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Thoraxchirurgie
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Publiziert am: 14.01.2023

Brustkorbdeformitäten

Verfasst von: Ronald Lützenberg
Brustwanddeformitäten stellen mit einer Häufigkeit von 1:300–1:400 eine sehr häufige Erkrankung dar mit einem Geschlechtsverhältnis von 1:2–1:4 weiblich/männlich. Die Symptomatik basiert auf einer atypischen Atemmechanik, der Verlagerung und Kompression des Herzens mit Belastungseinschränkung und Dyspnoe. Chronische Schmerzen infolge von Interkostalnervenkompressionssyndromen und Fehlstellung der sternokostalen und kostovertebralen Verbindung bestehen. Korrekturoperationen werden in Abhängigkeit von der Ausprägung und des Alters des Patienten in Modifikationen der geschlossenen Technik nach Nuss oder der offenen Technik nach Ravitch oder in Form einer Kombination als Hybridtechnik vorgenommen.

Einleitung

Brustwanddeformitäten treten mit einer Inzidenz von 1:300–1:400 häufig auf und sollten daher entsprechende Aufmerksamkeit erfahren. Leider werden die verschiedenen Krankheitsbilder zu oft einer reinen Formveränderung zugeordnet, was nicht der Fall ist. In Europa und Nordamerika ist die Trichterbrust (Pectus excavatum; Abb. 1, 2) die häufigste Fehlbildung, gefolgt von den verschiedenen Formen der Kielbrust (Pectus carinatum) im Verhältnis 10:1 (Haller et al. 1987). Hingegen überwiegt in Südamerika die Kielbrust leicht einem Verhältnis von 1:1. Für die genannte Inzidenz werden in Deutschland mit ca. 500 Primär- und Sekundärkorrekturen auf diesem Gebiet sicher nicht alle Fälle operativ versorgt mit ihrem Auftreten in der Kindheit oder Jugend. So betreffen eine Vielzahl an Operationen und Re-Korrekturen das Erwachsenenalter. Die häufig zitierten Geschlechtsverteilungen von 1:3–1:4 weiblich/männlich (Lawson et al. 2005) erscheinen ebenfalls einer Veränderung unterworfen zu einem Verhältnis von 1:2. Die Kaschierung der Deformität durch die weibliche Brust aber auch ein offenerer Umgang mit Fehlbildungen der sonst bekleideten Körperform sind Grund für die Erfassung einer veränderten Wahrnehmung der Häufigkeit. In den letzten Dekaden kam es zu einer deutlich stärkeren medialen Präsenz der nicht bekleideten Körperformen und auch deren Idealdarstellung sowie der sich hieraus übertragene Anspruch von Form und Ästhetik und der physiologischen Einheit von Form und Funktion. „Wiederherzustellen was die Natur gegeben und der Zufall wieder genommen hat“ ist der von Gaspare Tagliacozzi schon vor 400 Jahren formulierte Anspruch der Rekonstruktionen in der Chirurgie. Leonardo da Vinci stellte die Trichterbrust zeichnerisch da, Bauhinus beschrieb sie 1594 (Kelly 2008). Meyer 1911 und Sauerbruch 1913 (Hebra et al. 2001) dokumentierten erste operative Techniken einer Korrektur mit Beschreibung der Symptomatik über ein optisches Problem hinaus. Eine vererbliche Komponente ist in über 50 % zu analysieren.

Symptomatik

Die Symptomatik ist vielschichtig und verstärkt sich mit zunehmendem Alter. Die Erscheinung der Trichterbrust kann bereits zur Geburt bestehen, sich erstmals in der Kindheit zeigen, zumeist aber mit dem Wachstumsschub der Pubertät ausbilden. Physiologische Beschwerden sind zu diesem Zeitpunkt zumeist noch gut kompensiert und entstehen schrittweise, auch in den Funktionsparametern. Gestörte Biomechanik des Atemzyklus und Kompression des Mediastinums und Herzens und der großen Gefäße sind die wesentlichen Komponenten einer körperlichen Leistungseinschränkung (Nuss 2008; Ravitch 1949; Rehbein und Wernicke 1955). Die Brustwand ist in der Dehnung durch die Trichterformation starr, die Atmung einem Zylinder gleich mit auffälliger Bauchatmung und Prominenz. Untersuchungen der Herzfunktion in Ruhe sind normal, da keine pathologische Veränderung der Anatomie des Herzens vorliegt. Jedoch die der anatomischen Lage mit Verschiebung nach links und Dehnung der Lungenvenentrichter rechts, Aufhebung des retrokardialen Raumes durch Druck auf rechten Vorhof und Ventrikel und Impression der thorakalen Aorta in die Ebene des linkeren Vorhofs und der Klappenebene links. Trikuspidal- und Mitralklappeninsuffizienz können auftreten sowie ein Mitralklappenprolaps (Maagaard et al. 2013; Chao et al. 2015). Die thorakale Aorta ist ebenfalls komprimiert. Unter Belastung kommt das Unvermögen einer adäquaten Steigerung des Schlagvolumens zum Tragen, sodass eine Erhöhung des Herzminutenvolumens an den gesteigerten Bedarf, durch die Herzfrequenz erfolgt. Hieraus resultieren die Symptome Dyspnoe und Tachykardie unter Belastung, Engegefühl im Brustkorb und das Empfinden nicht tief genug Einatmen zu können. Luftnot und Herzrhythmusstörungen als stärkste Angsttrigger entfalten ihre psychischen Wirkungen neben einer Stigmatisierung durch das optische Bild. Dieses kann gepaart sein mit herabsetzenden Kommentaren zu einer oft nicht zu verbergenden, atypischen Form des Zentrums des Körpers. Trotz starker Anstrengung und regelmäßigem Training bleibt ein Trainingseffekt aus und stagniert. Eine nachhaltige Zunahme der Beschwerden tritt um das 40. Lebensjahr ein, wenn eine Korrektur ausgeblieben ist. Gerade Mannschaftssportler erleben mit der Entwicklung der Deformität geradezu ein Durchreichen vom sehr guten Ausdauersportler bis zum Schlusslicht des Teams trotz aller Bemühungen, was zur Realisierung der Veränderung führt. Soziale Rückzugs- und Isolationstendenzen können die Folge sein. Oft befördert durch eine Negierung der Symptomatik bei der ärztlichen Konsultation, durch Verharren in Jahrzehnte alten Vorstellungen zum Krankheitsbild. Seltenere Symptome sind Schluckstörungen und Völlegefühl bei der Aufnahme größerer Speisen. Letzteres kann durch die Kompression des Magens zwischen Leber und Milz, sozusagen einem „natural gastric banding“, verursacht sein. Normalisierung der physischen und psychischen Symptome und des optischen Bildes sind nur durch erfolgreiche Operation zu erreichen. Hinsichtlich der Kielbrust, die fast immer in der Pubertät zur Ausbildung kommt, ist die psychische Belastung noch größer, da die Deformität nicht durch die typische vorgebeugte Körperhaltung zu verbergen ist. Verstärkte Brustkyphose führt unweigerlich im Erwachsenenalter zu massiven Rückenschmerzen. Die Dehnung des Brustkorbs von der Atemruhelage ausgehend ist vermindert, die Brustwand atypisch starr und die Leistungsreserve vermindert. Beugung nach vorn ist erschwert. Bewegungsabhängige Schmerzen treten auf, insbesondere parasternal und am Rippenbogenabgang. Mehr als 50 % der Patienten mit Pectus excavatum oder carinatum zeigen eine Skoliose.
Die begleitende Fehlstellung der Mammae der Frau ist einerseits durch die Asymmetrie der Basis der Brust, sprich der Lage der Brustwand und Rippenbögen bedingt. Selbst bei gleich großem Drüsenkörper kommt es zur Verlagerung in den Trichter mit Verhärtung des Brustgewebes, als auch Schielstellung der Mamillen und deutlich sichtbarer Asymmetrie. Bei Nichterkennung der wirklichen Ursache hierfür werden nur zu oft Korrektureingriffe der Brust selbst durchgeführt, die gesunde Strukturen zerstören und nicht wirklich erfolgreich sein können.

Einteilung

Es existieren eine Vielzahl von Ausprägungen und Schwere von Brustwanddeformitäten, die durch eine gleiche Vielzahl an Klassifikationen erfasst werden sollten (Sauerbruch 1920; Koumbourlis 2009; Haller et al. 1987). Da dieses nicht vollständig gelingen kann, entstehen immer wieder neue Graduierungen, die sich zunehmend an objektivierbaren Parametern und Messwerten der Schnittbilder ableiten lassen, aber auch an der spezifischen Pathologie der Form und Stellung des Sternums, des parasternalen Übergangs und der Rippenbögen.

Pectus excavatum

Saucer shaped deformity

Der Begriff Saucer shaped deformity wurde geprägt als Ausdruck einer großflächigen Ausdehnung beginnend in Höhe des Manubrium sterni, den Knorpel-Knochen-Übergang überschreitend. Die Deformität geht über den knorpligen Anteil der Rippen hinaus und bezieht den knöchernen Teil mit ein. Der Scheitelpunkt der Deformität liegt weiter lateral im knöchernen Bereich. Das Sternum selbst ist in der Längsachse ab Angelus sterni gestreckt. Symmetrische Formen sind die Ausnahme. Im Verhältnis von 10:1 überwiegen Asymmetrien zugunsten rechts, d. h. das Brustbein kippt zwischen 0–90 Grad ab. Hier ist der kostosternale Übergang und Bandapparat links nahezu gestreckt, der Rippenbogenabgang C5–7 eingezogen. Der Rippenbogen eleviert selbst stärker als die „asymmetrische“ Seite. Diese steht in der ventralen Ebene sichtbar tiefer, einschließlich des Rippenbogenabgangs. Hinzu kommt eine parasternale Angulation bis zu 90 Grad. Dieses und die Kipping des Sternums bestimmen die Starre der Brustwand und die erforderliche Kraft der Aufrichtung.

Cup-shaped deformity

Die Deformität Cup-shaped deformity ist gekennzeichnet durch eine normale oder nur leicht eingesenkte Position des Manubrium sterni mit möglicher Prominenz des Angelus sterni und Absinken des Sternums ab hier und zusätzlicher Biegung des Sternums nach innen ab Ansatz der 4. Rippe. Hinzu kommt ein schrittweises Andrehen des Brustbeins ab Angelus sterni. Die Rippenansätze C5–7 sind deutlich eingezogen und bilden den Hauptteil der Trichterformation. Ausgeprägt ist die Rippenbogendeformität und Prominenz des Prozesses xiphoideus, oft verbunden mit dem sog. Barrel-shaped chest, was den Haller-Index rechnerisch, bei sich tief darstellendem Trichter verkleinert. Massiv ist die biomechanische Starre der Trichterformation mit „Einladung“ zur Dislokation des Pectus Bar.

Unbalanced chest

Bei dieser Deformität steht eine Seite der Brustwand nahezu in der Normalebene mit gestrecktem kostosternalen Übergang, Kippung des Sternums um 5–80 Grad und hiervon abhängigem Tiefertreten der kontralateralen Brustwand mit parasternaler Angulation und dann gestrecktem Knorpel sowie Deformität im knöchernen Rippenanteil. Die Korrekturkräfte bei der OP sind hoch, gleichsam der Schwierigkeitsgrad der Korrektur.

Platythorax

Beim Platythorax zeigt sich ein flächenhaft flacher, symmetrischer, breiter Brustkorb mit Haller-Schweregradindex über dem Indikationswert von 3,2 und Kompression des Mediastinums sowie langer Kontaktstrecke Deformität-Herzbeutel, was bei der Korrektur erschwerend zu beachten ist. Die Korrekturfläche ist groß mit weit lateralem Scheitelpunkt. Typisch das Einsinken der Brustwand über eine horizontale Ebene am Ende des Sternums bei typischer sitzender „PC“-Haltung. Die Brustwand ist relativ weich mit guter Korrektur im Autokorrekturpressversuch, die Rippenbögen sind gestreckt.

Kielbrust

Zur Einteilung der Kielbrust, Tab. 1, Abb. 3, 4.
Tab. 1
Einteilung der Kieldeformitäten (Lützenberg 2017)
Typ
Name
Beschreibung
Typ I
Chondrogladioläre Deformität
symmetrisch, maximale Protrusion distales Sternum und C 6+7 parasternal
Typ II
Chondromandibuläre Pectus-arcuatum-Deformität
• Verknöcherung Angulus sterni
• Protrusion Ansatz C2+/oder 3
• atypischer Ansatz M. pectoralis major
• Sternum verbreitert
• Sternum verkürzt
• Sternum in Trichterposition möglich
• Rippenbogenhebung
 
Pigeon breast/Hühnerbrust
• Kraniale Prominenz des Sternums und Rippenknorpel C2–4
• Hebung Sternoklavikulargelenke
• Steilstellung der knöchernen Rippenabschnitte C2–4
Typ III
Pectus carinatum mit Asymmetrie
• Distale Prominenz C3-7 möglich
• Kippung des Sternums
• Rippenbogendeformität
• biomechanisch sehr starr

Pectus arcuatum

Des Angulus sterni und atypischer Fixierung des Ansatzes des M. pectoralis major

Pectus arcuatum

Pectus arcuatum mit Verknöcherung des Angulus sterni und atypischer Fixierung des Ansatzes des M. pectoralis major, sowie atypischer Breite und Länge des Brustbeins.

Diagnostik

Die Diagnostik muss die Operationsindikation klären mit Nachweis einer kardinalen und/oder pulmonalen Leistungsverminderung. Die Analyse der Deformität der knorpligen und knöchernen Brustwand umfasst die Erhebung der Schweregrand-Indices wie Haller-Index und Asymmetrie-Index, die Prüfung einer Kompression des Herzens, der Form des Brustbeins und der Ausdehnung der Anomalie sowie die Zuordnung zu den Grundformen der Deformität unter Anwendung der individuell verwendeten Klassifikation (Nuss et al. 1998; Kim et al. 2008; Hümmer 1985). Zur Diagnostik gehört auch die Abklärung der Folgen von Voroperationen mit Veränderungen der Kontur und Struktur der Rippen und des Sternums sowie interkostaler Kompressionssyndrome infolge von Knochenneubildung im Implantatlager der Voroperation, der Folgen eines Hinge-Point-Disruption-Syndroms, vorbestehender Implantatkapseln, von Perikarderguss und -verdickungen, Verlagerung des Herzens, Kontaktstrecke des Herzens zum Sternum, Scheitelpunkt der Deformität und Planung der Implantatlage sowie gegebenenfalls erforderlicher Rippenknorpelresektionen und Eingriffe am Sternum selbst sowie eine Analyse der Brustwandmuskulatur und des Brustdrüsenkörpers (Abb. 5, 6).
Zur Diagnostik gehören weiterhin eine Schnittbild-MRT oder -CT in Abhängigkeit vom Patientenalters mit Berechnung der Schweregradparameter, ein Lungenfunktionstest und Belastungstest, eine Stressechokardiografie, eine Kardio-MRT. Abzuklären sind eine Chrom/Nickel-Allergie, das Vorliegen einer psychischen Belastungsstörung. Die Erwartungshaltung des Patienten sollte analysiert werden.

Operationsindikationen

Den folgenden Übersichten sind die Operationsindikationen zu entnehmen.
Operationsindikation Pectus excavatum (Nuss 2008)
Eine Operationsindikation ist gegeben, wenn 3 der 7 folgenden Kriterien vorliegen:
  • Haller-Schweregradindex >3,25 in Inspiration oder Exspiration
  • Lungenfunktionswerte im unteren Normbereich oder kleiner (<85 %)
  • Kompression des Herzens
  • Zunahme der Deformität
  • Symptomatik unter Belastung
  • Psychosoziale Belastung und nicht zu verbergende, stigmatisierende Deformität
  • Chronische Schmerzsymptomatik
Operationsindikation Pectus carinatum (Abramson 2005)
Eine Operationsindikation ist gegeben, wenn 3 der 7 folgenden Kriterien vorliegen:
Protrusion der Brustwand >2,5 cm über Normalebene
Tiefenindex >0,7 (äußerer Abstand maximale Protrusion-Wirbelsäule/Breite)
Lungenfunktionswerte im unteren Normbereich oder kleiner (<85 %)
Störung der Atemmechanik
Bewegungseinschränkung in Beugung und Rotation
Psychosoziale Belastung und nicht zu verbergende, stigmatisierende Deformität
Pectus arcuatum mit Verknöcherung des Angulus sterni und atypischer Fixierung des Ansatzes des M. pectoralis major
Indikation Reoperation
  • Erworbene thorakale Chondrodystrophie
  • Rezidivdeformität
  • Inkomplette Korrektur
  • Interkostale Nervenkompressionssyndrome
  • Hinge-Point-Disruption-Syndrom
  • Chronische Schmerzsymptomatik

Operationalter

Die Feststellung des Operationsalters hat sich seit der Vorstellung der Operationstechnik nach Nuss verändert. Eine einheitlich stringente Festlegung besteht nicht mehr. Eine Operation vom Kleinkind- bis hohem Erwachsenenalter ist möglich. Der Schwierigkeitsgrad der Operation differiert erheblich und nimmt mit zunehmendem Alter und im Fall von Reoperationen zu. Die Benennung des Alters ist in den ausführenden Fachdisziplinen unterschiedlich gewichtet. Von Vorteil ist es den Entwicklungsschub der Pubertät abzuwarten, zum anderen ein noch zu erwartendes Wachstum und das Entwicklungspotenzial des Brustkorbes für den Prozess der dynamischen Thoraxumformung zu nutzen. Eine zu zeitige Operation und Entfernen der Pectus-Bar-Implantate kann zu dramatischen Rezidiven führen. Andererseits kann bei bestehendem Wachstumsschub und einliegenden Pectus-Bar-Implantaten der Wachstumsschub in eine asymmetrische Kieldeformität münden. Dennoch können früh und stark ausgebildete Deformitäten bereits im Alter >5 Jahren zur Korrektur veranlassen. Hier ist die Strategie zu berücksichtigen, die bei älteren Patienten und Jugendlichen angewandt wird, mit Belassen des Implantats bis Ende des Längenwachstums. Implantatwechsel können hier erforderlich werden. Eine Operationsindikation kann bis ins hohe Alter über die genannten Kriterien hinaus bestehen, wie bei therapierefraktären Herzrhythmusstörungen, trichterinduzierten Aortenstenosen und Dilatation der Aorta ascendens. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der große Komplex der Reoperationen infolge einer Rezidivdeformität, inkompletten Korrektur, erworbenen thorakalen Chondrodystrophie, eines Hinge-Point-Disruption-Syndroms, eines chronischen Perikardergusses, chronischer Schmerzsyndrome und interkostale Nervenkompressionssyndrome.

Operationstechnik

Korrekturoperationen der Brustwand induzieren einen dynamischen Umformungsprozess, der lange nach dem Eingriff fortbesteht im Sinne des von Nuss et al. (1998) geprägten Begriffes des „thoracic remodelling“. Die Operation hat die Aufgabe diesen Prozess mit der Hauptumformung und Normalisierung der Brustwand vorzunehmen, aber das Potenzial der Vollendung zu erhalten. Jede Veränderung greift in ein bestehendes und künftiges Kraft-Vektor-Modell ein, das sich permanent bewegt. Prinzipien der sonstigen Operationstechniken an Knorpel und Knochen verlieren hierdurch partiell oder ganz ihre Wirkung und Gültigkeit. Was initial gut ist und so aussieht, kann nach dem Abschwellen der Weichteile nach 4–6 Wochen bereits in Frustration wegen Form und Funktion für alle Beteiligten enden. Zum anderen kann ein initial inkomplettes Ergebnis mit der richtigen Strategie und Antizipation der Kräfte der Umformung in einer Vollkorrektur enden. Die eingeleitete Kraft von Metallimplantaten zur Hebung oder Senkung des Sternums muss in anderen Abschnitten abgefangen werden. Eine Vollkorrektur ist anfangs somit unter Umständen gar nicht zu erzielen. Das Ausmaß der Invasivität auch minimalinvasiver Eingriffe, worunter die Technik nach Nuss immer noch benannt ist, kann sehr hoch sein. Minimalinvasiv ist die Technik nach Nuss und Abramson sicher im Kindesalter und auch noch bei Jugendlichen. Wie dehnbar diese Einschätzung hinsichtlich der postoperativen Schmerzen auch nach über 20 Jahren ist, zeigt der Trend der Interkostalnervenkryoablation im Kindesalter als Maßnahme zur Beherrschung der postoperativen Beschwerden. Im Erwachsenenalter sind es genau genommen nur noch die Größe der sichtbaren Schnitte, die einen derartigen Begriff begründen. Ziel ist es die hohen auftretenden Kräfte richtig ein- und abzuleiten. Die Einheit von Form und Funktion ist zu realisieren.
Die Technik nach Nuss ist im Kindes- und Jugendalter die Therapie der Wahl. Unter Einbringung eines oder mehrerer, individuell geformter Metallstäbe wird das Brustbein in die Zielebene angehoben und auf 2–3 Rippen zu jeder Seite abgelegt. Seiten- und Querstabilisatoren kommen in unterschiedlicher Lage und Zahl zur Anwendung, sind aber keine Bedingung. Ebenso variiert die Zahl der Implantate, der Punkt der Einbringung und die Art der Befestigung. Bei älteren Patienten kommen sog. Hybridverfahren zum Einsatz, was eine Kombination des Nuss-Instrumentariums oder gleichwertiger anderer Hersteller und dieser Technik mit den verschiedenen klassischen Modifikationen der offenen Technik, die sich unter dem Begriff Ravitch zusammenfassen lassen, bedeutet. Eine endlose Vielfalt an im Detail durchgeführten Operationen resultiert, was sich zuletzt bei der sehr hohen Zahl an Reoperationen zeigt. Die Grenzen der Technik Nuss sollten für erwachsene Patienten erkannt und akzeptiert werden und die offenen Techniken müssen zur Verfügung stehen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen bei erträglichen postoperativen Schmerzen und Erreichen des Ziels der normalen körperlichen Funktion und nicht nur die Fokussierung auf die äußere Form (Park et al. 2004; Robicsek und Hebra 2009).

Operationstechnik nach Ravitch

Unter Erhalt des Perichondralschlauches und der interkostalen Strukturen wird Rippenknorpel unterschiedlicher Ausdehnung in der Zone der Deformität entfernt und die Brustwand „formbar gemacht“ (Ravitch 1949). Die rückstellenden Kräfte werden hierdurch aufgehoben. Wird im Wachstumsalter die Wachstumszone am Knorpel-Knochen-Übergang mitentfernt, resultieren schwerste Folgedeformitäten, ein sog. erworbenes thorakales Chondrodystrophie-Syndrom. Auch bei geringeren Knorpelentfernungen kann es zu Schrumpfungen im Resektionsareal kommen, aber auch zur vollen Knochenregeneratbildung und darüber hinaus zur Einengung der Interkostalräume. Der knöcherne Teil der Rippen bleibt hierbei unberührt (Fokin et al. 2009). Entfällt die Korrektur der Deformität in dieser Zone, bleibt die rückstellende Kraft erhalten und es resultiert die gefürchtete parasternale Stufenbildung und Verkleinerung des Brustkorbes bis zum Vordringen der Rippenstümpfe hinter das Sternum mit Druck auf das Perikard. Die Freilegung der Brustwand wird zumeist durch Ablösung des M. pectoralis realisiert. Dieser ist nur äußerst schwer wieder voll zu fixieren und es kann zu sog. Animatonsphänomenen der Muskeln, die nur gegeneinander und nicht am Grund befestigt sind, führen. Gleichzeitig kann eine Einschränkung der Funktion entstehen, da der Zug des Muskels ins Leere greift und sich die Muskelmasse am Scheitelpunkt aufwirft. Die Ravitch-Technik ist eine gute Technik als Hybridverfahren in Kombination mit den geschlossenen Techniken.

Minimalisierte Erlanger-Technik

Die minimalisierte Erlanger-Technik durch Hümmer (Hümmer 1985; Weber und Huemmer 2006) aufbauend auf der Arbeit von Willital (Willital 1981), war über Jahrzehnte das dominierende Operationsverfahren in Deutschland und hat das Verständnis der Therapie der Brustwand und der wirkenden Kräfte in systematischer Analyse ganz erheblich vorangebracht. Die Nachteile der Ravitch-Technik wurden vermieden und ausgeschaltet. Über einen limitierten Zugang über dem distalen Sternum erfolgte die Durchtrennung der parasternalen Rippenknorpel und die Hebung des Sternums durch Fixierung durch einen oder mehrere leichte Metallimplantate, die transsternal eingebracht und dann auf den seitlichen Rippen abgelegt wurden. Die bereits unter der Ravitch-Technik benannte parasternale Stufenbildung und die Entstehung von Pseudarthrosen konnte mitunter auftreten. Diese Fälle wurden mit komplexen Plattensystemen korrigiert. Die Erlanger-Technik ist auch in der Nuss-Ära eine sehr gute Operationsmethode.

Nuss-Technik

Nuss, Norfolk/USA, stellte 1998 das von ihm entwickelte Verfahren erstmals vor (Nuss 2008; Nuss et al. 1998; Park et al. 2004). Die erste Nuss-Korrektur in Deutschland erfolgte 2000. Es ist ein Verfahren, das für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen entwickelt wurde und in den Folgejahren auf das Erwachsenenalter ausgedehnt zur Anwendung kam. Unter thorakoskopischer Führung wird neben dem Scheitelpunkt der Trichterdeformität in den Brustkorb mit einem Führungsinstrument eingegangen. Unter direkter Sicht wird die Pleura mediastinalis retrosternal eröffnet und zur Gegenseite unter Hebung des Brustbeins und Schonung des Perikards tunneliert und die Brustwand angehoben (Abb. 7, 8).
Ein oder mehr Metall- bzw. Titan-Bügel werden dann im Tausch zum Führungsinstrument platziert und die Brustwand in die Zielebene gehoben. Diese Methode kommt im Original ohne Inzisionen am Knochen oder Knorpel aus. Ein Problem sind die starken postoperativen Schmerzen, die zwar durch verschiedene Schmerztherapiestrategien überwunden werden können, aber eine nachhaltige Erfahrung für die Patienten darstellen. Das Verfahren birgt die Gefahr der Verletzung von Herz, Perikard und Lunge, aber auch der intrathorakalen Gefäße. Dieses gilt auch für die Implantatentfernung. Die reine Nuss-Methode ist häufig von einer Restdeformität der Rippenbögen gekennzeichnet (Abb. 9, 10, 11).

Technik nach Abramson

Die Technik nach Abramson (Abramson 2005, 2008) ist eine seit 2005 vorgestellte Methode unter Verwendung der Nuss-Implantate und der Prinzipien der Umformung der Brustwand ohne Knorpelentfernung bei der Kieldeformität. Infolge der hohen Zahl an Kieldeformitäten im Verhältnis zur Trichterbrust von über 1:1 in Südamerika stammen die Innovationen auf diesem Gebiet von dort, speziell aus Argentinien und Brasilien. Ein Pectus-Bar-Bügel wird vorgeformt und dann in ein Implantatlager auf der Brustwand unter der Muskulatur eingeführt und an 2 Seitenstabilisatoren in Höhe der mittleren Axillarlinie oder leicht davor konnektiert und die Brustwand in diesem Moment in die Zielebene heruntergeführt. Daher auch der Name Reverse Nuss-Technik. Die Pleurahöhle wird hierbei nicht eröffnet. Ein Problem sind die hohen Kräfte an den Konnektierungspunkten der Seitenstabilisatoren, wo die um die Rippen gelegten Fixierungsdrähte sich langsam durch den Knochen arbeiten können. Probleme können mit diesem Verfahren bei Kielbrüsten Typ III entstehen, auch bei der Verwendung mehrerer Implantate oder der sog. Sandwitch-Technik. Hier wird ein Implantat in Nuss-Position innen und ein weiteres außen eingebracht, gleichsam einer Formpresse und dann gegeneinander verbunden (Abb. 12, 13, 14, 15, 16).
Vergleichbar gute Ergebnisse bei Jugendlichen sind mit der FMF-Orthese nach Martinez-Ferro bei Typ-I-Deformitäten unter Ausschaltung des Operationsrisikos zu erzielen (Martinez-Ferro et al. 2008).
Das Pectus arcuatum, auch Currarino-Silverman-Syndrom genannt, bedarf einer offenen oder geschlossenen Korrektur der atypischen Verknöcherung des Sternums und gegebenenfalls der Hebung des unteren Abschnitts des Sternums mit einem Pectus Bar und zusätzlichen Rippenknorpelresektionen in der Ebene des Befundes C2 und/oder C3.
Der Angelus sterni kann im Winkel bis zu 90 Grad vollständig verknöchert sein. Die Brustwand ist maximal starr und muss durch eine Keilosteotomie mit Resynthese behoben werden, was auch in minimalisierter Technik möglich ist.
Ziel jeder Korrekturtechnik ist die Entlastung des Mediastinums mit Dekompression von Herz, großen Gefäßen und Lunge sowie einer Normalisierung der Atemmechanik. Die Verbesserung der Herzfunktion ist belegt (Jaroszewski et al. 2018; Obermeyer et al. 2018; Chao et al. 2015).

Poland-Syndrom

Hierbei handelt es sich um eine angeborene Anomalie mit Störung der Struktur der Brustwand auf der knöchern/knorpligen Ebene der Rippen, einem Fehlen oder einer verminderten Ausbildung des M. pectoralis, des Haut- und Subkutanreliefs mit Störung der Mamillengröße und -position sowie möglicher Ausbildung zusätzlicher Mamillen. In Abhängigkeit vom Ausmaß des Fehlens von Rippenanteilen oder bis zu mehreren Rippen und den Interkostalstrukturen, sind diese durch bindegewebige Membranen bis derbe Bänder und plattenartiger Strukturen ersetzt. Fusionen der Rippenstümpfe knöchern und knorplig treten auf. Vom Ausmaß der Strukturstörung ist die Form- und Funktionsstörung abhängig. Geringe bis sehr starke äußerlich sichtbare, stigmatisierende Formveränderung können bestehen.
Die Rekonstruktion folgt dieser Strukturanalyse in gleicher Weise in den Ebenen Brustwand, Muskel, Weichteil. Die Wahl der Rekonstruktion muss dringend die Biomechanik und den Schutz der darunterliegenden Strukturen sowie den Volumenersatz des Weichteils realisieren. In der Strategie der Rekonstruktion sollte der Grundsatz gelten keine funktionell normal ausgebildeten Kompartimente, wie z. B. den M. latissimus dorsi bei jungen Patienten zu opfern mit dem Ergebnis dann zweier nicht originaler Strukturen mit gestörter Funktion und äußerer Kontur. Mit verschiedensten Membranen von Marlex bis Goremembran ist die Brustwand vollständig zu sichern und es wird eine Basis in der Normalebene für den Weichteilaufbau, insbesondere der weiblichen Brust, geschaffen. Dieser ist mit speziellen Implantaten zumeist aus Silicon auch für das männliche Geschlecht gut zu realisieren. Die Verwendung von Metallimplantaten erfolgt vielfach, resultiert aber nur zu oft in einer lokalen atypischen Starre und Störung der natürlichen Elastizität der Brustwand und letztlich in chronischen Schmerzen. Formangleichungen mit der Modulation der äußeren Form und Verstärkung der Subkutanschicht durch autologes Lipofilling sind eine hervorragende Ergänzung. Ebenfalls bietet eine Rekonstruktionsstrategie in mehreren Schritten mehr Sicherheit der Zielstellung einer normalen Funktion und Form gerecht zu werden als alles mit einem Eingriff realisieren zu wollen. Auch für die Korrektur des Poland – Syndroms gilt, dass die Patienten mit dem Ergebnis Jahrzehnte leben müssen.
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