Eine übermäßige Schweißproduktion wird als Hyperhidrose bezeichnet. Unterschieden wird die primäre und die sekundäre Hyperhidrose. Prädilektionsorte sind die Handfläche, die Axilla, die Fußsohle, Stirn und der Inguinalbereich. Die operative Therapie der primären Hyperhidrose erfolgt erst nach Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen. Die chirurgische Sympathektomie ist die Methode der Wahl. Dies erfolgt durch videothorakoskopische Sympathektomie/Sympathikotomie mit verschiedenen Techniken und je nach Symptomatik in unterschiedlicher Höhe. Nebenwirkungen sind u. a. kompensatorisches und gustatorisches Schwitzen sowie das Horner-Syndrom. Die Indikation sollte streng gestellt und eine entsprechende Bedenkzeit eingehalten werden. Seltene Indikationen für eine Sympathektomie sind u. a Erythrophobie, peripher vaskuläre Gefäßerkrankungen (Morbus Raynaud) und therapierefraktäre Angina sowie Kammertachykardien.
Das vegetative Nervensystem wird unterteilt in sympathisches Nervensystem, parasympathisches Nervensystem und enteritisches Nervensystem.
Sympathikus und Parasympathikus sind im Allgemeinen als Gegenspieler tätig. Wobei hier der Sympathikus die ergotrope und der Parasympathikus die tropotrope Funktion einnimmt. Der Sympathikus steigert u. a. die Herztätigkeit, den Blutdruck, Tonus und Durchblutung der Skelett- und Herzmuskulatur sowie die Glykolyse und den Stoffwechsel. Die Erweiterung der Bronchien, die Erweiterung der Pupillen (Mydriasis), die Hemmung der Speicheldrüsenfunktion sowie die Steigerung der Drüsensekretion, wie Schweißdrüsen, wird ebenfalls vom Sympathikus ausgelöst.
Das übergeordnete Zentrum des Sympathikus sind der Hypothalamus, der Hirnstamm und die Formatio reticularis. Von hier werden die Signale an die sympathischen Wurzelzellen des Seitenhorns im Rückenmark gesendet. Von diesem Nucleus intermedullaris werden die Fasern dann als R. communicans albus zu den Paravertebralganglien, die in ihrer Gesamtheit als Truncus sympathicus bezeichnet werden, gesendet. Diese verlassen die Fasern durch den R. communicans griseus und werden auf ein zweites Neuron umgeschaltet, das dann die Impulse durch Neurotransmitter auf das Zielorgan überträgt (Abb. 1).
Abb. 1
Schematische Darstellung des sympathischen Nervensystems (Huggenberger et al. 2019)
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Intrathorakal verläuft der Truncus sympathicus bilateral entlang der Wirbelkörper auf Höhe der Rippenköpfchen, entweder medial derselben (Typ 1), direkt über die Rippenkörper hinweg ziehend (Typ 2) oder lateral der Rippenkörper (Typ 3). Das untere zervikale Ganglion verschmilzt in der Regel mit dem ersten thorakalen Ganglion zum Ganglion stellatum (Abb. 2). Die übrigen thorakalen Ganglien sind segmental angeordnet und im Interkostalbereich liegend, wobei auch ihre Position erheblich variieren kann (Zhang et al. 2009).
Abb. 2
Aufbau des peripheren autonomen Nervensystems (Noppens 2016)
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Die prä- und postganglionären Rr. communicans können ebenfalls in Lokalisation Zahl und Verlauf erheblich variieren. Akzessorische Äste sind bis 4 cm entfernt vom Truncus sympathicus, gegebenenfalls auch parallel ziehend nachweisbar (Kim et al. 2008a; Abb. 3, 4 und 5).
Der Beginn der Sympathikus-Chirurgie ist eng mit dem, sich erst seit Ende des 19. Jahrhunderts verbreitenden anatomischen und physiologischen Wissen verbunden. Während in den Anfängen (erstmals beschrieben 1889 durch Alexander) der Chirurgie des Sympathikus Versuche der Behandlung der Epilepsie, der Angina pectoris, des Glaukoms und des Exophthalmus im Vordergrund standen, wird erstmals 1920 durch Kotzareff die Sympathektomie zur Behandlung der Hyperhidrose beschrieben (Alexander 1889; Kotzareff 1920; Leriche 1921). In der Ära der minimalinvasiven Chirurgie ist dies die mit Abstand häufigste Indikation für die thorakale Sympathektomie.
Indikationen
Eine übermäßige Schweißproduktion, die über das physiologisch notwendige Maß der Wärmeregulation hinaus geht, wird als Hyperhidrose bezeichnet. Diese kann die Lebensqualität der betroffenen Personen sowohl im sozialen wie auch beruflichen Umfeld erheblich einschränken. Schätzungsweise 1–2 % der Bevölkerung leiden an einer übermäßigen Schweißbildung. Der Altersschwerpunkt liegt im Adoleszenten- und jungen Erwachsenenalter (Liu et al. 2016; Rzany et al. 2017). Differenziert wird zwischen primärer und sekundärer Hyperhidrose.
Primäre Hyperhidrose
Bei der primären Hyperhidrose liegen keine weiteren Erkrankungen als Ursache vor. Das Auftreten ist typischerweise auf einzelne Körperareale fokal begrenzt. Prädilektionsorte sind die Handfläche, die Axilla, die Fußsohle, Stirn und der Inguinalbereich. Hier besteht eine hohe Dichte an ekkrinen Schweißdrüsen. Werden nun diese bei der Hyperhidrose über den Sympathikus überstimuliert, kommt es zu der fokal vermehrten Schweißbildung (Rzany et al. 2017; Walling 2011).
Entscheidend für die Diagnose sind Anamnese und Klinik.
Anamnesekriterien für primäre Hyperhidrose (mindestens 2 Kriterien müssen vorliegen)
Beidseitiger, symmetrischer Befall in einem oder mehreren Prädilektionsorten
Beginn vor dem 25. Lebensjahr
Schwitzen temperaturunabhängig, nicht willentlich kontrollierbar
Mindestens eine Schwitzepisode mit Beeinträchtigung pro Woche
Positive Familienanamnese
Eine zugrunde liegende andere Erkrankung als Ursache einer sekundären Hyperhidrose muss ausgeschlossen sein.
Mögliche Ursachen einer sekundären Hyperhidrose
Kardiovaskulär
Endokrin
Chronische Infekte
Unerwünschte Arzneimittelwirkung
Malignome
Neurologisch
Psychisch
Übergewicht
Verbindliche Messwerte respektive objektive Diagnosetests für das Vorliegen einer Hyperhidrose gibt es nicht. Die primäre Hyperhidrose ist eine idiopathische Erkrankung. Beim Vorliegen typischer anamnestischer Angaben sind keine routinemäßigen Labor- oder bildgebenden Untersuchungen indiziert (Rzany et al. 2017).
Die Hyperhidrosis axillaris und palmoplantaris kann in 3 klinische Schweregrade eingeteilt werden (Tab. 1; Chou et al. 2006; Rzany et al. 2017).
Tab. 1
Schweregradeinteilung der Hyperhidrosis axillaris und palmoplantaris
CT-gesteuerte Sympathikusblockade mit Alkohol unterhalb des Ganglion stellatum (Cave: Horner-Syndrom).
Die Auswahl der Behandlungsmaßnahmen erfolgt individuell als stufenweises Vorgehen auf den Patienten abgestimmt. Erst nach Versagen dieser Therapiemaßnahmen, die im Allgemeinen unter der Federführung des Dermatologen erfolgen, ist die chirurgische Sympathektomie die Methode der Wahl (Rzany et al. 2017; Walling und Swick 2011).
Operatives Vorgehen
Grundsätzlich wird die (teilweise) Resektion des Grenzstranges als Sympathektomie bezeichnet, die alleinige Durchtrennung ohne Resektion, die Sympathikotomie, ist hiervon abzugrenzen, ebenso die selektive Ganglienexzision und selektive postganglionäre Sympathikotomie (Ramikotomie). Häufig werden diese Begriffe in der Literatur allerdings nicht klar definiert. Das Grundprinzip der Sympathikus-Chirurgie ist jedoch eine ausreichend langstreckige Separation der Nervenenden, sodass ein erneutes Zusammenwachsen und eine Readaptation vermieden wird (Hashmonai et al. 2016; Krasna 2008).
Sämtliche Verfahren werden in der Ära der minimalinvasiven Chirurgie aufgrund der guten Übersicht und Darstellung der anatomischen Verhältnisse videothorakoskopisch durchgeführt.
Technik der videothorakoskopischen Sympathektomie/Sympathikotomie
Halb-Seitenlage oder Beach Chair Position mit 90° abduziertem Arm, Doppellumenintubation in Allgemeinnarkose, Platzierung zweier 3–10 mm Trokare im 2. und 4. Interkostalraum, 3–10 mm Optik, Eingang über den unteren Zugang. Alternativ kann auch über eine Single Port Inzision der Zugang erfolgen. Idealerweise vorgehen unter CO2-Insufflation.
Zunächst wird der Grenzstrang sicher identifiziert und die Pleura parietales im Zielsegment inzidiert und eröffnet. Sodann erfolgt die vorsichtige Präparation und Darstellung des Grenzstranges unter Vermeidung von Zug, thermischen Schäden und Schwerkräften.
Danach wird in den entsprechenden Segmenten die Durchtrennung des Sympathikus bzw. teilweise die Entfernung des Grenzstranges durchgeführt. Dies kann z. B. mit dem monopolaren Haken, der bipolaren Schere oder dem Ultraschalldissektor durchgeführt werden. Alternativ kann ein potenziell reversibles Clippung des Grenzstranges erfolgen. Dies bietet die Möglichkeit der operativen Entfernung in der Revisionsoperation, wenn das postoperative Ergebnis unbefriedigend ist (Hynes und Marshall 2016; Lin und Chou 2004).
Durch die zusätzliche Koagulation des präkostalen Gewebes der entsprechenden Rippen auf einer Länge von 4 cm und die dadurch entstehende thermische Schädigung der Rr. communicantes kann eine mögliche fortbestehende sympathische Innervation durch diese kollateralen abberanten Verbindungen reduziert und somit die Erfolgschancen der Operation verbessert werden. Abberierende Fasern von unteren thorakalen Ganglien, die möglicherweise zu den Händen und der Axilla führen, können so erfasst und verstört werden. Besonders die präganglionären Fasern sollten ebenfalls durchtrennt werden, denn über diese besteht eine mögliche Verbindung zwischen dem rechten und linken Grenzstrang (Rennie et al. 2003; Rex et al. 1998).
Ein Alternativverfahren, für das ein geringeres Risiko des kompensatorisches Schwitzens beschrieben ist, ist die selektive postganglionäre efferente Sympathikotomie. Hier werden nach sicherer Identifizierung des Truncus sympathicus alleinig die postganglionären Rami 2 cm lateral des Trunkus durchtrennt. Zusätzliche mögliche kollaterale Fasen werden durch Thermokoagulation entlang der Rippen zerstört. Das Auftreten der gefürchteten Komplikationen (Horner-Syndrom und kompensatorisches Schwitzen) soll durch diese Technik vermindert werden. Allerdings ist hier ein vermehrtes kompensatorisches Schwitzen im Bereich der unteren Extremität in bis zu 28 % der Fälle beschrieben (Cho et al. 2002; Friedel et al. 1993; Abb. 6).
Ein intraoperatives Monitoring des Therapieerfolges kann idealerweise durch die Platzierung einer Temperatursonde im Bereich des Thenars der betroffenen Hand erfolgen. Ein Anstieg der Temperatur um 0,5 °C ist signifikant (Li et al. 2009; Linder et al. 1993).
Die Einlage einer Thoraxdrainage am Ende der Operation ist optional möglich, in der Regel jedoch nicht notwendig. Ein beidseitiges Vorgehen in einer operativen Sitzung nach Umlagerung ist zu empfehlen. Nur durch dieses einzeitige Vorgehen unter beidseitiger Durchtrennung der präganglionären Fasern und der damit verbundenen Unterbrechung der möglichen präganglionären Verbindung zwischen dem rechten und linken Grenzstrang kann eine paradoxe, überschießende Schweißbildung trotz (einseitiger) selektiver Sympathektomie vermieden werden.
Die roboterassistierte minimalinvasive Technik ermöglicht durch die bessere Visualisierung und Instrumentenbeweglichkeit einen Vorteil im Vergleich zur konventionellen Thorakoskopie. Allerdings sind die OP-Zeit, die Zahl der Zugänge und der Ressourcenverbrauch entsprechend höher (Coveliers et al. 2013b).
Das Ausmaß der Resektion respektive Durchtrennung der nervalen Struktur ist abhängig vom zum Krankheitsbild korrelierenden Level der Sympathikus-Innervation: So wird die palmare Hyperhidrose über das Level T2,T3 und die axilläre primäre Hyperhidrose über Level T3,T4 innerviert sowie die faziale Hyperhidrose auf Höhe T2. Dies sind Orientierungswerte, erhebliche anatomische Variationen – auch seitengetrennt – bestehen (Kim et al. 2008a; Zhang et al. 2009).
Zur Vermeidung von Nebenwirkungen – insbesondere dem kompensatorischen Schwitzen – sollte eine Durchtrennung über nicht mehr als zwei Segmente erfolgen. Die früher favorisierte Sympathektomie von T2–T5 wird aus diesem Grunde von den meisten Autoren nicht mehr empfohlen. Die Resektion auf und oberhalb der zweiten Rippe ist aufgrund des hierbei deutlich erhöhten Risikos für das Auftreten eines Horner-Syndroms zu vermeiden (Heidemann und Licht 2013; Munia et al. 2008; Rex et al. 1998; Video 1).
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Video 1
(Hyperhidrosis-DGT BUCH. mp4): Hyperhidrosis palmaris Grad III, minimalinvasive Sympathektomie (mit freundl. Genehmigung von Prof. C. Ludwig, Dr. K.-M. Bastian, Florence Nightingale Krankenhaus, Düsseldorf). (▶https://doi.org/10.1007/000-8m5)
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Ergebnisse
Die Erfolgsrate für die thorakoskopische Sympathikus-Chirurgie wird bei der Hyperhidrosis palmaris mit 95–97 % und für die Hyperhidrosis axillaris mit 60–80 % angegeben. Aufgrund der doch deutlich geringeren Erfolgs- und Zufriedenheitsrate bei der Behandlung der isolierten axillären Hyperhidrose sollte dieses Verfahren nur nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen und gegebenenfalls auch lokaler chirurgischer Prozeduren, wie Resektion oder subkutane Kürettage der axillären Schweißdrüsen in Betracht gezogen werden. Für die palmare Hyperhidrose ist die alleinige Durchtrennung im Bereich T3 mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten des kompensatorischen Schwitzens verbunden, wohingegen die Patienten nach Resektion nur auf Höhe T4 häufiger über weiterhin leicht feuchte Hände klagen. Vereinzelt wird außerdem in den ersten 2–3 postoperativen Tagen nochmals eine postoperative Hyperhidrose beobachtet (Gossot et al. 2003; Linder et al. 1993; Neumayer et al. 2004; Cerfolio et al. 2011). In bis zu 50 % der Behandlungsfälle wird eine begleitende Verbesserung der plantaren Hyperhidrose berichtet (Rzany et al. 2017).
Nebenwirkungen und Komplikationen
Das kompensatorische Schwitzen ist mit 5–30 % die mit Abstand häufigste Nebenwirkung, die auch bei strenger Selektion der Patienten nicht komplett vermeiden werden kann. Dieses Schwitzen wird dann ohne erkennbaren Trigger ausgelöst. Der Bauch und – seltener – die Füße sind betroffen, bis hin zu regelmäßigem Kleiderwechsel. Ursächlich scheinen hierfür Blockierungsmechanismen der retrograden Steuerung über die afferenten Nervenfasern zum Hypothalamus zu sein. Unterschiedliche Klassifikationen zur Schweregradeinteilung existieren. Oftmals lässt das kompensatorische Schwitzen in den ersten Tagen wieder deutlich nach. Durch die Eingrenzung der operativen Prozedur auf wenige Level sowie die Vermeidung einer übermäßigen Manipulation und Schädigung des Grenzstranges (z. B. durch thermische Schädigung) kann das Risiko für ein erhöhtes kompensatorisches Schwitzen reduziert werden. Außerdem ist bei einem BMI >25,0 kg/m2 mit einer deutlich erhöhten Inzidenz des kompensatorischen Schwitzens zu rechnen. Die Indikation für den operativen Eingriff sollte dementsprechend kritisch bei Adipositas abgewogen werden und im Zweifelsfall nicht durchgeführt werden. Entscheidend ist jedoch die Einschränkung der individuellen Lebensqualität. Bei Auftreten eines unerträglichen, die Lebensqualität deutlich einschränkenden Schwitzens sollte die Rekonstruktion des Nervens unter Umständen auch mit freiem Interponat in Erwägung gezogen werden. Durch die Verwendung von Clips zur Nervenunterbrechung ist eine gegebenenfalls frühzeitige Revision und im Idealfall eine Reversibilität möglich (Lin 2001; Moya et al. 2006; Riet et al. 2001).
Eine Sonderform bildet das gustatorische Schwitzen. Hier kommt es während des Verzehrs von vor allem stark gewürzten Speisen zu einem vermehrten Schwitzen in umschriebenen Arealen des Hals-Gesicht-Bereiches. Dieses Phänomen wird in etwa 1–50 % der Fälle beschrieben und ist in der Regel nur in den ersten 6 postoperativen Monaten nachweisbar. Die persönliche Beeinträchtigung der Patienten diesbezüglich schwankt erheblich (Licht und Pilegaard 2006).
Das Auftreten eines postoperativen Horner-Syndroms ist eine gefürchtete Komplikation. Die Inzidenz liegt bei ca. 1–2 %. Durch die Minimierung der Präparation streng unterhalb der zweiten Rippe und vorsichtige spannungsfreie Präparation unter Vermeidung von Thermostress kann die Schädigung des Ganglion stellatum vermieden werden. Vereinzelt finden sich allerdings auch noch bis zum dritten thorakalen Ganglion okulomotorische Fasern, sodass das Risiko bei der operativen Therapie der palmaren Hyperhidrose nicht grundsätzlich vermieden werden kann (Frey 1923; Singh et al. 2006; Ramos 2013).
Außerdem kann es zu einer deutlichen Trockenheit der Hände kommen, der mit einer vermehrten topischen Anwendung von Handcreme begegnet werden kann.
Seltene Komplikationen und Nebenwirkungen, wie Pneumothorax, Blutung und postoperative Schmerzen können durch die Einhaltung der üblichen chirurgischen Sorgfalt minimiert werden.
Ob die thorakoskopische Sympathikotomie die kardiopulmonale Leitungsfähigkeit beeinflusst, wird in der Literatur kontrovers diskutiert, insbesondere eine permanente Bradykardie unter 50 Schläge/min ist beschrieben. Denkbar ist dies über eine autonome sympathische Innervation des Herzens vor allem im Bereich des Ganglion stellatum. Aus diesem Grunde sollte präoperativ eine kardiologische Untersuchung erfolgen (Gorenstein und Krasna 2016; Papa et al. 1986; Vigil et al. 2005).
Neben einer umfangreichen Anamnese unter Berücksichtigung der bis dato durchgeführten konservativen Therapiemaßnahmen, sollte zunächst bei diesem elektiven Verfahren ein ausführliches Informationsgespräch über das operative Vorgehen, Risiken, Erfolgsaussichten und unerwünschte Nebenwirkungen erfolgen. Die Operation sollte erst nach entsprechender Bedenkzeit geplant und durchgeführt werden. Die Patientenaufklärung sollte individuell abgestimmt sehr ausführlich erfolgen. Insbesondere auf die wesentlichen Komplikationen (Horner-Syndrom, trockene Hände und kompensatorisches Schwitzen sowie die potenzielle Irreversibilität des Eingriffs sollte hingewiesen werden (de Campos et al. 2003)).
Zur Objektivierung der prä- und postoperativen Lebensqualität wird die Anwendung eines evaluierten strukturierten und standardisierten Fragebogens empfohlen. Mehrere spezifische Fragebögen stehen zur Verfügung. Je nach präoperativem Beschwerdebild geben die Patienten nach der Operation eine zwischen 70- und 97-prozentige Verbesserung ihrer Lebensqualität an. Somit scheinen die Patienten trotz der gegebenenfalls eintretenden Nebenwirkungen bei entsprechender Patientenselektion postoperativ und in den Folgejahren eine Verbesserung ihrer Lebensqualität zu empfinden (de Campos et al. 2016; Dumont et al. 2003; Kumagai et al. 2005).
Plantare Hyperhidrose
Bei einer plantaren Hyperhidrose findet eine übermäßige Schweißbildung an den Füßen statt. In knapp 50 % der Fälle findet sich zusätzlich eine palmare Hyperhidrosis. Dies unterstützt die Annahme einer genetischen Disposition der primären Hyperhidrosis.
Die plantare Hyperhidrosis führt durch das exzessive Schwitzen neben ständig feuchten Füßen auch zu deutlicher Unterkühlung bis hin zu zyanotischen Hautveränderungen. Das feuchte Medium an den Füßen kann eine bakterielle und mykotische Besiedelung fördern. Dies kann mitunter zu massiver Beeinträchtigung durch sehr unangenehmen Fußgeruch führen. Barfußgehen wird häufig komplett vermieden (Kim et al. 2008).
Die Behandlung der plantaren Hyperhidrosis verläuft ähnlich zur palmaren Form:
Zunächst sollten die oben beschriebenen konservativen Maßnahmen, wie topische Applikationen, Iontophorese oder Botulinumtoxin versucht werden. Sollte bei einer kombinierten plantaren und palmaren Hyperhidrose eine operative Therapie indiziert und geplant sein, so kann in etwa 50 % der Fälle damit gerechnet werden, dass nach thorakoskopischer Sympathektomie die Beschwerden plantar damit auch erfolgreich behandelbar sind (Vadoud-Seyedi 2004).
Alternativ bzw. bei isolierter, therapierefraktärer plantarer Hyperhidrose wird auch hier der minimalinvasive laparoskopische Zugang zur lumbalen Sympathektomie favorisiert. Hierbei wird nach sicherer Identifizierung des abdominellen Grenzstranges (z. B. durch Fluoreszenzillumination) dieser auf Höhe des 3. und 4. Lumbalkörpers durchtrennt.
In bis zu 90 % kann ein zumindest zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden. Als wesentliche mögliche Komplikationen sind neben den zugangsbedingten Risiken das kompensatorische Schwitzen und postsympathektische plantare, meist reversible Schmerzen (Rieger und Pedevilla 2007; Reisfeld 2010; Neumayer et al. 2005).
Die Indikationsstellung sollte auch hier immer streng und in enger interdisziplinärer Abstimmung erfolgen.
Erythrophobie
Die Ursache der Errötungsangst ist nicht gänzlich geklärt. Betroffene Patienten leiden jedoch unter der verstärkten Rötung des Gesichtes so sehr, dass sie mitunter jeglichen Sozialkontakt aus Angst vermeiden. Nach Ausschöpfung sämtlicher konservativer und psychologischer Maßnahmen kann durch die thorakale Denervierung des Sympathikus – vorzugsweise T2–T3 – eine Linderung der Symptome eintreten. Aufgrund des 30-prozentigen Risikos für das Auftreten von Nebenwirkungen (v. a. kompensatorisches Schwitzen, Horner-Syndrom) sollte die Indikation sehr streng gestellt werden (Licht et al. 2006; Wittmoser 1985).
Seltene Indikationen der Sympathikus-Chirurgie
Eine Zusammenstellung seltener Indikationen zeigt folgende Übersicht (Ouriel und Moss 1995; Schneider et al. 2013; Wettervik et al. 1995).
Therapierefraktäre vasokonstruktive Ischämien, z. B. beim Morbus Raynaud, können durch Sympathikusdurchtrennung behandelt werden. Die Erfolgsquote liegt je nach zugrunde liegender Ursache bei 50–95 %. Da auch hier die bekannten Nebenwirkungen auftreten können, sollte die Indikation v. a. bei chronischen Ulzerationen und Gangränen sowie bei der Gefahr einer Amputation oder zur Linderung unerträglicher Schmerzen in enger Abstimmung mit den Gefäßmedizinern erfolgen (Wittmoser 1992).
Therapierefraktäre Angina und Kammertachykardie und kongenitale QT-Strecken-Verlängerung
Therapierefraktäre Angina und Kammertachykardie sowie die kongenitale QT-Strecken-Verlängerung sind ebenfalls seltene Indikationen der zervikothorakalen Sympathikus-Chirurgie. Hier sind die Anbindung an und Abklärung in einem kardiologischen Zentrum Voraussetzung.
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