Kinder entwickeln sich und sie lernen in Beziehungen. Dies ist allgemein anerkannte Grundannahme moderner Entwicklungspsychologie bzw. der ethologischen Bindungstheorie. Dabei geht es nicht nur um die Beziehung mit den Eltern, sondern auch um die Beziehung mit anderen relevanten Bezugspersonen, wie etwa Erzieherinnen und Erziehern. Im Unterschied zu der auch heute noch häufig rezipierten Annahme, dass Kinder sich nur an eine Bezugsperson
, nämlich die Mutter binden, sind sie gut in der Lage und biologisch dafür ausgestattet, zu mehr als zwei oder drei Personen wesentliche Bindungsbeziehungen aufzubauen. Die meisten Kinder verfügen über ein „Netz“ an relevanten Bezugspersonen (Ziegenhain und Fegert
2014). Insbesondere bei jungen Kindern dürften Beziehungen zu anderen Menschen als den Eltern dann bindungsrelevante Bedeutung haben, wenn sie sich bei Kummer und Belastung an eine vertraute und zugewandte Bezugsperson wenden können, bei der sie Schutz und emotionale Sicherheit finden und die sie bei der Regulation ihrer Gefühle bzw. auch bei ihrer Stressregulation
unterstützen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Kinder in Einrichtungen zu jeder der dortigen Erzieherinnen eine bindungsähnliche Beziehung aufbauen. Wenn aber Beziehungen aufgebaut wurden, so die Ergebnisse einer
Metaanalyse, in die mehr als 3000 Erzieherin-Kind-Paare aus 40 Studien einbezogen waren, waren es überwiegend Beziehungen zu solchen Erzieherinnen, die stabil und zuverlässig verfügbar waren, und zwar gleichermaßen emotional als auch kontinuierlich anwesend (Ahnert et al.
2006).
Es lässt sich empirisch solide ableiten, dass die jeweiligen Beziehungen zu unterschiedlichen Bezugspersonen unterschiedlich in ihrer Qualität sind (Ahnert et al.
2006). Dabei beeinflusst die Qualität von Beziehungen soziale und kognitive Kompetenzen von Kindern. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Bindungssicherheit
und Qualität von Beziehungen die Voraussetzung für viele weitere Entwicklungsprozesse im Leben darstellen. Danach wurden z. B. Zusammenhänge zwischen Bindungssicherheit und sozialen Fähigkeiten gefunden, Freundschaften mit Gleichaltrigen aufzubauen und zu erhalten, mit Konflikten konstruktiv umzugehen, sich autonom und zielorientiert zu verhalten oder flexibel, ausdauernd und frustrationstolerant zu sein. Bindungssicherheit stand auch im Zusammenhang mit kognitiven Leistungen bzw. Schulerfolg oder sprachlichen Kompetenzen (Korntheuer et al.
2007). Unter einer breiteren Perspektive geht es hierbei auch um die Vermittlung motivationaler und sozial-kognitiver Aspekte, die als sogenannte exekutive Funktionen für zielgerichtete Handlungen und Selbststeuerung von Kindern erforderlich sind. Sie lassen sich gemäß neuerer Forschungsarbeiten als gemeinsames Element interpretieren, das frühe Bindungserfahrungen mit späterem Lern- und Bildungserfolg verbindet (Ziegenhain und Gloger-Tippelt
2013).