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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 25.12.2021

Dünndarmkarzinome

Verfasst von: Carsten Kamphues
Das Adenokarzinom des Dünndarms stellt eine seltene Entität mit jedoch steigender Inzidenz dar. Das Risiko zur Ausbildung eines Dünndarmkarzinoms kann insbesondere beim M. Crohn sowie bei hereditären Polyposis-Syndromen erhöht sein. Ansonsten wird das Dünndarmkarzinom aufgrund fehlender Frühsymptome oftmals erst spät entdeckt. Die Therapie der Wahl stellt die chirurgische Resektion dar, wobei, je nach Lokalisation im Dünndarm, Segmentresektionen unter Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten oder auch onkologische Pankreatikoduodenektomien zum Einsatz kommen. Die Datenlage zur adjuvanten und palliativen Chemotherapie ist bei fehlenden randomisierten Studien dünn und basiert größtenteils auf den Erfahrungen beim kolorektalen Karzinom. Zum Einsatz kommen in erster Linie oxaliplatinbasierte Therapieregime, wobei in den letzten Jahren mögliche Effekte durch den Einsatz von Checkpointinhibitoren evaluiert werden. Das Überleben der Patienten mit Dünndarmkarzinom ist heute aufgrund des oft fortgeschrittenen Tumorstadiums weiterhin schlecht. Weitere Forschung zur Verbesserung des Outcomes der Patienten mit Dünndarmkarzinom sind daher notwendig.

Grundlagen

Anatomie

Der Dünndarm umfasst den gesamten Darmbereich zwischen dem Magenpförtner und der Bauhinschen Klappe und wird in die Bereiche Duodenum, Jejunum und Ileum unterteilt. Mit einer Länge von 3–5 m macht der Dünndarm mehr als 75 % der Gesamtlänge des Magen-Darm-Trakts aus und umfasst sogar mehr als 90 % der gesamten mukosalen Oberfläche des Gastrointestinaltrakts.
Dünndarmkarzinome können grundsätzlich in allen Bereichen des Dünndarms auftreten. Das Duodenum ist hierbei mit 55–82 % aller Fälle jedoch die vorherrschende Tumorlokalisation innerhalb des Dünndarms, gefolgt von Jejunum mit 11–25 % und dem Ileum mit 7–17 % (Neugut et al. 1998).

Epidemiologie

Insgesamt stellen Malignome des Dünndarms eine seltene Erkrankung dar und umfassen weniger als 5 % der malignen gastrointestinalen Tumoren (Bilimoria et al. 2009). Das Geschlechtsverhältnis zwischen Männern und Frauen ist ausgeglichen, die Inzidenzen werden in großen internationalen Datenbanken mit 2,6/100.000 (Männer) bzw. 2,0/100.000 (Frauen) angegeben (Aparicio et al. 2014). Für Deutschland ergab dies für das Jahr 2012 beispielsweise ca. 2200 Neuerkrankungen. Das mediane Erkrankungsalter der Patienten mit Dünndarmkarzinom beträgt etwa 66 Jahre. In den letzten Jahren zeigte sich ein kontinuierlicher jährlicher Anstieg der Inzidenz um ca. 1,8 % zwischen 2005 und 2015, was in erster Linie durch den Anstieg der duodenalen Karzinome begründet sein dürfte (Bilimoria et al. 2009; Aparicio et al. 2014).

Histologie

Das Adenokarzinom (small bowel adenocarcinoma – SBA) ist mit ca. 25–50 % der größte Anteil der Dünndarmmalignome und wird in der Literatur oftmals mit dem Begriff des Dünndarmkarzinoms gleichgesetzt (Neugut et al. 1998; Goldner und Stabile 2014).
Laut WHO-Klassifikation der Dünndarmkarzinome werden verschiedene histologische Varianten des Dünndarmkarzinoms beschrieben. Diese Varianten umfassen das Adenokarzinom, adenosquamöses Karzinom, muzinöses Karzinom, Siegelringzellkarzinom und das medulläre Karzinom.
Weitere bösartige Tumoren des Dünndarms sind neuroendokrine Tumoren (40 %), gastrointestinale Stromatumoren (15 %) sowie Lymphome (5 %), die jedoch eigenständige Entitäten darstellen und daher im Folgenden nicht weiter in diesem Kapitels thematisiert werden (Bilimoria et al. 2009; McLaughlin und Maher 2013).
Makroskopisch zeichnen sich Adenokarzinome des Dünndarms durch eine typische, Serviettenring-artige Einziehung des Darmlumens mit einer prästenotischen Erweiterung des Darmlumens aus. In der Histologie zeigen sich in der Regel intestinal differenzierte Tumorzellen, die ein tubuläres Wachstum aufweisen.
Ähnlich dem kolorektalen Karzinom stellen Adenome die Vorstufe der Karzinome des Dünndarms dar (Adenom-Dysplasie-Karzinom-Sequenz). Das Risiko für die Entstehung eines malignen Tumors wird hierbei von verschiedenen Faktoren beeinflusst. So steigt beispielsweise das Risiko einer malignen Entartung mit zunehmender Größe des Adenoms. Ebenso sind villöse Adenome mit einem deutlich höheren Risiko im Vergleich zu tubulären Adenomen assoziiert. Weitere Parallelen zwischen der Karzinogenese des Dickdarm- und Dünndarmkarzinoms können im Einfluss bestimmter Gene auf die Tumorentstehung entdeckt werden. Während die APC-Mutation deutlich seltener beim Dünndarmkarzinom auftritt, scheint der Wnt-Pathway durch einen deutlich höheren Anteil an Mutationen im β-Catenin-Gen auch an der Entstehung des Dünndarmkarzinoms beteiligt zu sein (Raghav und Overman 2013; Speranza et al. 2010). Weitere molekularpathologische Veränderungen, die in mehreren Studien beim Dünndarmkarzinom gesehen werden, sind unter anderem KRAS-Mutation, MMR-Phänotyp, ERB2-Mutation oder p53-Mutation, wobei die Datenlage in der Literatur hier aufgrund der seltenen Erkrankung oft nicht eindeutig ist und in Zukunft sicherlich noch weiter erforscht werden wird.
Die pathologische Klassifikation der Adenokarzinome des Dünndarms basiert auf der aktuellen TNM-Klassifikation (8. Auflage). T1-Tumoren infiltrieren hiernach die Lamina propria sowie die Submucosa; T2-Tumoren reichen durch die Submucosa bis in die Muscularis propria; T3-Tumoren durchbrechen die Muscularis proria und erreichen die Subserosa, während T4-Tumoren das viszerale Peritoneum durchbrechen oder direkt in Nachbarorgane infiltrieren. Die Klassifikation der regionalen Lymphknoten unterteilt N0 (keine Lymphknotenmetastase), N1 (1–2 Lymphknotenmetastasen) und N2 (3 oder mehr Lymphknotenmetastasen), das Vorliegen von Fernmetastasen wird als M1 klassifiziert.
TNM-Klassifikation des Dünndarmkarzinoms. Aus: Wittekind 2017
T – Primärtumor
pTis
Carcinoma in situ
pT1a
Tumor infiltriert Lamina propria oder Muscularis mucosae
pT1b
Tumor infiltriert die Submucosa
pT2
Tumor infiltriert in die Muscularis propria
pT3
Tumor infiltriert Subserosa
pT4
Tumor perforiert das Peritoneum oder infiltriert direkt in andere Organe
N – regionäre Lymphknoten
pN0
keine regionären Lymphknotenmetastasen
pN1
1–2 regionäre Lymphknotenmetastasen
pN2
3 oder mehr regionäre Lymphknotenmetastasen
Eine klinische Stadieneinteilung des Adenokarzinoms des Dünndarms erfolgt in die Stadien I–IV gemäß den Vorgaben der AJCC (Amin et al. 2017). Hiernach werden Tumoren ohne regionale Lymphknotenmetastasen oder Fernmetastasen als Stadium I oder II klassifiziert. Im Stadium III werden Patienten mit regionalen Lymphknotenmetastasen, jedoch ohne Fernmetastasen (jedes T, N1-2, M0) zusammengefasst, während alle Patienten mit Fernmetastasen (jedes T, jedes N, M1) als Stadium IV bezeichnet werden.
Gemäß der aktuellen NCCN-Leitlinie sollten im Rahmen des pathologischen Befunds folgende Parameter routinemäßig erhoben werden:
  • Tumorlokalisation
  • Grading
  • T
  • N (mindestens 8 untersuchte Lymphknoten)
  • L
  • V
  • R
  • MSS/MSI
  • Hinweise auf M. Crohn/Colitis ulcerosa?
  • Vorhandensein von Polypen?

Risikofaktoren

Bei der Suche nach Risikofaktoren für die Entstehung eines Dünndarmkarzinoms muss zwischen Umweltfaktoren, prädisponierenden Erkrankungen und genetischen Faktoren unterschieden werden. Insgesamt ist die Datenlage aufgrund der geringen Inzidenz der Erkrankung sehr spärlich. Dennoch konnte der Zusammenhang einiger sog. Lifestyle-Faktoren mit dem Auftreten von Dünndarmkarzinomen aufgezeigt werden. Ein systematisches Review der Literatur fasste kürzlich zusammen, dass ein erhöhter Alkoholkonsum, Rauchen sowie ein vermehrter Verzehr von rotem Fleisch mit einem erhöhten Risiko für das Dünndarmkarzinom assoziiert zu sein scheinen (Bennett et al. 2015). Ähnliche Ergebnisse zeigte auch eine Studie aus Asien mit über 500.000 Patienten, in der zusätzlich auch ein erhöhter Body-Mass-Index einen negativen Einfluss auf die Entstehung eines Dünndarmkarzinoms ergab (Boffetta et al. 2012). Eine protektive Wirkung wurde im Gegensatz hierzu im Rahmen mehrerer Studien für den Verzehr von Kaffee, Obst und Gemüse nachgewiesen.
Bei den prädisponierenden Erkrankungen sind vor allem chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) zu nennen. In einer großen retrospektiven Multicenterstudie mit mehr als 9000 CED-Patienten zeigte sich ein deutlich erhöhtes relatives Risiko von 3,7 (95 % CI, 1,23–11,13) für die Entstehung eines Dünndarmkarzinoms (Algaba et al. 2015). Insbesondere bei M. Crohn fällt neben der erhöhten Inzidenz zudem auf, dass die Patienten im Vergleich zu den Patienten mit sporadischen Dünndarmkarzinomen eher jünger sind und sich das Karzinom oftmals im Bereich des Ileums entwickelt. Das kumulative Risiko für die Entstehung eines Dünndarmkarzinoms wird beim M. Crohn nach 25-jähriger Krankheitsdauer mit mehr als 2 % angegeben (Cahill et al. 2014).
Eine weitere Erkrankung, bei der ein Zusammenhang mit der Entstehung von Dünndarmkarzinomen diskutiert wird, ist die Zöliakie (Sprue). Kleineren Studien zufolge soll das relative Risiko im Vergleich mit der Normalbevölkerung hier um bis zu 10-fach erhöht sein, wobei die Hauptlokalisation der Karzinome überwiegend im Jejunum liegt (Shenoy 2016).
Eine weitere wichtige Risikogruppe für das Dünndarmkarzinom sind Patienten mit erblichen Tumorsyndromen. Bei der familiären adenomatösen Polyposis (FAP), bei der es aufgrund einer autosomal dominant vererbten Keimbahnmutation im APC-Gen zur Ausbildung einer Vielzahl von Polypen im Darm kommt, stellt das Dünndarmkarzinom nach dem Kolonkarzinom den zweithäufigsten bösartigen Tumor dar. Das Lebenszeit-Risiko der FAP-Patienten für die Entstehung eines Dünndarmkarzinoms liegt bei ca. 3–5 %, wobei das Duodenum und die periampulläre Region die häufigste Tumorlokalisation repräsentieren (Galiatsatos und Foulkes 2006).
Das Peutz-Jeghers-Syndrom beschreibt eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, die in erster Linie durch eine Mutation im STK11 (LKB1)-Gen verursacht wird. Klinisch auffällig werden die Patienten durch multiple hamartöse oder adenomatöse Polypen im Gastrointestinaltrakt. Das relative Risiko für ein Dünndarmkarzinom im Vergleich zur Normalbevölkerung wird auf ca. 520 geschätzt, wobei das Lebenszeit-Risiko in der Literatur zwischen 1,7 % und 13 % beschrieben ist (Hearle et al. 2006; Lim et al. 2003).
Das Lynch-Syndrom ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, bei der Keimbahnmutationen in verschiedenen Mismatch-Repair-Genen (MMR-Gene: MLH1, MSH2, MSH6, PMS2) zu einem deutlich erhöhten Risiko für die Entstehung verschiedener Karzinome (v. a. kolorektales Karzinom, Endometriumkarzinom) führen. Das Lebenszeit-Risiko für die Entstehung eines Dünndarmkarzinoms bei Patienten mit Lynch-Syndrom wird auf ca. 4 % geschätzt, wobei das relative Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung bei etwa 100 liegt (Koornstra et al. 2008).

Klinische Symptomatologie

Dünndarmkarzinome verursachen typischerweise keine oder nur unspezifische Initialsymptome (abdominelle Schmerzen, Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen etc.), so dass sich viele Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits in einem fortgeschrittenen Tumorstadium befinden. Mehrere Studien haben hierzu gezeigt, dass bei mehr als 50 % aller Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium (Stadium III oder IV) vorlag (Overman et al. 2012). Häufig werden die Karzinome erst aufgrund tumorbedingter Komplikationen entdeckt. Diese können sich beispielsweise in einer tumorbedingten Obstruktion oder einer gastrointestinalen Blutung manifestieren. Während Tumoren im Duodenum oftmals eine Magenentleerungsstörung verursachen, verursachen Karzinome des Jejunums und Ileums häufiger krampfartige abdominelle Schmerzen. Etwa 25–30 % aller Dünndarmkarzinome verursachen okkulte Blutungen, sodass Blutungen dieser Art nach unauffälliger oberer und unterer Endoskopie immer durch eine weiterführende Diagnostik abgeklärt werden sollten. Mehrere Studien konnten hierzu belegen, dass mehr als 40 % aller Patienten mit einem Dünndarmkarzinom im Notfall operiert werden müssen, wobei Ileus, Perforation oder Blutung ursächlich hierfür sein können (Negoi et al. 2015).

Diagnostik und Differenzialdiagnostik

Die Primärdiagnostik des Dünndarmkarzinoms beinhaltet zunächst die ausführliche Anamnese sowie eine körperliche Untersuchung. Laborchemisch kann z. B. ein niedriger Hb-Wert ein Anzeichen für eine okkulte Blutung sein. Spezifische Tumormarker sind nicht vorhanden, CEA und CA 19-9 können jedoch in ca. 30–40 % der Fälle erhöht sein und somit als Verlaufsparameter hinzugezogen werden.
Die initiale Diagnostik besteht zudem aus endoskopischen, sonografischen oder schnittbildgebenden Techniken. Je nach Lokalisation des Tumors kann die Endoskopie eingesetzt werden, ggf. in Verbindung mit einer endoskopischen Ultraschalluntersuchung zur Diagnosefindung und ggf. histologischen Sicherung. Die Doppelballonendoskopie erlaubt bei tieferliegenden Befunden die Untersuchung auch des Jejunums und kann gleichzeitig zum Abtragen kleinerer Befunde eingesetzt werden. Bei unklaren Befunden, beispielsweise einer okkulten Blutung, die durch die klassische Endoskopie nicht erreicht werden können, kann eine Kapselendoskopie durchgeführt werden, wobei Studien gezeigt haben, dass aufgrund der schnellen Transitzeit ein Übersehen kleinerer Tumoren hierbei dennoch möglich ist (Cheung et al. 2010). Der Nachteil dieser Methodik liegt zum einen in der fehlenden Möglichkeit der Histologiegewinnung und zum anderen in der Gefahr des Darmverschlusses bei bestehenden Dünndarmobstruktionen. Bei dem Verdacht einer relevanten Lumeneinengung des Dünndarms ist diese Methode dementsprechend kontraindiziert (Hara et al. 2005).
Die Sensitivität der Schnittbildgebung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, so dass sowohl CT als auch MRT in der initialen Diagnostik des Dünndarmkarzinoms eingesetzt werden sollten. Neben der Detektion des Tumors sowie der Einschätzung der Tumorgröße kann eine Fernmetastasierung mittels CT oder MRT beurteilt werden. Durch den Einsatz eines oralen Kontrastmittels kann durch eine MR-Sellink-Untersuchung der gesamte Dünndarm untersucht werden. Diese Methodik erlaubt eine verbesserte Detektion kleinerer Tumoren sowie eine Darstellung auch geringgradiger Stenosen des Dünndarms. Das PET-CT kommt in der Routinediagnostik des Dünndarmkarzinoms nicht zum Einsatz und ist speziellen Fragestellungen (z. B. Fernmetastasierung) vorbehalten.

Indikationsstellung und Therapiealternativen

Die Therapie des Dünndarmkarzinoms richtet sich im Wesentlichen nach dem jeweils vorliegenden Stadium der Erkrankung. Hierbei werden 3 grundsätzliche Therapieansätze unterschieden:
  • Lokalisiert resektabel
  • Irresektabel
  • Fernmetastasiert (Stadium IV)

Lokalisiert resektabel

Operative Therapie

Bei dem lokalisiert resektablen Dünndarmkarzinom ist die chirurgische R0-Resektion einschließlich des dazugehörigen lymphatischen Gewebes die Therapie der Wahl. Je nach Lokalisation des Tumors im Dünndarm wird dementsprechend das Resektionsausmaß gewählt. Während Tumoren des Ileums und Jejunums durch eine Segmentresektion des Dünndarms adäquat operiert werden, ist bei duodenalen Tumoren die Durchführung einer Pankreatikoduodenektomie notwendig.
Bei der Segmentresektion des Dünndarms wird der tumortragende Dünndarmabschnitt mitsamt dem dazugehörigen Mesenterium entfernt. Der Sicherheitsabstand vom Tumor zum oralen und aboralen Absetzungsrand sollte hier mindestens 5 cm betragen. Im Rahmen elektiver Eingriffe wird die Kontinuität mittels End-End-Anastomose oder Seit-Seit-Anastomose wiederhergestellt. Bei Resektionen im Notfall (Perforation, Ileus) können, je nach Ausmaß der Peritonitis bzw. Zustand des Darms, auch die Anlage eines protektiven Stomas, Anastomosenstomas oder die Diskontinuitätsresektion zum Einsatz kommen. Die relevanteste Komplikation dieses Eingriffs besteht in der Gefahr der Anastomoseninsuffizienz, die trotz Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen nie zu 100 % ausgeschlossen werden kann und einen Revisionseingriff zur Folge hat.
Bei Karzinomen des Duodenums sollte eine onkologische Pankreaskopfresektion wie beispielsweise auch beim Pankreaskopfkarzinom erfolgen. Diese kann je nach Lokalisation des Tumors pyloruserhaltend oder als klassische Whipple-Operation durchgeführt werden. Bezüglich der Möglichkeit einer laparoskopisch oder robotisch-assistierten Operation sind die Daten aktuell noch nicht ausreichend, um diese Verfahren in Bezug auf ihr onkologisches Outcome und ihre Sicherheit abschließend zu bewerten. Grundsätzlich sind heutzutage in Bezug auf die Herstellung der Pankreasanastomosen verschiedene Techniken in Gebrauch, wobei sich in zahlreichen Studien bisher kein Verfahren als eindeutig überlegen herausgestellt hat, so dass hier verschiedene Techniken weiterhin angewandt werden.
Eine bekannte Komplikation der Pankreaskopfresektion stellt die postoperative Pankreasfistel dar, die auch in spezialisierten Zentren unabhängig von der Anastomosierungstechnik in über 20 % der Fälle auftreten kann. Ein adäquates Komplikationsmanagement ist hier essenziell, um die Gefahr von Arrosionsblutungen zu minimieren.

Adjuvante Therapie

Aufgrund der geringen Inzidenz der Erkrankung sowie dem Mangel an randomisiert kontrollierten Studien, ist die Evidenz für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie nach einer Resektion eines Dünndarmkarzinoms sehr gering. Die aktuell gültigen Empfehlungen basieren daher im Wesentlichen auf retrospektiven Studien oder Meta-Analysen. Diese zeigen in Bezug auf den onkologischen Benefit einer adjuvanten Therapie teilweise widersprüchliche Ergebnisse.
Eine Datenbankanalyse aus den USA mit fast 5000 Patienten zeigte, dass für Patienten im Stadium III die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie nach R0-Resektion eines Dünndarmkarzinoms eine signifikante Verlängerung des Überlebens von 26,1 auf 42,4 Monate (p < 0,001) erreicht werden konnte (Ecker et al. 2016). Die gleiche Studie zeigte für Patienten in den Stadium I und II keinen signifikanten Effekt der adjuvanten Therapie. Für Patienten mit duodenalem Adenokarzinom konnte von derselben Gruppe 2017 gezeigt werden, dass durch den Einsatz einer Radiochemotherapie kein Benefit im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie erreicht werden konnte (48,9 Monate vs 43,5 Monate, P = 0,669) (Ecker et al. 2017). Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2018, bei der insgesamt 15 Studien mit über 6000 Patienten mit Dünndarmkarzinom eingeschlossen wurden, zeigte sowohl für die Dünndarmkarzinome (Ileum, Jejunum) als auch für die duodenalen Adenokarzinome keinen signifikanten Überlebensvorteil für die Patienten durch die Gabe einer adjuvanten Chemotherapie (Ye et al. 2018). Die Datenlage zur Rolle der adjuvanten Chemotherapie nach R0-Resektion des Dünndarmkarzinoms bleibt aktuell also kontrovers, so dass die heute gültigen Empfehlungen oftmals auf den Erfahrungen beim kolorektalen Karzinom basieren. Die Durchführung prospektiver Studien ist daher von großer Bedeutung. Die Ergebnisse der aktuell noch rekrutierenden BALLAD-Studie, in der der Effekt einer postoperativen Chemotherapie beim Adenokarzinom des Dünndarms analysiert werden soll, könnten hier unter Umständen wichtige Informationen liefern und werden mit Spannung erwartet.
Laut der aktuellen NCCN-Guideline kommen derzeit zur adjuvanten Therapie mehrheitlich folgende von der Behandlung des kolorektalen Karzinoms bekannte Protokolle zum Einsatz (Benson et al. 2019): FOLFOX, Capecitabine + Oxaliplatin (CAPEOX), 5-FU/LV, Capecitabine.

Irresektabel

Bei Patienten mit lokal irresektablem Tumor oder klinischer Inoperabilität sollte, ähnlich der metastasierten Situation, eine palliative Chemotherapie erwogen werden. Große prospektive Studien zum möglichen Einsatz einer neoadjuvanten Therapie, um primär irresektable Befunde in einen resektablen Zustand zu bringen, liegen derzeit nicht vor, so dass die neoadjuvante Therapie nicht generell empfohlen wird, in klinischen Studien jedoch weiter evaluiert werden sollte. Im Fall tumorbedingter Komplikationen, wie beispielsweise der Darmobstruktion, sind palliative endoskopische (Stent) oder chirurgische Interventionen (Bypass) möglich.

Fernmetastasiert (Stadium IV)

Mehr als 30 % aller Patienten befinden sich bei der Diagnosestellung bereits im Stadium IV. Die häufigsten Metastasierungslokalisationen sind hierbei die Peritonealhöhle sowie die Leber. Wie beim Dünndarmkarzinom generell, sind auch die Daten für das Stadium IV insgesamt sehr rar, so dass die Empfehlungen zur palliativen Therapie ebenfalls in erster Linie auf retrospektiven Studien basieren.
Generell gilt die Empfehlung zur Durchführung einer palliativen Chemotherapie bei Patienten im Stadium IV. Ältere Daten aus einer retrospektiven Analyse zeigten ein verlängertes progressionsfreies Überleben von 20,4 Monaten bei einem rezidivfreien Überleben von 11,3 Monaten nach palliativer Kombinationstherapie mit Capecitabine und Oxaliplatin (Overman et al. 2009). Ähnliche Ergebnisse konnten weitere Phase-II-Studien für die Effektivität von FOLFOX als First-line-Therapie beim fortgeschrittenen Dünndarmkarzinom zeigen. Basierend auf diesen Studien werden aktuell vor allem oxaliplatinbasierte Chemotherapieprotokolle empfohlen. Laut aktueller Leitlinie der NCCN sind dies im Einzelnen FOLFOX, CAPEOX sowie FOLFOXIRI, ggf. unter zusätzlicher Gabe von Bevacizumab. Als Second-line-Therapien werden in der amerikanischen Leitlinie FOLFIRI oder nab-Paclitaxel empfohlen. Zudem zeigen kleinere Studien einen möglichen Nutzen der PD-1-Inhibitoren Pembrolizumab und Nivolumab, ggf. in Kombination mit dem CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab bei dem fortgeschrittenen MSI-H-Dünndarmkarzinom, so dass die Checkpointinhibitoren eine mögliche Therapieoption für ausgewählte Dünndarmkarzinompatienten darstellen könnten (Le et al. 2015; Overman et al. 2018).

Prognose und Nachsorge

Die Prognose von Patienten mit Dünndarmkarzinom variiert stark und ist im Wesentlichen vom Tumorstadium abhängig. Während im Stadium I das 5-Jahres-Überleben mit 60–85 % angegeben wird, sinkt die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei Patienten im Stadium IV auf 20–40 %. Des Weiteren zeigen Studien, dass das Rezidivrisiko von Patienten nach einer Resektion relevant (>30 %) ist, so dass eine Nachsorge erfolgen sollte. Aufgrund fehlender Evidenz wird diese an das bekannte Nachsorgeschema für das kolorektale Karzinom angelegt.
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