Bei erhöhten Nieren Retentionswerten bietet primðr die Anamnese die Möglichkeit, ein AKI von einem chronischen Nierenversagen abzugrenzen. Die klinische Vorgeschichte ermöglicht es, Kriterien einer chronischen Nierenschädigung zu erfassen. Hierzu gehören insbesondere
Diabetes,
Hypertension und Zeichen einer
Arteriosklerose. Da eine chronisch vorbestehende Einschränkung der Nierenfunktion ein Risikofaktor für ein AKI darstellt, sollte nach früheren Blut- oder Urinergebnissen (
Kreatinin, eGFR, Albuminurie) gefragt bzw. gesucht werden. Auf der anderen Seite macht der klinische Rahmen eines akuten Schockgeschehens, insbesondere einer schweren
Sepsis oder eines kardiogenen Versagens, ein akutes AKI wahrscheinlich. Als Standard der Diagnostik eines AKIs gilt weiterhin das
Kreatinin und die
Menge der Urinausscheidung. Eine rückläufige Diurese ist in vielen Fällen ein rasches Zeichen eines schweren AKIs und macht die Diagnose wahrscheinlich. Die Diuresemenge ist jedoch vom Volumenstatus und der damit verbundenen hormonellen Regulation (RAAS, Sympathikus,
natriuretische Peptide u. a.) abhängig und besitzt eine erhebliche Variabilität. Da viele AKIs nichtoligurisch verlaufen und damit übersehen werden könnten, ist eine Blutbestimmung notwendig. Als Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels wird Kreatinin glomerulär fast vollständig filtriert und zu einem geringeren Teil tubulär sezerniert (durch Cimetidin hemmbar). Je nach Schweregrad des AKIs dauert es 12–96 h, bis eine Kreatininerhöhung feststellbar ist, die im klinischen Alltag zur Diagnose eines AKIs führt. Vielfach wurde ein Anstieg des Kreatinins um 0,5 mg/dl innerhalb von 48 h als signifikant erachtet, ein Kriterium, das weiterhin insbesondere in den Untersuchungen zur Kontrastmittelnephropathie verwendet wird. Da der absolute Kreatininwert erst bei einer Einschränkung der Nierenfunktion von ca. 50 % ansteigt (kreatininblinder Bereich) ist es sinnvoll, für leichtere Einschränkungen der Nierenfunktion die
glomeruläre Filtrationsrate (GFR) zu errechnen, die unter Verwendung des Kreatinins Auskunft über die
Kreatinin-Clearance gibt oder, vereinfacht ausgedrückt, über die Menge des filtrierten Primärharns in ml/min. Im klinischen Alltag haben sich nährungsgenaue Algorithmen etabliert, die es ermöglichen, aus den Variablen Kreatinin, Alter, Geschlecht,
Harnstoff und
Albumin die GFR zu schätzen („estimated“ GFR,
eGFR). In der Regel wird hierfür die MDRD-(„Modification of Diet in Renal Disease“) bzw. aktuell die
CKD-EPI-Formel verwendet. Diese Formeln setzen jedoch eine über den Tag gleichbleibende GFR zugrunde, was der raschen Dynamik einer sich über wenige Stunden hinweg rückläufigen Nierenfunktion nicht gerecht wird. Die aktuelle AKI-Klassifikation (AKIN/KDIGO s. u.) berücksichtigt daher nur noch das Kreatinin und die Urinausscheidung und nicht mehr die eGFR.
Neben dem
Kreatinin wird als Endprodukt des Proteinmetabolismus die Blutakkumulation von Stickstoff als
Harnstoff oder als
Blutstickstoff („Blood urea nitrogen“, BUN) zur Diagnose einer Nierenfunktionsstörung verwendet.
Harnstoff enthält 2 Stickstoffmoleküle und die Umrechnung erfolgt aus Harnstoffstickstoff (BUN)×2,143 = Harnstoff. Die Höhe des endogenen Levels an Harnstoff ist aber in starkem Maße vom Proteinmetabolismus abhängig und spiegelt daher nicht nur das Ausmaß der reduzierten GFR wider, sondern auch das Ausmaß einer Katabolie (rascher Anstieg von Stickstoff im Blut) oder Urämie (reduzierte Stickstoffausscheidung). Unter der Annahme einer durchschnittlichen Muskelmasse ohne Zeichen der massiven Katabolie ist idealtypisch betrachtet die Konstellation eines erhöhten Kreatinins und Harnstoffs hier am ehesten typisch für ein AKI. Ein erhöhtes Kreatinin ohne Harnstofferhöhung kann manchmal auch auf ein eher chronisches als akutes Nierenversagen mit Adaptationsvorgängen hindeuten. Ein hoher Harnstoff ohne erhöhtes Kreatinin weist häufig primär auf eine Katabolie hin.