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Uroonkologie
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Publiziert am: 07.05.2019

Maligne Hodentumoren: Onkologische Kennzeichen und Diagnostik

Verfasst von: Klaus-Peter Dieckmann und Susanne Krege
Leitsymptom des Hodentumors ist die schmerzlose Vergrößerung und Verhärtung des Skrotalinhaltes. Etwa 10 % aller Fälle haben metastasenbedingte Erstsymptome. Für die Diagnosestellung sind Inspektion, bimanuelle Palpation und skrotale Sonografie unerläßlich. Ein unregelmäßig begrenztes intratestikuläres hyporeflexives Areal mit positiven Signalen in der Farbduplexsonografie ist pathognomonisch für den Hodentumor. Typisch für Keimzelltumoren sind die Serum-Tumormarker β Human Chorion Gonadotropin (bHCG), alpha Fetoprotein (AFP) und Laktatdehydrogenase (LDH), die vor allem beim Nichtseminom und im fortgeschrittenen Stadium ausgeprägt sind. Es werden klinisch drei Stadien unterschieden: Stadium 1 ohne Metastasen, Stadium 2 mit nur retroperitonealer Metastasierung und Stadium 3 mit Fernmetastasierung. Für die Stadieneinteilung sind die postoperativen Tumormarker sowie Computertomografie von Abdomen und Thorax erforderlich. Metastasierte Fälle werden zusätzlich in Gute, Intermediäre und Ungünstige Prognosegruppe nach IGCCCG (International Germ Cell Cancer Collaborative Group) eingeteilt.

Primärsymptome, extragonadale Symptome, Erstuntersuchung

Das typische Symptom des Hodentumors ist die schmerzlose Vergrößerung des Skrotalinhaltes mit Verhärtung und Knotenbildung des Hodens. Eine solche Konstellation findet sich bei über 50 % der Fälle. Allerdings schließt eine begleitende Schmerzsymptomatik niemals einen Hodentumor aus, denn bei ca. einem Viertel der Fälle besteht entweder gleichzeitig mit der Schwellung oder auch ausschließlich eine Schmerzsymptomatik (Dieckmann et al. 1987; Moul 2007). Da Schmerzen ein typisches Merkmal von Entzündungen sein können, ist die Epididymitis und seltener die Orchitis als eine häufige Differenzialdiagnose zu betrachten. Etwa 10 % der Patienten mit Keimzelltumoren gelangen mit extratestikulären Zeichen zur Diagnostik (Dieckmann et al. 1994). Hierbei handelt es sich zumeist um metastasenbedingte Symptome, wie etwa Flanken- oder Leibschmerzen bei großer retroperitonealer Tumorlast oder Hämoptysen bei ausgedehnter pulmonaler Metastasierung. Bei unklaren abdominalen Raumforderungen im jüngeren Erwachsenenalter ist daher stets der Keimzelltumor differenzialdiagnostisch zu erwägen (Kabir et al. 2013)! Bei etwa 1–2 % der Hodentumorpatienten wird eine Gynäkomastie als Leitsymptom angegeben. Ein solcher Befund bedarf beim jüngeren Mann daher stets auch einer gründlichen skrotalen Untersuchung. Tab. 1 gibt eine Übersicht der metastasenbedingten Primärsymptome.
Tab. 1
Extratestikuläre Symptome bei Hodentumoren
Symptom
Ursache
Inguinale Lymphadenopathie
Tumorinfiltration von Samenstrang, Skrotum
Oder Metastase bei Zustand nach inguinoskrotaler Voroperation
Lumbalgie, Ischialgie
ausgedehnte retroperitoneale Lymphknotenmetastasen
Flankenschmerzen
Harnstauungsniere bei ausgedehnter retroperitonealer Metastase
Husten, Dyspnoe, Hämoptysis
ausgedehnte pulmonale Metastasierung
Neurologische Symptomatik
Hirnmetastasen
Schwellung/Ödem untere Extremität
Beckenvenenthrombose zufolge Venenkompression durch pelvine/abdominale Lymphknotenpakete
Gynäkomastie
östrogene Wirkung des Tumormarkers βHCG
Die klinische Erstuntersuchung bei Hodentumorverdacht umfaßt als erstes die Inspektion und bimanuelle Palpation beider Hoden. Oft ist schon die Blickdiagnostik wegweisend so etwa bei Vorliegen einer voluminösen intraskrotalen Raumforderung. Differenzialdiagnostisch muß bei jeder intraskrotalen Raumforderung aber auch an nicht-tumoröse Veränderungen gedacht werden, wie Epididymitis, Hydrozele oder Spermatozele.
Differenzialdiagnose der intraskrotalen Raumforderung
Bei der klinischen Untersuchung erfolgt dann stets die abdominale Tastuntersuchung, die Prüfung der Bruchpforten sowie eine Inspektion und Palpation der inguinalen und zervikalen Bereiche zur Erkennung etwaiger Lymphknotenmetastasen.

Bildgebende Untersuchung des Skrotums

Auch wenn häufig bereits nach der klinischen Untersuchung die Diagnose eines Hodentumors gestellt werden kann, so fordern die Leitlinien in jedem Fall die zusätzliche Sonografie des Skrotalinhaltes zur Absicherung der Diagnose und Indikationsstellung zur Operation (Albers et al. 2015). Die Ultraschalluntersuchung sollte in einer warmen, abgedunkelten Umgebung erfolgen. Der Patient selbst fixiert dabei das Skrotum durch Zug am Penis. Die Ultraschallsonde sollte ein hohes Auflösungsvermögen von mindestens 10 MHz, besser mit 12–15 MHz aufweisen (Dieckmann et al. 2013). Die Hodensonografie kann gut zwischen intra- und extratestikulären Raumforderungen unterscheiden. Wichtig ist – wie bei der klinischen Untersuchung – der Seitenvergleich. In 1–2 % der Hodentumorfälle liegt ein beidseitiger Befall vor, wobei eine Seite zumeist noch sehr klein ist und nur sonografisch dargestellt werden kann. Unschwer zu identifizieren sind zystische Befunde, die sich als glatt berandete, echolose Raumforderungen darstellen und oft nicht maligner Natur sind. Der typische Hodentumor stellt sich als hyporeflexives, unregelmäßig begrenztes Areal innerhalb des Hodenparenchyms dar (Kühn et al. 2016). Die nichtseminomatösen KZT bestehen oft aus verschiedenen histologischen Komponenten, die dementsprechend auch unterschiedliche sonografische Muster aufweisen können. So finden sich in Teratombestandteilen häufig echolose Areale, die zumeist teratomatösen Zysten oder nekrotisch umgewandelten Arealen entsprechen. Auch hyperreflexive Areale können sich innerhalb einer wolkigen hyporeflexiven Raumforderung anfinden. Hierbei handelt es sich zumeist um Verkalkungen oder fibrotische Tumorbestandteile (Bertolotto und Trombetta 2012).
Die Farbkodierte Duplex Sonografie (FKDS) ist hilfreich bei der Beurteilung von intratestikulären Raumforderungen (Auer et al. 2017). Tumoren weisen in der Regel eine vermehrte FKDS-Signalgebung auf als Ausdruck einer vermehrten Vaskularisation. Raumforderungen ohne jegliche FKDS-Signalgebung sind dagegen nicht tumortypisch sondern könnten eher einem nekrotischen Areal entsprechen. Der seltene gutartige Leydigzelltumor weist eine besonders starke Vaskularisation auf, so dass hier oftmals die Sonografie mit FKDS diagnostisch wegweisend sein (Lock et al. 2014). Die Abb. 1 zeigt einige typische Befunde.
Nicht mit einem Tumor zu verwechseln ist die gutartige Tubuläre Ektasie des Rete testis (TERT), die eine Erweiterung der intratestikulären Samenkanälchen darstellt mit konsekutiver Dilatation der Tubuli des Rete testis (Abb. 2). Die TERT ist zumeist ein sonografischer Zufallsbefund, der sich durch eine Vielzahl von netzartig angeordneten kleinsten echolosen Arealen auszeichnet und sehr oft mit einer Spermatozele des Nebenhodens vergesellschaftet ist (Dieckmann et al. 2011).
Ein anderer häufiger Zufallsbefund ist die Microlithiasis testis. Hierbei handelt es sich um eine Anhäufung von unregelmäßig über den Hoden verteilten kleinsten echoreichen Arealen, die zuweilen als „Sternhimmelhoden“ oder „Schneegestöber-Hoden“ bezeichnet wird (Abb. 3). Histologisch handelt es sich hierbei um feinste intrakanalikuläre Verkalkungen („Microlithen“). Die Einschätzung dieses Befundes ist problematisch, weil die Microlithiasis nicht selten in Zusammenhang mit Hodentumoren oder der Vorstufe GCNIS gefunden wird (Richenberg et al. 2015). Handelt es sich jedoch um einen reinen Zufallsbefund ohne dass tumortypische Begleiterscheinungen vorliegen, so wird die Microlithiasis heute als harmlos eingeschätzt und sollte lediglich beobachtet werden (Patel et al. 2016).
In Analogie zu den Techniken der Sonografie an anderen Organen werden seit einigen Jahren auch bei der skrotalen Sonografie erweiterte Techniken eingesetzt, wie die Anwendung von Gasbläschen-artigem Kontrastmittel (Contrast enhanced ultrasonography, „CEUS“), das echoreiche Signale in gut vaskularisierten Bereichen hervorruft. Auch elastografische Techniken, bei der die Gewebesteifigkeit von Raumforderungen gemessen wird, stehen in der Erprobung. Diese Methoden können für bestimmte Fragestellungen, z. B. die Darstellung der Durchblutung von fraglichen Arealen und bei der Beurteilung von sehr kleinen Tumoren, überaus hilfreich sein (Marcon et al. 2018). Es sind jedoch spezielle gerätetechnische Voraussetzungen erforderlich, so dass sich diese Techniken noch nicht als Standard durchgesetzt haben.
In seltenen Fällen bleibt die Diagnose einer intratestikulären Veränderung auch nach der Ultraschalluntersuchung noch unklar. Bevor die operative Freilegung mit Gewebeuntersuchung als ultimative diagnostische Maßnahme bei bestehendem Tumorverdacht zum Einsatz kommt, kann die skrotale Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt werden (Dieckmann et al. 2013). Diese bildgebende Technik liefert bei Verwendung einer Oberflächenspule eine sehr hohe Auflösung und kann aufgrund ihrer höheren Weichgewebe-Auflösung, ihrer multiplanaren Darstellungstechnik und der vielfachen technisch-methodischen Betrachtungsmöglichkeiten (sog. „Wichtungen“ bzw. „Sequenzen“) brillante Bilder liefern und dabei selbst kleine Herdbefunde im Hoden sicher identifizieren (Abb. 4) (Mittal et al. 2018). Durch Kontrastmitteldarstellung kann auch eine dynamische Untersuchung mit Darstellung der Vaskularisation erreicht werden (Tsili et al. 2018). Die MRT-Untersuchung des Hodens ist jedoch technisch aufwändig und teuer und stellt daher definitiv keine Routinemaßnahme bei der Abklärung von testikulären Befunden dar. Für spezielle Fragestellungen und vor Durchführung einer diagnostischen Operation ist diese bildgebende Technik aber ein sehr wertvolles Hilfsmittel.

Tumormarker

Der Keimzelltumor ist ein Paradigma für die Nutzbarkeit von Serum-Biomarkern bei der Diagnostik und Therapie einer Krankheit. Seit Ende der 1970er-Jahre werden bei den Hodentumoren die beta-Untereinheit des humanen Choriongonadotropins (βHCG), das alpha Fetoprotein (AFP) und die Laktatdehydrogenase (LDH) als Tumormarker verwendet (Murray et al. 2016). Die Substanzen βHCG und AFP sind Eiweißkörper, die nur von bestimmten Gewebekomponenten der KZT produziert werden, und zwar βHCG in den plazentaähnlichen Strukturen des Chorionkarzinoms und das AFP in Dottersacktumor und sehr selten im embryonalen Karzinom. Diese gewebsspezifische Produktion bedeutet, dass die KZT, bei denen weder chorionkarzinomatöse oder dottersacktumorähnliche Formationen vorhanden sind, keine Marker exprimieren. Eine Ausnahme bilden die Seminome, bei denen synzytiotrophoblastsiche Riesenzellen vorkommen, die ebenfalls βHCG exprimieren (Weissbach und Bussar-Maatz 1993). Dies ist bei ca 30 % der Seminome der Fall. Teratome exprimieren keine Marker. AFP findet sich prinzipiell nicht beim Seminom. Allerdings besteht bei ca. 1–1,5 % der Seminome eine unspezifische leichte und stadienunabhängige AFP-Erhöhung, die keine therapeutischen Konsequenzen nach sich zieht (Wymer et al. 2017). Die LDH wird als sog. tumorsekretorischer Marker prinzipiell von allen KZT-Gewebstypen exprimiert. Der Nachteil der LDH ist aber ihr sehr unspezifischer Charakter, denn dieses Enzym wird auch von anderen Tumoren und anderen Erkrankungsherden sezerniert. Die Ausprägung der Marker ist neben der Histologie auch vom Stadium der Erkrankung abhängig (Neumann et al. 2011). So findet sich eine signifikant höhere Markerexpression bei höheren Stadien (Dieckmann et al. 2018). Tab. 2 gibt eine Übersicht über die unterschiedlichen Expressionsraten der Tumormarker in den verschiedenen histologischen Subgruppen der KZT, die Abb. 5 zeigt die unterschiedlichen Expressionsraten in den verschiedenen Stadien. Beim klinischen Einsatz der Marker müssen diese biologisch bedingten Einschränkungen bedacht werden. So können die Marker bei der Primärdiagnose eines Hodentumors nur eingeschränkt verwendet werden. Ein negativer Befund schließt niemals das Vorhandenseins eines KZT aus. Bei Mischtumoren ist eine posttherapeutische Markernegativität nicht identisch mit Tumorfreiheit, da markernegative Tumoranteile persistieren können.
Tab. 2
Expressionsraten der Tumormarker in den histologischen Subgruppen der Keimzelltumoren (KZT)
 
KZT gesamt
(%)
Seminom
(%)
Nichtseminom
(%)
βHCG
38
28
53
AFP
26
2
60
LDH
33
29
39
Daten aus Dieckmann et al. (2018)
Die Serumspiegel der Marker korrelieren mit der Tumormasse. Durch die Therapie kommt es zum Abfall der Serumspiegel, und bei kompletter Beseitigung der Tumormassen z. B. durch Operation oder durch Chemotherapie, fallen die Markerspiegel in den Normbereich zurück (Krege et al. 2011). Um den Therapieerfolg sicher beurteilen zu können, ist es wichtig, die Abklinggeschwindigkeit dieser Signalstoffe zu kennen. Bei Stadium 1 Fällen beträgt die Halbwertszeit des βHCG nach Orchiektomie etwa 36 Stunden. Das AFP wird deutlich langsamer abgebaut, die Halbwertzeit beträgt hier 5–7 Tage. So wären beispielsweise bei einem Stadium 1 Patienten mit initialem AFP von 300 ng/ml etwa fünf Halbwertzeiten (5 × 5 = 25 Tage) erforderlich, um nach Ablatio testis in den Normalbereich (unter 10 ng/ml) zu gelangen. Erst nach dieser Zeit kann somit über die weitere Therapie bei diesem Patienten entschieden werden.
Gemäß Leitlinien sind die Marker unerläßlich bei der Stadienzuordnung, beim Therapie-Monitoring und in der Nachsorge für die Erkennung von Rezidiven (Albers et al. 2015). Die histologische Vielgestaltigkeit der KZT bringt es mit sich, dass im Rezidivfall die Markerexpression durchaus anders sein kann als bei Erstdiagnose. Daher sollte an jedem diagnostisch und therapeutisch relevanten Zeitpunkt die Bestimmung aller Marker erfolgen (Gilligan et al. 2010). Für die Eingruppierung in die Prognosegruppen nach IGCCCG sind die die postoperativen Markerspiegel (nach Ablatio testis) entscheidend (Tab. 3).
Tab. 3
IGCCCG-Klassifikation (International Germ Cell Cancer Collaborative Group): Einteilung der metastasierten Fälle
 
Nichtseminome
Seminome
Gute Prognose
Primärbefund am Hoden oder retroperitoneal
und: keine nicht-pulmonalen viszeralen Metastasen
und: noch niedrige Tumormarkerspiegel
AFP < 1000 ng/ml
βHCG < 5000 U/l
LDH < 1,5 × ULN*
Primärbefund Hoden oder extragonadal
und: keine nicht-pulmonalen viszeralen Metastasen
und: jegliche Markererhöhung (außer AFP)
Intermediäre Prognose
Primärbefund am Hoden oder retroperitoneal
und: keine nicht-pulmonalen viszeralen Metastasen
intermediäre Markerspiegel:
AFP 1000–10.000 ng/ml
und/oder βHCG 5000–50.000 U/l
und/oder LDH < 1,5–10 × ULN
Primärbefund Hoden oder extragonadal
Vorhandensein von viszeralen Metastasen auch außerhalb der Lunge, z. B. Leber, Knochen, etc.
Markerspiegel beliebig
schlechte Prognose
primär mediastinaler nichtseminomatöser Tumor
nicht-pulmonale viszerale Metastasen (Leber, ZNS, Skelett)
und/oder sehr hohe Marker:
AFP > 10.000 ng/ml
und/oder βHCG > 50.000 U/l;
und/oder LDH > 10 × ULN
Seminom nicht in dieser Gruppe vorgesehen
*ULN „upper limit of norm“, d. h. obere Grenze des Normalbereiches
In Anbetracht der eingeschränkten Sensitivität und Spezifität der drei KZT-Marker wird seit vielen Jahren nach neuen und besseren Marker gesucht. Als ein sehr vielversprechender neuer Marker hat sich dabei die microRNA371a-3p (sogenannter M371 Test) herausgestellt. Dieser Marker weist eine Sensitivität und Spezifität von über 90 % auf und wird von allen KZT, außer dem Teratom exprimiert (Dieckmann et al. 2017). Der neue Test steht vor der Einführung in die Klinik und dürfte das klinische Management der Hodentumoren erheblich vereinfachen.

Ausbreitungsdiagnostik

Die Notwendigkeit weiterer Behandlungsmaßnahmen nach der Ablatio testis richtet sich nach der Histologie des Tumors sowie dem Stadium der Erkrankung (Albers et al. 2011). Im klinischen Alltag wird zu diesem Zweck traditionell die Lugano Klassifikation verwendet, die eine anatomisch-deskriptive Darstellung der Ausbreitung der Erkrankung bietet (Cavalli et al. 1980). Diese einfache Einteilung verwendet ein Drei-Etagen System, wobei das Stadium 1 die Beschränkung des Krebses auf den Hoden bedeutet. Stadium 2 bezeichnet den Befall der ersten Lymphknotenstationen im Retroperitoneum, wobei je nach Ausmaß des Befalles Unterklassifizierungen von 2a bis 2c verwendet werden. Stadium 3 bedeutet dann hämatogene Metastasierung oder mediastinaler Lymphknotenbefall. Verschiedene Ergänzungen und weitergehende Subklassifizierungen wurden vorgeschlagen, die sich aber im klinischen Alltag nicht durchsetzen konnten. Praktisch sehr wichtig ist hingegen die weitergehende Klassifizierung der metastasierten Fälle in die drei Prognosegruppen nach IGCCCG („International Germ Cell Cancer Collaborative Group“) (International Germ Cell Cancer Collaborative Group 1997). Diese Klassifikation verwendet vornehmlich die Höhe der Serumspiegel der Tumormarker aber auch anatomisch-orientierte Kriterien (viszerale vs. nichtviszerale Metastasen) und Histologie (Seminome nur in den beiden günstigeren Gruppen) als Einteilungskriterien und gruppiert hiermit die metastasierten Fälle in drei unterschiedliche Prognosegruppen (Tab. 3), die für die Therapieentscheidungen von großer Bedeutung sind. Die Tab. 4 zeigt die Heilungserwartung sowie die jeweilige relative Häufigkeit der drei Prognosegruppen. Seit der Einführung dieser Klassifikation 1997 haben sich die Gesamtprognose der KZT sowie die relativen Häufigkeiten der drei Prognosegruppen erheblich verändert (siehe Tab. 4), so dass derzeit Überlegungen hinsichtlich der Modifizierung der IGCCCG Klassifikation angestellt werden (Necchi et al. 2016).
Tab. 4
Häufigkeiten und Heilungsraten der Prognose-Gruppen nach IGCCCG
 
5-Jahresheilungsrate
1998
(IGCCCG, 1997)
5-Jahresheilungsrate
2016
(Mailand/Indiana)*
Relative Häufigkeit bezogen auf alle metastasierten Fälle 1997 (IGCCCG)
Relative Häufigkeit
2017
(Hamburg)**
Relative Häufigkeit
der Gruppe
bezogen auf alle KZT
(2017, Hamburg)**
Gute Prognose
>91 % (89–93 %)
95 %
60 %
80,1 %
26,8 %
Intermediäre Prognose
79 % (75–83 %)
91 %
26 %
12,1 %
4,0 %
Schlechte Prognose
48 % (42–54 %)
74 %
14 %
7,8 %
2,6 %
*(Necchi et al. 2016) **Krankengut Albertinen-Krankenhaus Hamburg 2000–2017 (n = 422; aus: Dieckmann et al. 2018) **KZT: Keimzelltumoren
Alle KZT metastasieren nahezu regelhaft zunächst lymphogen in die retroperitonealen Lymphknoten. Eine Ausnahme bildet hier lediglich das sehr seltene Chorionkarzinom, das auch primär hämatogen metastasieren kann. Nach Voroperationen im Leisten- und Skrotalbereich können sich zusätzliche, atypisch verlaufende Lymphbahnen auftun, so dass in diesen Fällen auch Metastasen im iliakalen und inguinalen Bereich auftreten können. Dies muß bei der Ausbreitungsdiagnostik und in der Nachsorge beachtet werden (Sadow et al. 2016).
Aktueller Standard der Bildgebung beim Hodentumor ist die Computertomographie (CT) von Thorax und Abdomen unter Einschluß der Beckenregion mit Verwendung von Kontrastmittel (Secil et al. 2015). Trotz des hohen Auflösungsvermögens des CT können Lymphknotenmetastasen erst dann erfaßt werden, wenn sie eine Größe von 1 cm im Querdurchmesser erreicht haben. Lymphknoten <1 cm gelten prinzipiell als unverdächtig (Barrisford et al. 2015). Diese größenabhängige Metastasendefinition bedingt, dass Mikrometastasen nicht erkannt werden können. Durch chirurgische Serien konnte gezeigt werden, dass ca. 20–30 % aller radiologisch als (klinisches) Stadium 1 eingestuften Fälle, doch postoperativ als (pathologisches) Stadium 2 hochgestuft werden mußten (Weissbach und Bussar-Maatz 1988). Da das Retroperitoneum ein schwierig zu beurteilendes Gebiet ist, entstehen in bis zu 20 % der Fälle auch falsch-positive Fehleinschätzungen, indem radiologisch als Metastase eingestufte Befunde tatsächlich sich als unauffällig erweisen (Donohue et al. 1995). Versuche, die radiologischen Ergebnisse durch kombinierte Positronen Emissions Tomografie (PET) zu präzisieren, haben sich als erfolglos erwiesen. Die PET-Untersuchung besitzt als einzige anerkannte Indikation beim Hodentumor die Abklärung von Residualtumoren nach Chemotherapie von metastasierten Seminomen (Zengerling et al. 2014).
Aufgrund des jungen Alters und der sehr guten Heilungserwartung der meisten KZT-Patienten ist die Strahlenbelastung durch diagnostische Radiologie zunehmend in den Fokus geraten, insbesondere nachdem gezeigt werden konnte, dass durch die kumulative Strahlenexposition wiederholter CT-Untersuchungen das Lebenszeitrisiko für Krebserkrankungen zwar gering aber statistisch signifikant erhöht wird (Tarin et al. 2009). Um die Strahlenexposition möglichst gering zu halten, wird von den Leitlinien empfohlen, nur noch die initiale Staging-Untersuchung mit CT durchzuführen und aber für alle folgenden Kontrolluntersuchungen statt dessen die abdominale Magnetresonanztomographie (MRT) zu verwenden (Honecker et al. 2018). Diese strahlen-unabhängige Untersuchungstechnik verfügt über eine sehr gute Weichteil-Kontrastgebung und hat ein mit dem CT vergleichbares räumliches Auflösungsvermögen (Yacoub et al. 2016). Aufgrund verschiedener Bildbetrachtungsmöglichkeiten, unter anderem der diffusionsgewichteten Sequenz und der Fettunterdrückungstechniken erlaubt diese Methode auch gewisse Einblicke in den Metabolismus der im Bild dargestellten Läsionen (Sohaib et al. 2011). In der Thoraxdiagnostik ist das CT unverändert der diagnostische Standard, weil die unvermeidlichen Atemexkursionen des Brustkorbs bei den langen Belichtungszeiten des MRT zu Unschärfen führen.
Unter strahlenhygienischen Gesichtspunkten kann bei Seminompatienten auf das Thorax-CT zugunsten einer einfachen Thorax-Röntgenaufnahme verzichtet werden, weil aufgrund der regelhaften lymphogenen Ausbreitung des Seminoms bei fehlender retroperitonealer Metastasierung kaum mit Absiedlungen in entfernter gelegenen Körperregionen zu rechnen ist.
Bei speziellen Tumorkonstellationen sind ergänzende radiologische Untersuchungen erforderlich. Hierzu zählt vor allem die Schädeldiagnostik mittels MRT in Fällen mit ausgedehnter hämatogener Metastasierung in anderen Organen. Eine Skelettszintigraphie kann ebenfalls zur Ergänzung der Diagnostik bei weit fortgeschrittenen Fällen nützlich sein.
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