Plastisch-chirurgische Verfahren zur Deckung von Defekten der Brustwand und zum intrathorakalen Fistelverschluß
Verfasst von: Steffen Eisenhardt und Bernward Passlick
Defektdeckungen im Bereich der Thoraxwand sind auf Grund der Voreingriffe häufig komplex und verlangen ein breites Armamentarium an plastisch-rekonstruktiver Techniken, von klassischen lokalen Muskellappenplastiken bis hin zu freien Lappenplastiken. Hier ist häufig die Kooperation mit Kollegen der Plastischen Chirurgie notwendig, um auch in komplexen Konstellationen adäquate Lösungen zu finden. Insbesondere intrathorakale Defekte treten hier vor allem in chirurgisch komplexen und komplikationsbehafteten Situationen auf, die die volle Expertise der beteiligten Disziplinen benötigt. Das Kapitel gibt eine Übersicht über die am häufigsten genutzten lokalen Lappenplastiken und deren Einsatzspektrum. Die Anatomie der jeweiligen Lappenplastiken wird dargestellt und Hinweise zur erfolgreichen Präparation werden geliefert.
Für Defektdeckungen der Thoraxwand steht meist genügend lokales Gewebe zur Deckung zur Verfügung, sodass hier vor allem lokal gestielte Lappenplastiken genutzt werden.
Seltener kommen freie Lappenplastiken zum Einsatz. Der Operateur sollte sich zur OP-Planung einen Eindruck von den Voreingriffen verschaffen, da neben der Defektlokalisation und -größe, die Art der Voreingriffe essenziell die Lappenwahl beeinflusst. Hier sollte auf das Vorhandensein der Stielgefäße geachtet werden, beispielsweise weil bei Zustand nach lateralen Thorakotomien die A. thoracodorsalis möglicherweise nicht mehr vorhanden ist als Stielgefäß verschiedener Lappenplastiken aus dem A.-subscapularis-System, oder nach Sternotomien gegebenenfalls die A. thoracica interna als Stielgefäß oder auch als Anschlussgefäß für freie Lappenplastiken geschädigt sein könnte. Häufig werden bei diesen Patienten die lokalen Defektdeckungsmöglichkeiten auch durch stattgehabte Bestrahlungen eingeschränkt oder zumindest verkompliziert. Die Wahl des Rekonstruktionsverfahrens richtet sich dabei also am ehesten nach der Lokalität, den noch vorhandenen Gefäßsystemen und den persönlichen Präferenzen des Chirurgen. Klare Indikationsalgorithmen und Studien, die vergleichend Vorteile einzelner plastisch-chirurgischer Rekonstruktionstechniken herausgearbeitet haben, existieren nicht.
Im Folgenden sollen daher ohne Wertung die verschiedenen Möglichkeiten der plastisch-chirurgischen Versorgung dargestellt werden.
Pectoralis-major-Lappenplastik
Anwendung
In der Regel wird diese Lappenplastik für Defektdeckungen im Bereich des Sternums genutzt. Verschiedene Variationen existieren. Der Lappen kann z. B. als reiner Muskellappen an Perforatoren aus der A. thoracica interna gestielt Turn-over-Flap genutzt werden. Oder als Vorschublappen an seinem Gefäßstiel aus der A. thoracoacromialis. Dies kann jeweils ein- oder beidseitig erfolgen. Ebenso können mit dem Pektoralislappen Defekte im oberen Bereich der Thoraxhöhle oder Bronchusstümpfe geschlossen werden. Ein wesentlicher Nachteil des Pektoralislappens ist die unzureichende Deckung im distalen Drittel des Sternums. Für kutane Deckungen kann der Lappen auch als Insellappen genutzt werden. Die distal verbleibende Lappenspitze ist als unsicherster Teil des Lappens anzusehen (Iblher et al. 2008, 2009; Simunovic et al. 2013).
Anatomie
Die Blutversorgung erfolgt aus der A. thoracoacromialis und der A. thoracica lateralis, die Innervation durch den N. thoracicus medialis und lateralis. Hinzu kommen die oben erwähnten Perforatoren aus der A. thoracica interna, die muskuläre Äste abgeben (Abb. 1).
Abb. 1
Anatomie und Gefäßversorgung des M. pectoralis major (aus Merkle et al. 1991)
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Technik
Ein- oder beidseitiger Turn-over-Flap
Der Muskel wird im Bereich der vorderen Axillarlinie durchtrennt. Er verbleibt an den medial perforierenden Gefäßen aus der A. thoracica interna gestielt. Der mediale Teil des Muskels bleibt an der Thoraxwand fixiert, während der laterale Anteil mobilisiert und nach medial umgeklappt wird. Auf diese Weise kommt die Hinterfläche des Muskels nach ventral, der laterale Anteil nach medial prästernal zu liegen (Abb. 2). Sollte die A. thoracica interna auf Grund von Voreingriffen nicht mehr vorhanden sein, kann der Pectoralis-major Lappen nicht in dieser Form genutzt werden.
Abb. 2
Einseitiger Pectoralis-major-Lappen als Turn-over-Flap, medial gestielt zur Defektdeckung am Sternum (aus Merkle et al. 1991)
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Verschiebelappen
Hierzu wird der M. pectoralis major am Humerus und parasternal abgetrennt und bis auf den lateralen Gefäß-Nerven-Stiel allseitig mobilisiert. An diesem Gefäßstiel hängend, kann der Muskel weit nach sternal (Abb. 3a) oder intrathorakal verschoben werden (Abb. 3b, c).
Abb. 3
a Beidseitiger, lateral gestielter Pectoralis-major-Lappen als Verschiebelappen zur Defektdeckung im Sternumbereich. b Pectoralis-major-Lappen zur intrathorakalen Anwendung: Zustand nach Lappenpräparation, Thorakotomie und Rippenteilresektion. c Pectoralis-major-Lappen zur intrathorakalen Anwendung: transthorakale, mediastinale Transposition (aus Merkle et al. 1991)
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Lappenplastiken aus dem A.-subscapularis-System
Die A. subscapularis entspringt aus der A. axillaris und ist der Ursprung mehrerer dominanter Blutgefäße, an denen sich freie und gestielte Lappenplastiken heben lassen. Hier sind vor allem die M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik, die Serratus-anterior-Lappenplastik und die Scapular- und Parascapularlappenplastiken zu nennen. Bei Bedarf können auch Modifikationen derselbigen genutzt werden, entweder als perforatorbasierte Lappen (TDAP-Lappen) oder in der Art, dass Knochenanteile der Scapula mitverwendet werden zum vaskularisierten Knochentransfer. Diese Lappenplastiken lassen sich einzeln oder auch kombiniert über die A. subscapularis verbunden heben und transferieren.
Latissimus-dorsi-Lappenplastik
Anwendung
Extrathorakal
Die Latissimus-dorsi-Lappenplastik ist zur Defektdeckung am Thorax entweder als myokutane Lappenplastik oder als muskuläre Lappenplastik weiterhin häufig genutzt. Dies liegt an dem großen Rotationsbogen, mit dem sich auch Defekte bis über die Mittellinie des Thorax hinaus decken lassen und der zuverlässigen Blutversorgung, gepaart mit einer geringen Hebedefektmorbidität. Des Weiteren lassen sich auch intrathorakale Plombierungen oder Bronchusstumpfdeckungen mit der Lappenplastik gut durchführen. Hierbei wird die gute Durchblutung der Muskulatur genutzt, um minderperfundierte oder infizierte Bereiche in der Thoraxhöhle zur Wundheilung zu stimulieren. Anwendungsbereiche sind z. B. tracheoösophageale Fisteln, Bronchusstumpfinsuffizienzen und chronische Pleuraempyeme. Auch die Anwendung zum Schutz von trachealen, ösophagealen und kardiovaskulären Anastomosen wird beschrieben (Fricke et al. 2017a).
Anatomie
Stielgefäß ist die A. thoracodorsalis. Sie stammt aus der A. subscapularis, und somit aus der A. axillaris (Abb. 4).
Abb. 4
a Anatomie und Gefäßversorgung des M. latissimus dorsi. b Subkutane Transposition nach ventral des myokutanen Latissimus-dorsi-Lappens. c, d Deckung eines großflächigen ventralen Defektes mit ausgedehntem kutanen Lappenanteil (aus Merkle et al. 1991)
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Technik
Extrathorakal
Für die thorakale Defektdeckung wird der Latissimus-dorsi-Lappen in der Regel als myokutane Lappenplastik genutzt. In der Regel können kutane Hebedefekte bis zu einer Breite von 8–10 cm primär verschlossen werden. Bei größeren Hautinseln ist in der Regel eine Spalthaut-Gegentransplantation zum Verschluss der Hebestelle notwendig. Nach Umschneidung der Hautinsel erfolgt in der Regel die Darstellung der Vorderkante des Muskels. Diese wird freipräpariert und vorsichtig im kranialen Anteil angehoben zur Darstellung des Gefäßstiels, der bis in die Axilla freipräpariert wird. Hier sollte dann auch der Nerv abgesetzt werden, um unwillkürliche Bewegungen des Muskels zu verhindern. Durch Absetzen der A. circumflexa scapulae können noch etwa 2–4 cm zusätzliche Stiellänge gewonnen werden. Dies ist jedoch meist nicht notwendig. Die Abgänge zum Serratus anterior werden geclippt oder ligiert. Dann kann der Muskel langstreckig freipräpariert werden. Auf subtile Blutstillung paravertebral ist zu achten, da hier großkalibrige Perforatoren lokalisiert sind. Der Muskel kann dann von seinen Insertionen abgesetzt und in den Defekt rotiert werden (Abb. 4b). Meist erfolgt die Lappenhebung in Seitenlage. Es erfolgt dann zunächst die Einnaht des m,uskulären Anteils mit resorbierbarem Nahtmaterial zur Defektauffüllung und darüber der Hautverschluss mit Einnaht der Hautinsel (Abb. 4c, d).
Intrathorakal
Die Hebung des Lappens entspricht dem oben beschriebenen Vorgehen, jedoch meist als rein muskulärer Lappen. In der Regel wird im Konsens mit dem Thoraxchirurgen hier der Zugang gewählt, um thoraxchirurgische Zugänge auch für die Lappenhebung zu nutzen. Die gelingt z. B. über die anterolaterale Thorakotomie. Zum Einschwenken des Lappens in den Brustkorb muss meist eine Rippenteilresektion erfolgen (Abb. 5). Bei Bronchusstumpfinsuffizienzen können diese übernäht und der Muskel darüber gestülpt werden. Hier können dieselben Fäden, die vorgelegt wurden, genutzt werden und durch zusätzliche Fixierungsfäden eine Stumpfabdeckung gewährleistet werden (Abb. 6). Vor jeder intrathorakalen Transposition, insbesondere bei einem Zustand nach anterolateraler Thorakotomie, muss die Unversehrtheit der Thorakodorsalgefäße präoperativ gesichert werden. Dafür bietet sich die farbkodierte Duplexsonografie an.
Abb. 5
Latissimus-dorsi-Lappen für intrathorakale Anwendung: Zustand nach Lappenpräparation bei anterolateraler Thorakotomie (aus Merkle et al. 1991)
Abb. 6
a Latissimus-dorsi-Lappen für intrathorakale Anwendung: intrathorakal eingeschlagener M. latissimus dorsi mit Fixationsnähten am Bronchusstumpf. b Endzustand nach Bronchusstumpfsicherung durch einen Latissimus-dorsi-Lappen (aus Merkle et al. 1991)
Der TDAP Lappen ist eine Modifikation des Latissimus-dorsi-Lappen. Dabei wird posterior des anterioren Randes des palpablen Latissimus dorsi ein dominanter Perforator aus der A. thoracodorsalis dargestellt. Dies geschieht in der Regel bereits präoperativ mit der Duplexsonografie. Intraoperativ erfolgt das Heben einer Hautinsel mit dem darin zentrierten Perforator und die Freipräparation des Perforators durch den Latissimus-dorsi-Muskel hindurch unter Schonung des N. thoracodorsdalis. Die Hautinsel kann bis zu 10 cm breit gewählt werden und 20–30 cm lang sein. Es empfiehlt sich diese in longitudinaler Achse dem Verlauf der Vorderkante des M. latissimus dorsi zu heben. Der Vorteil gegenüber der klassischen M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik ist der Erhalt der Muskelfunktion. Häufig resultieren in diesem Bereich sehr breite Narben. Wir bevorzugen die Paraskapularlappenplastik als muskelschonende Variante in diesem Bereich.
Skapular-/Paraskapularlappen
Anwendung
Das Einsatzgebiet und der Rotationsradius sind der M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik sehr ähnlich.
Die Lappenplastik ist schnell und einfach in Bauch oder Seitenlage gehoben und erlaubt das Heben einer großzügigen Lappenplastik mit Dimensionen von 15 × 30 cm bei der Paraskapularlappenplastik. Axillarfalte und vordere Thoraxwand bis über die Mittellinie hinaus können mit dieser Lappenplastik problemlos gedeckt werden bei gleichzeitig geringer Hebedefektmorbidität.
Anatomie
Beide Lappenplastiken werden über einen Hautast der A. circumflexa scapulae versorgt, die aus der A. subscapularis entspringt. Nach Durchtritt durch die laterale Achsellücke zwischen M. teres major, teres minor und Caput longum des M. biceps brachii, gibt sie einen absteigenden und einen horizontalen Hautast ab, an denen sich das Lappendesign orientiert. Vor dem Durchtritt durch die Achsellücke gibt die A. circumflexa scapulae noch einige Äste zum lateralen Rand der Scapula ab, sodass hier auch bei Bedarf eine Lappenplastik mit vaskularisierten Knochenanteilen gehoben werden kann.
Technik
Auf etwa 1/3 der Stecke von Spina scapulae zu Scapulaspitze kann an der Vorderkante die hintere Achsellücke getastet werden. Hier lässt sich meist präoperativ mit dem Doppler bereits das Stielgefäß darstellen. Darüber kann die Lappenplastik eingezeichnet werden. Dabei sollte bei größeren Lappenplastiken der Stiel exzentrisch gewählt werden, um zum einen den Rotationsradius zu erhöhen, zum anderen um den Defektverschluss zu erleichtern, der kranial des Stielgefäßes deutlich erschwert ist auf Grund der geringeren Gewebeverschieblichkeit im Bereich des Schultergürtels.
Dann kann der Lappen epifaszial bis zur Identifikation des Stielgefäßes gehoben werden. Das Stielgefäß wird dann freigelegt bis zum Eintritt in die A. subscapularis. Dabei müssen die Knochenäste geclippt und abgesetzt werden, um die volle Mobilität zu ermöglichen. Falls ein Knochensegment mitgehoben wird, kann der Scapularand hier mit der oszillierenden Säge abgesetzt werden (Abb. 7).
Abb. 7
Lappenplastiken zur thorakalen und intrathorakalen Defektdeckung aus dem Versorgungsgebiet der A. subscapularis (aus der A. axillaris). Lappenplastiken aus diesem System sind Skapular- und Paraskapularlappen, Latissiums-dorsi-Lappenplastiken und Serratus-anterior-Lappenplastiken. Die Paraskapularlappenplastik eignet sich zur Defekdeckung in der Axilla, aber auch der lateralen und vorderen Thoraxwand als gestielte Lappenplastik. Die Latissimus-dorsi-Lappenplastik kann als Muskellappenplastik oder auch myokutan mit Hautinsel genutzt werden und stellt das workhorse zur Defektdeckung in diesem Bereich da. Einzelne Perforator-Gefäße der A. thorakodorsalis können zur Durchblutung von Hautinseln ebenfalls genutzt werden als sog. TDAP-Lappenplastik. Diese erhält weitestgehend die Funktion des M. latissimus dorsi und schränkt den Aktionsradius der Lappenplastik im Vergleich zur M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik nur gering ein (Fisher et al. 2013)
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Lokale Perforator-Lappenplastiken
Anwendung
Lokale Perforator-Lappenplastiken können entweder als sog. Freestyle-Perforator-Lappenplastiken an Perforatoren aus den Interkostalgefäßen oder aus dem Versorgungsgebiet der A. thoracica interna gehoben werden. Insbesondere die A.-throacica-interna-Perforatoren sind sehr zuverlässig sollten sie von Voreingriffen geschont geblieben sein, und können auch zur Defektdeckung in der Mittellinie genutzt werden (Koulaxouzidis et al. 2015). Vor allem für kleinere Defekte bieten sich diese hochvariablen Lösungen gut an.
Anatomie
Die Anatomie der Perforatoren ist im Bereich des Thorax auf Grund der segmentalen Anlage relativ verlässlich. Insbesondere die Perforatoren der A. thoracica interna lassen sich in jedem Zwischenrippenraum parasternal dopplersonografisch darstellen und können als Stielgefäße genutzt werden. Ebenso können Perforatoren der Interkostalgefäße mit dem Doppler im Verlauf der Rippenzwischenräume dargestellt werden (Kneser et al. 2014).
Technik
Zunächst erfolgt die Darstellung defektnaher Perforatoren. Idealerweise kann das mit der farbkodierten Duplexsonografie präoperativ erfolgen, um sicher zu gehen, dass nicht tiefere Gefäße dargestellt werden, wie es bei der akustischen Dopplersonografie der Fall sein kann (Schmauss et al. 2019). Sollte dies nicht möglich sein, kann aber auch intraoperativ die Dopplersonografie mit dem steril bezogenen akustischen Doppler erfolgen. Dann erfolgt die vorsichtige Präparation vom Wundrand zu dem Perforansgefäßen. Sollten sich diese nicht von dem Wundfeld aus darstellen lassen, erfolgt die Schnitterweiterung. Hierbei ist darauf zu achten, dass dieser Schnitt schon das Lappendesign beeinflusst und entsprechend geplant werden muss. Nach Feststellung der exakten Position des Perforators erfolgt dann die Lappenumschneidung und epifasziale Abhebung bis hin zum Perforator. Dieser wird dann freipräpariert bis in die Tiefe und von allen Seitenästen und Adhärenzen unter Lupenbrillenvergrößerung befreit. Dieser Schritt ist essenziell und subtil durchzuführen, um Einschnürungen des Gefäßstiels bei der Transposition oder Rotation zu vermeiden. Dann kann der der Lappen in den Defekt rotiert werden. Der Hebedefekt kann meist primär verschlossen werden.
M.-rectus-abdominis-Lappenplastik
Anatomie
Der M. rectus abdominis wird über die Gefäßachse aus der A. thoracica interna, die sich nach kaudal in die der A. epigastrica superior fortsetzt und über ein intramuskuläres Arkadensystem Verbindungen zur A. epigastrica inferior hat. Gestielt kann der Lappen entweder als reiner Muskellappen oder myokutane Lappenplastik an der A. epgiastrica superior gehoben werden. Dies kann mit einer vertikalen Hautinsel (VRAM, vertikaler Rectus-abdominis-Myokutanlappen) oder mit einer queren spindelförmigen Hautinsel, die unterhalb des Umbilikus positioniert wird (TRAM, transverser Rectus-abdominis-Myokutanlappen) erfolgen. Auch Fleur-de-lys Schnittmuster als sog. Anker-Lappenplastik sind möglich für größere Defekte im Bereich der Thoraxwand, dann meist mit palliativer Intention. Über die Mittellinie zur Gegenseite bestehen multiple subkutane und intradermale Gefäßverbindungen. Beim Heben des Lappens als TRAM-Lappen sollte intraoperativ die Perfusion der gesamten Lappenplastik geprüft werden, da gerade kontralaterale Bereiche nicht immer ausreichend venös drainiert sind. Die TRAM-Lappenplastik, oder deren perforatorbasierte Modifikation als DIEP-Lappen (deep inferior epigastric perforator flap) sind die am häufigsten verwendeten freien Lappenplastiken für die Brustrekonstruktion nach Ablatio mammae, können jedoch auch bei großflächigen Defekten hervorragend eingesetzt werden, da sie generell etwas perfussionssicherer als der gestielte TRAM sind (Eisenhardt et al. 2018). Bei diesen freien Lappenplastiken wird die A. epigastrica inferior profunda als Stielgefäß gewählt.
Technik
Meist erfolgt die Hebung von gestielten Lappenplastiken von der kontralateralen Seite zum Defekt, um eine übermäßige Torquierung des Stiels zu verhindern. Nach Umschneidung der Hautinsel erfolgt die Vorpräparation auf der Faszie bis zur lateralen Perforatorreihe. Dann kann ein Muskelsegment definiert werden, über dem die Faszie eröffnet, der Muskel aus der Rektusscheide gelöst und das Segment abgesetzt wird. Dann erfolgt das Abtrennen des kaudalen Teils und der A. epigastrica inferior und das Umschlagen des Muskels nach kranial und gegebenenfalls die Tunnelung in den Defekt. Bei freien Lappenplastiken, die heute bevorzugt als DIEP-Lappen durchgeführt werden (Abb. 8), wird bei Lappenhebung das tiefe inferiore epigastrische Gefäßbündel in ganzer Länge erhalten und für die Anastomose verwendet. Anschlussgefäße sind meist die A. und V. thoracica interna oder die A. und V. thoracodorsalis.
Abb. 8
Mikrochirurgisch frei transferierter TRAM-Lappen zur thorakalen Defektdeckung mit Gefäßanschluss an die Thorakodorsalgefäße (End-zu-Seit; aus Merkle et al. 1991)
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Omentum-majus-Plastik
Anwendung
Die Omentum-majus-Plastik wird nur noch selten eingesetzt. Das Omentum kann sowohl spalthautgedeckt werden oder auch intrathorakal verlagert werden. Problematisch ist dabei die häufige epigastrische Hernienbildung und die Notwendigkeit eines Zweihöhleneingriffs. Die Omentum-majus-Plastik kann aber in Einzelfällen auf Grund der kurzen Operationsdauer und der sicheren Durchblutung eine Option zur Defektdeckung darstellen (Kolbenschlag et al. 2018).
Anatomie
Die Versorgung des Omentum majus erfolgt durch die Aa. gastroepiploica dextra und sinistra. Bei der Präparation muss das Omentum majus sorgfältig vom Querkolon gelöst werden und dann entweder an der rechten oder linken A. gastroepiploica gestielt werden (Abb. 9a).
Abb. 9
a Anatomie und Gefäßversorgung des rechts gestielten Omentum majus. b Durchzug einer rechtsgestielten Omentum-majus-Plastik (aus Merkle et al. 1991)
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Technik
Es erfolgt die Eröffnung des Abdomens und die Lösung der Adhärenzen des Omentum majus am Querkolon, gefolgt von der Darstellung der linken oder rechten A. gastroepiploica. Dann gilt es eine Peritoneallücke und Tunnelung nach kranial in den Defekt anzulegen (Abb. 9b). Die freie mikrovaskuläre Verpflanzung des Omenturn majus stellt eine Variante dieses Vorgehens dar.
Freie Lappenplastiken
Die Wahl der Lappenplastiken ist variabel. In den letzten Jahren haben sich vor allem perforatorbasierte Lappenplastiken, wie z. B. der ALT(anterior lateral thigh)-Lappen) durchgesetzt, da dieser meist ausreichend groß, gegebenenfalls mit Anteilen des Perforasoms des M. tensor fascia lata (TFL) gehoben werden können. Außerdem erleichtert die Lappenhebung in Rückenlage die Lagerung. Auch hier ist meist die Präferenz des Operateurs entscheidend für die Lappenwahl. Kritisch ist jedoch die Wahl der Empfängergefäße, da diese häufig gerade bei komplexen und komplikationsbehafteten Verläufen, die der plastisch-chirurgischen Versorgung bedürfen, nicht mehr vorhanden sind. Hier können Veneninterponate und arteriovenöse Schleifen aus empfängerfernen Gebieten Anschlussgefäße verlagern, sodass auch in solchen Szenarien Defektdeckungen einfach und komplikationsarm möglich sind.
ALT-Lappenplastik
Anwendung
Die ALT-Lappenplastik ist eine Lappenplastik mit geringer Hebedefektmorbidität (Fricke et al. 2017b), die in großzügigen Ausmaßen gehoben werden kann. Ein Primärverschluss der Hebestelle ist je nach Hautbeschaffenheit bis zu einer Breite von 10 cm möglich. Größere Lappenplastiken bedürfen häufig einer Spalthautgegentransplantation. Jedoch kann unter Einschluss des TFL-Perforasoms ein Lappen mit bis zu 25 × 40 cm Ausmaßen gehoben werden und auch große Defekte verschlossen werden. Gerade bei komplexen und vielfach voroperierten thoraxchirurgischen Patienten bieten sich freie Lappenplastiken an, um die Empfängergebiet-nahe Hebestellenmorbidität zu reduzieren, sodass freien Lappenplastiken auch in diesem Gebiet ein immer größerer Stellenwert zukommt.
Anatomie
Die Oberschenkelvorder- und -außenseite wird über Perforatoren aus dem absteigenden Ast der A. circumflexa femoris lateralis versorgt.
Technik
Auf einer gedachten Linie zwischen Spina Iliaca anterior superior und Außenkante der Patella liegt der Hauptperforator meist auf etwa der Hälfte dieser Strecke und kann hier mit dem Farbdoppler dargestellt werden. Stabdoppleruntersuchungen können auch zur ersten Identifikation ausreichen, jedoch verbleibt das Risiko akustisch Signale aus dem Stammgefäß abzuleiten. Der Farbduplex bringt hier mehr Sicherheit und erleichtert die Präparation (Schmauss et al. 2019). Über diesem Perforator kann zentrisch oder exzentrisch die Lappenplastik geplant werden. Meist liegen auf dieser Linie noch mehrere Perforatoren, die gegebenenfalls je nach Größe der Lappenplastik eingeschlossen werden können. Dann kann die Lappenplastik von medial oder lateral umschnitten werden. Wir bevorzugen die epifasziale Präparation, sodass die Lappenplastik von der Faszie abgehoben wird bis zur Darstellung der Perforatoren und dann zur Verfolgung derselbigen die Faszie eröffnet wird. Dies ermöglicht den Verschluss der Faszie am OP-Ende und reduziert die Hebedefektmorbidität. Jedoch erlaubt die subfasziale Präparation eine schnelle Identifikation der Perforatoren und ermöglicht auch die Mitnahme von Vastus-lateralis-Muskelanteilen zur Defektplombierung, falls notwendig.
Der Perforator wird dann in seinem Verlauf freigelegt. Häufig sind kurzstreckige intramuskuläre Verläufe im M. vastus lateralis vorzufinden. Hier muss der Perforator sorgfältig von Muskelästen getrennt werden. Seltener sind Verläufe komplett im Septum intermusculare zwischen M. rectus und M. vastus lateralis, die entsprechend schneller gehoben werden können. Dann stößt man auf den absteigenden Ast der A. circumflexa femoris lateralis, aus dem der Perforator entspringt, der in der Regel von motorischen Nervenästen begleitet wird. Diese lassen sich häufig schonen. Der absteigende Ast wird distal abgesetzt und kann dann gehoben werden, bis eine ausreichende Stiellänge erreicht ist. Bei großflächigen Lappenplastiken kann der TFL-Perforator mit in den Lappen inkludiert werden, der meist aus dem aufsteigenden Ast der A. circumflexa femoris entspringt. Dieser muss dann ebenfalls mitgehoben werden.
Literatur
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