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Uroonkologie
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Publiziert am: 31.03.2022

Adjuvante Therapie des klassischen Seminoms im klinischen Stadium I

Verfasst von: Axel Heidenreich
Das Seminom im klinischen Stadium CS I wird durch die Ablatio testis allein in etwa 80 % der Patienten geheilt. Als adjuvante Therapieoptionen können die aktive Surveillance oder Carboplatintherapie diskutiert werden. Die adjuvante Radiatio spielt aufgrund der hohen Rate an Spättoxizitäten inklusive der Entwicklung von Zweitmalignomen keine Rolle mehr. Die Rete testis Invasion sowie die Tumorgröße über 4cm stellen Risikofaktoren der Metastasierung dar, die jedoch lediglich in retrospektiven Studien geprüft wurden.
Das Seminom im klinischen Stadium CS I wird durch die Orchiektomie allein in etwa 80 % der Patienten geheilt (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013). Als adjuvante Therapieoptionen können die perkutane Radiatio sowie die Carboplatintherapie diskutiert werden.
Als individuelle Risikofaktoren, die mit einem Rezidiv unter aktiver Surveillance korrelieren können, wurden in einer gepoolten retrospektiven Analyse von 638 Patienten eine Tumorgröße von >4 cm und eine Rete-testis-Infiltration etabliert (Warde et al. 2002, 2011). Die Empfehlung einer risikoadaptierten Therapie auf diesen beiden Faktoren wird derzeit jedoch sehr zurückhaltend beurteilt, da diese Marker zum einen nie extern und/oder prospektiv validiert wurden. Zum anderen ist auch mit den beiden Markern die Diskriminierung bezüglich einer okkulten Metastasierung selbst bei high-risk Patienten mit einer Rezidivfreiheit von 65 % unter aktiver Surveillance nicht möglich. Ein niedriges Rückfallrisiko mit einer 5-Jahresrezidivwahrscheinlichkeit von 12–16 % wurde bei Seminomen ohne Risikofaktoren, eine 5-Jahres-Rückfallwahrscheinlichkeit von 16 % bei Vorliegen eines Parameters und eine 5-Jahresrezidivwahrscheinlichkeit von ca. 32 % bei beiden Markern beschrieben. In der aktuellen Empfehlung der ESMO Konsensusgruppe wird darauf hingewiesen, dass die AS die Therapie der Wahl darstellen kann, die Patienten aber im Sinne einer autonomen Entscheidung eng in die Therapieüberlegungen eingezogen werden sollten (Honecker et al. 2018).

Aktive Surveillance

Eine Vielzahl von prospektiven klinischen Studien wurden durchgeführt und beschreiben ein generelles Rezidivrisiko von ca. 15 % in nicht selektionierten Patienten (Tandstad et al. 2011; Chung et al. 2010). Die paraaortalen Lymphknoten repräsentieren die dominierende Lokalisation des Rezidivs und werden in über 80 % der rezidivierenden Patienten als einzige Lokalisation nachgewiesen. Das mittlere Zeitintervall zwischen Diagnose und Rezidivnachweis variiert zwischen 12 und 18 Monaten, jedoch sind gerade beim Seminom Spätrezidive bis zu 30 Jahre nach Primärtherapie beschrieben.

Adjuvante Radiotherapie

Die frühere Option der adjuvanten Radiatio der paraaortalen Lymphknoten mit 20Gy stellte über Jahrzehnte die Therapie der Wahl dar und reduzierte die Rezidivrate auf 0.5–5 % (Bamberg et al. 1999).
Aufgrund der erhöhten Rate von Radiotherapie – induzierten Langzeitnebenwirkungen stellt die Radiatio in den aktuellen Leitlinien keine empfohlene Therapieoption mehr dar (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013; Honecker et al. 2018).
Das Sterberisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist nach Strahlentherapie signifikant erhöht (HR 1.80, 95 % CI 1.01–2.98) ebenso das Risiko der kardialen Mortalität (Travis et al. 2005; van den Belt-Dusebout et al. 2007). Zudem zeigte sich bei den bestrahlten Patienten ein signifikantes erhöhtes Zweitmalignomrisiko in den Organen Pankreas, Niere, Harnblase und Kolon.

Adjuvante Chemotherapie

Die adjuvante Chemotherapie mit 1 Zyklus Carboplatin in der Dosierung AUC7 stellt eine weitere Therapieoption dar, die in der prospektiv randomisierten MRC TE19 – Studie gegenüber einer adjuvanten Radiotherapie unter Einschluss von 1447 Patienten analysiert wurde (Jones et al. 2005; Oliver et al. 2011). Nach einem mittleren Follow-up von 6,5 Jahren zeigte die 5-Jahresrezidivrate mit 4 % bzw. 5.3 % keine statistisch relevanten Differenzen nach Strahlentherapie bzw. Carboplatintherapie. Zu beachten ist, dass 67 % der Rezidive nach Carboplatin in der primären retroperitonealen Landungszone zu beobachten waren, während die Rezidive nach Strahlentherapie klassisch außerhalb des Strahlenfeldes zu finden waren. Unter Carboplatin kam es zu einer signifikanten Absenkung der Entwicklung von metachronen testikulären Zweittumoren (0.54 % versus 1.96 %). In einer weiteren prospektiv randomisierten Studie konnte die Spanische Hodentumorgruppe nach Carboplatingabe bei Patienten mit einem oder 2 Risikofaktoren (Tumorgröße > 4 cm und/oder Rete testis Invasion) eine 5-Jahresrezidivrate von nur 3.8 % beobachten (69). Auch hier dominierte die retroperitoneale Rezidivlokalisation.
Zu beachten bei der Carboplatingabe ist die adäquate Berechnung der glomerulären Filtrationsrate über einen 24-Stunden Sammelurin.
Tritt unter einer Surveillance-Strategie oder nach adjuvanter Carboplatin-Chemotherapie ein begrenzter lokoregionaler Rückfall auf, stehen alternativ eine perkutane Bestrahlungsbehandlung als lokale Therapie oder eine systemische Chemotherapie nach dem BEP-Schema (Bleomycin, Etoposid und Cisplatin) bzw. (bei Verzicht auf Bleomycin aufgrund von pulmonalen Funktionseinschränkungen) dem PE-Schema bei weiterhin kurativem Behandlungsansatz als Therapieoptionen zur Verfügung (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013; Honecker et al. 2018). Bei einem ausgedehnten lokoregionalen Rückfall oder fortgeschrittener systemischer Tumorausbreitung ist immer eine Kombinationschemotherapie erforderlich.
Aktuell analysierten Fischer et al. (2017) die Ergebnisse von 185 Patienten aus 31 Zentren, die ein Rezidiv nach 1 Zyklus Carboplatin entwickelten. 92 % der Patienten erhieltem eine Salvage Chemotherapie und 28 % der Patienten erhielten eine zusätzliche lokale Therapie wie eine retroperitoneale Lymphadenektomie oder eine perkutane Radiotherapie. Nach einem medianen Follow-up von 53 Monaten lag das krankheitsspezifische Überleben bei 82 % und das Gesamtüberleben bei 98 %. 15 % der Rezidive traten später als 3 Jahre nach der primären Carboplatintherapie auf, so dass ein Nachsorgeintervall von mindestens 5 Jahren eingehalten werden sollte.
In einer aktuellen Übersicht konnte gezeigt werden, dass die Risikofaktor – unabhängige aktive Surveillance mit einer exzellenten Überlebensrate von 100 % und einer Rezidivrate von nur 20–30 % assoziiert war (Pierorazio et al. 2018). Die aktive Surveillance sollte somit die Therapie der Wahl darstellen.

Adjuvante Therapie der nichtseminomatösen Keimzelltumoren im klinischen Stadium I

Ähnlich der Therapie des Seminoms erfolgt auch die Behandlung des NSKZT im klinischen Stadium I risikoadaptiert (EGCCCG). Prinzipiell stehen die
  • aktive Surveillance,
  • die primäre Chemotherapie nach dem PEB-Schema und
  • als historisch begründete Option die nervschonende retroperitoneale Lymphadenektomie zur Verfügung (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013; Honecker et al. 2018).
Als valide Risikofaktoren haben sich in retro- und prospektiven klinischen Studien der Nachweis einer vaskulären Invasion, der prozentuale Anteil embryonalen Karzinoms und der MIB-1 Proliferationsindex erwiesen (Albers et al. 1997; Heidenreich et al. 1998).
In der Low-Risk Gruppe (keine vaskuläre Invasion, embryonales Karzinom < 50 %, MIB-1 Proliferationsindex < 70 %) entwickeln nur 13 % der Patienten unter aktiver Surveillance ein Rezidiv, während die Rezidivrate in der High-Risk Gruppe bei ca. 64 % gelegen ist (Albers et al. 2003). Eine exakte quantitative pathohistologische Beurteilung des primären Keimzelltumors kann das Rezidivrisiko genauer einordnen. Der fehlende Nachweis einer vaskulären Invasion in Kombination mit einem prozentualen Anteil des embryonalen Karzinoms < 45 % identifizierte 91.5 % der Patienten korrekt in das pathologische Stadium I (Heidenreich et al. 1998). Der Nachweis einer vaskulären Invasion mit einem embryonalen Karzinom > 80 % klassifizierte 88 % der Patienten korrekt in das klinische Stadium IIA/B.

Aktive Surveillance

In der Low-Risk Gruppe ist die aktive Surveillance-Strategie bei identischer Heilungsrate aber geringerer Akut- und Langzeittoxizität im Vergleich zur Systemtherapie oder der RPLA als Therapie der Wahl anzusehen (Honecker et al. 2018).
Bei der Empfehlung zur aktiven Surveillance sind die folgenden Aspekte mit dem Patienten zu diskutieren:
  • Risiko sekundäre Malignome aufgrund der erhöhten Strahlenexposition durch die intensivierte bildgebende Nachsorge
  • intensivere Salvagetherapie (3–4 Zyklen PEB ± RPLA) als bei primär aktiver Therapie (1 Zyklus PEB)
Verschiedene klinische Studien haben versucht, die Anzahl der zur frühzeitigen Rezidiverkennung notwendigen CT – Untersuchungen auf ein Minimum zu reduzieren (Rustin et al. 2007; van As et al. 2008). In der einzigen prospektiven TE08 Studie des MRC wurden 414 Patienten mit einem low-risk NSKZT in die beiden Arme einer intensivierten und einer weitläufigen bildgebenden Nachsorge randomisiert (Rustin et al. 2007). Die Patienten wurden mit 2 bzw. 5 CT – Untersuchungen während der ersten beiden postoperativen Jahre nachgesorgt. Nach einem mittleren Follow-up von 40 Monaten erlitten 37 (15 %) bzw. 33 (20 %) der Patienten in der Gruppe mit 2 bzw. 5 durchgeführten CTs ein Rezidiv. Kein Patient hatte ein Rezidiv der ungünstigen Prognosegruppe, 0.8 % bzw. 0.6 % der Patienten erlitten ein Rezidiv mit einer intermediären Prognose. In der Gruppe mit geringer CT – Frequenz wurden 21.6 % der Rezidive durch eine Tumormarkererhöhung detektiert im Vergleich zu 6.1 % in der Kontrollgruppe. Interessanterweise demaskierte sich das Rezidiv bei einem Drittel der Patienten mit einer Markererhöhung, die zum Zeitpunkt der Ablatio testis ein normales Markerprofil aufwiesen. 11 Patienten entwickelten pulmonale Metastasen, von denen wiederum 7 ohne Tumormarkererhöhung einhergingen. Aus der prospektiven Studie kann für den klinischen Alltag und die Routinenachsorge folgende Schlussfolgerung getroffen werden:
  • 2 CTs reduzieren die Strahlenexposition ohne das onkologische Ergebnis negative zu beeinflussen
  • Regelmäßige Bestimmung der Tumormarker AFP, ß-hCG und LDH sowie ein Röntgen – Thorax sind für eine effektive Nachsorge unter aktiver Surveillance notwendig
  • der Ansatz der reduzierten Bildgebung ist nur für Low-Risk NSKZT gültig
  • folgendes Nachsorgeschema kann empfohlen werden: Tumormarker monatlich, Röntgen Thorax 2-monatlich, CT Abdomen/Becken nach 3 und 12 Monaten, dann jährlich. Aufgrund der minimalen Rezidivrate nach 5 Jahren kann ab diesem Zeitpunkt auf eine regelmäßige Nachsorge verzichtet werden.
Die Rezidivraten liegen bei Nachbeobachtungszeiten von bis zu 20 Jahren bei 27–30 %. 80 % der Rezidive entwickeln sich innerhalb der ersten 12 Monate, 90 % innerhalb der ersten beiden Jahre und 94 % bzw. 97 % innerhalb des 3. bzw. 4. postoperativen Jahres (van As et al. 2008), so dass die Nachsorgeuntersuchungen in den ersten beiden Jahren engmaschiger und ab dem 3. postoperativen Jahr weitläufiger durchgeführt werden können. 60 % der Rezidive entwickeln sich retroperitoneal, 25 % pulmonal und ca. 10 % der Rezidive werden durch isolierte Markererhöhung detektiert. Im Falle eines Rezidivs unter Überwachung wird der Patient je nach IGCCCG Prognosegruppe für metastasierte KZT mit 3 oder 4 Zyklen Chemotherapie behandelt und bei nachweisbarem Residualtumor auch operiert (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013; Honecker et al. 2018).
Eine Abweichung von dieser Therapieempfehlung ist nur bei Kontraindikationen (z. B. fehlende Compliance) oder bei ausdrücklichem Patientenwunsch zulässig. Lediglich bei dem seltenen reinen Teratom kann die nervschonende RPLA als primäre Therapiemaßnahme diskutiert werden (Heidenreich et al. 1997), nachdem die Teratome mit Risikofaktoren eine nahezu identische okkulte retroperitoneale Metastasierungsrate aufweisen wie die anderen NSKZT.
In der Vergangenheit haben verschiedene Arbeitsgruppen die onkologische Effektivität der aktiven Surveillance auch bei Patienten mit einem High Risk NSKZT untersucht. In der größten Serie mit 371 Patienten zeigten Kakiashvili (Kakiashvili et al. 2009) zwar eine Rezidivrate von 49.2 % bei den High Risk im Vergleich zu nur 18.7 % bei den Low-Risk Patienten auf. Die tumorspezifische 5-Jahresüberlebensrate war in den beiden Gruppen mit 99.2 % bzw. 98.2 % nahezu identisch. In der High Risk Gruppe konnte aber 50 % der Patienten eine aktive Therapie ohne onkologischen Nachteil erspart werden.
In einer weiteren Studie wurden 223 Patienten mit einem NSKZT im klinischen Stadium I unabhängig von Risikofaktoren der aktiven Surveillance zugeführt (Kollmannsberger et al. 2010). Eine vaskuläre Invasion war vorhanden, fehlend oder unbekannt bei 66 %, 27 % bzw. 7 % der Patienten. Nach einem mittleren Follow-up von 52 Monaten, entwickelten 59 (26 %) Patienten ein Rezidiv, welches in allen Fällen durch eine Salvage Chemotherapie und in 8 % durch eine zusätzliche postchemotherapeutische RPLA kuriert wurde. Nur die Hälfte der rezidivierten Patienten hatte eine vaskuläre Invasion in dem Orchiektomiepräparat. Auch in anderen Studien wird die frühere Angabe einer 50 %igen Rezidivrate bei Nachweis einer vaskulären Invasion in Frage gestellt. In den zur Verfügung stehenden Arbeiten schwanken die Rezidivraten zwischen 30 % und 35 % (Divrik et al. 2006; Al-Tourah et al. 2005).
Die aktive Surveillance kann somit als Behandlungsstrategie sowohl bei Low-Risk als auch bei High-Risk Patienten mit einem NSKZT im klinischen Stadium I angeboten werden. Die High-Risk Patienten müssen jedoch über die deutlich erhöhte Rezidivrate von 30–50 % und die intensiveren Therapiemaßnahmen gegenüber von nur ca. 15 % in der Low-Risk Gruppe aufgeklärt werden.

Adjuvante Chemotherapie bei High-Risk Nichtseminom CS I

Die adjuvante systemische Chemotherapie mit 2 Zyklen PEB galt als der bisherige Standard und wurde bereits bei Vorliegen einer vaskulären Invasion aufgrund des erhöhten Rezidivrisikos als Therapie der Wahl empfohlen (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013; Honecker et al. 2018). Die Rezidivraten können damit, unabhängig von der publizierten Studie, auf 2–4 % reduziert werden, letztendlich können alle Patienten durch eine adäquate Salvage Chemotherapie kuriert werden.
Auch die neueren Studiendaten belegen die hohe onkologische Effektivität von 2 Zyklen PEB (Tandstad et al. 2010; Bamias et al. 2009). Die SWENTOCA Studiengruppe zeigt ein rezidivfreies Überleben von 97 % gegenüber 55–65 % unter aktiver Suveillance sowie ein Gesamtüberleben von 99 % nach 2 Zyklen PEB (Tandstad et al. 2010). Die griechische Studiengruppe erreicht bei 142 Risikopatienten mit 2 Zyklen PEB nach einem mittleren Follow-up von 79 Monaten ein rezidivfreies Überleben von 99 % (Bamias et al. 2009).
Der Nachteil der adjuvanten Chemotherapie liegt in der Übertherapie von nahezu 50 % der Patienten, die somit den potentiellen Nebenwirkungen wie Infertilität, Sekundärneoplasien, kardiovaskulären und endokrinologischen Malfunktionen ohne einen onkologischen Benefit ausgesetzt werden.
In diesem Zusammenhang haben einige Arbeitsgruppen lediglich 1 Zyklus PEB mit praktisch identischer onkologischer Effektivität im Vergleich zu 2 Zyklen PEB eingesetzt (Gilbert et al. 2006; Westermann et al. 2008; Oliver et al. 1992; Tandstad et al. 2009, Tab. 4). Die German Testicular Cancer Study Group hat in einer großen Phase-III-Studie 382 Patienten zwischen RLA und 1 Zyklus PEB randomisiert (75). Von den 366 auswertbaren Patienten haben nach einem medianen Follow-up von über 50 Monaten nur 2 (1.12 %) Patienten nach Chemotherapie, aber 14 (7.5 %) Patienten nach RPLA ein Rezidiv erlitten, von denen alle Patienten nach adäquater Salvagetherapie geheilt werden konnten. Die sehr ungünstigen Daten der RPLA mit einer ungewöhnlich hohen Rate von lokoregionären Rezidiven sind unter anderem auf die fehlende operative Erfahrung vieler beteiligter Zentren zurückzuführen.
In der wohl größten Studie wurden durch die SWENTOCA Studiengruppe 745 Patienten mit einem NSKZT im klinischen Stadium mit 1 Zyklus PEB therapiert oder der aktiven Surveillance zugeführt (Tandstad et al. 2010; Oliver et al. 1992). Die Patienten wurden bezüglich des Vorhandenseins oder des Fehlens der vaskulären Invasion stratifiziert. Nach einem mittleren Follow-up von 4,7 Jahren wurden 51 Rezidive beobachtet. 41.7 % bzw. 13.2 % der Patienten mit Nachweis oder Fehlen einer vaskulären Invasion entwickelten ein Rezidiv unter der aktiven Surveillance während ein solches nur bei 3.2 % bzw. 1.3 % der Patienten nach 1 Zyklus PEB zu beobachten war. In einer aktualisierten Auswertung nach einem mittleren Follow-up von 8 Jahren konnten die Daten reproduziert werden: 2.3 % der Patienten erlitten im Mittel nach 1,2 Jahren ein Rezidiv. Stratifiziert nach dem Vorhandensein oder Fehlen der vaskulären Invasion lag die Rezidivrate bei 3.4 % bzw. 1.3 % bei einer unveränderten hohen 5-Jahresüberlebensrate von 98.7 % bzw. 99.1 %. Das späteste Rezidiv nach systemischer Chemotherapie wurde 3,3 Jahre nach Therapieende beobachtet, so dass eine 5jährige Nachsorge ausreichend erscheint.
Basierend auf diesen Daten stellt die Therapie mit 1 Zyklus PEB die Standardtherapie der Nichtseminome im klinischen Stadium I mit dem Risikofaktor vaskuläre Invasion dar.

Nervschonende retroperitoneale Lymphadenektomie

Die retroperitoneale Lymphadenektomie (RPLA) spielt beim NSKZT im klinischen Stadium I, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Indikationen bestehen nur bei ausdrücklichem Patientenwunsch oder bei dem seltenen Vorliegen eines reinen Teratoms mit ungünstigen Prognosefaktoren (Heidenreich et al. 1997; Rabbani et al. 2003). Wird die RPLA durchgeführt, muss diese in nervschonender Operationstechnik erfolgen (Abbildung 6, 92). Die potentiellen Vorteile der RLA liegen im sofortigen, korrekten Staging des Retroperitoneums, das in 90 % die primäre Metastasenstation darstellt. Die Nachsorge wird vereinfacht, weil sie sich auf Röntgenuntersuchungen des Thorax beschränken kann. Die German Testicular Cancer Study Group (GTCSG) hat die Komplikationsraten der primären RLA bei 237 Patienten publiziert, die von 1995–2000 in 7 Zentren operiert wurden (Heidenreich et al. 2003). Die antegrade Ejakulation konnte in 93,2 % erhalten werden, nur 0,5 % der Patienten hatten ein Rezidiv im Retroperitoneum, und die Gesamtkomplikationsrate lag bei 17 %. Dabei entfielen 3 % auf „major complications“ (chylöser Aszites, Pulmonalarterienembolie, Dünndarmileus).
Als Alternative zur offenen Operation wurde die diagnostische, laparoskopische RLA (L-RLA) eingeführt (Janetschek et al. 2000). Aufgrund der aktuellen Datenlage ergeben sich in ausgewiesenen Zentren keine signifikanten Differenzen bezüglich der Rezidivraten, der Heilungsraten und der Komplikationsraten zwischen beiden Operationstechniken. Allerdings ist nach den Ergebnissen einer Meta-Analyse von Rassweiler et al. (2008) an mehr als 800 Patienten festzuhalten, dass mehr als 90 % der Patienten mit positiven Lymphknoten in der L-RPLA Gruppe eine systemische adjuvante Chemotherapie erhielten, während dies nur bei 15–29 % der Patienten nach offener RPLA der Fall war. Die L-RPLA stellt entsprechend der aktuellen Leitlinien keine empfohlene Therapie dar (Krege et al. 2008, 2011; Oldenburg et al. 2013; Honecker et al. 2018). Die berichteten Daten für beide Operationstechniken haben übereinstimmend gezeigt, dass die Operation dann an Qualität gewinnt und die Nebenwirkungsrate sich verringert, wenn sie in Zentren durchgeführt wird, die eine Mindestmenge dieser Operationen pro Jahr und Operateur (etwa 20 retroperitoneale Operationen einschließlich Residualtumorresektionen) nachweisen können (Heidenreich und Pfister 2012).
In einer aktuellen Übersicht konnte gezeigt werden, dass die Risikofaktor - unabhängige aktive Surveillance mit einer exzellenten Überlebensrate von 100 % und einer Rezidivrate von nur 20–30 % assoziiert war (Pierorazio et al. 2018). Die aktive Surveillance sollte somit die Therapie der Wahl darstellen.
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