy – Enhanced, d. h. „erweiterte“ CBT; Fairburn 2012), eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie, die zusätzlich Sitzungen mit den nahen Bezugspersonen beinhaltet und gute Erfolge in Bezug auf Gewichtszunahme und Essstörungspsychopathologie zeigt, wurde auch in ersten Studien für Patientinnen im Kindes- und Jugendalter überprüft (eine Übersicht s. Legenbauer und Meule 2015).
Wie bereits oben erwähnt, ist die am besten untersuchte psychotherapeutische Behandlung der juvenilen AN die Familientherapie oder familienbasierte Therapie. Es handelt sich dabei um kognitiv-behaviorale Therapieprogramme nach dem Maudsley-Ansatz, welche familiäre Ressourcen aktivieren, um die Verbesserung des kindlichen Essverhaltens herbeizuführen. Sie thematisiert in den Familien aktiv den Umgang mit Gewicht und Essen sowie die für die Adoleszenz typischen Autonomieprozesse. Das Maudsley Family Treatment enthält 3 Behandlungsstufen: Zunächst werden im Rahmen von wöchentlichen Sitzungen über 2–3 Monate Eltern befähigt, den Teufelskreis des gestörten Essverhaltens zu durchbrechen. Dabei werden die Eltern darin unterstützt, die Essstörung getrennt von ihrem Kind zu betrachten und dadurch einen neuen Zugang zum Kind zu finden. Sobald Abstinenz erreicht wird, wird mit Phase 2 begonnen. Im zweiten Schritt wird die Familie in 2-wöchig stattfindenden Sitzungen darin unterstützt, die Kontrolle über das Essen wieder an das betroffene Kind zu übergeben. In der letzten Phase finden monatliche Sitzungen statt, in welchen die Entwicklungsprozesse des Kindes und deren Beeinträchtigung durch die Essstörung thematisiert werden. Auf Grund der existierenden Studien ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer guten Wirksamkeit auszugehen. Neuere Studien zeigen zudem, dass auch Multifamiliensettings gleich gute bis bessere Ergebnisse im Vergleich mit individueller Familientherapie (Eisler et al. 2016) erzielen. Insgesamt zeigt – im Vergleich zur Individualtherapie (Adolescent-focused Therapy, AFT) – die familienbasierte Therapie insbesondere bei jüngeren Patienten besser Ergebnisse.
Neben den spezifischen familientherapeutischen Ansätzen gibt es empirische Hinweise auf die Wirksamkeit einer unspezifischen, supportiven Therapie, welche ein fundiertes, klinisches Management durch einen Essstörungsspezialisten mit Fokus auf Psychoedukation, Essverhalten und Gewicht (Specialist Supportive Clinical Management, SSCM) beinhaltet (Zeeck et al. 2018).
Zudem liegen Studien zu Kindern und Jugendlichen mit AN vor, die basierend auf den Defiziten in der kognitiven Flexibilität und der starken Detailorientierung (lack of coherence), neuere therapeutische Herangehensweisen überprüft haben. Dazu gehört die kognitive Remediationstherapie (Cognitive Remediation Therapy, CRT), welche zum Ziel hat, kognitive Funktionen durch verschiedene Ansätze wie Übungen, Verhaltensexperimente und meta-kognitive Elemente zu verbessern (Dahlgren und Rø 2014). Wenngleich erste Hinweise auf einen positiven Effekt hinsichtlich Lebensqualität und Essstörungssymptomatik gefunden wurden (Dingemans et al. 2014), muss der klinische Nutzen für Betroffene im Kindes- und Jugendalter noch weiter untersucht werden.
Übersicht der Therapiemethoden mit empirisch fundiertem Wirksamkeitsnachweis
  • Cognitive Behavioral Therapy – Enhanced (CBT-E)
  • Familientherapie/Maudsley familienbasierter Ansatz
  • Spezialisiertes, supportives klinisches Management
  • Kognitive Remediationstherapie
Für die Wirksamkeit einer medikamentösen Behandlung der akuten AN im Kindes- und Jugendalter liegen keine empirischen Daten vor. In Einzelfällen kann bei starker motorischer Unruhe oder hoher Ängstlichkeit eine Behandlung mit einem niedrigdosierten atypischen Neuroleptikum (z. B. Olanzapin 2,5–5 mg) hilfreich sein (Robinson und Rhys Jones 2014). Im weiteren Verlauf sollte bei starker Ausprägung von psychischen Komorbiditäten (z. B. depressive, ängstliche oder zwanghafte Symptomatik) trotz Gewichtsrehabilitation über eine pharmakologische Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nachgedacht werden.

Bulimie im Kindes- und Jugendalter

„Beispiel“ Fallbeispiel
Julia ist 16 Jahre alt. Sie berichtet, dass sie seit dem 13. Lebensjahr an Essanfällen leide. Sie habe mittlerweile fast täglich Essanfälle, während derer sie heimlich große Mengen esse. Meistens handele es sich dabei um sonst „verbotene“ Lebensmittel wie Schokolade, Kuchen und Eis, manchmal esse sie auch salzige Sachen wie Fleisch oder Pommes, Pizza oder Nudeln. Nach den Essanfällen erbreche sie sich aus Angst vor einer Gewichtszunahme. Sie versuche, durch Sport und „gesunde“ Ernährung außerhalb dieser Essanfälle, ihr Gewicht zu kontrollieren. Sie esse eigentlich gerne und müsse sich immer sehr zusammennehmen, um nicht zu viel zu essen. Insbesondere in Stress und Anspannungssituationen oder wenn sie alleine zu Hause sei, komme es vor, dass sie die Kontrolle über das Essen verliere und dann alles esse, was sie in die Finger bekäme. Hinterher schäme sie sich sehr und nehme sich vor, dass dieser Kontrollverlust nicht wieder vorkomme. Anfangs habe sie nur erbrochen, wenn sie das Gefühl gehabt habe, zu viel gegessen zu haben. Das sei nicht sehr häufig vorgekommen und es habe auch Phasen gegeben, in denen sie sich weder überessen noch erbrochen habe. Vor gut einem Jahr habe sie dann eine Diät durchgeführt zusammen mit ihrer Mutter und anfangs habe sie damit auch gut abgenommen. Sie habe angefangen, vermehrt Sport zu machen und sehr positive Rückmeldungen von anderen bekommen. Sie sei vorher eher pummelig gewesen, ihre Mutter und ihre Schwestern seien übergewichtig. Diäten seien in ihrer Familie immer schon Thema gewesen und auch sie selbst habe schon früher Diäten durchgeführt. Ihr Vater sei dagegen normalgewichtig. Sport sei für ihn sehr wichtig.

Klinisches Bild

Symptomatik

Auch bei der BN besteht der Wunsch nach Gewichtsabnahme und eine übertriebene Beschäftigung mit Figur und Gewicht; beides einhergehend mit einer überragenden Bedeutung des eigenen Aussehens für das Selbstwertgefühl. Das Hauptmerkmal der BN jedoch ist das wiederholte Auftreten von Essanfällen, bei denen in kurzer Zeit ungewöhnlich große Nahrungsmengen unkontrolliert verschlungen werden. Während der Essanfälle werden meist leicht verfügbare süße und hochkalorische Nahrungsmittel präferiert, die normalerweise vermieden werden. Solche Essanfälle dauern bis zu 2 Stunden und finden im Geheimen statt. Es werden ca. 3000–4000 kcal konsumiert und die Patientinnen fühlen sich den Essanfällen gegenüber häufig ausgeliefert. Sie verlieren die Kontrolle und können nicht aufhören zu essen, bis ein unangenehmes Völlegefühl erreicht ist. Als Auslöser für Essanfälle gelten z. B. ein stark gezügeltes Essverhalten zwischen bzw. außerhalb der Essanfälle (Zunker et al. 2011) oder negative Affekte (Haedt-Matt und Keel 2011). Auf die Essanfälle folgen aus Angst vor einer Gewichtszunahme meistens selbstinduziertes Erbrechen, aber auch andere kompensatorische Verhaltensweisen, wie exzessiver Sport, Missbrauch von Laxantien oder Schilddrüsenhormonen. Einige Patienten mit komorbidem Diabetes mellitus regulieren ihr Gewicht über eine reduzierte Einnahme der verschriebenen Insulindosis (Insulin-Purging).
Durch die Mangelernährung kommt es auch auf körperlicher Ebene zu einigen Veränderungen. Zum größten Teil entsprechen sie denen der AN (Tab. 1). Spezifisch für die BN sind somatische Folgeerscheinungen, die mit dem Erbrechen in Zusammenhang stehen, wie ausgeprägte Karies, Ösophagitis, Speicheldrüsenschwellung und Schwielen an den Fingern und Läsionen an den Handrücken, die durch wiederholtes Auslösen des Würgereflexes entstehen. Auf Grund des Kaliumverlustes durch das häufige Erbrechen kommt es nicht selten zu einer Hypokaliämie, die wiederum zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann.

Klassifikation

Die für den deutschsprachigen Raum gültigen internationalen Diagnosekriterien des ICD für die BN sind in Tab. 6 dargestellt. Sie beinhalten drei Kernkriterien, welche sich 1. auf Essanfälle mit Verzehr einer allgemein als groß anzusehenden Nahrungsmenge innerhalb einer kurzen Zeitspanne, 2. den anschließenden Einsatz gegensteuernder Maßnahmen, um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, und 3. eine Körperbildstörung beziehen. Häufigkeit und Zeitdauer der Essanfälle zur Diagnoseerfüllung werden im ICD-10, im Gegensatz zum DSM nicht operationalisiert, ebenso fehlt die explizite Erwähnung eines Kontrollverlusts. Für die Diagnosestellung wird im DSM-5 eine durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von mindestens 1 Essanfall pro Woche in den letzten 3 Monaten verlangt. Anhand der Häufigkeit des Vorliegens gegenregulatorischer Maßnahmen kann im DSM-5 zudem der Schweregrad der Erkrankung bestimmt werden: Als leichte Form gelten im Durchschnitt 3-mal wöchentliche Gegenregulationen, als mittelgradig tägliche, als schwerwiegende Störung werden 8–13 Gegenmaßnahmen pro Woche gewertet und als extrem ausgeprägt durchschnittlich Gegenmaßnahmen die mindestens 2-mal pro Tag ausgeführt werden. Die im DSM-IV enthaltenen Subtypen („purging“ bzw. „non-purging“) wurden gestrichen. Ähnlich wie bei der AN wird es bei der Überarbeitung der Kriterien der ICD in der 11. Revision eine Annäherung an das DSM geben. Kontrollverlust und Zeitkriterium werden im Gegensatz zur ICD-10 aufgenommen. In der aktuell online einsehbaren Beta-Version liegt ersteres bei durchschnittlich einem Essanfall pro Woche im vergangenen Monat.1 Eine vergleichende Übersicht der diagnostischen Kriterien zur BN ist in Tab. 6 dargestellt.
Tab. 6
Vergleich der diagnostischen Kriterien für BN basierend auf ICD-10, ICD-11 und DSM-5
ICD-10
(F50.2)
ICD-11-Kriterien
(6B81)
DSM-5-Kriterien*
(307.51)
A. Andauernde Beschäftigung mit Essen und Heißhungerattacken, bei denen große Mengen Nahrung in kurzer Zeit konsumiert werden
Essanfall gekennzeichnet durch Kontrollverlusterleben während des Essens
• Betroffene isst mehr oder anders als üblich
• Schwierigkeiten, mit Essen aufzuhören oder Nahrungszufuhr einzuschränken
A. Wiederholte Episoden von Essanfällen. Ein Essanfall ist durch die folgenden beiden Merkmale gekennzeichnet:
1. Verzehr einer Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum (z. B. innerhalb eines Zeitraums von 2 Stunden), wobei diese Nahrungsmenge erheblich größer ist als die Menge, die die meisten Menschen in einem vergleichbaren Zeitraum unter vergleichbaren Bedingungen essen würden.
2. Das Gefühl, während der Episode die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren (z. B. das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können oder keine Kontrolle über Art und Menge der Nahrung zu haben)
B. Gewichtskontrolle durch gegensteuernde Maßnahmen wie selbstinduziertes Erbrechen, Laxanzienabusus, Fasten
• Wiederholtes unangemessenes Kompensationsverhalten zur Verhinderung von Gewichtszunahme (z. B. selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, anstrengende Bewegung)
B. Wiederholte Anwendung von unangemessenen kompensatorischen Maßnahmen, um einer Gewichtszunahme entgegenzusteuern, wie z. B. selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder anderen Medikamenten, Fasten oder übermäßige körperliche Bewegung
 
• Häufige, wiederkehrende Essanfälle (mindestens 1x/Woche über mind. 1 Monat)
C. Die Essanfälle und die unangemessenen kompensatorischen Maßnahmen treten im Durchschnitt mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monaten auf
C. Krankhafte Furcht zu dick zu werden, Eigenwahrnehmung als zu „fett“
• Selbstwahrnehmung beeinflusst durch übermäßige Beschäftigung mit Körperform/Gewicht
D. Figur und Körpergewicht haben einen übermäßigen Einfluss auf die Selbstbewertung
 
• Kein signifikantes Untergewicht, diagnostische Kriterien der AN nicht erfüllt
E. Die Störung tritt nicht ausschließlich im Verlauf von Episoden einer Anorexia nervosa auf
  
Bestimme, ob:
Teilremittiert: Nachdem zuvor alle Kriterien einer Bulimia Nervosa erfüllt waren, werden noch manche, aber nicht alle Kriterien seit einem längeren Zeitraum erfüllt
Vollremittiert: Nachdem zuvor alle Kriterien einer Bulimia Nervosa erfüllt waren, wird keines der Kriterien mehr seit einem längeren Zeitraum erfüllt
  
Bestimme den aktuellen Schweregrad:
Die minimale Ausprägung des Schweregrades wird über die Häufigkeit von unangemessenen kompensatorischen Maßnahmen bestimmt (siehe unten) Der Schweregrad kann höher angesetzt werden, um andere Symptome und den Grad der funktionellen Beeinträchtigung zu verdeutlichen
Leicht: Durchschnittlich 1 bis 3 Episoden unangemessener kompensatorischer Maßnahmen pro Woche
Mittel: Durchschnittlich 4 bis 7 Episoden unangemessener kompensatorischer Maßnahmen pro Woche
Schwer: Durchschnittlich 8 bis 13 Episoden unangemessener kompensatorischer Maßnahmen pro Woche
Extrem: Durchschnittlich 14 oder mehr Episoden unangemessener kompensatorischer Maßnahmen pro Woche
*Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2018 Hogrefe Verlag. Verlauf
Der Störungsbeginn der BN liegt in den meisten Studien zwischen 13 und 18 Jahren (Nagl et al. 2016), in manchen Studien wird auch ein späterer Beginn von 16 bis 20 Jahren berichtet (Stice et al. 2013), wobei die Wahrscheinlichkeit einer Erstmanifestation mit steigendem Alter abnimmt: So scheinen Neuerkrankungen nach dem 25. Lebensjahr eher eine Seltenheit zu sein (Nagl et al. 2016). Die Störung verläuft zumeist schwankend. Populationsbasierte prospektive Studien zeigen bei Jugendlichen, die an BN leiden, sehr heterogene Remissionsraten: 91 % innerhalb eines Jahres (Stice et al. 2009) und 56,2 % über einen Zeitraum von 6 Jahren (Nagl et al. 2016). Als Einflussfaktoren gelten vor allem ein starkes Schlankheitsstreben und eine komorbide depressive Symptomatik. Anzumerken ist, dass ungefähr 25 % der bulimischen Patientinnen zunächst eine Phase mit anorektischer Symptomatik erleben.
Auch zum Verlauf der BN nach Therapie ist die Datenlage bei adoleszenten Patientinnen noch unklar. Im Ein-Jahres-Follow-up nach verschiedenen KVT-orientierten Behandlungsprogrammen ergaben sich Remissionsraten zwischen 29 und 49 % (Le Grange et al. 2015). Nach einer aktuellen Meta-Analyse über alle Altersgruppen hinweg lag die Remissionsrate für KVT-orientierte Programme bei 39 %, während Teilnehmer von Selbsthilfeprogrammen nur in 26 % der Fälle zum Ende der Behandlung vollständig remittiert waren. Die Raten blieben auch im Katamneseverlauf stabil (Svaldi et al. 2018).
Zu prognostischen Faktoren bezüglich des Therapieverlaufs bei jugendlichen Patientinnen mit BN gibt es bisher nur wenige Untersuchungen. Aus Studien an Erwachsenen gibt es Hinweise auf einen positiven Einfluss früher Symptomveränderung auf den Therapieverlauf. Sekundäranalysen verschiedener Therapiestudien (Lock et al. 2013) zeigen zudem, dass die Abstinenz von kompensatorischen Maßnahmen und die Reduktion des restriktiven Essverhaltens die besten Prädiktoren für die Genesung waren. Zudem scheinen affektive Störungen einen Einfluss auf den Therapieverlauf zu haben (Svaldi et al. 2018). Insgesamt bedarf es allerdings weiterer systematischer Untersuchungen, insbesondere auch an jugendlichen Patientinnen, um die empirische Befundlage zu replizieren und klare Aussagen auch für die jüngere Altersgruppe treffen zu können.

Differenzialdiagnose und Komorbidität

Essanfälle können bei verschiedenen psychischen Störungen auftreten. Beispielsweise kann es auch bei einer anorektischen Erkrankung vom Purging-Typus zu Essanfällen und Gegenmaßnahmen kommen. In den meisten Fällen lässt sich durch die Betrachtung des Gewichtsverlaufs und des aktuellen Gewichts eine fundierte diagnostische Entscheidung treffen. Liegt ein Untergewicht über einen längeren Zeitraum vor oder steht eine massive Gewichtsabnahme im Vordergrund, so würde die Diagnose der AN vergeben werden. Im DSM-5 ebenso wie in der ICD-10 kann das Auftreten der Essanfälle und Gegenmaßnahmen im Rahmen der anorektischen Erkrankung entsprechend kodiert werden. Weitere Differenzialdiagnosen sind die BES, depressive Störungen, die Borderline-Persönlichkeitsstörung und das Kleine-Levine-Syndrom. Bei all diesen Krankheitsbildern können ebenfalls Heißhungerattacken vorkommen. Es werden aber keine kompensatorischen Maßnahmen zur Gewichtsregulation eingesetzt und auch die, für die BN typischen, ausgeprägten Körperbildprobleme und die Überbewertung von Figur und Gewicht in Bezug auf den Selbstwert fehlen.
Im Zusammenhang mit der BN tritt bei fast allen adoleszenten Patientinnen (Lebenszeitprävalenz 88 %; Swanson et al. 2011) mindestens eine andere psychische Störung auf. Angststörungen, depressive Erkrankungen, Verhaltensstörungen und ADHS werden am häufigsten gefunden. Im Vergleich zu anderen Essstörungen zeigt sich bei Jugendlichen mit BN auch eine erhöhte Suizidalität. Von Suizidgedanken berichten die Hälfte der Patientinnen und ein Drittel haben bereits einen Suizidversuch hinter sich (Swanson et al. 2011). Bei der Hälfte der Patientinnen liegt eine Persönlichkeitsstörung vor, am häufigsten ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung vertreten (Magallón-Neri et al. 2014).
Ein möglicher Zusammenhang zwischen Essstörungen und Diabetes mellitus wird aktuell vermehrt diskutiert. Nicht die Magersucht, wohl aber die BN und Typ-I-Diabetes (Beginn meist im Jugendalter, Untergang der β-Zellen der Bauchspeicheldrüse mit daraus folgendem absolutem Insulinmangel) kommen gehäuft miteinander vor. Durch die Reduktion der abendlichen Insulin-Dosis (Insulin-Purging) wird eine Gewichtsreduktion unterstützt.
Auf Grund der Häufigkeit und der Vielfalt der komorbiden Störungen bei BN sollten diese möglichst systematisch erfasst werden, um entscheiden zu können, welche Störung vorrangig in der Therapie adressiert werden sollte.

Ätiologie

Auch bei der Entstehung und Aufrechterhaltung bulimischer Erkrankungen sind biologische, soziale, individuelle und familiäre Faktoren beteiligt. Da die multifaktorielle Genese der Anorexia und BN an vielen Stellen Überschneidungsbereiche hat, wird im Folgenden auf die BN-spezifischen Aspekte eingegangen (für weitere Aspekte siehe Ätiologie der AN). Ähnlich wie bei der AN werden dabei prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren unterschieden. Insbesondere die Aufrechterhaltung von Essanfällen wird als sich selbst perpetuierender Teufelskreis beschrieben, wobei angenommen wird, dass Konditionierungsprozesse eine Rolle spielen (Tuschen-Caffier und Florin 2012; van den Akker et al. 2018).

Genetische und neurobiologische Aspekte

Familien- und Zwillingsstudien belegen den Einfluss genetischer Faktoren, allerdings variieren die Zahlen zwischen 28 % und 83 % (für Überblicksartikel siehe Bulik et al. 2000). Sowohl das Auftreten von Essanfällen, Erbrechen und restriktivem Essverhalten als auch eine dysfunktionale Einstellung zu Gewicht und Figur können durch genetische Faktoren erklärt werden. Vermutet werden Beteiligungen von Genen, die mit Gewicht und Nahrungsaufnahme in Zusammenhang stehen wie das „fat-mass obesity associated gene“, allerdings fehlt es an Replikationsstudien für die bislang eher vereinzelten Befunde. Darüber hinaus müssen auch Gen-Umwelt-Interaktionen mit in die Überlegungen einbezogen werden. Hinweise gibt es beispielsweise für den Einfluss von Genen, die an der Regulation des dopaminergen Systems beteiligt sind, allerdings zum bulimischen Verhalten nur unter bestimmten Umwelteinflüssen (beispielsweise Missbrauchserfahrungen) zum Tragen kommen.
Auch ein biologisch höheres Gewicht (Adipositas in der Kindheit, elterliche Adipositas) scheint ein für die BN relevanter Prädiktor zu sein (Hilbert et al. 2014).
Forschungsarbeiten der letzten Jahre zeigen zudem, dass aufgrund von Nahrungsrestriktion besonders Hirnregionen aktiviert werden, die mit Aufmerksamkeit, Belohnung und Motivation in Verbindung gebracht werden können (Stice et al. 2012) und entsprechend eine Rolle in der Entwicklung der bulimischen Erkrankung spielen könnten.

Soziokulturelle Aspekte

Körperliche Unzufriedenheit und damit einhergehendes Diätverhalten stellen für alle Essstörungen einen wichtigen ätiologischen Faktor dar. Für die Entwicklung körperlicher Unzufriedenheit wird dabei häufig das soziokulturelle Schlankheitsideal verantwortlich gemacht. Studien belegen, dass für die bulimische Symptomatik vor allem die Internalisierung des Schlankheitsideals und der empfundene Druck, schlank zu sein, zur Entstehung der Störung beiträgt (Stice 2016). Zudem scheint die Tendenz zu aufwärtsgerichteten sozialen Vergleichen eine vermehrte Körperunzufriedenheit zu fördern, was sich wiederum in vermehrtem Diätverhalten niederschlägt. Restriktives Essverhalten wiederum begünstigt das Auftreten enthemmten Essverhaltens (Holmes et al. 2014). Zudem zeigen verschiedene Studien, dass das Ausmaß der Körperunzufriedenheit neben der Entstehung auch für die Aufrechterhaltung der Essstörungssymptomatik sowie den Therapie-Outcome von Bedeutung ist (Fairburn et al. 2003).

Individuelle Aspekte

Personen mit BN berichten meist von einem niedrigen Selbstwertgefühl (Caglar-Nazali et al. 2014), wobei dieses stark von Figur und Gewicht abhängig ist (Stice 2016). Allerdings ist dieser Zusammenhang vor allem in Studien mit bereits erkrankten im Vergleich zu gesunden Frauen zu finden, während prospektive Längsschnittstudien den Einfluss des Selbstwerts auf die Entstehung der Erkrankung nicht nachweisen konnten. Neben dem Selbstwertgefühl werden weitere Persönlichkeitsmerkmale mit der Entwicklung einer BN in Zusammenhang gebracht. Dazu gehören beispielsweise Perfektionismus und Impulsivität (Young et al. 2004). Allerdings ist die Befundlage hinsichtlich dieser Faktoren nicht eindeutig, sodass insgesamt die Rolle von Persönlichkeitsmerkmalen für die Entstehung der BN noch zu klären ist (Culbert et al. 2015).
Darüber hinaus scheint starke negative Affektivität ein Auslöser und aufrechterhaltender Faktor für bulimisches Essverhalten darzustellen. Empirische Arbeiten zeigen sehr gut, dass Frauen mit einer BN vor Essanfällen eine negativere Stimmung erleben als vor regulären Mahlzeiten (Munsch et al. 2012). Neuere Arbeiten bringen diese negative Affektivität mit Stresserleben in Zusammenhang: Als Auslöser konnten dabei sowohl interpersonelle als auch alltägliche Stresssituationen identifiziert werden. Zudem scheint die Bewertung der Stresssituation eine Rolle zu spielen (Goldschmidt et al. 2014). Im Gegensatz dazu gibt es Hinweise darauf, dass die Reduktion negativer Gefühle – in dem Falle depressiver Symptome – mit der Remission bulimischer Symptome assoziiert ist (Thompson-Brenner et al. 2015).
Neben der Affektivität scheinen auch kognitive Prozesse an der Entstehung und Aufrechterhaltung bulimischer Symptomatik beteiligt zu sein. Dies bezieht sich zum einen auf dysfunktionale Informationsverarbeitungsprozesse wie beispielsweise selektiver Aufmerksamkeitslenkung bei der Betrachtung des eigenen Körpers (Fokus auf negativ bewertete Körperteile; Tuschen-Caffier et al. 2015), zum anderen auf eine störungsspezifische Verarbeitung von nahrungsbezogenen Reizen (schnellere Reaktion auf hochkalorische Nahrungsstimuli, vermehrte Speichelproduktion bei Ansicht und Geruch von Nahrungsmitteln und ähnliches; Meule et al. 2018; Legenbauer et al. 2004).

Familiäre Faktoren

Ähnlich wie bei der AN können spezifische, negative Erfahrungen im familiären Kontext in Zusammenhang mit der Entstehung der bulimischen Symptomatik gebracht werden. Zu nennen sind hier beispielsweise eine hohe elterliche Erwartung sowie ein geringer, emotionaler Kontakt. Zudem scheint eine psychische Erkrankung der Eltern, insbesondere depressive oder substanzbezogene Störungen, mit der Entwicklung einer bulimischen Symptomatik assoziiert zu sein (Jacobi et al. 2004). Zudem gibt es Hinweise, dass sich problematisches Essverhalten der Mutter auf die Tochter überträgt (Vázquez-Velázquez et al. 2017). Gleiches konnte für die kritische Einstellung gegenüber dem eigenen Körper sowie Blickmustern beim Betrachten des eigenen Körpers gezeigt werden (Bauer et al. 2017).

Integratives bio-psycho-soziales Teufelskreismodell

Die dargestellten prädisponierenden Faktoren sind am besten in ein multifaktorielles, bio-psycho-soziales Teufelskreismodell zu integrieren. Dabei beeinflussen multiple Faktoren die Entstehung gestörten Essverhaltens, welches sich verselbstständigt, ist die Störung einmal etabliert. Im folgenden Modell ist der angenommene Teufelskreis aus restriktivem Essverhalten, Kontrollverlust, Angst vor Gewichtszunahme und dem Einsetzen von Gegenmaßnahmen gefolgt von erneutem restriktivem Essverhalten abgebildet. Es wird angenommen, dass Schwierigkeiten in der Emotionsregulation, verstärktes Erleben eines negativen Affektes, dysfunktionale Informationsverarbeitungsprozesse bezüglich Nahrungsreizen und körperbezogenen Stimuli die Störung aufrechterhalten (Abb. 2).

Epidemiologie

Die BN gilt als zweithäufigste Essstörung. Die 12-Monats-Prävalenz der BN wird international bei erwachsenen Frauen in Nordamerika mit ca. 1,5 % angegeben (Hudson et al. 2007). Da die BN eher eine Erkrankung des jungen Erwachsenenalters ist, zeigen sich im Vergleich bei Jugendlichen sowohl international als auch in zwei deutschen Studien geringere Prävalenzen zwischen 0,4 und 0,9 %. Bei Männern liegt die Prävalenz etwa 10-mal niedriger. Die Mortalität ist gegenüber der AN deutlich geringer, gilt allerdings gegenüber der Normalbevölkerung (1,0) immer noch als erhöht: In der Studie von Fichter und Quadflieg (Fichter und Quadflieg 2016) lag die SMR für die BN bei 1,49. Eine Meta-Aanalyse aus dem Jahr 2011 berichtete eine Zahl von 1,93 (Arcelus et al. 2011). Zudem gibt es eine erhöhte Suizidrate unter Patientinnen mit BN (Preti et al. 2011). Empirische Daten belegen, dass das durchschnittliche Alter für einen Suizid bei bulimischen Patientinnen bei ca. 29 Jahren liegt. Prädiktiv für den Suizid waren ein niedriger BMI und vorangegangene Suizidversuche (Huas et al. 2013). Eine weitere Untersuchung zeigte in zwei Kohorten mit bulimisch erkrankten Frauen, dass insbesondere das Vorliegen einer depressiven Störung mit Suizidversuchen zusammenhängt (Pisetsky et al. 2015).
Eine besondere Risikogruppe für die Entwicklung einer bulimischen Erkrankung scheinen übergewichtige Jugendliche darzustellen.

Diagnostik

Da sich die Kernsymptomatik der verschiedenen Essstörungsdiagnosen in Form von Überbeschäftigung mit Figur, Gewicht und Essen stark ähnelt, eignen sich zumeist die bereits in Abschn. 2.5 aufgeführten klinisch strukturierten essstörungsspezifischen Interviews und Fragebögen auch für den Einsatz bei Patientinnen mit BN. Ergänzend zu den bereits genannten Inventaren kann bei bulimischen Patientinnen zusätzlich der Fragebogen zum Essverhalten eingesetzt werden (Pudel und Westenhöfer 1989). Dieser erfasst kognitive Kontrolle des Essverhaltens sowie die Stärke erlebter Hungergefühle und Enthemmungstendenzen beim Essen und stellt damit eine Ergänzung zur Erfassung problematischer Aspekte des Essverhaltens dar. Zudem kann der Einsatz des multidimensionalen Körperbildfragebogens (MBSRQ; deutsche Übersetzung von Vocks et al. 2018) geeignet sein, um die unterschiedlichen Aspekte des Körperbildes detaillierter zu erfassen, da bei der BN vor allem die kognitiv-affektiven Komponenten des Körperbildes gestört sind.

Therapie

Jugendliche mit BN sollte möglichst frühzeitig eine Therapie angeboten werden, um einer Chronifizierung entgegenzuwirken. Eine psychotherapeutische Behandlung, die dem individuellen Entwicklungsstand angepasst ist und häufig im ambulanten Setting durchgeführt werden kann, stellt das Verfahren der ersten Wahl dar. Komorbide Störungen sollten systematisch erfasst werden und bei ausgeprägter Symptomatik eine adjuvante medikamentöse Behandlung erwogen werden.

Behandlungssetting

Die Behandlung der BN kann in den meisten Fällen ambulant erfolgen. Zur Vorbereitung auf die Behandlung und zur Abklärung von Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation haben sich in der klinischen Praxis ausführliche Vorgespräche mit Patientin und Bezugspersonen als hilfreich erwiesen. Abhängig vom Schwerwegrad und dem Vorliegen bestimmter Indikationskriterien kann aber auch eine teilstationäre oder vollstationäre Behandlung notwendig sein.
Indikationen für eine stationäre Behandlung bei BN (modifiziert nach Herpertz-Dahlmann 2017)
  • Erhebliche bulimische Symptomatik
  • Somatische Komplikationen (z. B. Elektrolytentgleisung, EKG-Veränderungen)
  • Akute Suizidalität oder schwere psychiatrische Begleitkomplikationen
  • Schwere Selbstverletzung
  • Soziale Isolation
  • Problematische familiäre Situation
  • Scheitern der ambulanten Behandlung

Behandlungsbausteine

Die kognitive Verhaltenstherapie stellt bei der Behandlung der BN die Therapie der Wahl dar. Das primäre Behandlungsziel ist dabei die Reduktion der Essanfälle und damit verbundener Gegenmaßnahmen sowie die Veränderung dysfunktionaler Einstellungen hinsichtlich Figur und Gewicht, die meist einen großen Anteil an der Aufrechterhaltung der Störung besitzen. Des Weiteren zielt die psychotherapeutische Behandlung auf die Reduktion bzw. Bearbeitung zugrunde liegender Problembereiche wie hohe Impulsivität, dysfunktionale Emotionsregulation und Stressbewältigung, geringes Selbstwertgefühl sowie des ausgeprägten Perfektionismus.
Um Essanfälle zu reduzieren ist zunächst eine Normalisierung des Essverhaltens notwendig. Dazu können analog zur AN zunächst Mahlzeitenpläne und gegebenenfalls auch Mahlzeitenbegleitungen eingesetzt werden. Ziel ist es, durch die strukturierte und ausreichende Ernährung den Teufelskreis der BN zu durchbrechen und das Risiko von Essanfällen durch eine Mangelernährung zu reduzieren. Um dies zu erreichen, sollte ein individueller Essensplan mit 3 Hauptmahlzeiten und Zwischenmahlzeiten erstellt werden, der auf die jeweiligen kalorischen Bedürfnisse ausgelegt ist und eine ausgewogene Ernährung ermöglicht. Dabei ist darauf zu achten, dass mindestens 1-mal täglich eine warme Mahlzeit zu sich genommen wird. Zudem sollte ein Nachtisch eingeplant werden, um auch verbotene Speisen mit in den Mahlzeitenplan einzubauen. Die Anzahl der Zwischenmahlzeiten kann bei Bedarf erhöht oder reduziert werden.
Weiterhin ist der Einsatz von Selbstbeobachtungstrategien beispielsweise in Form von Ernährungsprotokollen zur Erfassung des Ernährungsverhaltens sowie zur Identifikation von Risikosituationen, situativen und emotionalen Auslösern zu empfehlen. Anhand der beschriebenen situationalen, kognitiven und emotionalen Begebenheiten können dysfunktionale Überzeugungen hinsichtlich Essen oder irrationale Diätregeln herausgegriffen und bearbeitet werden. Zudem können kurzfristige alternative Emotionsregulationsstrategien anhand konkreter Situationsbeschreibungen erarbeitet werden.
Neben der sehr auf kurzfristige Regulation von negativen Emotionen fokussierten Arbeit sollten weitere Kompetenzen zur Bewältigung von Belastungssituationen aufgebaut werden. Hier stehen dem Therapeuten verschiedene Module zur Verfügung, welche entsprechend der individuellen Konstellation der Patientin eingesetzt werden sollten. Dazu zählen beispielsweise das Training sozialer Kompetenzen, um die Jugendlichen darin zu unterstützen, in verschiedenen Kontexten ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse in angemessener Weise zu artikulieren und für sich eintreten zu können, ein allgemeines Problem- oder Konfliktlösetraining oder aber auch Entspannungsmethoden, um das allgemein meist erhöhte Grundanspannungsniveau der Patientinnen zu senken. Darüber hinaus können Interventionen zur Verbesserung der Emotionsregulation wie das Erkennen der Gefühle, Frustrationstoleranz und Stressbewältigung analog der dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) hilfreich sein.
Eine besondere Methode, um automatisierte Abläufe in Essanfallssituationen zu unterbrechen und die Verbindung zwischen Stresserleben und Essanfall aufzulösen, ist die sog. Cue Exposure. Dabei wird den Patientinnen vermittelt, dass sie 1. Kontrolle zurückerlangen können und 2. die Erwartung, dass beim Essen eines verbotenen Nahrungsmittels unausweichlich ein Essanfall erfolgen muss, nicht erfüllt wird. Neuere Studien zeigen, dass sowohl die habituationsorientierte Herangehensweise als auch die Erfahrung der Erwartungsverletzung ähnlich hilfreich sind (Schyns et al. 2018b). Erste empirische Nachweise zum Einsatz der unterschiedlichen Cue-exposure-Herangehensweisen gibt es auch bei Jugendlichen (Schyns et al. 2018a).
Obwohl die Körperbildstörung oft auf der perzeptiven Ebene nicht so stark ausgeprägt ist wie bei der AN, weisen bulimische Patientinnen eine Störung des Körperbildes auf, welche für die Essstörung als aufrechterhaltend gilt. Daher sollten in die Behandlung unbedingt auch Interventionen zur Verbesserung des Körperbildes eingeplant werden. Kerninterventionen sind dabei ähnlich wie bei der AN kognitive Interventionen zur Bearbeitung der dysfunktionalen Einstellungen zum Körper und der automatischen körperbezogenen Kognitionen und Spiegelübungen zur Einübung eines realitätsangemessenen Körperbildes und der Wahrnehmung positiver Aspekte.
Auch bei bulimischen Patientinnen kann eine Gewichtsphobie vorliegen und zur Aufrechterhaltung eines stark restriktiven Essverhaltens führen. Dies kann wiederum zur Aufrechterhaltung von Heißhungerattacken beitragen. Ist das Gewicht der Patientin unter dem zu erwartenden prämorbiden Gewicht, kann in diesen Fällen eine Gewichthalte- oder auch Gewichtzunahmevereinbarung getroffen werden – analog des Vorgehens bei AN-Patientinnen. Allerdings sind hier häufig aufgrund des Normalgewichts keine starken Einschränkungen hinsichtlich der Aktivität der Patientin vorzunehmen, vielmehr geht es um die Unterstützung der Patientin bei der Etablierung eines ausgewogenen und ausreichenden Ernährungsstils durch das Prinzip positiver und negativer Verstärkung.
Komorbide psychische Störungen wie Depressionen und Ängste sollten während der Therapie ebenfalls adressiert werden.

Behandlungsverfahren und Methoden

In der Behandlung von Jugendlichen mit BN sollte kognitive Verhaltenstherapie als Methode der ersten Wahl angeboten werden, da ihre Wirksamkeit für alle zentralen Störungsvariablen in zahlreichen Studien abgesichert werden konnte. Alternativ kann auch eine familienbasierte Therapie angeboten werden, die vor allem auf die Aktivierung der Unterstützung der Eltern zur Überwindung der kindlichen Essstörung abzielt (Abschn. 2.6; Hail und Le Grange 2018).
Bei Patienten mit behandlungsresistenter BN gibt es erste Hinweise, dass eine dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die für die Behandlung von Adoleszenten und für die Therapie von bulimischen Essstörungen adaptiert wurde, wirksam sein könnte, um die Auftretenswahrscheinlichkeit von Essanfällen und Erbrechen zu verringern (Fischer und Peterson 2015). Dieses Behandlungsprogramm zielt auf die Verbesserung der Veränderungsmotivation und Verhaltensänderung durch Validierungsstrategien, Verhaltensanalysen und Verstärkerpläne. Zudem werden zur Erhöhung zielführenden Verhaltens beispielsweise der Vermeidung selbstverletzenden Verhaltens, sog. Skills, also Fertigkeiten, vermittelt. Im Rahmen eines Skills-Trainings lernen die Patientinnen, Gedanken und Gefühle achtsam wahrzunehmen, Gefühle und Anspannung zu regulieren und interpersonale Situationen besser zu bewältigen.

Pharmakotherapie

Zur adjuvanten medikamentösen Behandlung der adoleszenten BN zusätzlich zur psychotherapeutischen Therapie kann der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Fluoxetin mit einer Dosis von 60 mg eingesetzt werden. Während Fluoxetin für die Behandlung anderer psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter zugelassen ist, ist der Einsatz bei dieser Indikation nur im Rahmen eines „individuellen Heilversuchs“ nach § 41 Arzneimittelgesetz möglich. Bislang liegt keine empirische Evidenz für den Einsatz anderer Substanzen vor.

Weitere Essstörungen im Kindes- und Jugendalter

Im folgenden Abschnitt werden die im DSM-5 beschriebene Binge Eating Disorder (BES) sowie deren Vorläufer, das Loss of Control Eating (LOC) beschrieben. Zudem scheint die im DSM-5 neu hinzugekommene Diagnose der Avoidant and Restricitive Food Intake Disorder (ARFID) für das Kindes- und Jugendalter eine relevante Diagnose und wird daher kurz dargestellt. Andere Essstörungen wie die Pica, die Purging-Störung, die Ruminationsstörung, die Other specified food and eating disorders (OSFED) und das Night Eating haben im kinder- und jugendpsychiatrischen Kontext keine große Relevanz und werden daher aus Platzgründen in diesem Abschnitt nicht näher beschrieben.

Binge-Eating-Störung (BES) und Loss of Control Eating (LOC)

Charakteristisch für die BES sind regelmäßig auftretende Essanfälle, bei denen in einem begrenzten Zeitraum (z. B. innerhalb von zwei Stunden) eine erheblich größere Nahrungsmenge zu sich genommen wird als unter vergleichbaren Umständen üblich, ohne dass es zu kompensatorischen Maßnahmen kommt (APA 2013). Auslöser für diese Essanfälle können negative Affekte oder auch ein deutliches Hungergefühl sein. Wiederkehrendes Überessen mit Kontrollverlust tritt bereits bei Kindern ab 6 Jahren auf (Tanofsky-Kraff et al. 2004). Da Kinder meist keinen uneingeschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln haben, werden von ihnen meist keine übermäßig großen Nahrungsmengen verzehrt (Schlüter et al. 2016). Psychopathologisch relevanter als die Menge der aufgenommenen Nahrung ist bei ihnen daher subjektiv erlebter Kontrollverlust während eines Essanfalls (Shomaker et al. 2010). Beim LOC kann es deshalb zu subjektiven (d. h. Kontrollverlust bei subjektiv großer Nahrungsmenge) und objektiven (d. h. Kontrollverlust bei objektiv großer Nahrungsmenge) Essanfällen kommen. Ähnlich wie bei Erwachsenen scheint die BES bei Kindern und Jugendlichen auch mit Figur- und Gewichtssorgen und einem negativen Körperbild einherzugehen (Stein et al. 2007). Daraus resultierendes restriktives Essverhalten begünstigt die Essanfälle. Die Patienten zeigen außerdem nicht selten psychosoziale und weitere psychopathologische Auffälligkeiten wie internalisierende Verhaltensstörungen, geringen Selbstwert und Suizidalität (Schlüter et al. 2016).
Die BES wurde in das DSM-5 (APA 2013) als klinische Diagnose aufgenommen, ist allerdings im ICD-10 lediglich unter der allgemeinen Kategorie der sonstigen Essstörungen (F50.8) klassifiziert (DIMDI 2019). Auf Grund von entwicklungsspezifischen Besonderheiten wie subjektive Essanfälle, geringere Frequenz der Essanfälle, geringerer Leidensdruck und altersadaptierte Verhaltensmerkmale wird eine Anpassung der diagnostischen Kriterien für die BES im Kindes- und Jugendalter gefordert, um auch der Symptomatik in dieser Altersgruppe gerecht werden zu können.
Ätiologisch handelt es sich bei der BES vermutlich um eine multifaktoriell bedingte Störung. Genetische Faktoren, aber auch Übergewicht bzw. Adipositas und persistierendes Loss of Control Eating im Kindesalter scheinen an der Entstehung beteiligt zu sein. Ein größeres Risiko besteht bei erhöhtem Körpergewicht, kritischen Lebensereignissen (z. B. Trennung der Eltern), Stress in der Schule, Depressivität, emotionalem Essen, restriktivem eigenen und elterlichen Essverhalten, negativem Selbst- und Körperbild sowie einem ausgeprägten Schlankheitsideal, negative Stimmung und Schwierigkeiten in der Emotionsregulation (Hilbert et al. 2010).
Bisher gibt es kaum Studien zur Behandlung der BES bei Kindern und Jugendlichen. Die aktuellen Leitlinien empfehlen für Kinder und Jugendliche eine Psychotherapie unter Einbeziehung der unmittelbaren Bezugspersonen. Bei Erwachsenen hat sich die kognitive Verhaltenstherapie als wirksam erwiesen und ein rezentes Review (Marzilli et al. 2018) empfiehlt dieses Behandlungsverfahren auch für Jugendliche. Eine medikamentöse Behandlung kann derzeit nicht empfohlen werden. Eine multimodale konservative (im Gegenteil zur pharmakologischen oder chirurgischen) Gewichtsreduktionstherapie, die Ernährung, Bewegung und Verhalten mit einbezieht, kann Patienten mit BES und komorbider Adipositas angeboten werden. Allerdings ist zu beachten, dass eine zu starke Fokussierung auf eine Gewichtsreduktion das primäre Behandlungsziel (Abbau der Essanfälle) erschweren kann.

Avoidant and Restrictive Food Intake Disorder (AFRID)

Kindliche Essprobleme bedeuten ein erhöhtes Risiko für Essstörungen im Jugend- und Erwachsenenalter und sind prädiktiv relevant für ein ungünstiges Outcome (Ammaniti et al. 2012). Dennoch handelt es sich bei der Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme (ARFID) um eine sehr junge Diagnose, die im DSM-5 erstmalig eingeführt wurde. Bei AFRID besteht ein maladaptives Fütter- oder Essmuster. Typischerweise tritt die Störung im frühen Kindesalter auf. Nicht selten kommt es zu somatischen Folgeerscheinungen wie Gewichtsverlust, verlangsamtes Größenwachstum, Mangelerscheinungen und im Extremfall zur Notwendigkeit von oraler Nahrungsergänzung oder enteraler Ernährung. Eine medizinische Abklärung sollte daher grundsätzlich erfolgen. Körperbildsorgen spielen dabei keine Rolle, vielmehr Sorgen hinsichtlich der Beschaffenheit oder der sensorischen Eigenschaften von Nahrungsmitteln. Die Fütterstörung im frühen Kindesalter (F98.2) im ICD-10 beinhaltet „Nahrungsverweigerung oder extrem wählerisches Essverhalten bei angemessenem Nahrungsangebot durch eine einigermaßen kompetente Betreuungsperson in Abwesenheit einer organischen Erkrankung“. Die Definition im DSM-5 fordert mangelndes Interesse an Essen oder Nahrungsmitteln, Vermeidung sensorischer Charakteristika von Nahrungsmitteln oder Sorgen über aversive Konsequenzen von Nahrungsaufnahme mit bedeutsamen ernährungsbedingten Mangelerscheinungen.
Da es sich um eine sehr junge Störung handelt, sind nur wenige epidemiologische Daten verfügbar. Im Rahmen einer Fragebogenuntersuchung zeigte sich bei knapp einem Fünftel der 8- bis 13-jährigen Schülern und Schülerinnen eine restriktive Nahrungszufuhr, bei einem Viertel eine selektive Ernährung und bei 5 % eine angstbedingte Nahrungsvermeidung (Kurz et al. 2016). Systematische Untersuchungen zum Verlauf von ARFID fehlen gänzlich.
Eine besonders relevante Differenzialdiagnose stellt die AN dar. Allerdings sind hier körperbildassoziierten Sorgen für die Nahrungsrestriktion verantwortlich, die Patienten sind meist älter und seltener Jungen. Darüber hinaus kann eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme unspezifisch im Rahmen unterschiedlicher psychischer Störungen, wie z. B. reaktiver Bindungsstörung, Autismus-Spektrum-Störung, Zwangsstörung, spezifischen oder sozialen Phobien und Schizophrenie auftreten. ARFID-ähnliche Vermeidung kann auch körperliche Erkrankungen, wie z. B. gastrointestinale Erkrankungen, Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen und Malignome betreffen. Bislang bestehen keine evidenzbasierten Modelle zur Erklärung der Ätiologie von ARFID, auch bestehen bislang keine evidenzbasierten Behandlungsempfehlungen. Für die Therapie der AFRID spielt die fütternde Bezugsperson und die Beziehung zu dieser eine wichtige Rolle. Ziel ist die Reduktion der Nahrungsrestriktion und Entwöhnung von der enteralen Ernährung. Die Behandlung sollte durch ein multiprofessionelles Team erfolgen und verhaltenstherapeutische Techniken (positive und negative Verstärkungstechniken, Shaping, Diskrimination, Fading) und eine klare Mahlzeitenstruktur beinhalten (Sharp et al. 2017). Solange keine medizinische Gefährdung vorliegt, sollte erst einmal ein ambulanter Behandlungsversuch gestartet werden.

Fazit

AN und BN sind insbesondere im Rahmen der Pubertät auftretende Erkrankungen mit verheerenden körperlichen Folgen, welche vor allem Mädchen betreffen. Die Ursachen sind multifaktoriell und beinhalten sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren. Eine frühe Behandlung ist prognostisch günstig. Insbesondere bei der AN ist das erste Ziel die Gewichtsrestoration. Bei der BN steht die Normalisierung des Essverhaltens mit dem Abbau von Essanfällen und Gegenmaßnahmen im Vordergrund. Begleitend sollten die Kernsymptome wie kognitive Verzerrungen und Körperbildstörung sowie mögliche körperliche oder psychiatrische Komorbiditäten behandelt werden. Je nach Schweregrad kann das Behandlungssetting ambulant oder (teil-)stationär sein. Vor allem bei der AN ist der Einbezug der Eltern unabhängig vom Setting unumgänglich. Die Behandlungserfolge sind gerade im Kindes- und Jugendalter deutlich besser als im Erwachsenenalter. Während bei der AN entsprechend Familientherapie die beste empirische Evidenz aufweist, gilt die kognitive Verhaltenstherapie bei der BN als Therapie der Wahl. Für die neuen, im DSM-5 verankerten Essstörungen wie BES und ARFID ist die Befundlage eingeschränkt und Behandlungsempfehlungen basieren vor allem auf einzelnen Studien. Weitere Forschung ist hier dringend notwendig.
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