Die kooperative Versorgung richtet sich an vielen Formen aus, je nach den Bedarfslagen der Patienten, dies reicht von Konsiliartätigkeit in einer Kinderklinik durch Kinder- und Jugendpsychiater über Liaisondienste bis hin zu gemeinsamen interdisziplinären Teams und Kinderpsychosomatikstationen.
Konsiliar- und Liaisondienst
Ein Konsiliardienst besteht typischerweise darin, dass ein Arzt einer bestimmten Fachrichtung im Krankenhaus auf Anforderung in einer anderen Fachrichtung aufsuchend diagnostisch, danach auch auf den Patienten bezogen therapeutisch tätig wird. Dazu werden regelhaft Konsiliardienstverträge abgeschlossen.
Im psychiatrischen Konsiliardienst geht es zusätzlich darum, die Aufteilung in „Organmedizin“, „Körpermedizin“ und „Seelenmedizin“ wieder zu überwinden. Die „psychosomatische Grundversorgung“, obwohl Teil der Facharztweiterbildung für Allgemeinärzte und Gynäkologen, ist bei Kinderärzten auch in der 2017 verabschiedeten, aber noch nicht umgesetzten neuen Muster-Weiterbildungsordnung weiterhin nicht verpflichtend. Kompensatorisch zu einer Qualifikation der Kinderärzte sind begleitende „psychologische Dienste“ in Kinderkliniken aktiv, z. B. um mit Patienten Coping-Strategien bei chronischen Erkrankungen zu erarbeiten.
Ein Liaisondienst geht über den Konsiliardienst definitionsgemäß hinaus dadurch, dass ein Facharzt einer anderen Fachrichtung regelhaft stunden- oder tageweise in der entsprechenden Klinik tätig ist. Dadurch kann er eigene Empfehlungen umsetzen und selbst aktiv in die Fallgestaltung eingreifen (z. B. hinsichtlich des Entlassmanagements) und des Weiteren dadurch, dass der externe Facharzt an Teamgesprächen, Teamfortbildungen und Visiten teilnimmt.
Im Rahmen der Psychoonkologie
für Erwachsene beispielsweise ist das Vorliegen eines Konsiliar- und Liaison-Vertrages Voraussetzung für eine Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft. Das Qualitätssiegel der Gesellschaft für Kinderkliniken in Deutschland (GKinD), das 2007 von allen pädiatrischen Fachverbänden verabschiedet wurde, sieht als eines der Kriterien das Vorliegen einer kinder- und jugendpsychiatrischen Kooperationsvereinbarung einschließlich eines Konsiliardienstes vor (GKinD 2018).
Zunächst sind Konsiliarärzte in Notaufnahmesituationen, etwa bei der Einschätzung von
Suizidalität und weiterer Behandlungsbedürftigkeit, sehr effektiv – dadurch hat sich an den kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen, die an Allgemeinkrankenhäusern mit oder ohne Kinderkliniken situiert sind, eine Hinzuziehung des diensthabenden Kinder- und Jugendpsychiaters im Falle der Vorstellung nach Suizidversuch stark bewährt. Durch die unterschiedliche Allokation der stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Einheiten ist eine solche Unterstützung nicht unaufwändig, aber medizinisch sinnvoll (Berk und Asarnow
2015). Auch zum Krisenmanagement in akut eskalierenden Situationen in der Kinderklinik, die in der Frequenz zunehmen sollen, ist der kinder- und jugendpsychiatrische Konsiliarius gefragt. Malas et al. (
2017) geben hierfür eine typische Frequenz von monatlichen Ereignissen bei 84 % der Befragten an, die regional bis zu wöchentlichem Vorkommen geschätzt wurde.
Konsiliarverträge wurden des Weiteren nicht zuletzt durch die medizinischen Fortschritte in der Behandlung chronischer Erkrankungen des Kindesalters erforderlich. Damit einhergehend ist ein enormer Wissenszuwachs über die Anpassungsleistungen von Kindern an schwere körperliche Erkrankungen entstanden (Cardona
2018). Es ist unabweisbar, dass eine schwere körperliche Krankheit eines Kindes sich auch auf seine familiäre Umgebung – Eltern und Geschwister – auswirkt und dass die Anpassungs- und Verarbeitungsfähigkeit der Patienten Zuflüsse aus dem sozialen Nahfeld (Microsystem), aber auch dem weiteren Umfeld (Mesosystem) und dem Exosystem einschließlich sozialer Netzwerke bis hin zum Makrosystem hat. Für die Berücksichtigung all dieser Einflüsse, die Unterstützung von Ressourcen und ggf. Hilfen im Falle von maladaptiven Strategien ist der Kinder- und Jugendpsychiater prädestiniert. So haben sich Konsiliardienste auf Neonatalstationen, onkologischen Einheiten, Beatmungseinheiten und Intensiveinheiten bewährt.
Cardona (
2018) beschreibt den Ablauf einer Konsiliaruntersuchung
folgendermaßen:
Der kinderpsychiatrische Konsiliarius sollte sich zunächst ein Bild der impliziten und expliziten Aufträge des pädiatrischen Behandlungsteams machen (es kommt vor, dass das Behandlungsteam sich eigentlich mehr Sorgen um die Copingfähigkeiten
der Eltern macht als über die Stabilität des Kindes). Des Weiteren sollten dem Konsiliararzt die medizinische Situation und die derzeitige Behandlungsstrategie vertraut sein – insbesondere alle eingesetzten Medikamente, wozu ein Einblick in die aktuellen Behandlungsunterlagen notwendig ist. Nicht zuletzt sollte Sicherheit bestehen, dass die Sorgeberechtigten der kinder- und jugendpsychiatrischen Vorstellung zugestimmt haben. Aus rechtlichen Gründen sollten beide sorgeberechtigten Eltern eingewilligt haben, idealiter auch beide anwesend sein. Die Konsultation beginnt folgerichtig nach Cardona (2018) mit einem Gespräch mit den primären Bezugspersonen, ihren Sorgen, ihrer Einschätzung und ihren Überzeugungen hinsichtlich der Erkrankung des Kindes, wobei auch die Entwicklungsgeschichte und evtl. psychiatrische Vorgeschichte des Kindes erhoben wird. Das anschließende psychiatrische Interview mit dem Kind sollte sich auf die aktuelle Befindlichkeit, Ängste, Schmerzen, die Haltung zur Erkrankung und mögliche Ressourcen fokussieren. Ein differenzierter psychopathologischer Befund ist immer erforderlich, um später Verlaufsbetrachtungen erstellen zu können. Es folgen diagnostische und therapeutische Überlegungen mit dem Behandlungsteam und die Mitteilung eines konsentierten Vorgehens an die Eltern und Diskussion mit diesen. Ohne Frage muss die Konsiliaruntersuchung zeitnah verschriftlicht und kommuniziert werden.
Das größte Hindernis in der Zusammenarbeit sei laut Cardona (
2018) die unterschiedliche Taktung des pädiatrischen und des kinder- und jugendpsychiatrischen Vorgehens.
Liaisondienste
haben sich bewährt für Spezialisierungen in Kinderkliniken wie Diabetologie oder Essstörungen. Sie sind mittlerweile auch in der Psychoonkologie für Kinder verbreitet.
Eine über einen Liaisondienst noch etwas hinausgehende Kooperation besteht in der Gründung interdisziplinärer psychosozialer Teams – so wurde etwa an der Universitätsklinik Heidelberg eine „Kooperationseinheit Pädiatrische Psychoonkologie“ gegründet. Dort ist „eine Kinder- und Jugendpsychiaterin der Kinderklinik fachlich eng mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie verbunden (…) und leitet das interdisziplinär besetzte psychosoziale Team der pädiatrischen Onkologie, das Kinder und Jugendliche mit onkologischen und schweren hämatologischen Erkrankungen und ihre Familien in Therapie und Nachsorge betreut, begleitet und unterstützt. Hilfe bei der Krankheitsbewältigung und Ressourcenförderung, psychotherapeutische Begleitung und sozialrechtliche Beratung sind integrativer Bestandteil des Behandlungskonzeptes bei krebskranken Kindern“.