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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 25.11.2014

Akutes Nierenversagen (AKI), Diagnostik

Verfasst von: Carsten Willam
Mit der Einführung der RIFLE und dann der AKIN/KDIGO Kriterien hat sich erstmals eine einheitliche Definition des Akuten Nierenversagens (Acute Kidney Injuries,AKI) durchgesetzt, die in klinischen Studien und im Alltag verwendet werden kann. Ergänzend zu den funktionellen Kriterien aus diesen Definitionen (Kreatinin, GFR, Urinausscheidung) sind auch Sonographie, Urinmikroskopie, neue renale Biomarker und in manchen Fällen auch die Nierenbiopsie in der Diagnostik des AKIs wichtig und sollten in der klinischen Praxis Anwendung finden.

Terminologie

Bis vor wenigen Jahren war das akute Nierenversagen nur sehr unscharf definiert und in der Studienliteratur fanden sich unzählige verschiedene Kriterien, die zur Diagnose eines akuten Nierenversagens führten. Meistens wurde der Anstieg des Kreatinins, mal der Rückgang der Diurese, mal der Beginn einer Nierenersatztherapie, mal eine metabolische Acidose als Definitionskriterium genommen, so dass eine Analyse der zugrunde liegenden Definitionen in der wissenschaftlichen Literatur 35 verschiedene Definition findet (Kellum et al. 2002). Im deutschen Sprachraum hat sich der Terminus akutes Nierenversagen (ANV) etabliert. Im englischen Sprachraum wurde ausgehend von den Erfahrungen mit Nierenversagen infolge traumatischer Chrush-Nieren im 2. Weltkrieg der Begriff „acute renal failure“ (ARF) lange Zeit primär verwendet (Homer W. Smith 1951). Heute hingegen verwendet die wissenschaftliche Literatur meist als Begriff „acute kidney injury (AKI) – in bewusster Abgrenzung zu einer eher unscharfen, bislang vorherrschenden Begrifflichkeit. Im Folgenden wird der Begriff AKI verwendet.

Anamnese, Kreatinin, GFR und Urinmenge zur AKI-Diagnostik

Bei erhöhten Nieren Retentionswerten bietet primðr die Anamnese die Möglichkeit, ein AKI von einem chronischen Nierenversagen abzugrenzen. Die klinische Vorgeschichte ermöglicht es, Kriterien einer chronischen Nierenschädigung zu erfassen. Hierzu gehören insbesondere Diabetes, Hypertension und Zeichen einer Arteriosklerose. Da eine chronisch vorbestehende Einschränkung der Nierenfunktion ein Risikofaktor für ein AKI darstellt, sollte nach früheren Blut- oder Urinergebnissen (Kreatinin, eGFR, Albuminurie) gefragt bzw. gesucht werden. Auf der anderen Seite macht der klinische Rahmen eines akuten Schockgeschehens, insbesondere einer schweren Sepsis oder eines kardiogenen Versagens, ein akutes AKI wahrscheinlich. Als Standard der Diagnostik eines AKIs gilt weiterhin das Kreatinin und die Menge der Urinausscheidung. Eine rückläufige Diurese ist in vielen Fällen ein rasches Zeichen eines schweren AKIs und macht die Diagnose wahrscheinlich. Die Diuresemenge ist jedoch vom Volumenstatus und der damit verbundenen hormonellen Regulation (RAAS, Sympathikus, natriuretische Peptide u. a.) abhängig und besitzt eine erhebliche Variabilität. Da viele AKIs nichtoligurisch verlaufen und damit übersehen werden könnten, ist eine Blutbestimmung notwendig. Als Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels wird Kreatinin glomerulär fast vollständig filtriert und zu einem geringeren Teil tubulär sezerniert (durch Cimetidin hemmbar). Je nach Schweregrad des AKIs dauert es 12–96 h, bis eine Kreatininerhöhung feststellbar ist, die im klinischen Alltag zur Diagnose eines AKIs führt. Vielfach wurde ein Anstieg des Kreatinins um 0,5 mg/dl innerhalb von 48 h als signifikant erachtet, ein Kriterium, das weiterhin insbesondere in den Untersuchungen zur Kontrastmittelnephropathie verwendet wird. Da der absolute Kreatininwert erst bei einer Einschränkung der Nierenfunktion von ca. 50 % ansteigt (kreatininblinder Bereich) ist es sinnvoll, für leichtere Einschränkungen der Nierenfunktion die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) zu errechnen, die unter Verwendung des Kreatinins Auskunft über die Kreatinin-Clearance gibt oder, vereinfacht ausgedrückt, über die Menge des filtrierten Primärharns in ml/min. Im klinischen Alltag haben sich nährungsgenaue Algorithmen etabliert, die es ermöglichen, aus den Variablen Kreatinin, Alter, Geschlecht, Harnstoff und Albumin die GFR zu schätzen („estimated“ GFR, eGFR). In der Regel wird hierfür die MDRD-(„Modification of Diet in Renal Disease“) bzw. aktuell die CKD-EPI-Formel verwendet. Diese Formeln setzen jedoch eine über den Tag gleichbleibende GFR zugrunde, was der raschen Dynamik einer sich über wenige Stunden hinweg rückläufigen Nierenfunktion nicht gerecht wird. Die aktuelle AKI-Klassifikation (AKIN/KDIGO s. u.) berücksichtigt daher nur noch das Kreatinin und die Urinausscheidung und nicht mehr die eGFR.
Neben dem Kreatinin wird als Endprodukt des Proteinmetabolismus die Blutakkumulation von Stickstoff als Harnstoff oder als Blutstickstoff („Blood urea nitrogen“, BUN) zur Diagnose einer Nierenfunktionsstörung verwendet. Harnstoff enthält 2 Stickstoffmoleküle und die Umrechnung erfolgt aus Harnstoffstickstoff (BUN)×2,143 = Harnstoff. Die Höhe des endogenen Levels an Harnstoff ist aber in starkem Maße vom Proteinmetabolismus abhängig und spiegelt daher nicht nur das Ausmaß der reduzierten GFR wider, sondern auch das Ausmaß einer Katabolie (rascher Anstieg von Stickstoff im Blut) oder Urämie (reduzierte Stickstoffausscheidung). Unter der Annahme einer durchschnittlichen Muskelmasse ohne Zeichen der massiven Katabolie ist idealtypisch betrachtet die Konstellation eines erhöhten Kreatinins und Harnstoffs hier am ehesten typisch für ein AKI. Ein erhöhtes Kreatinin ohne Harnstofferhöhung kann manchmal auch auf ein eher chronisches als akutes Nierenversagen mit Adaptationsvorgängen hindeuten. Ein hoher Harnstoff ohne erhöhtes Kreatinin weist häufig primär auf eine Katabolie hin.

RIFLE- und AKIN-Klassifikation

Einheitliche Kriterien zur AKI-Diagnose wurden erstmals in einer Konsensuskonferenz 2005 vorgestellt. Als RIFLE-Kriterien werden Kreatininerhöhung (oder GFR-Erniedrigung), relativ zur Baseline, und rückläufige Urinausscheidung genannt, um 5 Stadien entsprechend des Akronyms „Risk“, „Injury“, „Failure“, „Loss“ und „Endstage renal disease“ zu definieren (Bellomo 2005). 2008 wurde diese Klassifikation in drei Stadien vereinfacht und nach dem Acute Kidney Injury Network, das sich um eine Konsensusfindung weiterhin kümmerte, umbenannt (AKIN-Stadien 1–3) (Mehta et al. 2007). Anders als die RIFLE-Klassifikation berücksichtigt die AKIN-Einteilung auf der einen Seite nur noch den Kreatininanstieg bzw. den Diureserückgang innerhalb von 48 h und nicht mehr innerhalb von 7 Tage (RIFLE) und auf der anderen Seite aber schon einen Anstieg von 0,3 mg/dl Kreatinin zur Baseline als signifikant (AKIN1-Stadium). Dass diese eher geringen Anstiege teils enorme Unterschiede für Mortalität und Prognose betroffener Patienten haben, konnten frühere Arbeiten eindrucksvoll zeigen (Lassnigg et al. 2004). Ein nur um 0,5 mg/dl postoperativ erhöhter Kreatininwert nach herzchirurgischen Eingriffen ließ die Sterblichkeit von 6 % auf 32,5 % nach 30 Tagen ansteigen. Die KDIGO-Initiative („Kidney Disease: Improving Global Outcome“, http://www.kdigo.org) schließlich schlug eine weitere Modifikation der AKIN-Stadien vor, in der sowohl ein Kreatininanstieg von 0,3 mg/dl innerhalb von 48 h als auch ein Anstieg um das 1,5fache der Baseline innerhalb von 7 Tage ein AKIN1° indiziert. Als praktikables Instrument für den klinischen Alltag hat sich mittlerweile die AKIN-Klassifikation erwiesen, ihre Anwendung (in KDIGO-Modifikation) wird hier ausdrücklich empfohlen (Tab. 1).
Tab 1
Die drei Klassifikationssystem (RIFLE, AKIN, KDIGO)
Klassifikations-system
Graduierung
Kreatinin und GFR im Vergleich zur Baseline
Urin Ausscheidung
RIFLE (in 7 Tagen)
Risk
Kreatinin >1,5-mal zur Baseline
<0,5 ml/kg/h in 6 h
>25 % GFR Abfall
Injury
Kreatinin >2-mal zur Baseline
<0,5 ml/kg/h in 12 h
>50 % GFR Abfall
Failure
Kreatinin >3-mal zur baseline
<0,3 ml/kg/h in 24 h
>75 % GFR Abfall
Anurie über 12 h
S- Kreatinin >4,0 mg/dl
Loss
Anhaltendes Nierenversagen
>4 Wochen
ESRD
Anhaltendes Nierenversagen
>4 Monate
AKIN modifiziert nach KDIGO
Kreatinin ≥0,3 mg/dl
<0,5 ml/kg/h in 6 h
(26 μmol/l) in 48 h
Kreatinin ≥1,5 bis ≤2-mal zur Baseline (7d)
Kreatinin ≥2-mal bis ≤3-mal zur baseline
<0,5 ml/kg/h in 12 h
Kreatinin ≥3-mal zur Baseline
<0,3 ml/kg/h in 6 h
Anurie über 12 h
Kreatinin ≥4 mg/dl

Neue Biomarker

Da Kreatinin und Harnstoff funktionelle Akkumulationsmarker sind, die infolge mangelhafter Nierenfunktion langsam im Blut akkumulieren, ist die Diagnose eines akuten Nierenversagens immer um 1–3 Tage verzögert, insbesondere, wenn es sich um normurische oder weniger ausgeprägt oligurische Verläufe handelt. Dieser Umstand hat zur intensiven wissenschaftlichen Suche nach strukturellen Schädigungsmarkern der Niere geführt, also Proteinen, die unmittelbar mit der Schädigung aus renalen Zellen freigesetzt werden und im Blut oder Urin in Analogie beispielsweise zum Troponin bei kardialen Erkrankungen („renales Troponin“) rasch nachweisbar sind. Ein große Zahl verschiedener Moleküle wurde daher in den letzten Jahren auf ihr Potential untersucht, um:
  • eine frühe Diagnostik
  • die Prädiktion eines schweren Verlaufs (incl. Nierenersatztherapie) und
  • die Abschätzung der Prognose hinsichtlich des Überlebens und einer späteren CKD zu ermöglichen
Viele dieser Biomarker korrelieren früher als das Kreatinin (2–4 h) mit einem sich entwickelnden AKI, jedoch war ihre Sensitivität und Spezifität häufig unzureichend, so dass der Einzug in die klinische Praxis bislang kaum erfolgte. Die Performance eines neuen Biomarkers wird jedoch letztlich anhand des Kreatinins bislang validiert. Daher kann nicht dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Anstieg des Biomarkers tatsächlich einem strukturellen Epithelschaden entsprechen kann, der sich (z. B. aufgrund einer kompensatorischen Hyperfiltration) nicht in ein erhöhtes Kreatinin übersetzt. Ein Marker, der besondere Beachtung in der wissenschaftlichen Literatur gefunden hat, ist NGAL, ein Lipocalin, das in epithelialen Zellen (u. a. tubuläre Epithelien) vorkommt und das rasch nach einem schädigenden Ereignis in Blut und Urin zu finden ist (Koyner et al. 2012). Weitere Marker, die sich in wissenschaftlicher Evaluation befinden, sind u. a. FABP, IL18, KIM1 und nicht zuletzt auch Urinalbumin, das teils gute diskriminative Eigenschaften zeigte, ein AKI rasch zu identifizieren. Klinische Studien konnten ebenfalls zeigen, dass NGAL ein prärenales von einem intrarenalem Nierenversagen unterscheiden kann (Doi et al. 2012). Die diskriminativen Unterschiede sind rechnerisch signifikant, die „cutoff“-Werte sind jedoch noch nicht klar definiert, die eine sichere Unterscheidung im klinischen Alltag ermöglichen würden. Daher sind die neuen renalen Biomarker für differenzialdiagnostische Zwecke im Augenblick nicht hinreichend validiert. Einige dieser Marker (insbesondere NGAL und die Kombination aus TIMP2/IGFBP7) sind auch schon in routinetauglichen Assays bis hin zu „bedside tests“, die mittels trockenchemischer Methoden eine Sofortanalytik erlauben, erhältlich und können in der Patientenversorgung angewendet werden. Da viele Studien bislang in kardiochirurgischen Kollektiven (häufig auch pädiatrischen Kollektive) durchgeführt wurden (Parikh et al. 2011), bleibt abzuwarten, inwieweit sich die neuen Biomarker in dem uneinheitlichen Kollektiv akut kranker Patienten etablieren werden.

Urinnatrium und fraktionelle Natriumexkretion

Soweit es sich nicht um ein nephritisches Syndrom oder eine akute Glomerulonephrits handelt, zeichnet das akute Nierenversagen durch eine tubuläre Dysfunktion mit einer reduzierten Möglichkeit der Tubulusepithelien aus, glomerulär filtrierte Urinbestandteile (Elektrolyte, niedermolekulare Eiweiße u. a.) rückzuresorbieren. Während die GFR primär die glomeruläre Filtration und nicht die tubuläre Absorption erfasst, kann ein Maß für die tubuläre Schädigung die fraktionelle Natriumausscheidung (FENa) sein. Da bei einer akuten ischämischen oder toxischen Schädigung der Tubuli nur reduziert Natrium rückresorbiert wird, geht vermehrt Natrium verloren (FENa >2 %). Auf der anderen Seite führt unter physiologischen Bedingungen ein reduziertes intravasales Volumen zu einer hohen Natriumresorption mittels des tubuloglomerulären Feedbacks mit Vasokonstriktion der renalen Widerstandsgefäße. In diesem Fall sollte die Urinnatriumausscheidung minimal (Urinnatrium <10–20 mmol/l) und die FENa <1 % sein, was auf einen Flüssigkeitsmangel hindeutet und die Diagnose eines prärenalen Nierenversagens bei klinischen Zeichen der Exsikose wahrscheinlich macht. Problematisch ist jedoch, dass Diuretika, aber auch andere Erkrankungen (akute Glomerulonephritis, Vaskulitis, interstitielle Nephritis, polyurisches Nierenversagen beispielsweise nach Harnabflussstörungen u. a.), die Urinnatriumausscheidung und das FENa beeinflussen. Deshalb ist keine hohe diagnostische Treffsicherheit für eine Unterscheidung zwischen prärenalen und intrarenalen akutem Nierenversagen gegeben. Neben der FENa wird auch die fraktionelle Harnstoffausscheidung verwendet. Eine FEUrea <35 % spricht hier eher für eine renale Vasokonstriktion und ein prärenales Nierenversagen als für eine intrarenale akute Tubulusnekrose.

Urinmikroskopie

Die Urinmikroskopie sollte immer durchgeführt werden, wenn ein akutes Nierenversagen diagnostiziert wird. Nur das Sediment erlaubt die Abgrenzung zu einem aktiven nephritischen Sediment (akute Glomerulonephritis, einer Systemerkrankung), einer Erythozyturie oder einer akuten Pyelonephritis (Bakterien, Leukozyten, Leukozytenzylinder). Das Urinsediment kann mittels eines Urinteststreifens ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Ein positiver Befund sollte hier ggf. zu einem Urinsediment führen (Erythrozyturie, Leukozyturie etc.). Insbesondere im septischen Nierenversagen geht man pathophysiologisch von einer akuten Tubulusnekrose aus. Das Korrelat im Urinsediment zur akuten Tubulusnekrose ist das Auftauchen abgestorbener Epithelien oder Epithelzylinder („brown muddy casts“). Neuere Untersuchungen zeigen, dass sie gut mit dem Nachweis der neuen renalen Biomarker im Urin korrelieren und dann prädiktiv für den Schweregrad des Nierenversagens sind (Bagshaw et al. 2012). Zur klinischen Graduierung wurden hierzu Scoring-Systeme verwendet, die, je nachdem, wie viel renale Tubulusepithelien (RTE >5) und granulierte Epithelzylinder (ZYL >5) pro Gesichtsfeld (×40) nachweisbar sind, 3 Schweregrade differenzieren, die gut mit der Prognose eines AKIs korrelierten (1°: keine RTE oder ZYL; 2°: entweder 1–5 RTE oder 1–5 ZYL; 3°: entweder 1–5 RTE plus 1–5 ZYL oder >6 RTE oder >6 ZYL jeweils alleine; Perazella et al. 2010). Die fraktionelle Natriumexkretion war bei diesen Patienten mit einem septischen Nierenversagen der Urinmikroskopie und dem Biomarker NGAL unterlegen. Auf der anderen Seite weist das Urinsediment in vielen Fällen keine abgestorbenen Epithelien auf, obwohl ein akutes Nierenversagen vorliegt (Bagshaw et al. 2006). Die Diagnose beispielweise eines septischen akuten Nierenversagens ist hier aus Klinik und Vorgeschichte zu stellen, ein Urinsediment mit Epithelzylinder kann daher entweder die Diagnose einer akuten Tubulusnekrose bekräftigen oder bei Negativität andere Diagnosen (nephritisches Sediment, Pyelonephritis) unwahrscheinlich machen (Abb. 1).

Rolle der Biopsie

In der Nephrologie gelten das nephrotische Syndrom (Trias: große Proteinurie >3,5 g/Tag, Ödeme, Hypalbuminämie), das nephritische Syndrom (GFR-Verlust, glomeruläre Erythrozyturie mit Akanthozyten/nephritischem Sediment und Hypertonus) sowie ein akutes Nierenversagen unklarer Genese als Indikationen für eine Nierenbiopsie. In der Akut- und Intensivmedizin werden fast nie Nierenbiopsien durchgeführt, da in den meisten Fällen der klinische Kontext (Schock, Herzversagen, Toxizitäten, Katecholamintherapie u. a.) die Genese des AKIs nahelegt. Zudem ist insbesondere die Blutungsgefahr und die Notwendigkeit, die Antikoagulation für einige Tage auszusetzen, ein klinisches Kriterium, das gegen eine Nierenpunktion sprechen kann. Eine Nierenbiopsie kann notwendig werden, wenn der klinische Kontext ein Nierenversagen nicht erklären kann und insbesondere, wenn eine Systemerkrankung oder akute Glomerulonephritis vermutet wird. Wenn der Verdacht auf einen Systemischen Lupus erythematodes, eine Vaskulitis, eine Rapid Progressive Glomerulonephritis oder eine interstitielle Nephritis besteht, sollte die Indikation zur Biopsie zusammen mit einem Nephrologen geklärt werden.
Das histologische Bild des AKIs, das sich in der Akut- und Intensivmedizin findet, ist die akute Tubulusnekrose (ATN, „acute tubular necrosis“) (Abb. 2). Die ATN beschreibt das histologische Bild des Absterbens und des Abschilferns der Tubulusepithelien in das Tubuluslumen. Zurück bleiben denudierte tubuläre Basalmembranen und mit Tubulusepithelnekrosen obstruierte Nephrone, die zu einem Rückstau und „back leak“ des Urins mit konsekutivem Ödem und Entzündungsreaktion führen. Eine wichtige Differenzialdiagnose stellt die akute interstitielle Nephritis dar, die im Sinne einer Hypersensititvitätsreaktion (gegen Viren, Bakterien, Medikamente) eine interstitielle Entzündung zeigt, die mit einem akuten Nierenversagen einhergeht. Hier findet sich häufig ebenfalls eine erhöhte FENa, eine Glukosurie und eine Proteinurie, jedoch in der Regel keine abgestorbenen renalen Epithelien oder Epithelienzylinder im Urinsediment. In vielen Fällen zeigt sich jedoch eine (sterile) Leukozyturie, die in ungefähr in der Hälfte der Fälle auch mit einer Eosinophilurie einhergeht. Die Eosinophilen im Urin lassen sich auf Verdacht mittels einer Spezialfärbung nachweisen (Hansel-Färbung).

Sonographie

Die Sonographie ist neben den Nierenretentionsparametern und dem Urinsediment zur differentialdiagnostischen Einschätzung eines akuten Nierenversagens als dritter diagnostischer Schritt notwendig (Abb. 3). Insbesondere muss ein Harnaufstau und ein postrenales Nierenversagen unmittelbar ausgeschlossen werden bzw. bei positivem Nachweis sind entsprechende interventionelle Maßnahmen einzuleiten. Im Rahmen eines akuten Schockgeschehens präsentiert sich die Niere mit AKI in der Sonographie als vergrößert und hypoechogen mit einer verwaschenen Nierenmarksgrenze und mit demarkierten Nierenkelchen. Eine Minderperfusion, z. B. nach Aortenersatz, kann mittels Doppler-Untersuchung und Bestimmung des Widerstandsindex (reduzierter „resistative index“ (RI <0,7) erkannt und mittels angiographischer Methoden bestätigt werden. Beim Nachweis verkleinerter, eher echoreicher Nieren mit einem verschmälerten Parenchymsaum liegt eine vorbestehende CKD nahe, die entweder Ursache des erhöhten Kreatinins sein kann oder den Patienten für ein AKI prädisponiert.
Literatur
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