Der Begriff der kongenitalen
Lungenfehlbildungen fasst eine große Gruppe von angeborenen Erkrankungen der großen Luftwege, des Lungenparenchyms und der Blutgefäße zusammen (Seear et al.
2017). International hat man sich auf den Begriff „congental thoracic malformation“ (CTM) geeinigt (Dingemann et al.
2018). Innerhalb dieser Fehlbildungen wird meist in weitere zwei Gruppen unterschieden. Die erste Gruppe stellt dabei die Gruppe der solid/zystischen Lungenfehlbildungen dar. Zugeordnet hierzu werden die kongenitalen pulmonalen Atemwegsmalformationen (CPAM), die Lungensequester (LS) und die
bronchogenen Zysten (BZ) (Seear et al.
2017). Zur zweiten Gruppe der Lungenfehlbildungen wird das kongenitale, lobäre Emphysem (KLE) gerechnet. Die Inzidenz angeborener Fehlbildungen der Lunge wird mit 1:10.000 bis 1:35.000 angegeben (Pohl et al.
2016; Seear et al.
2017). Entwicklungsgeschichtlich beginnt die bronchopulmonale Entwicklung etwa in der 4. Gestationswoche. Primär bildet sich die Lungenknospe aus. Eine Separation zwischen Trachea und Ösophagus erfolgt. Über 5 definierte Stadien, von denen vier pränatal und das letzte Stadium postpartal ist, bildet sich die adulte Lunge bis zum ca. 8. Lebensjahr aus (Herriges und Morrisey
2014; Leblanc et al.
2017). Dies bedeutet auch, dass bis zu diesem Zeitpunkt oder vielleicht sogar darüber hinaus Kompensationsmöglichkeiten vorhanden sind, die bei älteren Patienten vermutlich nicht mehr gegeben sind. Pränatal werden die meisten CTM im Ultraschall erkannt (Mon et al.
2019; Thakkar et al.
2017). Die genaue Zuordnung gelingt dabei nur eingeschränkt und zusätzliche versorgende Gefäße werden nicht immer diagnostiziert (Mon et al.
2019). Direkt postpartal hat das primär angefertigte Röntgenbild eine eher niedrige Sensitivität zur Erkennung einer CTM (Chen et al.
2010). Hintergrund kann eine zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Füllung der zystischen Strukturen mit Fruchtwasser sein. Aus diesem Grund ist eine Verlaufskontrolle nach wenigen Tagen indiziert (Kirschner und Fuchs
2017). Die Sonografie kann hierbei unterstützend eingesetzt werden, um z. B. zusätzlich Gefäßstrukturen darzustellen. Die Computertomografie mit Kontrastmittel wird zur abschließenden Operationsplanung benötigt und ist zur Gefäßdarstellung hilfreich (Chowdhury und Chakraborty
2015; Kirschner und Fuchs
2017). Die MRT gewinnt in diesem Bereich in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung (Baez et al.
2015). Die Therapiekonzepte für primär asymptomatische Lungenfehlbildungen sind bisher nicht abschließend einheitlich geklärt (Annunziata et al.
2019; Hall et al.
2016; Seear et al.
2017). Obwohl die Prognose insgesamt auf die gesamte Gruppe betrachtet gut ist, bestehen ante- und postnatale Risiken (Annunziata et al.
2019). Schwere antenatale Komplikationen können einen fetalchirurgischen Eingriff diskutieren lassen (Annunziata et al.
2019). Auch direkt postpartal kann eine Notfallsituation auftreten. Hier erfolgt dann nach Stabilisierung des Patienten die Entfernung des betroffenen Bereiches (mal7). Auch hier wird eine nicht unerhebliche Mortalität mit bis zu 7 % beschrieben (Stanton et al.
2009). Die Empfehlungen zum therapeutischen Vorgehen bei asymptomatischen Befunden sind uneinheitlich (Annunziata et al.
2019; Bush
2009; Dingemann et al.
2018; Durell et al.
2016; Kirschner und Fuchs
2017; Makhijani und Wong
2018; Parikh und Samuel
2005; Thakkar et al.
2017). Aufgrund des vorhandene Infektionsrisikos und einer möglichen, malignen Entartung wird insgesamt häufig die frühe Entfernung empfohlen (Annunziata et al.
2019; Kirschner und Fuchs
2017; Parikh und Samuel
2005; Thakkar et al.
2017). In einer retrospektiven Auswertung konnte hierzu gezeigt werden, dass in einem 10-jährigen Beobachtungszeitraum im Verlauf bei einem Viertel der asymptomatischen Patienten im histologischen Präparat Mikroabszesse nachgewiesen werden konnten (Durell et al.
2016). Auch über den Zeitpunkt des operativen Eingriffes wird diskutiert. Eine Studie zeigte hierzu, dass innerhalb des 1. Lebensjahres die Komplikationsrate unabhängig vom Zeitpunkt der Operation ist (Jelin et al.
2018). Andere Publikationen sehen Vorteile bei einer Watch-and-wait-Strategie bei asymptomatischen Patienten (Annunziata et al.
2019; Bush
2009; Makhijani und Wong
2018). Hintergrund ist das Abwarten einer möglichen spontanen
Regression der CTM. Der Zeitpunkt einer benötigten Intervention wird dabei meist auf den 2. Geburtstag gelegt. Die Studienlage ist bei diesen seltenen Erkrankungen noch zu wenig aussagekräftig, um eine abschließende Einschätzung zu treffen. Über eine Assoziation von CTM und
Lungentumoren gibt es unterschiedliche Angaben (Hall und Stanton
2017). Eine Evaluation des Risikos für die Entstehung eines Lungentumors bei bestehender CTM gibt es bisher nicht. Umgekehrt gibt es Fallberichte und Fallserien, die bei entstandenen Tumoren eine vorbestehende CTM nachgewiesen haben (Casagrande und Pederiva
2016). Das Auftreten der Tumoren scheint bei Kindern im Kleinkindesalter erhöht zu sein (Casagrande und Pederiva
2016). Am häufigsten tritt dann ein
pleuropulmonales Blastom auf (Casagrande und Pederiva
2016). Das höchste Risiko besteht bei Kindern mit CPAM vom Typ 1. Treten Malignome im Zusammenhang mit einer CTM erst im Erwachsenenalter auf, handelte es sich bei den Tumoren um Adenokarzinome oder Alveolarkarzinome. Bronchogene Zysten und ebenfalls die CPAM sind hier die vorbestehenden CTMs (Casagrande und Pederiva
2016).
Bei den chirurgischen Verfahren verdrängt das thorakoskopische Vorgehen zunehmend die offene Operation (Adams et al.
2017; Annunziata et al.
2019). Für symptomatische Fehlbildungen wird einheitlich die komplette Entfernung empfohlen (Eber
2007; Kirschner und Fuchs
2017). Offene und thorakoskopische Verfahren stehen hier zur Verfügung und werden meist als gleichwertig im Bereich des Resektionsausmaßes, der Komplikationen und des Outcomes betrachtet (Adams et al.
2017; Kirschner und Fuchs
2017; Polites et al.
2016). Ein kürzerer Krankenhausaufenthalt bei den thorakoskopischen Verfahren wird berichtet (Adams et al.
2017). Zur Verringerung von postoperativen muskuloskeletalen Problemen wird die
Thorakoskopie vermutlich beitragen (Hall und Stanton
2017). Anhand der bisher vorhandenen Literatur kann bisher jedoch zum Stellenwert und dem Risiko der Thorakoskopie zur Entfernung von
Lungenfehlbildungen kein abschließendes Urteil gefällt werden (Zoeller et al.
2018). Umfassende Auswertungen fehlen bisher (Hall und Stanton
2017). Langfristig ist die Prognose von vielen Faktoren abhängig, wie z. B. den aufgetretenen Symptomen, der Wahl der Therapie und dem Ausmaß der Resektion (Hall und Stanton
2017). Kompensatorische Fähigkeiten sind für das Kindesalter beschrieben (Hall und Stanton
2017). Insgesamt wird bei den meisten Kindern, trotz CTM Behandlung von einem normalen aktiven Leben berichtet (Hall und Stanton
2017). Der Zeitpunkt der Lobektomie beeinflusst dabei vermutlich nicht die Langzeitergebnisse (Naito et al.
2012). Obwohl häufig ein lungensparendes Vorgehen empfohlen wird, gibt es bisher zu wenige Studien, die den Einfluss auf den langfristigen Verlauf zeigen. Hier muss also ein abwägendes Vorgehen zwischen Rezidivrisiko und Lungenfunktion erfolgen (Hall und Stanton
2017).