Die Geschichte der Harnableitung als Ersatz für die entfernte bzw. funktionsgestörte Harnblase ist lang. Nachdem anfänglich die inkontinente Harnableitung mittels Stoma und der Schutz des oberen Harntraktes im Vordergrund standen, ist die Entwicklung der letzten Jahre in Richtung einer möglichst funktionellen, und wenn möglich anatomischen Rekonstruktion gelaufen. Von der inkontinenten kutanen Harnableitung wurde in einem nächsten Schritt die kontinente kutane Harnableitung mittels katheterisierbarem Pouch entwickelt und bis zur kontinenten orthotopen Harnableitung (Ersatzblase) weiterentwickelt. Wegen der guten funktionellen Resultate hat sich diese v. a. bei jüngeren Patienten beider Geschlechter durchgesetzt. Vergleichende Studien gibt es jedoch kaum, die Evidenzlage ist somit beschränkt. In den letzten Jahren hat die Zahl der
inkontinenten Harnableitungen wieder etwas zugenommen, da einerseits aufgrund der verbesserten Anästhesie- und Operationstechnik vermehrt ältere Patienten operiert werden, andererseits durch das Aufkommen der roboter-assistierten Laparoskopie, bei welcher im Falle eines rein intrakorporellen Verfahrens vermehrt eine inkontinente gegenüber der komplexeren kontinenten Harnableitung gewählt wird.
Patientenaufklärung
Aufgrund relevanter metabolischer, physischer und psychischer Konsequenzen
der unterschiedlichen Formen von Harnableitungen sollte ein detailliertes Aufklärungsgespräch die Basis der Therapieentscheidung sein. Insbesondere sollte dem Patienten bereits präoperativ eine realistische Erwartungshaltung ermöglicht werden (Philip et al.
2009), was wiederum die Akzeptanz der Harnableitung sowie die
Lebensqualität postoperativ graduell verbessert (Shi et al.
2018). Eine „optimale“ Harnableitung sollte dadurch gekennzeichnet sein, dass sie mit der individuellen intellektuellen, pathophysiologischen und onkologischen Situation kompatibel ist, eine geringe Rate an Komplikationen aufweist und den geringst möglichen negativen Einfluss auf die Lebensqualität des Patienten hat.
Patientenselektion
Die Art der Harnableitung sollte vom Arzt gemeinsam mit den Patienten diskutiert und festgelegt werden. Hierbei ist es das Ziel, in Abhängigkeit vom Ausgangsstatus, sowohl die unterschiedlichen onkologischen und funktionellen Aspekte der verschiedenen Formen der Harnableitung zu berücksichtigen, als auch die persönlichen Wünsche und die Motivation des Patienten in die Planung miteinzubeziehen. Neben den onkologischen Faktoren sind aber insbesondere auch die Komorbiditäten sowie das soziale Umfeld des Patienten zu berücksichtigen (Shi et al.
2018).
An Spitälern mit hohen Fallzahlen gilt der der orthotope Blasenersatz mit autologem intestinalem Gewebe gegenwärtig als
Goldstandard der Harnableitung (Hautmann et al.
2013). An diesen grösseren Versorgungszentren wird etwa jeder zweite Patient mit einer Neoblase versorgt (39,1–74 %; Hautmann et al.
2013). Allerdings ist in den letzten Jahren ein Trend Richtung vermehrtem Gebrauch einer inkontinenten Harnableitung (u. a. ileum conduit) zu verzeichnen. Dies nicht zuletzt auch wegen dem vermehrten Einsatz der roboter-assistierten, laparoskopischen Chirurgie mit intrakorporeller Harnableitung (Hussein et al.
2018; Hautmann
2018).
Nicht für alle Patienten sind der orthotope Blasenersatz wie auch andere Formen der kontinenten Harnableitung eine geeignete Form der Harnableitung. Dies gilt es, im Rahmen der Patientenselektion zu klären (Übersicht).
Relative Kontraindikationen für eine orthotope, kontinente Harnableitung sind eine präoperative Inkontinenz durch Insuffizienz des urethralen Sphinkters sowie langstreckige komplexe Strikturen der Urethra, welche operativ nicht oder nur mit stark erhöhtem Rezidivrisiko versorgt werden können.
Eine
Adipositas ist kein Grund, einen
orthotopen Blasenersatz nicht durchzuführen. Gerade bei sehr adipösen Patienten kann dieser von Vorteil sein, da die Anlage eines Stomas aufgrund der ausgeprägten subkutanen Fettschicht erschwert sein und u. a. zu einer Abknickung führen kann. Wegen der schlechteren Faltbarkeit des dickeren Mesostiels bei adipösen Patienten ist es jedoch empfehlenswert, ein kürzeres Darmsegment für den orthotopen Blasenersatz zu verwenden. Zusätzlich kann die Serosa des Mesostiels inzidiert und so verlängert werden, um die orthotope Harnableitung an die Harnröhre zu bringen.
Auch die Erfahrung des Operateurs ist ein entscheidender Bestandteil der Indikationsstellung. Daten aus nicht universitären bzw. nicht spezialisierten Zentren weisen teilweise nur einen 15- bis 37 %-igen Anteil an
kontinenten Harnableitungen auf (Gerharz
2007). In den USA beispielsweise werden 70 % der
Zystektomien in nicht spezialisierten Zentren durchgeführt, die weniger als 11 dieser Eingriffe pro Jahr durchführen (Gerharz
2007). Generell zeigt sich eine prozentuelle Zunahme an kontinenten Harnableitungen mit steigender Fallzahl (Hautmann et al.
2013; Hautmann
2018)
Darmvorbereitung
Während der letzten 20 Jahre kam es zu einem Paradigmenwechsel in Bezug auf die physikalische intestinale Vorbereitung für Harnableitungen.
Die ursprüngliche Ratio einer präoperativen Darmspülung begründete sich darin, dass eine Verkleinerung des Darmlumens die Belastung der Anastomose und damit die Gefahr der Anastomoseninsuffizienz (Christensen und Kronborg
1981), ebenso wie die Rate an
Wundinfektionen, intraperitonealen
Abszessen und Peritonitiden vermindern kann (Dion et al.
1980). Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass eine mechanische Darmvorbereitung nicht nur ohne Vorteil ist (Slim et al.
2009; Güenaga et al.
2011), sondern sogar mit einer erhöhten Inzidenz von Anastomoseninsuffizienzen und
Wundheilungsstörungen assoziiert sein könnte (Guenaga et al.
2005).
Metaanalysen haben gezeigt, dass selbst Eingriffe am Kolon ohne vorhergehende Spülung oder Klysmen durchgeführt werden können. Wesentlich Konzepte der Darmchirurgie haben damit eine grundlegende Wandlung erfahren (Güenaga et al.
2011). Für die Durchführung einer Harnableitung mittels autologem intestinalem Gewebe ist deshalb heutzutage keine (antegrade) Darmvorbereitung notwendig (Pruthi et al.
2010; Studer et al.
2015).
Antibiotische Prophylaxe
In den 1970er-Jahren belegten Nichols et al. (
1972) den antibiotischen Effekt auf die Reduktion von
Wundheilungsstörungen bei chirurgischen Eingriffen mit Darmbeteiligung. Baum et al. (
1981) zeigten in einer Placebo-kontrollierten Studie, dass eine antibiotische Prophylaxe die Mortalität chirurgischer Darmeingriffe um 60 % und die Wundheilungsstörungsrate um 25 % verminderte. Zu dieser Zeit wurde die Nichols-Condon-Kombination eingeführt, darunter versteht man je 1 mg Neomycin und Erythromycin. Diese breite antibiotische Abschirmung wurde damals 3-mal täglich gegeben (Nichols et al.
1972).
Perioperative Infektionsraten nach radikaler
Zystektomie und Harnableitung konnten aufgrund suffizienter antibiotischer Abschirmung von initial bis zu 20 % auf 5–7 % verringert werden (Stein et al.
2004).
Nervenschonende Zystektomie, Kontinenz und Erhalt der Sexualfunktion
Ziel der Nervenschonung ist bei beiden Geschlechtern einerseits der Erhalt der Sphinkterfunktion bei orthotopem Blasenersatz, andererseits der Erhalt der sexuellen Funktion. Die bessere Kenntnis des Verlaufs der Nerven bei Mann und Frau (Colleselli et al.
1998; Baader und Herrmann
2003; Strasser et al.
2000; Sievert et al.
2008) hat sich in bessere funktionelle Resultate umgemünzt (Turner et al.
1997; Furrer et al.
2018). Der positive Einfluss der Nervenschonung auf die Kontinenz ist bedingt durch den Erhalt der Äste des Plexus pelvicus wie auch des intrapelvinen Astes des N. pudendus. Dies, aber auch der Erhalt der Afferenzen aus der membranösen Harnröhre, die am ehesten in den Ästen des Plexus pelvicus und/oder im intrapelvinen Ast des N. pudendus verlaufen, sind wichtig. Dies wurde bestätigt durch die Beobachtung, dass eine verminderte Sensibilität der membranösen Harnröhre nach radikaler
Zystektomie und ilealem Blasenersatz mit einem erhöhten Risiko der Inkontinenz verbunden ist (Hugonnet et al.
1998). Auch der sorgfältige Umgang mit dem Sphinktermechanismus während der Operation und der Erhalt der membranösen Urethra u. a. mit ausreichender Länge sind entscheidend (Gross et al.
2015).
Um eine nervenschonende
Zystektomie durchzuführen, müssen gewisse onkochirurgische Voraussetzungen erfüllt sein:
-
Der Tumor muss organbegrenzt sein.
-
Der Tumor muss einseitig oder im Bereich des Daches oder der Vorderwand sein, da die Nervenschonung nur auf der tumorfreien Seite durchgeführt werden sollte.
Eine Weiterentwicklung der nervenschonenden
Zystektomie stellt die sexualitätserhaltende Chirurgie bei Frau und Mann dar. Auch hier stehen die onkochirurgischen Prinzipien der Radikalität im Vordergrund.
Metabolische Störungen
Die metabolischen Konsequenzen einer Harnableitung sind v. a. vom Typ und von der Länge des resezierten Darmsegmentes abhängig (Tab.
2; Mills und Studer
1999; Pfitzenmaier et al.
2003; Studer et al.
2015). Des Weiteren sind Kontaktzeit des
Urins mit der Darmoberfläche, Größe der Darmoberfläche, pH-Wert, Konzentration der Urinbestandteile, Nierenfunktion und Urinosmolalität von Bedeutung.
Tab. 2
Komplikationen und Behandlung von Stoffwechselstörungen, die bei Reservoiren aus Magen, Jejunum, Ileum und Kolon auftreten können
Magen | Hypochlorämische metabolische Alkalose, Hypokaliämie, Hypochlorämie, Magengeschwür, Dysurie-/Hämaturiesyndrom | H2-Blocker, Protonenpumpenhemmer, nicht bei Nierenfunktionsstörung verwenden |
Jejunum | Hypochlorämische metabolische Azidose, Hyperkaliämie, Dehydratation, Azotämie | Natriumchlorid, Volumenersatz |
Ileum | Metabolische Azidose, Hypovolämie durch Salzverlust, Hyperkaliämie | Alkalisierende Medikamente (Natriumbicarbonat, Kaliumcitrat) |
Kolon | Hyperchlorämische Azidose, Hypokaliämie, Wasserretention | Blockade des Chloridtransportes, Chlorpromazin, Nicotinsäure Kaliumcitrat |
Wird Ileum oder Kolon für die Harnableitung verwendet, wird in unterschiedlichem Ausmaß Ammoniumchlorid reabsorbiert, und so kann bereits früh postoperativ ein
Salzverlust auftreten. Hypoosmolarer
Urin führt dazu, dass
Natrium im Austausch gegen Protonen durch das Ileumsegment sezerniert wird, um Isoosmolarität mit dem Urin herzustellen.
Ohne Salzzugabe entsteht bei Ileumreservoiren eine
Hypovolämie mit Salzverlust, was zu einer hypochlorämischen
Azidose führt (Mills und Studer
1999). Diese wird durch einen weiteren Faktor verstärkt, nämlich die die Verschiebung von
Natrium aus dem Darm in den
Urin im Austausch mit Wasserstoff. Zudem entsteht beim Versuch, die Azidose zu puffern, durch Kaliumwiederaufnahme aus dem Urin im Austausch mit Natrium sowie durch Kaliumsekretion aus den Zellen im Austausch mit Wasserstoff ein hyperkaliämischer Zustand.
Reservoirs aus Jejunum würden sich ähnlich verhalten, aber der Austausch findet viel schneller statt mit deletären Konsequenzen. Im Gegensatz dazu zeigen Kolonreservoire eine stärker ausgeprägte Chloridrückresorption und Bikarbonatausscheidung mit resultierender hyperchlorämischer Azidose.
Im Gegensatz zum Ileum- sind die Veränderungen bei einem Drittel der Patienten mit einem Kolonreservoir von langer Dauer. Eine chronisch metabolische Azidose beeinflusst den Knochenstoffwechsel und führt zur
Osteoporose oder
Osteomalazie.
Eine metabolische Azidose tritt bei der Mehrheit der Patienten mit ilealem Blasenersatz
kurz nach dem Eingriff auf, akzentuiert bei vorliegender Nierenfunktionsstörung. Die Behandlung beruht auf regelmäßigen Kontrollen der venösen Blutgase und Natriumbikarbonatgabe (2–6 (8) g) sowie einer etwas erhöhte Natriumchlorideinnahme (Salzen der Speisen), um einen positiven Basenüberschuss zu erzielen. Bis >90 % der Patienten mit Ileumreservoir haben eine Natriumbikarbonatsubstitution 3 Monate postoperativ (Furrer et al.
2016). Die Rückresorpionsfähigkeit der Ileumreservoire nimmt mit der Zeit jedoch deutlich ab (Zottenatrophie), sodass nach 10 Jahren nur noch wenige Patienten überhaupt eine Natriumkarbonatsubstitution brauchen (19 %; Furrer et al.
2016). Alternativ kann Kalium- oder Natriumzitrat verabreicht werden, v. a. bei Kolonreservoirs.
Eine vermehrte Magensaftproduktion spiegelt den Versuch des Körpers wider, die metabolische Azidose zu kompensieren. Eine Einschränkung dieser Wirkungen durch Protonenpumpenhemmer kann hinderlich sein und die Azidose verstärken, da dem Körper die letzte Möglichkeit genommen wird, Säure abzugeben.
Typische Symptome der Azidose sind Inappetenz, Müdigkeit, Sodbrennen und v. a. Erbrechen. Die venöse
Blutgasanalyse und Kontrolle der
Elektrolyte steht bei der Überwachung im Vordergrund. Eine metabolische Azidose ist jedoch damit nicht immer sicher auszuschließen. Regelmäßige Gewichtskontrollen mit Augenmerk auf Gewichtsverlust ergeben ebenfalls Anhaltspunkte darüber, ob eine Stoffwechselentgleisung besteht.
Andere metabolische Störungen, an die im Zusammenhang mit einer Harnableitung gedacht werden muss, sind
Da das Vitamin B
12 im terminalen Ileum absorbiert wird, kann die Verwendung von Ileum, v. a. bei Einbezug der Ileozökalklappe in die Harnableitung, langfristig zu
Hypovitaminosen führen (0–33 %).
Darum ist es wichtig, mindestens 25 cm terminales Ileum zu belassen und nicht mehr als 60 cm Ileum für die Harnableitung zu verwenden. Im Bedarfsfall kann Vitamin B12 substituiert werden.
Antirefluxschutz
Bei jeder Harnableitung muss neben der Harnspeicherung oder reinen Harnableitung eines der Hauptziele sein, den oberen Harntrakt zu schützen. Die Anastomose zwischen Harnleiter und der folgenden Harnableitung ist ein komplikationsbehafteter Abschnitt jeder Art von Harnableitung.
Bei der Entwicklung der orthotopen Darmersatzblasen wurden zunächst verschiedene antirefluxive Implantationstechniken durchgeführt. Verschiedene Formen der Refluxprotektion wurden hierbei untersucht wie einfache isoperistaltische Tunnel, ileale Intussuszeption und direkte (sub)muköse oder subseröse ureterale Implantationen (Abol-Enein und Ghoneim
2001). Hierbei ergaben sich jedoch erhöhte Obstruktionsraten von bis zu 13,5 % (Schöndorf et al.
2013; Studer et al.
1996a; Minervini et al.
2005), was die intendierte Protektion des oberen Harntraktes konterkarierte. Dies hatte zur Folge, dass die Relevanz des Refluxschutzes bei orthotopem Harnblasenersatz generell in Frage gestellt wurde. Durchgesetzt hat sich die einfache Anastomose (End-zu-Seit nach Nesbit [
1949]/Bricker [
1950]; Wallace
1970 der Harnleiter an ein tubulär afferentes Segment von ca. 12–15 cm, welches unter physiologischen Bedingungen bei einem Niederdruckreservoir eine genügende Protektion des oberen Harntraktes gewährleistet (Stein et al.
2004; Studer et al.
1996b; Thoeny et al.
2002). Diese relativ einfache Art der ureteralen Anastomose weist bezüglich der Nierenfunktion gute Langzeitresultate auf (Minervini et al.
2010; Furrer et al.
2016).
In einem Niederdruckreservoir ist der Schutz vor Reflux aus verschiedenen Gründen nicht erforderlich. Zum einen kann ein detubularisiertes Darmsegment ohne koordinierte Kontraktionen keine relevanten Drücke erzeugen. Außerdem führt eine Zunahme des intraabdominalen Druckes zu einem identischen Druckanstieg in dem Blasenersatz und in den Ureteren, was einen Reflux ausschließt (Studer et al.
1996b). Zudem wirkt der äußere Sphinkter als Sicherheitsventil, d. h. bei hohen intravesikalen Drücken kommt es zum Urinverlust durch die Urethra. Auch ist der
Urin im geschlossenen System steril, weshalb ein chronischer Infekt des Nierenbecken-Kelch-Systems nicht vorhanden und somit nicht nierenschädigend sein sollte.
Während bei der orthotopen Ersatzblase keine Indikation für eine antirefluxive Implantation der Ureteren besteht, ist bei der ältesten Form der Harnableitung, der Uretero(rekto)sigmoidostomie, ein Schutz des oberen Harntraktes vor Reflux zwingend, um insbesondere Infektionen des oberen Harntraktes zu verhindern (Simon
1911; Leissner et al.
2000).
Die Primärbehandlung von Harnleiteranastomosenstrikturen sollte nach Gesamtschau der entsprechenden Nierenfunktion mittels Nierensequenzszintigramm, der verbleibenden Lebenserwartung und der Komorbidität des Patienten erfolgen. Eine retrograde oder antegrade Harnleiterschienung stellt hierbei eine Option zur vorübergehenden, jedoch in der Regel nicht langfristigen Lösung des Problems dar. Endourologische Verfahren sind nur bei kurzer Strikturlänge (<1 cm) einigermassen erfolgsversprechend (50 %), haben aber den Vorteil der relativ geringen Morbidität (Schöndorf et al.
2013). Bei längeren Strikturen (>1 cm) ist die offene Revision mit Harnleiterneuimplantation in der Regel der einzige Weg, um das Problem auf Dauer zu lösen (Schöndorf et al.
2013). Aufgrund der Komplexität dieser Eingriffe sollten diese Operationen an erfahrenen High-volume-Zentren durchgeführt werden.
Lebensqualität
Ein Vergleich der funktionellen Resultate und der „health related quality of life“ (HRQOL) zwischen den verschiedenen Harnableitungsverfahren ist bis heute nicht konklusiv zu ziehen. Die HRQOL scheint bei allen Eingriffen ähnlich zu sein, jedoch gibt es bei spezifischen Punkten deutliche Unterschiede wie z. B. bei der Wahrnehmung des Körperbildes, der Harninkontinenz und der beeinträchtigten Sexualität (Dutta et al.
2002; Hardt et al.
2000; Singh et al.
2014). Aus der Literatur lässt sich schlussfolgern, dass diese Probleme v. a. bei Conduit-Ableitungen zu verzeichnen sind.
Aktuelle Studien zeigen keine signifikanten Unterschiede in der
Lebensqualität zwischen inkontinenten und kontinenten orthotopen Harnableitungen. So konnten Philip et al. (
2009) zeigen, dass Patienten mit einem orthotopen Blasenersatz zwar eine bessere physische Funktionsfähigkeit aufweisen, jedoch keinerlei Vorteile in der Lebensqualität im Vergleich mit Patienten mit einem Ileum-Conduit haben. 63 % der Patienten mit Ileum-Conduit fühlten sich „weniger komplett“, 43 % fühlten sich aufgrund des Stomas beschämt, und 58 % waren über ein nicht abgedichtetes Stoma besorgt. Ähnliche Resultate konnten Sogni et al. (
2008) publizieren. Diese Autorengruppe verwendete für ihre Analysen den EORTC-QLQ-C30 und QLQ-BLM (muskelinvasives Blasenkarzinom-Modul), um HRQOL-Daten von 34 zystektomierten Patienten zu analysieren. Die Patienten bekamen entweder einen orthotopen Blasenersatz oder einen Ileum-Conduit. Die globalen Gesundheitsstatus-Scores (GHS) waren zwar in der Gruppe mit der orthotopen Neoblase höher, jedoch zeigte sich bei der Analyse kein statistisch signifikanter Unterschied. Singh et al. (
2014) konnten jedoch unter Verwendung des EORTC-QLQ-C30 an 84 orthotopen Ersatzblasenpatienten eine leicht bessere physikalische und soziale Zufriedenheit sowie einen besseren GHS feststellen gegenüber 80 Patienten mit einem ileum conduit. Zudem scheinen weibliche Patienten mit orthotopem/heterotopen (nicht Stoma) Blasenersatz einen Vorteil bezüglich sexueller Funktion gegenüber Stomapatientinnen zu haben (El-Bahnasawy et al.
2011)
Pahernik et al. (
2004) konnten in ihrer Studie zeigen, dass die Konversion eines inkontinenten Conduits in eine kontinente Harnableitung (Mainz Pouch I) eine sichere und machbare Option für Patienten ist, die den Wunsch hegen, eine inkontinente in eine kontinente Harnableitung ändern zu lassen. Die Komplikationsrate war akzeptabel, die Nierenfunktion stabil und die Patientenzufriedenheit nach dem Eingriff war sehr hoch. Die Konversion erfolgte bei 39 Patienten nach durchschnittlich 11 Jahren nach Anlage des Ileum- oder Kolon-Conduits (Pahernik et al.
2004).