Verfasst von: Jens C. Rückert, Aron Elsner und Marco N. Andreas
Mediastinaltumoren sind eine heterogene Gruppe über 3000 verschiedener, raumforderner Prozesse im Mediastinum, welches als der anatomische Raum zwischen beiden Pleurahöhlen kranial durch die obere Thoraxapertur und kaudal durch das Diaphragma begrenzt wird. Meist wird eine Einteilung in drei mediastinale Kompartimente vorgenommen. Hierbei finden sich im vorderen Mediastinum vor allem vom Thymus ausgehende Raumforderungen, Lymphome, Teratome, sowie Schilddrüsenhyperplasien. Im mittleren Mediastinum dominieren zystische Raumforderungen (z. B. von Bronchialsystem, Ösophagus oder Perikard ausgehend), wohingegen im hinteren Mediastinum Tumore neurogenen Ursprungs den Hauptanteil der Raumforderungen ausmachen. In Kap. 5.1 wird zunächst das Mediastinum definiert und eingeteilt, eine Übersicht der häufigsten Entitäten der Kompartimente dargestellt, sowie der klinische Blick auf die Differentialdiagnose der verschiedenen Läsionen gerichtet. Dabei sind neben der topographischen Häufigkeit bestimmte klinische Parameter wie Alter und Geschlecht der Patienten, bestimmte Leitsymptome, sowie bestimmte Laborkonstellationen bedeutsam. Kap. 5.2 bespricht detailliert die Ätiologie, Pathophysiologie, Diagnose und Therapie (konservativ sowie operativ mit Vergleich verschiedener Operationstechniken) von Erkrankungen des Thymus (Thymom, Thymuskarzinom) sowie die damit verbundenen paraneoplastischen Syndrome mit besonderem Augenmerk auf der Myasthenia gravis. Kap. 5.3 behandelt in gleicher Weise Keimzelltumore, Lymphome, Schilddrüsenhyperplasien, Tumore neurogenen Ursprungs und führt tabellarisch seltene Mediastinaltumore auf.
Der sehr variable Ursprung mediastinaler Raumforderungen macht ihre Differenzialdiagnose komplex. Zur Diagnosestellung müssen die mehr als 90 verschiedenen Läsionen präsent sein. Jederzeit muss auch mit Überraschungen gerechnet werden. Anschaulich wird dies bei einer Kasuistik, in der bei einem 18-jährigen Sportler ein großer symptomatischer Tumor im vorderen Mediastinum nach Biopsie den Befund einer Pankreatitis offerierte. Die initial angenommene Diagnose einer Pankreasektopie, als Ausdruck einer embryologischen Entwicklungsstörung, war erst nach vollständiger histologischer Aufarbeitung als reifes Teratom mit unidirektional pankreatischer Differenzierung zu korrigieren (Weichert et al. 2010). Ein Einteilungsvorschlag, der sich bereits über Jahre bewährt hat, gibt eine Übersicht über mediastinale Kompartimente und die entsprechenden Erkrankungen (Carter et al. 2017).
Tab. 1
Aufteilung der Mediastinaltumoren nach Kompartimenten (nach Carter et al. 2017)
Kompartiment
Anatomische Strukturen
Erkrankungen
Anterior
• Thymus
• Fett
• Lymphknoten
• A. brachiocephalica sinistra
• Erkrankungen des Thymus (Hyperplasie, Thymom, Thymuskarzinom, Thymuszyste)
Einteilung der mediastinalen Kompartimente in vorderes (gelb), mittleres (blau) und hinteres (grün) Mediastinum (nach Carter et al. 2017)
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Häufig gibt es in der Medizin für bestimmte Erkrankungen den „prototypischen Patienten“, dessen Kenntnis orientierend bei den differenzialdiagnostischen Überlegungen hilfreich sein kann. In diesem Kontext spielen insbesondere das Alter, das Geschlecht sowie die Tumorlokalisation (Tab. 1) eine große Rolle. In Tab. 2 sind beispielhaft typische Patienten häufiger mediastinaler Tumoren aufgeführt.
Je nach mediastinalem Kompartiment kommen verschiedene Tumorentitäten unterschiedlich häufig vor (Roden et al. 2020a). In einer aktuellen Analyse mit über 3000 mediastinalen Läsionen waren Thymome (27,8 %) am häufigsten, gefolgt von benignen zystischen Raumforderungen (20,0 %) sowie Lymphomen (16,1 %) an dritter Stelle (Abb. 2).
Tab. 3
Laborkonstellationen verschiedener Mediastinaltumoren in der Übersicht
a Präoperative CT (Transversalschnitt) einer 55-jährigen Patientin mit Thymom (postoperative Histologie: WHO B1, Stadium II, pT1a pN0 (0/5) L0 V0). b Perikardzyste bei einer 85-jährigen Patientin: Die Konfiguration und das Dichteverhalten (14 HU) sowie eine Gewebeschicht zwischen der Raumforderung und dem Perikard in a.-p. und transversal sind pathognomonische Parameter. c Bildgebung einer mediastinalen Lymphadenopathie bei einer 54-jährigen Patientin, bei der anamnestisch ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom bekannt war. Nach zweifach frustranem Versuch einer bioptischen Sicherung, konnte erst mittels Mediastinoskopie die Diagnose eines follikulären Lymphoms Grad 1–2 gestellt werden
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Bezogen auf die bereits oben definierten Kompartimente, zeigte sich im vorderen Mediastinum das Thymom als häufigster Tumor (38,3 %). Im mittleren Mediastinum fanden sich meist benigne Zysten (16,8 %) und im hinteren Kompartiment dominierten Tumoren neuronalen Ursprungs (53,9 %). Dabei gab es eine regionale Akzentuierung: In China kamen häufiger benigne zystische Tumoren vor, während in Europa Thymome am häufigsten waren und in Nordamerika und Israel Lymphome die meisten Erkrankungen darstellten (Roden et al. 2020a).
Mediastinale Raumforderungen werden oft als radiologischer Zufallsbefund diagnostiziert oder machen sich durch verschiedenste Symptome bemerkbar (Abb. 3). Durch verdrängendes oder auch infiltrierendes Wachstum können die in Tab. 1 beschriebenen anatomischen Strukturen betroffen sein und je nach Lokalisation Husten, Stridor, Hämoptysen, Luftnot, Schmerzen, aber auch Schluckstörungen oder Heiserkeit auftreten. Bei Kompression vaskulärer Strukturen oder des Herzens kann es zusätzlich wie beim Vena-cava-superior-Syndrom zur oberen Einflussstauung und Hypotension kommen. Ein Auftreten des Horner-Syndroms ist durch eine Affektion des Ganglion stellatum bedingt. Unspezifische Symptome, wie Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust, können Ausdruck paraneoplastischer Syndrome oder Lymphom-assoziiert sein. Die Myasthenia gravis ist ein häufiges paraneoplastischen Syndrom bei Thymomen (Abschn. 2).
Abb. 3
MRT des Thorax einer 36-jährigen Patientin mit einem großen Mediastinaltumor des vorderen Mediastinums, mit initialem bildmorphologischem Verdacht auf einen Keimzelltumor. Vorgestellt hatte sich die Patientin HNO-ärztlich in der 13. Schwangerschaftswoche mit einer Schluckstörung sowie Heiserkeit. Die Untersuchungen zur Bestimmung der Ätiologie Stimmbandparese links blieben zunächst ohne pathologischen Befund. Erst die Stanzbiopsie erbrachte die Diagnose eines B-Zell-Lymphoms
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Die kontrastmittelunterstützte Computertomografie (CT) ist das radiologische Mittel der Wahl zur Abklärung mediastinaler Auffälligkeiten. Sie gibt Aussagen zur Lokalisation und Größe der mediastinalen Raumforderung sowie zu benachbarten Organen. Außerdem können Gewebeeigenschaften (solide, liquide, Fettgewebsanteile, Kalzifikationen etc.) und eine mögliche Infiltration von Nachbarstrukturen abgeschätzt werden, wobei letztere Information maßgeblich für die Planung und Vorbereitung operativer Maßnahmen ist. Ein Beispiel dafür ist die Analyse der radiologischen Diagnostik hinsichtlich des Auftretens oder Fehlens eines Zwerchfellhochstandes bei vorderen mediastinalen Tumoren. Liegt ein Zwerchfellhochstand vor, ist von der Infiltration des jeweiligen N. phrenicus auszugehen. Dies geschieht wesentlich häufiger durch ein Thymuskarzinom als durch ein Thymom. Selbst große Thymome erlauben dagegen oft die Planung einer nervenschonenden Operationstechnik. Die strukturierte radiologische Analyse vorderer mediastinaler Läsionen konnte hochgradig charakteristische Befunde (z. B. intrathorakale Schilddrüse), suggestive Befunde mit Notwendigkeit einer klinischen Korrelation und gegebenenfalls Ergänzung einer Biopsie (z. B. Thymom, Seminom, NHL-Subgruppen) und seltene, aber sehr charakteristische Befunde mit hoher Sicherheit (z. B. Thymolipom, pleural metastasiertes Thymom) differenzieren (Carter et al. 2014). Für spezielle Fragestellungen können weitere bildgebende Verfahren hilfreich sein. Beispielsweise kann die Kernspintomografie (MRT) des Herzens oder des Thorax genauer zwischen Kompression und Infiltration im vorderen Mediastinum unterscheiden. Eine MRT der Wirbelsäule bietet bei posterioren Mediastinaltumoren gegenüber der CT Vorteile in der Beurteilung der Einbeziehung der Neuroforamina sowie des Spinalkanals. Die Positronenemissionstomografie (PET) bringt vor allem unter Verwendung von 18F-Fluordesoxyglucose (FDG) als Tracer und CT-fusioniert initial und mit Blick auf ein therapeutisches Ansprechen informativen Mehrwert in selektierten Fällen (Abb. 4). Eine differenzierte Beurteilung im Wissen normalen, aber FDG-PET-aviden Gewebes des Thymus ist hierbei notwendig (Gawande et al. 2012). Weitere apparative Untersuchungen können vermutete Diagnosen erhärten. So kann die Verwendung eines DOTATOC-PET/CT eine erhöhte Somatostatin-Rezeptorendichte neuroendokriner Tumoren bildgebend darstellen und eine Szintigrafie mit den Radionukliden Technetium (99mTc) oder Jod Hinweise auf thyreoidale Ursprünge einer mediastinalen Raumforderung liefern. Differenzialdiagnostisch muss eine mediastinale Filialisierung eines anderen Primärtumors immer in Erwägung gezogen werden (z. B. Seminom).
Abb. 4
Bei einem 22-jährigen Patienten war bei Lymphadenopathie und B-Symptomatik eine explorative Halslymphadenektomie erfolgt. Diese blieb ohne Ergebnis. Erst nach Punktion der mediastinalen Raumforderung wurde pathohistologisch die Diagnose eines Morbus Castleman gestellt (hyalinvaskulärer Typ). Bei solitärem Tumor erfolgte die Operation Roboter-assistiert thorakoskopisch von links
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Die Untersuchung einzelner Laborparameter im Sinne des Tumormarker-Nachweises kann einen Hinweis zur Differenzierung anteriorer mediastinaler Raumforderungen bieten (Tab. 3). Zur Entscheidungsfindung sollten folgende Punkte berücksichtigt werden: Besteht ein resektabler Tumor? Kann dieser einem Lymphom zugeordnet werden? Resektable Tumoren des vorderen Mediastinums mit Lymphomverdacht sollten hierbei der Biopsie zugeführt werden, da diese einem systemischen, nichtoperativen Therapieansatz bedürfen (Abschn. 3). Resektable Tumoren des vorderen Mediastinums ohne Lymphomverdacht sollten primär in toto entfernt werden, da, wenngleich in seltenen Fällen, eine Tumoraussaat durch Punktion bekapselter Thymome entstehen kann (Kattach et al. 2005) (Abb. 5).
Tab. 4
Klassifikation der Thymustumoren nach Shield’s Mediastinal Surgery
a Präoperative CT eines 59-jährigen Patienten mit unklarer Raumforderung im vorderen Mediastinum. b Als Zufallsbefund zeigte sich nach kompletter Thymektomie ein Thymom Typ AB, Masaoka-Koga Stadium 2a, pT1a pN0 (0/3) L0 V0 Pn0 R0 (Pfeil)
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Sind mediastinale Tumoren nicht resektabel, sollte die histologische Sicherung mittels Biopsie durchgeführt werden. Anders als bei Tumoren des vorderen Mediastinums ergibt allein die nach klinischer Analyse und Bildgebung unklare Diagnose bei hinteren Mediastinalläsionen die Indikation zur bioptischen Sicherung. Bei Affektion nichtresektabler Strukturen, aber auch bei absehbar ausgedehnten Resektionen mit komplexer Rekonstruktion sollte zunächst eine Gewebeprobe gewonnen werden, um eine histologische Zuordnung zu ermöglichen, die eventuell weitere diagnostische und/oder therapeutische Schritte (z. B. neoadjuvante Chemotherapie) zur Folge hat. Natürlich sollte die Art der Biopsie unter den Prämissen beste Zugänglichkeit, geringstes Risiko und höchste Repräsentativität ausgewählt werden. Die Konsistenz aller diagnostischen Befunde muss somit berücksichtigt werden und Biopsien gegebenenfalls wiederholt werden, wenn diese nicht ausreichend aussagekräftig erscheinen (Detterbeck 2015). Alternativ zu den oben genannten bioptischen Optionen histologischer Sicherung kann hierbei ein chirurgischer Ansatz notwendig werden, wobei dieser aufgrund perioperativer Risiken als Ultima Ratio gesehen werden sollte. Mit dem Ziel der histologischen Sicherung sollte den minimalinvasiven Techniken der Vorrang gegeben werden. Sie umfassen die anteriore Mediastinotomie nach Chamberlain für vordere retrosternale Mediastinaltumoren, die zervikale Mediastinoskopie für Läsionen des mittleren Mediastinums und die videoassistierte Thorakoskopie mit Zugang zu allen mediastinalen Kompartimenten. Neben der bioptischen Materialgewinnung kann letztere im Sinne der Exploration eine Resektabiliät in präoperativ unsicherer Situation klären.
Erkrankungen des Thymus, einschließlich Myasthenie
Einleitung
Der Thymus selbst zeigt die große Variabilität mediastinaler Raumforderungen. Er kann nahezu sämtliche Erkrankungsbilder, die sich mit mediastinalen, meist raumfordernden Veränderungen manifestieren, präsentieren. Tab. 4 gibt dazu einen Überblick (Shields 1991). Exemplarisch sei der seltene Fall eines primär mediastinalem Chorionkarzinom gezeigt (Abb. 6), der belegt, wie bereits in Abschn. 1 verdeutlicht, dass stets jede mögliche Differenzialdiagnose im Auge behalten werden muss.
CT eines 20-jährigen Patienten mit primär mediastinalem Keimzelltumor (Nicht-Seminom, Chorionkarzinom). Der Patient hatte sich initial nach Husten und Müdigkeit mit Perikard- sowie Pleuraerguss vorstellt. In der weiteren Abklärung bestand der Verdacht auf ein Thymom. Erst nach CT-Punktion konnte die oben genannte Diagnose gestellt werden. Das Bild zeigt den Restzustand des Tumors nach komplexer Chemotherapie (6x CHOP). Nach der kompletten Resektion war im gesamten Resektat keine vitale Tumorzelle mehr nachweisbar
Abb. 7
a Thymolipom als perikardnahe, weichteildichte Raumforderung, die Roboter-assistiert reseziert wurde. Der 56-jährige Patient zeigte sich präoperativ asymptomatisch, jedoch mit starkem Therapiewunsch bei unspezifischer Symptomatik. b Raumforderung von außergewöhnlicher Größe und Konfiguration (fetthaltig, die Trachea und den Hilus umwachsend) eines 60-jährigen Patienten. Bei Verdacht auf Thymolipom wurde eine radikale Thymektomie durchgeführt. Die pathologische Begutachtung ergab allerdings unerwartet die Diagnose eines gut differenzierten Liposarkoms
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Thymustumoren
Zu den Erkrankungen des Thymus mit raumfordernder Komponente im engeren Sinn gehören Thymuszysten, Thymushyperplasien, Thymome sowie das Thymuskarzinom. Geschwülste des Thymus machen etwa 50 % der Raumforderungen im vorderen Mediastinum aus und sind sowohl benigner (Zysten, Hyperplasie) als auch maligner Dignität (Thymom, Thymuskarzinom).
Das Thymom betrifft Patienten beider Geschlechter gleichermaßen und in jedem Lebensalter, wobei es zu einer Kumulation im mittleren bis höheren Erwachsenenalter kommt. Unter den zahlreichen Klassifikationssystemen für Thymustumoren haben Rosai und Levine 1976 die einfache Einteilung in benigne, maligne Typ 1 und maligne Typ 2 Tumoren definiert (Levine und Rosai 1976, 1978). Ausgehend vom Verhältnis der Anteile von medullären und kortikalen Epithelzellen wurde 1985 eine histogenetische Klassifikation mit prognostischer Bedeutung konzipiert (Marino und Muller-Hermelink 1985). Grundlage dieser Einteilung sind auch die Tumorzellmorphologie, das Vorhandensein und die Anzahl von Lymphozyten sowie Zellatypien und Nekrosen. Durch verifizierende Daten ist mehrfach eine Präzision erfolgt, zuletzt durch Berücksichtigung einer unerwartet aggressiven Variante des medullären Typs (Yamada et al. 2020). Die Bedeutung der histogenetischen Klassifikation wird jedoch nicht einheitlich gesehen. Die WHO hat die beiden Systeme korrelierend in der ABC-Klassifikation vereint (Marx et al. 2015). Der Verlauf der unterschiedlichen Klassifikationen über die Zeit ist in Tab. 5 illustriert. Kürzlich erschien die 5. Edition der WHO-Klassifikation für thorakale Tumoren (WHO Classificiation of Tumours Editorial Board 2021). Hierbei kam es lediglich zu geringen Änderungen, wobei die generelle Einteilung nach A, AB, B1 bis B3 und C beibehalten wurde. Beispiele für diese Änderungen sind die Nomenklaturanpassung des mikroskopischen Thymoms, das nun als noduläre epitheliale Hyperplasie betrachtet wird, sowie das sklerosierende Thymom, welches nun als konventionelles Thymom mit regressiven Veränderungen angesehen wird (Marx et al. 2022). Generell konnten im Bereich der Molekularpathologie und Tumorbiologie weitere Erkenntnisse gewonnen werden, welche die bisherige Aufteilung unterstützen.
Tab. 6
Masaoka-Koga-Stadien verglichen mit TNM-Stadien, nach Ahmad 2021
Die Stadieneinteilung erfolgte lange Zeit ausschließlich entsprechend der Masaoka-Koga-Klassifikation nach Anpassung durch die Detterbeck-Definitionen 2011 (Tab. 6) (Detterbeck et al. 2011). Im Jahr 2018 erschien die TNM-Klassifikation für Thymustumoren. Dem lag das Bestreben nach Einheitlichkeit basierend auf der Analyse großer Datenmengen zugrunde (Huang et al. 2014). Dabei sind die Masaoka-Koga-Stadien I und II aufgrund des fehlenden prognostischen Unterschiedes im Stadium T1 zusammengefasst. Eine weitere Besonderheit liegt in der Konzeption eines perithymischen sowie eines tiefen mediastinalen Lymphknotenkompartments für das N-Stadium. Die genaue Stadien-Übersetzung der Masaoka-Koga-Stadien in die TNM-Stadien ist in Tab. 6 dargestellt (Ahmad 2021). Prognostisch gab es hierbei weder bei einer Invasion von Tumorkapsel oder mediastinaler Pleura einen signifikanten Unterschied des Langzeitüberlebens. Ebenso hatte die Tumorgröße an sich keine prognostische Relevanz. Zu beachten ist weiterhin, dass die Festlegung eines T-Stadiums nicht immer einfach ist. Schwierigkeiten hierbei kann unter anderem die Abwesenheit der Lamina elastica in manchen perikardialen Bereichen sein, über die eine Invasion der mediastinalen Pleura definiert wird. Des Weiteren ist eine Infiltration der viszeralen Pleura außerhalb der äußeren Elastinschicht nicht durch die aktuelle Einteilung erfasst, was zu einem Grenzfall zwischen T1 und T3 führt. Dies macht ein systematisches Vorgehen der Probenbehandlung durch Chirurgie und Pathologie notwendig und betont die Bedeutung bestimmter Spezialfärbungen (beispielsweise p63, Calretinin). In der Diskussion befindet sich ebenfalls noch die Rolle des Lymphknotenbefalls und das damit einhergehende Resektionsausmaß. Dafür ist es wichtig zu verstehen, dass nur in 2 % der Thymome und 27 % der Thymuskarzinome Lymphknotenmetastasen bestehen (meist parathymisch anterior). Von diesen hatte wiederum nur ein geringer Anteil eine N2-Beteiligung (26 % bei Thymomen, 30 % bei Thymuskarzinomen) (Detterbeck et al. 2014). Zudem konnte eine prognostische Relevanz des N-Stadiums aufgrund der geringen Fallzahlen bisher nur empirisch berechnet werden. Empfohlen wird aktuell eine N1-Resektion bei Thymomen sowie eine N2-Resektion bei Thymuskarzinomen. Daran sollte ebenfalls das OP-Verfahren (minimalinvasiv versus offen) angepasst werden (Ahmad 2021) (Tab. 6).
Tab. 7
Übersicht über paraneoplastische Raumforderungen bei Thymom, Thymuskarzinom, Thymuskarzinonoid (nach Huang et al. 2014)
In diesem Kontext ist zusätzlich erwähnenswert, dass einzelne Studien zur bloßen lokalen Exzision von Thymomen im Frühstadium respektable Ergebnisse erbracht haben (Narm et al. 2016). Das unterstreicht den möglicherweise geringeren Stellenwert der Lymphadenektomie beim Thymom gegenüber anderen malignen Tumoren. Gleichzeitig wären die gleichwertigen Langzeitergebnisse nach minimalinvasiver Thymektomie gegenüber der medianen Sternotomie kaum denkbar, wenn die Lymphadenektomie des tief mediastinalen Kompartments der TNM-Klassifikation für alle Thymome essenziell wäre. Grundsätzlich sollte bei einem Thymom also eine komplette Thymektomie mit En-bloc-Resektion des Thymoms, des restlichen Thymusgewebes und des umgebenden perithymischen und kardiophrenischen Fettgewebes vorgenommen werden. Dabei sollte intraoperativ das Thymom in Form einer sog. No-touch-Operationstechnik kapselschonend behandelt werden. In jedem Fall ist die Zielstellung, einen intakten N. phrenicus durch die Präparation funktionell zu erhalten. Dazu beginnt die Präparation am besten im Bereich des N. phrenicus selbst. Variabel wird dann zunächst der zervikale Anteil des Thymus präpariert, nachfolgend der präkardiale Anteil des Thymus und abschließend das kardiophrenische Gewebe. Für die minimalinvasive Resektion von großen Thymomen ist eine technische Modifikation der unilateralen 3 Trokartechnik zu empfehlen: Ein zusätzlicher subxiphoidaler Trokar erlaubt die adäquate Präparation und Exposition im Operationsfeld. Über den subxiphoidalen Zugang kann außerdem mittels eines großen Bergebeutels das Resektat gut entfernt werden. Im Falle eines Thymuskarzinoms ist in den meisten Fällen eine mediane Sternotomie mit kompletter Lymphadenektomie des oberflächlichen und tiefen Kompartments (N1 und N2, (Huang et al. 2014)) erforderlich.
Die Diagnose des Thymoms wird meist über 3 mögliche Wege gestellt. Es wird als asymptomatischer Zufallsbefund in der Bildgebung diagnostiziert oder es wird symptomatisch wegen einer raumfordernden Verdrängung (beispielsweise Brustschmerz, Dyspnoe, Husten) oder im Sinne einer Paraneoplasie. Etwa die Hälfte aller Thymompatienten zeigen myasthene Symptome (Safieddine et al. 2014).
Der Verdacht eines Thymoms stellt prinzipiell die Operationsindikation. Vier typische radiologische CT-morphologische Typen sind reproduzierbar zu unterscheiden (Abb. 8): Eine gut bekapselte, zentral lokalisierte und von einer Myasthenie begleitete Raumforderung sollte nach Symptomkontrolle zügig operiert werden (Abb. 8a). Auch bei großen Thymomen mit guter Abgrenzbarkeit ist keine präoperative Zytologie oder Histologie erforderlich, insbesondere wenn auch noch eine Myasthenie vorhanden ist. Selbst bei geringer Größe sind die unruhige Kontur und der fehlende Gewebesaum zum Perikard Hinweise auf ein mögliches höhergradiges Stadium (Abb. 8c). Natürlich hilft auch hier eine dezidierte radiomorphologische Analyse zur wichtigen Entscheidung über die chirurgische Indikation. Bei fehlender Garantie einer R0-Resektion oder der Resektabilität überhaupt, ist zwingend eine Biopsie erforderlich (Abb. 8d). Dafür bieten sich sonografisch- oder CT-gestützte Stanzbiopsien an. Ist dies nicht mit einer spezifischen Diagnose verbunden, muss eine thorakoskopische Exploration mit Gewebeentnahme oder alternativ eine Chamberlain-Operation erfolgen. Eine Klassifizierung kann neben den WHO- und TNM-Richtlinien auch gemäß der seit 2018 bestehenden American Joint Committee on Cancer (AJCC) oder nach der Masaoka-Klassifikation erfolgen (Detterbeck et al. 2014; Kim et al. 2005). Bei beiden Klassifikationssystemen ist die Tumorausbreitung sowie die Infiltration umgebender Strukturen für die Einteilung ausschlaggebend. Therapeutisch steht sowohl bei Thymomen als auch Thymuskarzinomen die Resektion im Vordergrund, was sich insbesondere in der Prognose bzw. im Langzeitüberleben ausdrückt (Davenport und Malthaner 2008) (Abb. 8).
Abb. 8
a Einfach konfiguriertes Thymom bei seropositiver Myasthenie (Typ AB, Stadium IIa, pT1a pN0 (0/12) L0 V0 Pn0 R0) einer 63-jährigen Patientin. b Großes aber primär resektables Thymom (Typ B3, pT3 pN0 (0/21) V0 L0 Pn0 R0) einer 61-jährigen Patientin. Eine minimalinvasive Operationstechnik mit subxyphoidaler Erweiterung wurde angewendet. c Thymom mit komplizierter anatomischer Konfiguration, bei dem eine „Unterschätzung“ möglich ist (fehlende Abgrenzung zum Perikard, unruhige Oberfläche mit möglicher Infiltration der Lunge). Bei dieser 49-jährigen Patientin mit bulbärer Myasthenia gravis war eine erweiterte Thymektomie unter Mitresektion von linkem N. phrenicus, Perikard und linkem Oberlappen (atypisch) notwendig. In der Histologie zeigte sich ein Thmyom Typ B3, Stadium III, pT2 pN0 (0/8) M0. d Vorderer Mediastinaltumor eines 53-jährigen Patienten mit Erfordernis einer primären Biopsie zur differenzialdiagnostischen Klärung bei fraglicher Operabilität. Bei Diagnose eines Thymoms folgte eine komplexe Therapie: (1) neoadjuvante Chemotherapie, (2) Operation (Typ B2, Stadium III, pT3 pN0 (0/4) R1 L0 V0 Pn0) und (3) postoperative Radiochemotherapie
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Die verschiedenen Operationstechniken sind hierbei in Tab. 8 dargestellt. Mittlerweile ist die minimalinvasive Operationstechnik für die Frühstadien von Thymomen etabliert. Zunehmend dominieren dabei roboterassistierte Techniken. Die Einschätzung der Resektabilität erfolgt nach primärer Bildgebung. Hierbei sind die oben genannten Kriterien der Einteilung zu berücksichtigen. Ein Tumor ohne Infiltration der Umgebung gilt als resektabel und wird meist als En-bloc-Thymektomie entfernt. Zeigt ein Tumor geringe Invasion von Umgebungsstrukturen, eine begrenzte Einbeziehung der erkennbaren pleuralen Aussaat und noch keine Fernmetastasen, gilt er als potenziell resektabel und sollte neoadjuvant chemotherapeutisch vorbehandelt werden. Dafür stehen verschiedene Cisplatin-basierte Kombinationen zur Verfügung (Fan et al. 2020) Das chirurgische Verfahren muss in diesen Fällen eines Stadium IVa (als Ausnahme Stadium IVb) nach Masaoka-Koga (TNM T3/T4) variabel individualisiert werden, ist aber nach einer multizentrischen Analyse der European Society of Thoracic Surgeons (ESTS) sehr erfolgversprechend (Moser et al. 2017). Dabei wurden selektive Serien sehr spezialisierter Zentren mit Einschluss von Pleuropneumonektomie und/oder Ersatz der VCS und des venösen Konfluens berichtet. Im Falle ausgedehnter Resektionen nach neoadjuvanter Therapie oder bei erweiterten Rezidiveingriffen kommt möglicherweise der medikamentösen Therapie in Form einer lokalen, hyperthermen intraoperativen Spülbehandlung (HITOC) eine Bedeutung zu (Ried et al. 2013a, b).
Tab. 8
Operationsverfahren bei Thymuserkrankungen
Operationsverfahren
Vorteile
Nachteile
Mediane Sternotomie
Viel Übersicht, vollständige Resektion (Jaretzki 3rd und Wolff 1988)
Iatrogene Fraktur, hohe perioperative Morbidität und Mortalität, Grenzen der Resektabilität bei beispielsweise Tumor im Lungenhilus
Partielle Sternotomie
(bis 3./4. Rippe)
Wie oben, bei kleinerem Tumor möglich
Clamshell/Hemi-Clamshell
Bei parahiliärer Invasion oder Befall der Lungenoberfläche (einseitig Hemi-Clamshell, beidseits Clamshell)
Hohe Invasivität
Transzervikaler Ansatz
Schonend, zu bevorzugen bei Thymektomie ohne Thymomverdacht in Zentren mit großer Erfahrung, keine Thoraxdrainage notwendig
Enges Operationsgebiet, unhandlicher Zugangsweg, nicht möglich bei Patienten mit eingeschränkter Nackenextension
Zugänge uniportal/multiportal, unilateral/bilateral oder subxiphoidal möglich speziell RATS:
Geringe perioperative Morbidität und Mortalität (Meyer et al. 2009), v. a. Thymom°I und°II sowie Thymus-CA <3 cm, Thymushyperplasie bei Myasthenie (Ruckert et al. 2000),
Limitierend ist Erfahrung des Operateurs, die Prämisse der vollständigen Resektion bei eingeschränkter Sicht und taktilem Feedback
Roboterassistierte Thorakoskopie (RATS)
3D-Sicht, vergrößerter Raum durch CO2, hohe Genauigkeit auf engem Raum (Resektionsausmaß) (Ruckert et al. 2008),
Zugangswege: unilateral, bilateral oder subxiphoidal
Verfügbarkeit des Verfahrens, Erfahrung des Operateurs, Kosten
Kombinierte Verfahren
Transzervikal & transsternal
transzervikal & subxiphoidal
bilateral thorakoskopisch &
transzervikal & subxiphoidal
Systemisch werden rezidivierende Thymome in Ausnahmefällen mittels Everolimus behandelt (Zucali et al. 2018). Generell weisen Thymome wenige Mutationen auf, die für die Anwendung zielgerichteter Therapien genutzt werden könnten. Zudem limitiert das häufige Auftreten schwerer immunvermittelter Toxizität deren Anwendung bei Thymomen (Zhao und Rajan 2019).
Thymustumoren neigen zudem zu begleitenden Paraneoplasien, wobei dies fast ausschließlich für Thymome zutrifft. Das Häufigste ist die bereits erwähnte Myasthenie, die unter Abschn. 2.3 näher beschrieben wird. Ein weiteres paraneoplastisches Syndrom, das bei 5–15 % der Patienten (oft älteren Frauen) auftritt, ist die sog. Red cell aplasia. Pathophysiologische Grundlage hierbei ist der autoimmun-vermittelte Untergang von Erythroblasten (Verley und Hollmann 1985). Eine Thymektomie wird hierbei meist durchgeführt, allerdings steht der klinische Nutzen im wissenschaftlichen Diskurs (Yip et al. 1996; Hirokawa et al. 2008). Eine γ-Hypoglobulinämie tritt begleitend bei etwa 5 % der Patienten auf. Auch hier scheint es eine Häufung bei älteren Frauen zu geben (Verley und Hollmann 1985). Hinweisende Symptome sind wiederkehrende oder opportunistische Infektionen. Wesentlich seltener und bisher nur in einzelnen Fallberichten beschrieben ist die paraneoplastische Thymom-assoziierte Multiorgan-Autoimmunität (TAMA), welche vergleichbar mit der nach Stammzelltransplantation auftretenden Graft-versus-Host-Erkrankung zu sein scheint (Wadhera et al. 2007). Eine Übersicht über die Häufigkeiten der einzelnen Syndrome in Bezug auf die jeweilige Thymusraumforderung ist in Tab. 9 dargestellt (Huang et al. 2014).
Chemo- oder Radiotherapie, in seltenen Ausnahmen Residualtumorresektion
Chemotherapie + En-bloc-Resektion des Residualtumors
Prognose
100 %-Überlebensrate bei benignen Tumoren; sehr gut
Gut (keine Metastasen), intermediär (bei Metastasierung)
Ungünstig (40–64 % 5-Jahresüberlebensrate)
Thymuskarzinome entspringen sehr unterschiedlichen Zelltypen, wie bereits in Tab. 4 gezeigt. Wesentlich für die Diagnose der Malignität ist das aggressive Wachstumsverhalten im Vergleich zu Typ A/B1-2 Thymomen. Oft infiltrieren Thymuskarzinome bereits per continuitatem benachbarte Strukturen oder sind bei Diagnose fernmetastasiert (meist Niere, Nebenniere, Leber, Hirn, Knochen und Pleura) (Eng et al. 2004; Lewis et al. 1987). Bildgebende Hinweise auf ein Karzinom können Zysten, Nekrosen, Kalzifizierungen oder eine PET-Avidität sein (Quagliano 1996; Treglia et al. 2014). Eine palliative Therapie (Chemotherapie, Bestrahlung oder eine Kombination) ist indiziert, wenn initial bereits Fernmetastasen oder eine ausgeprägte Invasion von Nachbarstrukturen vorliegen (Falkson et al. 2009). Aktuell werden immuntherapeutische Konzepte bei Patienten mit Tumorrezidiv oder Fernmetastasierung untersucht (Zucali et al. 2018; Cho et al. 2019; Giaccone et al. 2018). Im Unterschied zur Anwendung bei anderen Tumorentitäten wie Melanom oder Lungenkarzinom ist aber das häufigere Auftreten teils schwerer Nebenwirkungen aufgrund begleitender autoimmuner Phänomene sehr genau zu beachten. Eine postoperative Bestrahlung (PORT) sollte bei kapselüberschreitenden Thymomen und bei Thymuskarzinomen aller Ausprägungsgrade erfolgen. Für Thymome ist die PORT bei (oft unvermuteter) R1–Resektion obligat. Die adjuvante PORT nach R0-Resektion ist vielfach für das Stadium II und III nach Masaoka-Koga kontrovers diskutiert worden. Bei 668 Patienten mit Stadium II oder III wurde ein signifikanter Vorteil der PORT für das Stadium III, nicht aber für das Stadium II gezeigt (Song et al. 2020). Dagegen wurde die PORT nach einer aktuellen Meta-Analyse von 4746 Patienten für beide Stadien empfohlen (Tateishi et al. 2021). Dem Erfordernis einer prospektiven randomisierten Untersuchung entspricht ein Studienprotokoll mit Einschluss der Stadien IIb–III und Berücksichtigung der Stratifizierung der WHO-Typen A, AB, B1 versus B2, B3. Die Ergebnisse werden 2028 erwartet (Basse et al. 2021). Bis dahin scheint unter Beachtung der individuellen Patientenkriterien die PORT bei Kombination ab Stadium IIb und WHO-Typ B2 gegeben. Bei initialem Chemotherapieversagen können zudem zielgerichtete Therapeutika wie beispielsweise Pembrolizumab verabreicht werden (Giaccone et al. 2018). Zudem zeigen Phase-II-Studien zu Everolimus, Sunitinib sowie Lenvatinib erste Erfolge bei rezidivierenden Thymuskarzinomen (Zucali et al. 2018; Thomas et al. 2015; Sato et al. 2020). Weiterhin gibt es die Möglichkeit bei positivem Octreo-Scan nichtresektable Patienten mit Octreotid long acting release (LAR) und Prednisolon neoadjuvant oder palliativ zu behandeln (Kirzinger et al. 2016). Für die Nachbeobachtung gibt es keine evidenten Strategien, allerdings kann hier eine Orientierung an den amerikanischen Richtlinien der NCCN erfolgen. Demnach erfolgt bei allen Patienten eine zunächst halbjährliche CT-Kontrolle für 2 Jahre und anschließend jährliche Kontrollen für 5 Jahre (Thymuskarzinom) oder 10 Jahre (Thymom) (Budacan et al. 2020).
Myasthenia gravis
Die Myasthenie (Myasthenia gravis, MG) ist eine seltene Autoimmunerkrankung (Inzidenz etwa 7–23/1 Mio.), bei der durch Antikörper-vermittelte Reaktionen die Übertragung an der muskulären Endplatte gestört ist und so zu einer Muskelschwäche führt (Gilhus 2016). Diese pathologische Ermüdbarkeit der Willkürmuskulatur mit individueller Prädominanz der Extremitäten oder der stammnahen Muskulatur (bulbäre Form) wechselnder Ausprägung mit Erholung in Ruhe ist das Definitionskriterium der MG.
Die zentrale Rolle der Thymusdrüse wurde initial kasuistisch beschrieben (Weigert, 1902). Später wurde der autoimmune Charakter der MG experimentell bewiesen. Am häufigsten nachweisbar (bei 80–90 % der symptomatischen Myasthenie-Patienten) sind hierbei Antikörper gegen den Achetylcholinrezeptor. Aber auch die sog. muskelspezifische Rezeptortyrosinkinase (MuSK), welche zur Clusterbildung von Achetylcholinrezeptoren beiträgt und so die Signalübertragung postsynaptisch verstärkt, kann ein Ziel von Autoantikörpern sein. Noch seltener sind die Antikörper gegen Lipoprotein Rezeptor-related Protein 4 (LRP4). Pathophysiologisch wird in einer frühen Phase der Myasthenia gravis sowohl die abnorme Antigenpräsentation, als auch die konsekutive Antikörperproduktion in der Thymusdrüse selbst postuliert, da bei mindestens 60–70 % der Patienten eine follikuläre Thymushyperplasie besteht sowie bei 10–12 % ein Thymom vorliegt (Gilhus 2016) (Abb. 9). Eine Thymektomie führt in der Regel zur Symptombesserung der Patienten, was die Hypothese des Antikörperursprungs unterstützt (Yi et al. 2018). Die Thymektomie beendet die Antikörperproduktion durch die Drüse selbst und beseitigt den Transfer hochaffiner antikörperproduzierender Zellen über das periphere Blut, in die Lymphknoten und das Knochenmark. Die Bedeutung eines kurzen Zeitintervalls zwischen Beginn der MG (meist ist erst der Zeitpunkt der Diagnosestellung als vergleichbare Messgröße verfügbar) wird so verständlich. Es gibt bereits Hinweise auf die Korrelation der Dichte von Lymphfollikeln in Thymuspräparaten, dem Zeitpunkt der Thymektomie und der klinischen Verbesserung der MG (Marx et al. 2012). Bei den Patienten, bei denen sich keine Antikörper nachweisen lassen, wird von einer seronegativen Erkrankung gesprochen. Diese Bezeichnung ist allerdings als vorläufig zu betrachten, da mit der Entdeckung weiterer Antikörper zu rechnen ist. Tatsächlich können selektive seronegative Patienten ebenfalls von einer Thymektomie profitieren (Li et al. 2019a).
Abb. 9
a Ausschnitt aus thymischem Gewebe eines 24-jährigen Patienten mit seropositiver Myasthenia gravis mit Zonierung in Rinde und Mark mit follikulärer Hyperplasie. b Vergrößerung aus a mit Rinde (oben) und Markbereich (unten) mit mehreren Lymphfollikeln. Dazwischen die charakteristischen Hassall-Körperchen. c Erhöhte Proliferationsrate (Ki67) in den Keimzentren der Follikel und der Thymusrinde. d CD20-positive B-Zellen innerhalb der Keimzentren der Follikel
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Klinisch kann die Myasthenie in eine okuläre (Symptom der Diplopie) sowie eine generalisierte Form eingeteilt werden. Bei der generalisierten Form sind neben der Lid- und extraokulären Muskulatur auch bulbäre Muskelgruppen (z. B. Kauen, Schlucken, Sprechen; Abb. 10), die Atemmuskulatur und die Arm- und Beinmuskulatur betroffen. Nach der Erstmanifestation unterscheidet man die juvenile (prä-und postpubertäre), eine meist zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr, vor allem Frauen betreffende (early onset MG-EOMG) und eine MG des höheren Alters (late onset MG-LOMG), die meist zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr beginnt und vorwiegend Männer betrifft. Auch zeigt sich ein erhöhtes Manifestationsrisiko postpartum (Boldingh et al. 2016). Meist fluktuiert die Muskelschwäche der oben genannten spezifischen Muskelgruppen im Tagesverlauf mit einem Maximum gegen Abend. Von den initial okulär beginnenden Myasthenien generalisieren 50 % der Fälle nach 2 Jahren (Grob et al. 1987).
Abb. 10
Schwere okuläre und bulbäre Myasthenie mit typischer Ptosis, Hypomimie und hypokinetischer Gesichtsmuskulatur bei muskulärer Schwäche. Es kann zu Dysarthrie und Dysphagie kommen. Es handelt sich um ein Stadium IIIB nach der MGFA-Klassifikation (Myasthenia Gravis Foundation of America). Der Patient erhielt eine radikale Thymektomie im Rahmen seiner komplexen Behandlung der Myasthenie
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Diagnostiziert wird die Myasthenie zum einen klinisch, zum anderen über den Nachweis von Antikörpern im Blut sowie elektrophysiologischen Untersuchungen (EMG, repetitive Nervenstimulation). Therapeutisch kann versucht werden, den Krankheitsverlauf medikamentös über eine Immunsuppression günstig zu beeinflussen. Symptomatisch können Acetylcholinesteraseinhibitoren gegeben werden, um die Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt zu steigern und so die Übertragungsstärke zu verbessern. Bei starker Symptomatik oder myasthener Krise wird zudem versucht die zirkulierenden Antikörper über eine Plasmapherese, eine Immunadsorbtion oder die Gabe von Immunglobulinen aus dem Blut zu entfernen. Für therapierefraktäre Patienten kommen außerdem Antikörper gegen Plasmazellen (Rituximab, anti-CD20) oder gegen Komplementprotein C5 (Eculizumab) in Frage. C5 ist über die antikörperinduzierte Destruktion der Acethylcholinrezeptoren auf den Endplatten beteiligt und daher als Therapieziel relevant. Operativ kann zudem die Thymektomie erfolgen, die bei Patienten mit bildmorphologischem Verdacht auf ein Thymom zwingend erfolgen sollte (Howard et al. 2017; Alabbad et al. 2020).
Die Rolle der chirurgischen Intervention war lange Thema intensiver Debatten. Positive Effekte durch die Thymektomie sind insbesondere bei generalisiertem Verlauf, Patienten jünger als 50 Jahren sowie Nachweis von Autoantikörpern gegen den Acetylcholinrezeptor beschrieben (Wolfe et al. 2016). Damit ist die über Jahrzehnte von Kritikern der Thymektomie geforderte prospektiv-randomisierte Beweisführung des esssenziellen Wertes der Thymektomie erbracht worden (Wolfe et al. 2019). Aber auch bei Patientengruppen, die nicht im Fokus der MGXT-Studie waren (JMG, LOMG, okuläre MG-OMG und seronegative MG), konnte durch mehrere Arbeiten ein möglicher Nutzen der Operation auf den Krankheitsverlauf demonstriert werden (Li et al. 2019a, 2020), was Ausdruck in der aktuell stattfindenden Überarbeitung der Leitlinien der DMG (Deutsche Myasthenie-Gesellschaft) diesbezüglich finden wird. Die chirurgische Technik bei Vorliegen einer Kombination von MG und Thymom wird maßgeblich von den anatomischen Kriterien des Thymoms mitbestimmt. Aber die Anforderungen an die geeignete chirurgische Technik bei MG ohne Thymom umfassen den Nachweis der Radikalität durch Mitresektion des perithymischen Gewebes, welches ektopes Thymusgewebe enthalten kann. Mehrfach ist die Rolle der teilweise nicht für das Auge des Chirurgen sichtbaren Anteile mikroskopisch verteilten Thymusgewebes im Mediastinum für die Ausrichtung der Chirurgie beschrieben worden (Zielinski 2019; Li et al. 2019b). Maßgeblich sind die Mitresektion des Gewebes im zervikalen prätrachealen Gebiet, im aortopulmonalen Fenster und im aortokavalen Graben sowie beider kardiophrenischen Fettgewebeanteile. Sehr oft ist makroskopisch und mikroskopisch das Thymusgewebe über die Grenze des linken N. phrenicus hinaus bis zur Einmündung der linken Lungenvenen entwickelt. Das betrifft auch den linken Hauptlappen des Thymus. Diese Veränderungen wie auch anatomische Modifikationen der Position eines oder beider oberen Thymuspole (zwischen Aortenbogen und V. anonyma) können nicht in der präoperativen Bildgebung vorausgesagt werden. Fast nie ist eine Verbreitung des Thymusgewebes über die Grenze des rechtsseitigen N. phrenicus hinaus zu beobachten. Deshalb ist für eine unilaterale thorakoskopische Operationstechnik der linksseitige Zugang empfehlenswert. Die Präparation der zervikalen Region folgt der Mobilisation des präkardialen Hauptanteiles des Thymus mitsamt dem Gewebe im aortopulmonalen Fenster. Die Leitstruktur wird durch die V. anonyma gebildet. Beide oberen Thymuspole müssen konsequent vollständig bis zum Lig. thyrothymicum präpariert werden. Die Thymusvenen münden in variabler Zahl in die V. anonyma und der venösen Konfluenz ein. Für deren Versorgung ist ein harmonisches Skalpell ausreichend. Vorteilhaft ist die Insufflation von CO2 zur effektiven Vergrößerung des Operationsfeldes. Deshalb sollte bis zur vollständigen Dissektion des zervikalen Gewebes, der Darstellung des rechten N. phrenicus nach Mobilisation des Gewebes im aortokavalen Graben und der Präparation des linksseitigen kardiophrenischen Gewebes die rechte Pleurahöhle geschlossen bleiben. Zuletzt erfolgt dann die Präparation des rechtsseitigen (kontralateralen) kardiophrenischen Gewebes bei eröffneter rechter Pleurahöhle.
Wenn auch gegenwärtig immer noch die Formen der medianen Sternotomie am häufigsten zur Thymektomie Anwendung finden, ist die weitere schnelle Verbreitung zahlreicher Varianten der minimalinvasiven Techniken unverkennbar (Tab. 8). Dabei kann die moderne Roboterassistenz auch die besonderen Anforderungen atypischer anatomischer Konfigurationen des Thymus (Mulder et al. 1986), eines stark erhöhten BMI, großer Gewebemengen bei älteren Patienten und enger Räume bei kleinen Kindern erfüllen (Li et al. 2019c).
Andere Mediastinaltumoren
Keimzelltumoren
Keimzelltumoren, als wichtige Differenzialdiagnose mediastinaler Raumforderungen, können benignen (reife Teratome) oder malignen Ursprungs (Seminome und Nicht-Seminome) sein. Eine Übersicht findet sich in Tab. 9 (Rückert et al. 2022). Unreife Teratome sind in der Mehrzahl maligne. Pathogenetisch wurden hier zwei Wege diskutiert, auf denen die Tumorzellen von ihrem eigentlichen Ursprung (den Gonaden) ins Mediastinum gelangen. Bergh et al. vermuteten die Entwicklung aus pluripotenten Stammzellen, die im Rahmen der Embryogenese mit dem Thymus ins Mediastinum wandern (Bergh et al. 1978). Hingegen wurde von Cox die Hypothese aufgestellt, dass sich die mediastinalen Tumoren von aberrierenden Keimzellen entlang der Medianlinie ableiten (Cox 1975). Diagnostisch sollten bei Verdacht auf eine dieser Raumforderungen Beta-humanes-Choriongonadotropin (β-HCG), Alpha-Feto-Protein (AFP), Laktatdehydrogenase (LDH), Laktatdehydrogenase (LDH) und in Zukunft auch noch microRNA mi-R371-a-3p im Serum bestimmt werden. Auch die Palpation der Hoden und ein skrotaler Ultraschall sind wichtige diagnostische Schritte, um zwischen Primarius im Mediastinum oder Filiae eines gonadalen Tumors zu differenzieren.
Mischtumor: Teratom mit Dottersacktumor vom präpubertären Typ,
Dottersacktumor vom präpubertären Typ
Histologisch enthalten Teratome, die sich aus Geweben aller 3 Keimblätter entwickeln, oft verschiedene Zellstrukturen (Fett, Knochen, Zähne, Flüssigkeit), die sich in der Bildgebung meist gut darstellen lassen (Le Roux 1960). Zusätzlich erfolgt die Unterteilung in reif, unreif und maligne. Die Mehrzahl der mediastinalen Keimzelltumoren sind reife Teratome. Oft enthalten sie sog. Dermoidzysten (Zystenwand aus Plattenepithel), die wiederum im Innern mit den oben genannten Strukturen gefüllt sind. Sie fallen entweder als Zufallsbefund, bei Verdrängungssymptomen (Schluckbeschwerden, Atemnot) oder bei Tumorperforation auf. Dabei können Fisteln zum Perikard, zur Trachea oder auch dem Ösophagus entstehen. Paraneoplasien wurden in seltenen Fällen, z. B. als Enzephalitis beschrieben (über die Bildung von Antikörper gegen den N-methyl-D-Aspartat-Rezeptor) (Kawahara et al. 2012; Stover et al. 2010). Die Resektion des Tumors ist die Therapie der Wahl und kann bei sicherer bildgebender Diagnose ohne CT-Punktion erfolgen. Unreife Teratome kommen vor allem bei Kindern und Jugendlichen vor und zeigen ein altersabhängiges Entartungspotenzial. Hierbei kann festgestellt werden, dass malignes Wachstumsverhalten bei Jugendlichen über 14 Jahren deutlich häufiger ist als bei jüngeren Kindern (Berry et al. 1969; Oberman und Libcke 1964). In seltenen Fällen kann es zur malignen Entartung der Teratome kommen, womit eine extrem schlechte Prognose verbunden ist (Comiter et al. 1998) (Abb. 11).
Abb. 11
a-c Ein 30-jähriger Patient klagte über plötzliche retrosternale Schmerzen, hatte Fieber sowie hohe Infektwerte. a Das initiale Röntgenbild zeigt eine linksseitige große mediastinale Verschattung. b CT-morphologisch stellte sich der Verdacht auf ein reifes Teratom, der nach kompletter roboterassistierter Resektion bestätigt wurde. c Im Verlauf kam es zu einem mediastinalen sowie pulmonalen Rezidivtumor, der zentrale Anteile der linken Lunge und der Pleura einbezog. Histologisch zeigte sich nach En-bloc-Tumorresektion und extrapleuraler Pneumonektomie der seltene Befund einer Transformation zu einem undifferenzierten Spindelzellsarkom (aus Rückert et al. 2022)
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Per se maligne Keimzelltumoren betreffen vor allem Männer zwischen 20 und 30 Jahren und lassen sich unterteilen in Seminome und Nicht-Seminome. Eine genaue Differenzierung ist in Tab. 10 dargestellt (Mikuz 2017). Die Therapie beider Entitäten ist multimodal. Beim etwas häufiger vorkommenden Seminom, welches in den meisten Fällen mit normalem AFP und etwas erhöhtem β-HCG (10–25 % der Fälle) auftritt, stehen primär (stadienabhängig) Strahlen- und Polychemotherapie im Vordergrund. Diese werden in ausgewählten Fällen ergänzt von der chirurgischen Entfernung etwaiger Residuen (Puc et al. 1996). Nicht-Seminome setzen sich zusammen aus dem embryonalen Karzinom, dem Dottersacktumor sowie dem Chorionkarzinom. Entsprechend der WHO-Klassifikation von 2016 gehören Teratome ebenfalls zu Nicht-Seminomen, wurden allerdings aufgrund der meist benignen Dignität bereits oben besprochen (Williamson et al. 2017). Im Serum sind sowohl AFP als auch β-HCG erhöht. Bei den primär mediastinalen Nicht-Seminomen bestehen in einer Vielzahl der Fälle bei Diagnose bereits Metastasen (90 %) und auch hier liegt der Fokus zunächst auf einer chemotherapeutischen Behandlung, die bei residuellem Tumornachweis durch die chirurgische Therapie ergänzt werden kann (Abb. 12) (Bokemeyer et al. 2001).
Tab. 11
Operationsverfahren mittlerer und hinterer Mediastinaltumoren
Operationsverfahren
Anterolaterale Thorakotomie
Standard-Zugang, gutes Darstellen aller relevanten Strukturen
Empfehlung bei kleineren Tumoren (orientierend <4 cm Durchmesser) (Finley et al. 2014; Veronesi und Solinas 2017; Seong et al. 2014)
Hemilaminektomie in Bauchlage
Eingriff der Neurochirurgie vor thoraxchirurgischer Intervention, eventuell kann die Schnittführung zur dorso-lateralen Thorakotomie weitergeführt werden
Kombinierte Verfahren
Abb. 12
CT eines 28-jährigen Patienten mit Abbildung eines in die retroperitonealen und mediastinalen Lymphknoten metastasierten Teratoms. Der Patient war bereits mehrfach chemotherapeutisch vorbehandelt und erhielt im Verlauf die roboterassistierte Lymphadenektomie mediastinal
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Lymphome und andere Lymphadenopathien
Im didaktischen Akronym der 4 Ts der Raumforderungen des Mediastinums (Thymom, Thyroidea, Teratom und – etwas behelfsmäßig bezeichnet – (T)errible lymphoma) machen die Lymphome eine weitere wichtige Differenzialdiagnose aus. Bei Diagnosestellung liegt der Fokus auf unspezifischen Symptomen, wie dem Vorliegen einer B-Symptomatik. Aber auch hier kann lokal verdrängendes, oft sehr zügiges Wachstum zu Symptomen wie Luftnot, Schluckstörung, Stimmbandlähmung oder Brustschmerzen führen. Es erfolgt die Unterteilung der Lymphome in die selteneren Hodgkin- und die häufigeren Non-Hodgkin-Lymphome, die wiederum weiter in aggressive und indolente Lymphome sowie in T- und B-Zell-Lymphome unterteilt werden – eine Einteilung, die historisch gewachsen ist und sich auf das Vorhandensein von Sternberg-Reed-Hodgkin-Zellen beruft (Stover et al. 2010). Die beiden häufigsten mediastinal vorkommenden Lymphome sind das nodulär-sklerosierende Hodgkin-Lymphom sowie verschiedene B-Zell-Lymphome (beispielsweise das primär mediastinale diffus großzellige B-Zell-Lymphom oder follikuläre Lymphome).
Diagnostisch hinweisend sind die laborchemischen Parameter LDH sowie das β2-Mikroglobulin. Letztendlich ist aber die ganze Bandbreite hämatologischer Untersuchungstechnik gefordert (PET-CT, Differenzialblutbild mit manueller Differenzierung, durchflusszytometrische Untersuchungen des peripheren Blutes, gegebenenfalls Knochenmarkpunktion sowie histologische immunhistochemische, durchflusszytometrische sowie molekular- und zytogenetische Untersuchung des gewonnenen Materials). Durch diese Untersuchungen kann eine genaue Entitätsbestimmung erfolgen, die für die Wahl des Therapieregimes essenziell ist. Da die Systempolychemotherapie und gegebenenfalls Bestrahlung im Vordergrund der Behandlung von Lymphomerkrankungen stehen, kommt der Chirurgie in diesem Zusammenhang nach der histologischen Sicherung eine eher untergeordnete Rolle zu. Allerdings ist im Kontext der Lymphomdiagnostik die Gewinnung von ausreichend Probenmaterial, wenn möglich eines ganzen Lymphknotens, essenziell zur korrekten Diagnosestellung. Vor allem minimalinvasive chirurgische Techniken können dabei wesentlich helfen.
Infektiös-entzündliche Erkrankungen können ebenfalls zur Vergrößerung der mediastinalen Lymphknoten führen. Ursächlich hierfür kommen multiple Krankheiten in Frage. Beispiele sind Tuberkulose, infektiöse Mononukleose, Lupus erythematodes, Pilzinfektionen, Sarkoidose, Silikose und Granulomatose mit Polyangiitis. Wichtig ist hierbei die Differenzialdiagnose. Beispielsweise sind überall gleichmäßig vergrößerte Lymphknoten ohne Verkalkung hinweisend auf eine Sarkoidose Hinsichtlich einer Sarkoidose kann dies laborchemisch mittels Bestimmung von IL2 und ACE im Serum untermauert werden. Liegen Verkalkungen und Einschmelzungen vor, besteht grundsätzlich der Verdacht auf eine Tuberkulose. Große Lymphknotenpakete, vor allem paratracheal sowie peribronchial, können Ausdruck von Metastasen anderer Primarii (Lungen- und Ösophaguskarzinom) sein.
Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenhyperplasien
Eine Schilddrüsenhyperplasie (Adenom oder Karzinom), die bis nach intrathorakal reicht und das vordere Mediastinum ausfüllt, kommt als weitere Differenzialdiagnose eines Mediastinaltumors in Betracht. Eine von der Schilddrüse getrennte Gewebevermehrung (Struma endothoracica vera) ist die absolute Ausnahme (2 % der Fälle). Diagnostisch notwendig ist das Bestimmen der Schilddrüsenhormone im Labor (TSH, fT3, fT4). Des Weiteren kann die Ultraschalluntersuchung, als Goldstandard der Schilddrüsenbildgebung, nur teilweise Informationen über intrathorakal gelegene Tumoren geben. Eine Szintigrafie gehört zur weiteren Diagnostik hinzu, ebenso wie eine CT des Thorax zur operativen Planung. Eine Operation gelingt meist von transzervikal oder minimalinvasiv mit der Roboterassistenz. Bei der seltenen echten mediastinalen Struma (Struma endothoracica vera) muss aufgrund ihrer mediastinalen Gefäßversorgung eine thorakoskopische Operationstechnik gewählt werden. Es kann bei großen intrathorakalen Tumoren aber auch notwendig sein, eine (oft partielle) Sternotomie durchzuführen. Besondere Aufmerksamkeit bei der präoperativen Planung gilt dem Atemweg, der durch große Schilddrüsenraumforderungen oft bereits verlegt bzw. eingeschränkt und durch lange Kompression vulnerabel sein kann.
Auch die Nebenschilddrüse kann Ausgangsort mediastinaler Raumforderungen in Form von Adenomen sein. Ein Nebenschilddrüsenkarzinom ist äußerst selten und nur in unter 1 % der Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus beschrieben. Hinweisend kann die in Abschn. 1 dargestellte Laborkonstellation mit Nachweis eines Hyperparathyreoidismus sein. Zum Nachweis der genauen Lokalisation kann über die Erfassung der hormonellen Aktivität hinaus eine PET-CT angefertigt werden. Die früher zur Resektion notwendige Sternotomie wird heutzutage kaum noch durchgeführt. Hier konnte das schonende video- beziehungsweise roboterassistierte Verfahren erfolgreich etabliert werden (Ismail et al. 2010).
Zystische Raumforderungen
In 20–50 % sind zystische Tumoren Ursache einer mediastinalen Raumforderung (Abb. 13) (Roden et al. 2020a, b). Diese werden in bronchogene Zysten (paratracheal, karinal, hiliär, paraösophgeal), enterische Zysten (neuro- und gastroenterisch) und mesotheliale Zysten (pleural, pleuroperikardial und perikardial) unterteilt. Noch seltenere Zysten umfassen Zysten des Ductus thoracicus, Thymuszysten, Zysten der Nebenschilddrüse und Hydatidenzysten. Zum Vorteil der Patienten kommunizieren die allermeisten dieser Zysten nicht mit anderen Strukturen und sind eher mit milden Symptomen verbunden. Bronchogene Zysten können an jedem Punkt im gesamten Tracheobronchialbaum auftreten. Wenn sie sich im Mediastinum befinden, können sie hilär, paratracheal oder karinal lokalisiert sein. Letztere ist dabei die häufigste Lokalisation (Berrocal et al. 2004). Zwei Drittel der Fälle verlaufen asymptomatisch. Wenn sie symptomatisch werden, geschieht dies am häufigsten durch eine Kompression der Atemwege. Im Thorax-Röntgenbild erscheinen diese Zysten als wasserdichte Massenläsionen. Zeigen sie Luft, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine intrapulmonale Zyste, die mit dem Tracheobronchialbaum kommuniziert. Darüber hinaus kann weitere Bildgebung (CT, MRT) helfen, das Ausmaß und die Beziehung zu wichtigen Strukturen zu definieren und zwischen wasser- und schleimhaltigen Zysten zu unterscheiden. Ein Malignitätsverdacht besteht, wenn solide Komponenten der Zystenwand zu sehen sind.
Abb. 13
CT mit koronarer, axialer sowie sagitaler Darstellung einer subkarinalen Raufforderung eines 40-jährigen Patienten. Pathohistologisch wurde die präoperative Verdachtsdiagnose einer bronchogenen Zyste nach thorakoskopischer roboterassistierter Resektion bestätigt
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Ösophageale Zysten zeigen eine Inzidenz von etwa 1 von 8000 Lebendgeburten und werden vor allem bei Kindern unter 2 Jahren diagnostiziert (Arbona et al. 1984). Damit Zysten als ösophageal angesehen werden können, müssen sie außerdem die folgenden 3 Kriterien erfüllen: (1) Sie liegen innerhalb der Ösophaguswand, (2) sie sind von 2 Muskelschichten umhüllt und (3) sie enthalten Plattenepithel oder eine Auskleidung, die mit derjenigen des embryonalen Ösophagus kompatibel ist (Berry und Bograd 2020). Häufige Symptome sind Dysphagie, epigastrische Schmerzen und retrosternale Schmerzen (Ildstad et al. 1988). Für die Diagnose sind eine CT und eine MRT des Brustkorbs obligatorisch. Symptome bei Ductus-thoracicus-Zysten können Beschwerden in Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme sein, die durch Kompression von Trachea, Ösophagus oder Herzvorhöfen sein. Meist fallen sie jedoch als bildmorphologische Zufallsbefunde auf (dünnwandig, unilokulär, enthalten Chylus). Intraoperativ sollten zu- und abführender Ductus-Schenkel dargestellt und eine mögliche Eröffnung desselben versorgt werden, um Austritt von Chylus in den Thorax (Chylothorax) zu vermeiden. Die chirurgische Behandlung besteht in einer kurativen Exzision jeder Art von Zyste. Die VATS ist die sicherste und effektivste Methode zur Resektion mit geradezu verschwindend geringer perioperarativer Komplikationsrate (Tab. 11). Bestehen in seltenen Fällen starke Pleuraverwachsungen kann eine Thorakotomie erwogen werden (Jung et al. 2014). Ein chirurgischer Eingriff wird in allen Fällen empfohlen.
Im hinteren Mediastinum dominieren neuronale Tumoren (60 %). Aber auch Meningozelen und Raumforderungen der thorakalen Wirbelsäule kommen als Differenzialdiagnosen in Betracht.
Zu den neuronalen Tumoren gehören Schwannome und Neurofibrome aus der interkostalen Nervenscheide (90 %), Neuroblastome aus sympathischen Ganglien, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen vorkommen, sowie Ganglioneurome, die aus paraganglionischen Zellen (Phäochromozytome, Paragangliome) entstehen. Viele der Tumoren neuronalen Ursprungs weisen die sog. Sanduhrform auf, welche bei enger räumlicher Beziehung zum Foramen intervertebrale entstehen. Diese besondere Lagebeziehung macht häufig einen interdisziplinären Ansatz durch Thorax- und Neurochirurgen notwendig (Shadmehr et al. 2003). Klinisch auffällig werden neuronale Tumoren oft durch Dyspnoe, Husten, Pneumothoraces, wiederkehrende Pneumonien sowie Pleuraergüsse und -empyeme. Neurologische Symptome sind eher bei den oben beschriebenen Sanduhrtumoren, meist in Form spinaler Kompression und der entsprechenden Schmerz- oder Ausfallsymptomatik zu erwarten. Wachsen Tumoren verdrängend, können sie je nach Kompressionsort multiple Syndrome verursachen: Interkostalneuralgien, Plexus-brachialis-Infiltrations-Symptome, Heiserkeit bei enger Lagebeziehung zum N. aryngeus recurrens oder das Horner-Syndrom bei Kompression oder Infiltration des Ganglion stellatum (Dienemann und Heberer 1991). Zu Indikationen der chirurgischen Resektion gehören Schmerzen, neurologische Defizite, Blutungen oder Malignitätsverdacht (Brooks 2004; Tiel und Kline 2004). Benigne Tumoren sollten mit dem Ziel des geringstmöglichen neurologischen Residuums entfernt werden (Golan und Jacques 2004). Für die Operationstechnik bei Neurinomen ist eine komplette Entfernung in der Mehrzahl nicht absolut erforderlich, sofern von einer benignen Histologie auszugehen ist. Also kann eine thorakoskopische Operationstechnik in vielen Fällen die definitive klinische Lösung darstellen. Geringe Residuen einer äußeren Kapsel am Neuroforamen sind dabei tolerabel.
Neurofibrome bestehen aus mehreren Zellkomponenten, darunter neoplastischen Schwann-Zellen, perineural-ähnlichen Zellen, Fibroblasten, Kollagenfasern sowie Nervenfaserbündeln (Skovronsky und Oberholtzer 2004). Sie sind, das Mediastinum betreffend, die zweithäufigsten Tumoren peripherer Nerven und betreffen meist junge Patienten zwischen 20 und 30 Jahren. Die Mehrzahl der Tumoren kommt als einzelne Raumforderung vor. Bei multiplem Auftreten ist dies nahezu beweisend für Neurofibromatose Typ 1 (NF 1), welche eine autosomal-dominant übertragene Erbkrankheit mit vollständiger Penetranz ist (Pilavaki et al. 2004).
Sowohl Neurofibrome als auch Schwannome entstehen aus einer entarteten Schwann-Zelle. In der Bildgebung zeigen sich Neurofibrome klar abgrenzbar und hypodens in der CT gegenüber Muskelgewebe, ohne Kontrastmittel anzureichern. In der MRT präsentieren sie sich mit geringer Intensität in T1 sowie hyperintens in T2 mit meist zentralem hypointensem Bereich („Schießscheiben-Phänomen“).
Schwannome sind die häufigsten Tumore peripherer Nerven (auch mediastinal) und bestehen ausschließlich aus entarteten Schwann-Zellen benigner Dignität, die exzentrisches Wachstum zeigen. Das Erkrankungsalter liegt häufig zwischen der 2. und 5. Dekade mit etwas gleichmäßiger Geschlechtsverteilung (Dienemann und Heberer 1991). Ein singuläres Schwannom, welches meist inzidentiell auftritt, ist die Regel (Abb. 14). Multiple Schwannome können beispielsweise in Neurofibromatose Typ 2 (NF 2) auftreten (Brooks 2004). Ein Vorkommen im Rahmen der NF 1 ist nicht beschrieben. Eine Unterscheidung zwischen Schwannomen und Neurofibromen ist in der Bildgebung kaum möglich und muss histologisch erfolgen.
Abb. 14
Eine 53-jährige Patientin stellt sich mit intermittierenden, aber unspezifischen Rückenschmerzen vor. In der MRT zeigte sich ein hinterer Mediastinaltumor in paravertebraler Lokalisation rechts und Verdacht auf sympathischen Grenzstrangtumor. Nach roboterassistierter Resektion ergab sich die histologische Diagnose eines 32 mm durchmessenden Schwannoms
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Trotz der höheren Frequenz von Schwannomen ist eine chirurgische Resektion eher bei Neurofibromen indiziert, die häufiger symptomatisch werden, insbesondere im Rahmen eines multiplen Auftretens bei zugrunde liegender NF 1. Die postoperative Prognose für Neurofibrome ist insgesamt besser als bei Schwannomen (Kim et al. 2004). Allerdings muss man hier zwischen solitärem und multiplem Befall unterscheiden, wobei Rezidive bei NF 1 bei bis zu 80 % nach Resektion auftreten können (Dienemann und Heberer 1991).
Ein Sonderfall mit bisher wenig beschriebenen Fällen sind melanotische Schwannome, die benignes, oft sanduhrartiges Wachstum zeigen (Mandybur 1974). Neuere Studien beschreiben das melanotische Schwannom als eigene Entität und weniger als einen Abkömmling des Schwannoms. Diagnostisch ist die MRT hinweisend, eine genaue Vorhersage für das Verhalten des Tumors ist bisher schwer möglich, insbesondere was Rezidive und Metastasierung betrifft (Alamer und Tampieri 2019).
Maligne Nerventumoren sind extrem selten und entstehen aus den oben genannten Entitäten (Neurofibrom und Schwannom). Ein Entartungsrisiko ist in Verbindung mit NF 1 oder 2 erhöht. Metastasierungslokalisation ist meist die Lunge. Lokal infiltrieren sie die Foramina intervertebralia, den Spinalkanal oder Weichteile des Halses. Für beide bestehen hohe Rezidivraten auch nach radikaler Entfernung (Pilavaki et al. 2004) (Abb. 15).
Abb. 15
MRT-Darstellung eines peripheren malignen Nervenscheidentumors (PMNST) bei einem 39-jährigen Patienten. Die monströse Tumorbildung, ausgehend vom Mediastinum mit grenzüberschreitendem Wachstum, wurde mit Inkaufnahme des motorischen Funktionsverlustes des rechten Armes unter Erhalt der Sensibilität interdisziplinär reseziert
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Zu den Tumoren des vegetativen Nervensystems gehört das Neuroblastom, welches im Kindesalter auftritt und sich in 15 % im Mediastinum manifestiert (Weiss et al. 1983). Laborchemisch bestehen erhöhte Katecholaminplasmaspiegel, CEA-Erhöhung sowie in 70–90 % der Fälle ein erhöhtes Vorkommen von Katecholaminabbauprodukten im Urin (Metanephrine, Vanillinmandelsäure u. a.) (LaBrosse et al. 1980). Symptome sind zum einen durch Infiltration und Verdrängung bedingt, zum anderen durch die Stoffwechsellage mit Sympathikusüberaktivität. Radiologisch imponieren sie mit unklarer Abgrenzbarkeit („ghost-like borders“), Rippeneinziehungen und verkalkten Anteilen. Die Therapie erfolgt stadienadaptiert und multimodal. Sie umfasst die chirurgische Resektion, Chemotherapie, Radiotherapie, Immuntherapie bis hin zur hämatopoetischen Stammzelltransplantation. Die Resektion ist in jedem Stadium zu empfehlen und spielt vor allem in frühen und lokal begrenzten Stadien eine wichtige Rolle (Shohet et al. 2020). Ganglioneuroblastome sind weniger maligne, wachsen ausschließlich mediastinal, sind nur teilweise hormonaktiv und mit einer radikalen Exstirpation oft gut therapierbar (le Roux et al. 1984). Granularzelltumoren stellen eine weitere Entität vegetativer Tumoren des hinteren Mediastinums dar. Sie sind benigne, weisen autophagozytotische Vakuolen in der Histologie auf und sind durch operative Entfernung ebenfalls gut kurabel.
Ganglioneurome (Phäochromozytome und Paragangliome) sind große (im Schnitt 7 cm im Durchmesser), selten vorkommende bekapselte Tumoren mit geringer Wachstumsgeschwindigkeit (Modha et al. 2005). Sie entspringen ausdifferenzierten paraganglionischen Zellen des sympathischen Grenzstrangs mit meist benigner Dignität (Modha et al. 2005). Mit etwas über 60 % treten Ganglioneurome etwas häufiger bei Frauen auf. Typischerweise liegt die Manifestation vor dem 20. Lebensjahr und betrifft vor allem das Mediastinum, das Retroperitoneum und die Nebennieren. Oft fallen sie als Zufallsbefunde auf und werden eher selten symptomatisch, beispielsweise durch Obstipation bei Lage im kleinen Becken oder radikulärer Symptomatik bei präsakraler Lokalisation. Auch Horner-Syndrome sind verhältnismäßig häufig. Radiologisch fallen Verkalkungen auf, eine Sanduhrform ist selten. Behandelt werden Ganglioneurome in der Regel mittels Exzision, wobei hierbei entscheidend ist, ob die Kapsel bereits mit umliegenden Strukturen verwachsen ist und vollständig gelöst werden kann. Paragangliome entspringen im Mediastinum den Paraganglien (Organe des diffusen neuroendokrinen Systems) des N. sympathicus oder des N. vagus (Adachi et al. 2018; Marchevsky und Kaneko 1992). Komplizierende Faktoren während einer möglichen Operation sind für die Phäochromozytome eine durch Katecholaminfreisetzung bedingte Blutdruckkrise sowie für die Paragangliome die Schwierigkeit der vollständigen Entfernung bei räumlicher Nähe zu den Gefäßen.
a Bei dem 32-jährigen Patienten wurde ein mediastinales Liposarkom mit Infiltration von Unterlappen und Zwerchfell diagnostiziert. b Nach neoadjuvanter sequentieller Radiochemotherapie über einen Zeitraum von 6 Monaten wurde eine uniportale Unterlappenresektion mit partieller En-bloc-Resektion des Zwerchfells durchgeführt. Im Anschluss erhielt der Patient aufgrund seiner Lebermetastasierung eine Hemihepatektomie und ist 5 Jahre nach Erstdiagnose in Remission.
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Sarkome sind maligne Tumoren des Mesenchyms, die oft eher junge Patienten betreffen. Die Einteilung der Sarkome ist komplex. Vereinfacht lassen sich diese unterteilen in Osteosarkome, Chondrosarkome, Leiomyosarkome sowie Ewing-Sarkome. Seltene Sarkome sind Chordome, die aus Überbleibseln der Chorda dorsalis entstehen und sich als maligne, strahlungsinsensitive Raumforderungen des Schädelknochens und der Wirbelsäule präsentieren. In der MRT besteht ein wegweisender Befund darin, dass keine Gewebeschicht zwischen Raumforderung und Rückenmark detektiert werden kann. Die operative Therapie muss so radikal wie möglich erfolgen, da Chordome hohe lokale Rezidivraten (bis zu 40 %) aufweisen (Bergh et al. 2000). Zudem sollten Chordome en bloc reseziert werden, da sich hier ein verbessertes Überleben nachweisen ließ (Boriani et al. 2006). Das Chondrosarkom entsteht aus Knorpelzellen und ist mit 5 % aller spinalen Tumoren eher selten. Diagnostisch wegweisend sind diskrete Kalzifizierungen in der röntgenologischen Diagnostik. Leiomyosarkome entstehen aus Spindelzellen der glatten Muskulatur, Ewing-Sarkome können sowohl aus Knochen als auch Weichteilen entstehen.
Zu gutartigen Tumoren zählen Osteoid-Osteome (<2 cm), Osteoblastome (>2 cm), Osteochondrome, Chondroblastome, Riesenzelltumoren, Hämangiome und aneurysmatische Knochenzysten. Kleine Osteome können meist konservativ versorgt werden. Osteoblastome hingegen verursachen aufgrund ihrer Größe oft neurologische Symptome, was eine Indikation zur Resektion darstellt. Bei Osteochondromen besteht die Gefahr der malignen Entartung in ein Chondrosarkom, welches bei etwas unter 1 % der Betroffenen auftritt. Riesenzelltumoren sind meist größere Tumoren, haben eine gute Durchblutung und eine hohe Rezidivrate. Sie treten oft bei jungen Patienten auf. Hämangiome sind meist angeboren, oft Zufallsbefunde und verursachen selten Symptome (Pastushyn et al. 1998). Da aneurysmatische Knochenzysten durch lokal aggressives Wachstum auffallen, kommt es häufig zu Kompressionssymptomen, was eine frühe chirurgische Resektion und eine spinale Stabilisierung notwendig macht (Papagelopoulos et al. 1998).
Neben Tumoren, die primär lokal entstehen, kann die Wirbelsäule auch von Metastasen betroffen sein. Zu den häufigsten Primarii von Wirbelsäulenmetastasen zählen das Prostatakarzinom, das Mammakarzinom sowie Malignome pulmonalen Ursprungs.
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