Das Therapieziel ist die Symptomfreiheit des Patienten mit Abheilung der Fissur und Rezidivfreiheit unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Kontinenzfunktion. Dazu stehen konservativ topische Applikationen (Kalziumkanalblocker, Nitrate) als auch interventionelle (Botolinumtoxininjektion) und operative Verfahren (laterale Sphinkterotomie, Fissurektomie, Verschiebeplastiken) zur Verfügung. Aufgrund der möglichen Kontinenzeinschränkung nach operativen Prozeduren stellen konservative Maßnahmen die Erstlinientherapie in der Behandlung der
Analfissur dar.
Medikamentöse Therapie und Botulinumtoxininjektion
Für die akute
Analfissur wird eine Spontanheilungsrate von bis zu 85 % unter supportiven Maßnahmen wie Stuhlregulation und Sitzbädern beschrieben. Die topische Anwendung von Vasodilatatoren
kann die Heilungsrate bei Vorliegen einer akuten Analfissur auf 90 % erhöhen. Topische Vasodilatatoren führen über die Blockade von Kalziumkanälen (Diltiazem
, Nifedipin
) oder über die Freisetzung von
Stickstoffmonoxid (Glyceroltrinitrat, GTN
, Isosorbiddinitrat, ISDN
) zu einer Reduktion des Sphinktertonus und damit zu einer Abheilung der Analfissur. Dabei wird eine Anwendungsdauer von 4–6 Wochen empfohlen. Vasodilatatoren zeigen dabei einen deutlichen Vorteil gegenüber einer topischen Anwendung von
Lokalanästhetika oder von Steroiden.
Bei der chronischen
Analfissur ist die Heilungsrate nach 8 Wochen für die konservative Therapie niedriger als nach Botulinumtoxininjektion oder operativer Therapie und liegt bei 63 % für Nitrate und bei 52 % für Diltiazem. Die Rezidivrate ist jedoch niedriger als nach Botulinumtoxininjektion und liegt für die Nitrate bei 11 %. Als mögliche Nebenwirkung der Vasodilatatoren sind
Kopfschmerzen zu beachten, die im Falle der Nitrate bei bis zu 16 % und von Diltiazem bei 4,5 % der Patienten auftreten und bei 10 % der Patienten unter Nitraten zu einem Abbruch der Therapie führen können (Boland et al.
2020).
Auch wenn die Erfolgsrate bei der konservativen Behandlung der chronischen
Analfissur niedrig und die Symptomfreiheit ebenso wie die Rezidivrate nach operativen Maßnahmen deutlich besser ist, steht aufgrund der Invasivität und einer möglichen postoperativen Einschränkung der Kontinenzfunktion die konservative Therapie auch bei chronischer Analfissur an erster Stelle.
Bei chronischer
Analfissur ist die Erfolgsrate der konservativen Therapie mit 52–63 % niedrig.
Die im angelsächsischen Raum verbreitete Botulinumtoxininjektion
findet in Deutschland aufgrund fehlender Zulassung für die Therapie der
Analfissur und der hohen Kosten wenig Anwendung. Die Applikationsformen variieren stark in den beschriebenen Studien hinsichtlich Art des Präparats, Dosierung und Injektionslokalisierung. Zumeist werden 20–40 Einheiten unter digitaler Kontrolle in den M. sphincter ani internus an mehreren Lokalisationen injiziert. Über eine Blockade der Freisetzung von Acetylcholin kommt es dann zu einer Reduktion des Schließmuskeltonus, deren Wirkung ca. 3 Monate anhält.
Die Heilungsrate nach 8 Wochen liegt bei 66 % und ist damit höher als nach konservativer Therapie. Allerdings ist die Rezidivrate im Vergleich zu operativer und konservativer Therapie die höchste mit 41 %. Als Komplikation kann die Injektion bei 6 % der Patienten zu einem Hämatom und bei 14 % der Patienten zu einer transienten Inkontinenz führen (Boland et al.
2020).
Die Botulinumtoxininjektion ist mit einer hohen Rezidivrate von 41 % assoziiert.
Operative Therapie
Bei konservativ refraktärem Verlauf stehen als operative Verfahren die Fissurektomie
nach Gabriel, die mit einer Verschiebelappenplastik kombiniert werden kann, und die laterale Internus-Sphinkterotomie
(LIS)
zur Auswahl. Die anale manuelle Dilatation ist aufgrund der hohen Inkontinenzrate von 18 % obsolet (Ebinger et al.
2017).
Die Fissurektomie nach Gabriel stellt in Deutschland die operative Standardtherapie dar, die von der deutschen S3-Leitlinie empfohlen wird. Dabei wird die Fissur unter Schonung des M. sphincter ani internus und unter Mitnahme einer Vorpostenfalte oder einer hypertrophen Analpapille in einer Dreiecksform mit der Basis nach außen exzidiert. Sich aufspannende subkutane Fasern des M. sphincter ani externus, die einen Drainageabfluss behindern könnten, werden durchtrennt (Gabriel
1939).
Die Fissurektomie kann mit unterschiedlichen weiteren Methoden kombiniert werden, wie zum Beispiel einer Botulinumtoxininfiltration oder einer Verschiebeplastik. Die Verschiebeplastiken, von der es zahlreiche Varianten gibt, können entweder von perianal nach innen oder von endoluminal nach außen verschoben werden, wie z. B. der Haus-, Diamanten- oder der endorektale Advancement-Flap.
In Deutschland stellt die Fissurektomie nach Gabriel die Standartmethode dar.
Die LIS stellt im angelsächsischen Raum die Standardtherapie dar, die offen oder geschlossen erfolgen kann. Dabei scheinen beide hinsichtlich ihrer Ergebnisse ebenbürtig zu sind (Nelson et al.
2017). Zur Vermeidung einer Schlüssellochdeformität (Eisenhammer-Operation) wird der Intersphinktärraum nicht in der hinteren Kommissur, sondern distant von der Fissur entweder rechts oder links lateral bei 3:00 Uhr bzw. 9:00 Uhr in SSL aufgesucht. Nach Eröffnen der perianalen Haut über dem Intersphinktärraum, wird das Anoderm vom M. sphincter ani internus gelöst und anschließend der Intersphinktärraum nach oral bis zur Linea dentata mobilisiert. Nach Darstellung des M. sphincter ani internus wird dieser nach oral bis zur Begrenzung der Fissur statt bis zur Linea dentata durchtrennt („tailored LIS“). Die perianale Inzision kann anschließend mit Nähten verschlossen werden.
Bei der geschlossenen Variante wird ein spitzes Skalpell in den Intersphinktärraum eingeführt und unter digital-rektaler Kontrolle blind bis zur oralen Begrenzung der
Analfissur vorgeschoben. Dann wird das Skalpell Richtung M. sphincter ani internus gedreht und der M. sphincter ani internus unter Schonung des Anoderms von lateral nach medial durchtrennt. Ebenso kann der M. sphincter ani internus nach Vorschub des Skalpells unter dem Anoderm umgekehrt von medial nach lateral durchtrennt werden.
Anschließend erfolgt sowohl bei der offenen als auch bei der geschlossenen Variante die Fissurektomie unter Entfernung des Randwalls, der Vorpostenfalte und einer hypertrophen Analpapille, wenn vorhanden.
Offene und geschlossene LIS sind hinsichtlich ihrer Ergebnisse ebenbürtig.
Eine unmittelbar präoperative Analgesie vor operativer Intervention als sogenannter Pudendusblock ist zur Reduktion postoperativer Schmerzen für die ersten 48 h nach der Operation sinnvoll.
Als postoperative Maßnahmen sollte neben dem regelmäßigen Ausspülen der Wunde eine dauerhafte Stuhlregulation bei chronischer Konstipation im Sinne einer Rezidivprophylaxe empfohlen werden. Außerdem kann begleitend postoperativ eine topische Anwendung von Vasodilatatoren verwendet werden (Marti et al.
2020).
Die Heilungsrate ist nach LIS mit 93 % am höchsten, gefolgt von der Fissurektomie ± Verschiebeplastik mit 80 %, der Botulinumtoxininfiltration von 63 % und der konservativen Therapie mit 59 %. Jedoch weist die LIS auch mit 9 % die höchste Rate an postoperativer Inkontinenz auf, im Vergleich zur Fissurektomie ± Verschiebeplastik (5 %), der Botulinumtoxininfiltration (4 %) und der konservativen Therapie (3 %) (Ebinger et al.
2017). Während die Heilungsrate nach Botulinumtoxininfiltration nicht viel höher ist als nach konservativer Therapie, ist die Rezidivrate mit 42 % in dieser Gruppe am höchsten, verglichen mit 7 % nach LIS und 11 % bei Nitraten (Boland et al.
2020).
Fazit
Konservative Maßnahmen mittels Applikation von Vasodilatatoren stellen die Erstlinientherapie der akuten und chronischen
Analfissur dar. Auch wenn Nitrate nach neuesten Daten eine höhere Wirksamkeit aufweisen als Kalziumkanalblocker, so ist die Rate an Nebenwirkungen (
Kopfschmerzen) und die Abbruchrate bei Anwendung von Nitraten höher. Hinsichtlich der Behandlung der chronischen Analfissur weist zwar die LIS die besten Ergebnisse in Bezug auf Heilungs- und Rezidivrate auf, sie ist jedoch auch von der höchsten Inkontinenzrate postoperativ gekennzeichnet. Aufgrund dessen stellt in Deutschland die Fissurektomie nach Gabriel mit oder ohne Verschiebeplastik den operativen
Goldstandard dar, die zwar eine niedrigere Heilungs- und höhere Rezidivrate aufweist als die LIS, dafür allerdings auch durch eine geringere Inkontinenzwahrscheinlichkeit charakterisiert ist. Der Botulinumtoxininfiltration zur Therapie der Analfissur fehlt in Deutschland die Zulassung. Unabhängig davon zeigen Studien eine zwar leicht höhere Heilungsrate nach Botulinumtoxininjektion als nach rein konservativer Therapie, die Rezidivrate ist mit 42 % jedoch sehr hoch.