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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 06.10.2015

Analfissur

Verfasst von: Jürgen Feisthammel
Bei der Analfissur handelt es sich dabei um einen Riss des Anoderms distal der Linea dentata. Eine Analfissur kann akut oder chronisch auftreten. Akute Läsionen verheilen unter konservativer Therapie meist binnen sechs Wochen, chronische Läsionen sprechen auf konservative Maßnahmen dagegen kaum an und müssen meist operiert werden.

Definition

Die Analfissur ist eine der häufigsten Krankheiten des Anus. Es handelt sich dabei um einen Riss des Anoderms distal der Linea dentata. Eine Analfissur kann akut oder chronisch auftreten. Akute Läsionen verheilen unter konservativer Therapie meist binnen sechs Wochen, chronische Läsionen sprechen auf konservative Maßnahmen dagegen kaum an und müssen meist operiert werden.

Pathophysiologie

Sowohl harter als auch länger bestehender weicher breiiger oder durchfälliger Stuhl kann zur Ausbildung einer primären Analfissur führen. Im Bereich des Schleimhauteinrisses kommt es dadurch zu Schmerzen und nachfolgend zu einer spastischen Kontraktion des Musculus sphincter ani internus. Durch diese Tonuserhöhung verschlechtert sich die Blutversorgung der Schleimhaut, wodurch die Heilung erschwert wird. Ohne entsprechende Therapie gehen 40 % der akuten Fissuren in ein chronisches Stadium über (Madalinski 2011). Daher ist einer der wesentlichen Therapieansätze die Unterbrechung dieses Circulus vitiosus.
Von der primären Analfissur abgegrenzt werden sollten sekundäre Fissuren. Diese können nach mechanischen Läsionen, Operationen, als Geburtstrauma sowie als Folge verschiedener Entzündungen (z. B. Morbus Crohn, Syphilis, Chlamydieninfektion) auftreten.

Epidemiologie

Genaue Zahlen zur Epidemiologie sind nicht verfügbar. Etwa 10–15 % der Patienten einer proktologischen Sprechstunde stellen sich mit einer Analfissur vor (Brühl 2005). Diese kann sowohl der Grund der ärztlichen Konsultation als auch ein Zufallsbefund zu anderen Erkrankungen des Analkanals sein.

Klinik

Patienten mit einer akuten Analfissur klagen meist über einen gut lokalisierbaren, auf den Anus begrenzten, spitzen, scharfen und sehr intensiv wahrgenommenen Schmerz. Der Schmerz tritt bei Defäkation auf und dauert oft nur wenige Minuten, kann aber auch für Stunden anhalten (Stein 2003). Weiterhin typisch ist das Auftreten von hellrotem Blut nach der Defäkation, meist als hellrotem Fleck am Toilettenpapier oder aufgelagert in kleinerer Menge auf normal gefärbtem Stuhl. Ohne Stuhlgang, z. B. nachts, sind die Patienten meist beschwerdearm. Gelegentlich klagt der Patient über ein perianales Ekzem.
Patienten mit einer chronischen Analfissur haben oft nur gering ausgeprägte Beschwerden. Meist besteht auch nur ein geringer Leidensdruck. Falls der Patient nicht die oben beschriebenen Symptome analog der akuten Fissur beklagt, dann wird die Diagnose der chronischen Analfissur meist zufällig im Rahmen einer rektalen Untersuchung oder (Vorsorge-)Koloskopie gestellt.

Diagnostik

Bestätigen lässt sich die nach Anamneseerhebung bereits vermutete Diagnose manchmal schon durch einfache Inspektion mit Spreizen der Nates (Abb. 1). Die digital-rektale Untersuchung ist bei akuten Fissuren oft sehr schmerzhaft. Eine akute Analfissur kann bei der rektalen Untersuchung nicht getastet werden. Der Ruhetonus der Sphinktermuskulatur ist verstärkt. Manchmal bilden Patienten mit Analfissuren ein perianales Ekzem aus. Die manchmal schon lange (manchmal Jahrzehnte) bestehende chronische Analfissur dagegen verursacht oft nur geringe Schmerzen. Sie kann bei der rektalen Untersuchung als narbige Verhärtung getastet werden. Distal einer chronischen Analfissur findet sich manchmal ein mariskenartiger Wulst, die sog. Vorpostenfalte.
Eindeutig dargestellt werden kann sowohl die akute als auch die chronische Läsion in der Proktoskopie. Es findet sich ein Riss der Analschleimhaut. Dieser befindet sich bei primären Fissuren fast immer an der hinteren Kommissur (6 Uhr in Steinschnittlage), sekundäre Läsionen können auch an anderer Position auftreten. Die Tiefe und Ausdehnung des Risses ist variabel. Die Bandbreite reicht von kleinen zarten oberflächlichen akuten Schleimhautläsionen bis hin zu ausgeprägt vernarbten tiefen chronischen Läsionen mit sichtbarer quer verlaufender Sphinktermuskulatur. Während die akuten Läsonen oft frisch-blutig erscheinen, haben die manchmal schon seit Jahren bestehenden chronischen Läsonen oft einen atrophen weißlich-narbigen Aspekt.
Bei akuten (gelegentlich auch bei chronischen) Analfissuren wird die Untersuchung mit dem Finger oder dem Proktoskop schmerzbedingt vom Patienten manchmal nicht toleriert. Die Durchführung der Untersuchung kann dann nach Infiltration der Analregion bzw. des Fissurgrundes mit einem Lokalanästhetikum erfolgen. Bei typischer Anamnese ohne Warnsignale muss in dieser Situation die Untersuchung aber auch nicht sofort erzwungen werden. Stattdessen kann die konservative Therapie zunächst begonnen werden. Eine rektale Untersuchung und Proktoskopie kann dann nach Abklingen der akuten Beschwerden kurzfristig im Verlauf nachgeholt werden. Bei der Proktoskopie sollte besonders auf die Ausbildung von Fisteln geachtet werden.
Bei allen Patienten mit rektalem Blutabgang muss die Indikation zur Koloskopie geprüft werden. Aufgrund der Häufigkeit von Analfissuren sollte man sich nie allein damit zufrieden geben. Auf eine Darmspiegelung kann nur im begründeten Einzelfall verzichtet werden. Ebenso hilft die komplette Koloskopie bei Vorliegen atypischer oder nicht heilender Fissuren beim Ausschluss einer zugrunde liegenden anderen Krankheit (z. B. Kap. Morbus Crohn).

Differenzialdiagnosen

Die Patienten stellen sich meist unter der von ihnen selbst gestellten Verdachtsdiagnose von Hämorrhoiden (Kap. Hämorrhoiden) vor. Für diese wäre aber die Schilderung des oben beschriebenen Schmerzgeschehens untypisch.
Weitere Differenzialdiagnosen sind Analfisteln (eitrige Sekretion, eher diffuser und schlecht lokalisierbarer Schmerz; Kap. Kryptitis, Analfistel und Perianalabszess) und Analkarzinom (im Zweifel sollte die Fissur biopsiert werden; Kap. Analkarzinom).

Therapie

Die meisten akuten Fissuren können unter konservativer Therapie zur Ausheilung gebracht werden. Wichtig ist die Unterbrechung des Circulus vitiosus. Dies gelingt dann, wenn der spastisch erhöhte Sphinkterdruck normalisiert werden kann. Dies kann einerseits durch topische Anwendung von Medikamenten erreicht werden. Glyceroltrinitrat (GTN, z. B. das Fertigpräparat Rectogesic in einer Stärke von 0,4 %, 2×/Tag intraanal) kann über eine Relaxierung des Musculus sphincter ani internus zu einer Besserung der Durchblutung und so zu einer Abheilung der Fissur führen. Manchmal limitiert ein auftretender Kopfschmerz die Anwendung von GTN. In dieser Situation kann alternativ Diltiazem verordnet werden (Creme 2 %, intraanale Anwendung, 2–3×/Tag) (Nelson et al. 2012; Breen et al. 2012).
Eher noch höher scheint die Bedeutung der Analdehnung zu sein. Den Patienten wird insbesondere anfangs auch unter Unterstützung lokalanästhesierender Zäpfchen die Anwendung handelsüblicher Analdehner in aufsteigenden Durchmessern empfohlen. Es muss bedacht werden, dass selbst mit ausreichender Einweisung in der Anwendung (3×/Tag Anwendung des Analdehners bis zum Auftreten von Schmerzen, halten der Spannung über mindestens 30 Sekunden) die Patientencompliance unbefriedigend bleibt.
Grundsätzlich anwendbar ist die lokale Applikation von Botulinumtoxin. Wenn die Ergebnisse hiervon oft vielversprechend sind, so ist aufgrund der hohen Kosten dieses Verfahren aktuell kaum verbreitet.
Stuhlregulierung unterstützt den Heilungsverlauf. Gut angewendet werden können Präparate auf Macrogolbasis.
Wenn nach acht Wochen eine so behandelte Analfissur nicht abheilt, dann sollte die operative Therapie empfohlen werden. Diese ist ebenfalls angezeigt bei anderweitigen sekundären Strukturveränderungen des Analkanals wie beispielsweise Fisteln, unterminierten Rändern und ausgeprägten Vernarbungen. Angewendet werden Sphinkterotomien und Fissuroperationen, heutzutage meist in der Technik nach Gabriel (Nelson et al. 2011). Für Einzelheiten sei an chirurgische Lehrbücher verwiesen.

Verlauf und Prognose

Sowohl für die Primär- als auch für die Sekundärprophylaxe sollten die Patienten hinsichtlich der richtigen Analhygiene beraten werden. Die Analregion sollte trocken gehalten werden. Die Anwendung von parfümierten Pflegeprodukten ist nicht nur nicht notwendig, sondern birgt auch die Gefahr der Ausbildung von Allergien. Die Anwendung von ggf. wasserangefeuchtetem Toilettenpapier nach dem Stuhlgang ist ausreichend.
Weiterhin ist wichtig, dass zur Vermeidung von Rezidiven Verstopfung und harter Stuhlgang vermieden wird. Dies gelingt durch ballaststoffreiche Kost und ausreichendem Trinken. Gegebenenfalls können zusätzliche Maßnahmen zur Stuhlregulierung hilfreich sein (z. B. Flohsamenschalenpulver, Macrogol). Eine bestehende Diarrhoe sollte rasch behandelt werden.
Literatur
Breen E et al (2012) Anal fissure: medical and surgical management. www.​uptodate.​com
Brühl W (2005) Analfissuren. In: Brühl W, Wienert V, Herold A (Hrsg) Aktuelle Proktologie. Uni Med, Bremen, S 77–84
Madalinski MH (2011) Identifying the best therapy for chronic anal fissure. World J Gastrointest Pharmacol Ther 2(2):9–16PubMedCentralCrossRefPubMed
Nelson RL et al (2011) This review assesses the usefulness surgery for anal fissure, a painful ulcer at the anal opening, by comparing the efficacy of various surgical procedures and how likely they are to result in complications. The Chochrane Library. www.​cochrane.​org
Nelson RL et al (2012) Non surgical therapy for anal fissure. The Chochrane Library. www.​cochrane.​org
Stein E (2003) Proktologie: Lehrbuch und Atlas. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S 95–101CrossRef