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DGIM Innere Medizin
Info
Verfasst von:
Richard Taubert, Elmar Jäckel und Michael Manns
Publiziert am: 29.11.2014

Autoimmune Hepatitis

Die autoimmune Hepatitis (AIH) ist eine entzündliche Lebererkrankung mit Toleranzverlust gegenüber hepatozellulären Antigenen, die zu einer chronischen Entzündung durch das körpereigene Immunsystem führt. Nach Ausschluss anderer, v. a. viraler, metabolischer und toxischer Hepatitiden ist die autoimmune Hepatitis durch Erhöhungen der Aminotransferasen, eine Hypergammaglobulinämie, den Nachweis überwiegend unspezifischer Autoantikörper, intrahepatische Infiltrate mit Lymphozyten- und Plasmazellen und ein Therapieansprechen auf Steroide gekennzeichnet. Anhand des Autoantikörperprofils wird zwischen der AIH-Typ-I (anti-nukleäre Autoantikörper, ANA, und/oder „anti-smooth-muscle“-Antikörper, SMA, „anti-soluble-liver-antigen“-Antikörper, SLA) und der AIH-Typ-II („anti-liver-kidney-microsome“-Antikörper, LKM, oder „liver-cytosol“-Antikörper, LC1) unterschieden. Unbehandelt führt die autoimmune Hepatitis in der Regel innerhalb weniger Monate oder Jahre zu einer irreversiblen Leberschädigung mit Leberzirrhose und hat eine deutlicher reduzierter Lebenserwartung.

Definition

Die autoimmune Hepatitis (AIH) ist eine entzündliche Lebererkrankung mit Toleranzverlust gegenüber hepatozellulären Antigenen, die zu einer chronischen Entzündung durch das körpereigene Immunsystem führt. Nach Ausschluss anderer, v. a. viraler, metabolischer und toxischer Hepatitiden ist die autoimmune Hepatitis durch Erhöhungen der Aminotransferasen, eine Hypergammaglobulinämie, den Nachweis überwiegend unspezifischer Autoantikörper, intrahepatische Infiltrate mit Lymphozyten- und Plasmazellen und ein Therapieansprechen auf Steroide gekennzeichnet. Anhand des Autoantikörperprofils wird zwischen der AIH-Typ-I (antinukleäre Autoantikörper, ANA, und/oder „anti-smooth-muscle“ Antikörper, SMA, „anti-soluble-liver-antigen“ Antikörper, SLA) und der AIH-Typ-II („anti-liver-kidney-microsome“ Antikörper, LKM, oder „liver-cytosol“ Antikörper, LC1) unterschieden. Unbehandelt führt die autoimmune Hepatitis in der Regel innerhalb weniger Monate oder Jahre zu einer irreversiblen Leberschädigung mit Leberzirrhose und hat eine deutlicher reduzierter Lebenserwartung.

Pathophysiologie

Die AIH wird zu den Autoimmunerkrankungen gezählt. Sie entwickelt sich bei Patienten mit genetischer Prädisposition durch den Einfluss unterschiedlicher Umweltfaktoren wie Infektionen und toxische Noxen. Neben den vielfältigen Autoantikörpern (humorale Autoimmunität) konnten insbesondere für die AIH-Typ-II auch autoreaktive T-Zellen gegen das häufigste Zielantigen Cytochrom-P-450-2D6 nachgewiesen werden (v. a. T-Zell-vermittelte zelluläre Autoimmunität).
Der stärkste genetische Risikofaktor für das Auftreten einer AIH ist der MHC- bspw. HLA-Typ. Somit trägt die Fähigkeit des Immunsystems, Antigene zu präsentieren, zum Risiko der AIH bei. Bei Kaukasiern ist der Haplotyp HLA-DR3 und HLA-DR4 am stärksten mit dem Auftreten einer AIH assoziiert. Andere genetische Risikofaktoren betreffen Gene, die an der Immunregulation beteiligt und teilweise auch mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ I oder der Multiplen Sklerose assoziiert sind (z. B. CTLA-4 oder auch der Vitamin-D-Rezeptor).
In verschiedenen Studien wurden, teils subtile, Veränderungen des zellulären Immunsystems beschrieben, die zur Pathogenese der AIH beitragen sollen. Diese Ergebnisse werden jedoch kontrovers diskutiert und müssen weiter bestätigt werden.
Neben dem genetischen Risiko werden externe Noxen wie Viren oder auch Medikamente als Auslöser vermutet, ohne dass es einen einheitlichen Umweltfaktor gibt. Es können im Rahmen von chronischen Virusinfektionen, z. B. der Hepatitis C, in bis zu 50 % der Fälle auch Autoantikörper wie ANA, SMA oder LKM, also eine humorale Autoimmunität, auftreten, weshalb der Ausschluss einer Virusinfektion zur Diagnosestellung obligat ist.

Epidemiologie

Die AIH ist eine seltene Erkrankung. Man kann von einer Inzidenz von jährlich ein bis zwei Neuerkrankungen und einer Prävalenz von 11–17 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner in Europa und Nordamerika ausgehen. Dabei sind Frauen ca. 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Männer.
Die AIH kann in jedem Alter und in allen Volksgruppen auftreten. Da bei Diagnosestellung 50 % der Patienten über 30 Jahre und 20 % der Patienten über 60 Jahre alt sind, ist Vorsicht vor der klassischen Vorstellung geboten, dass AIH-Patienten immer jung und weiblich sind.

Klinik

Das klinische Erscheinungsbild der AIH ist wie bei anderen Hepatitiden variabel und unspezifisch. Typische Symptome sind Abgeschlagenheit, ein Ikterus und Arthralgien. Jedoch sind mehr als ein Drittel, oft Männer und ältere Patienten, bei Diagnosestellung asymptomatisch. Auch wenn sich die AIH häufig als akute Hepatitis manifestiert, weisen bereits ein Drittel der Patienten bei Diagnosestellung eine Leberzirrhose auf. Fluktuierende Verläufe als auch akute Leberversagen sind ebenfalls möglich.
Bis zu 40 % der Patienten haben begleitende Autoimmunerkrankungen wie eine primär sklerosierende Cholangitis (PSC, s. Kap. Primär sklerosierende Cholangitis), primär biliäre Zirrhose (PBC, s. Kap. Primär biliäre Zirrhose) oder extrahepatische Autoimmunerkrankungen wie z. B. Thyreoiditiden, Vitiligo, Arthritiden, ein Sjögren-Syndrom oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen.

Diagnostik

Typischerweise treten stärkere Erhöhungen der Aminotransferasen (ALT>AST) als der Cholestaseparameter (AP) auf. Eine Hyperbilirubinämie kann im Rahmen eines intrahepatischen Ikterus als Zeichen der gestörten Entgiftungsfunktion durch den Leberzellschaden auftreten.
Daneben findet sich meist eine polyklonale Erhöhung der Immunglobuline G der Gammaglobulinfraktion in der Serumelektrophorese.
In der Autoantikörperanalyse (Tab. 1) finden sich bei der AIH-Typ-I v. a. ANA und/oder SMA. Nur in 10–20 % der AIH-Patienten lassen sich diese Autoantikörper nicht nachweisen, die sog. ANA-negative AIH. Typischerweise verursachen die ANA bei der AIH ein homogenes Färbemuster der Zellkerne der Testgewebe. ANA und SMA sind jedoch sehr unspezifisch und für sich allein nicht ausreichend für die Diagnosestellung der AIH.
Tab. 1
Relevante Autoantikörper der AIH-Diagnostik
Lebererkrankung
Titer
ANA
Antinukleäre Antikörper
AIH-Typ-I
>1:80
SMA
„Anti smooth muscle“ Antikörper
LKM
„Anti liver kidney microsome“ Antikörper (Cytochrom-P-450-2D6)
AIH-Typ-II
 
LC1
„Anti liver cytosol 1“
AIH-Typ-II
 
pANCA
Perinukleäre antineutrophile cytoplasmatische Antikörper
50–95 % der AIH-Typ-I
 
SLA
„Anti soluble liver antigen“ Antikörper
Bis zu 30 % der AIH, sehr spezifisch für AIH
 
In bis zu einem Drittel der AIH-Patienten lassen sich anti-SLA-Antikörper nachweisen. SLA sind für die AIH sehr spezifisch und können daher bei ANA-negativen Fällen zur Diagnosestellung der AIH beitragen.
Die AIH-Typ-II ist durch das Auftreten von anti-LKM und/oder anti-LC1 gekennzeichnet (Tab. 1). Die anti-LKM sind dabei gegen das Cytochrom-P450-2D6 gerichtet (LKM 1). Anti-LKM mit Reaktivitäten gegen andere Antigene können bei medikamenteninduzierten Leberschädigungen (LKM 2), Hepatitiden im Rahmen des autoimmunen polyglandulären Syndrom 1 oder der Hepatitis D (LKM 3) auftreten.
Es gibt keinen Befund, der pathognomonisch für eine AIH ist. Daher müssen zunächst andere Ursachen einer Hepatitis (s. Abschn. Differenzialdiagnostik) ausgeschlossen werden.
Das bildgebende Verfahren der Wahl stellt die Abdomensonographie dar. Damit kann die Leber ohne Strahlenbelastung und ohne Kontrastmittelexposition untersucht werden. Dabei sollten vaskuläre Ursachen und Leberraumforderungen (s. Abschn. Differentialdiagnostik) ausgeschlossen werden. Ferner können Zeichen einer chronischen Leberschädigung, z. B. zirrhotische Veränderungen der Leber mit portaler Hypertension (Splenomegalie, Wiedereröffnung der Umbilikalvene), beurteilt werden.
Das Vorliegen einer AIH kann abschließend nur mit einer Leberbiospie beurteilt werden. Doch auch histologisch gibt es keinen Befund, der pathognomonischen für eine AIH ist. Typischerweise treten eine Interface-Hepatitis (sog. Mottenfraßnekrosen) sowie lymphozyten- und plasmazellreiche Infiltrate auf. Daneben finden sich auch zentrilobuläre und teils brückenbildende Nekrosen. In ca. 30 % der Fälle besteht bereits bei Diagnosestellung eine Leberzirrhose.
Der AIH-Score kann nach Abschluss der Diagnostik als Entscheidungshilfe herangezogen werden (Tab. 2). In Zweifelsfällen kann, nach Ausschluss einer infektiösen Genese, auch ein Therapieansprechen auf Steroide (s. Abschn. Therapie) als diagnostisches Kriterium für eine AIH gewertet werden.
Tab. 2
Der AIH-Score. (Nach Alvarez et al. 1999)
AIH-Score
Score
Weibliches Geschlecht
+2
AP:AST (or ALT)-Ratio
<1,5
+2
1,5–3,0
0
>3,0
–2
Serumglobuline bzw. IgG-Erhöhung über Normal
>2,0
+3
1,5–2,0
+2
1,0–1,5
+1
<1,0
0
Autoantikörper
ANA, SMA or LKM-1 (IF)
 
>1:80
+3
1:80
+2
1:40
+1
<1:40
0
AMA-Seropositivität
–4
Virushepatitis
(IgM anti-HAV, HBsAg, IgM anti-HBc, anti-HCV und HCV-RNA)
 
Positiv
–3
Negativ
+3
Hepatotoxische Medikamente (aktuell oder kürzlich)
Ja
–4
Nein
+1
Durchschnittlicher Alkoholkonsum
<25 g/Tag
+2
>60 g/Tag
–2
Leberhistologie
Interface hepatitis
+3
Prädominant lymphoplasmazelluläre Infiltrate
+1
Leberzellrosetten
+1
Keine dieser Veränderungen
–5
Biliäre Veränderungen
–3
Andere Veränderungen
–3
Andere Autoimmunerkrankungen
+2
Optionale zusätzliche Parameters
Seropositivität für andere mit der AIH-assoziierte Autoantikörper (pANCA, anti-LC1, anti-SLA, anti-ASGPR, anti-LP)
+2
HLA DR3- oder DR4-Nachweis
+1
Therapieansprechen
Komplett
+2
Relapse
+3
Interpretation des Scores
Vor Therapiebeginn
 
AIH gesichert
>15
AIH wahrscheinlich
10–15
Nach Behandlung
AIH gesichert
>17
AIH wahrscheinlich
12–17

Differentialdiagnostik

Differentialdiagnostisch müssen alle anderen Ursachen einer Hepatitis bzw. Erhöhung der Transaminasen berücksichtigt werden, insbesondere:

Therapie

Die Therapie der AIH richtet sich nach dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität in der Leber. Diese Krankheitsaktivität kann an der Höhe der Aminotransferasen und des Immunglobulin G im Serum, an der nekroinflammatorischen Aktivität bzw. Interface-Hepatitis in der Leberbiopsie und der klinischen Symptomatik abgelesen werden. Bei hoher Aktivität (AST ≥5- bis 10fach; IgG ≥2fach; brückenbildende oder multifokale Nekrosen) und ausgeprägten Beschwerden besteht eine absolute Therapieindikation.
Therapieziel ist eine vollständige Normalisierung der Aminotransferasen und des Immunglobulin G (biochemische Remission) sowie der Rückgang der Beschwerden. Die histologische Remission kann dabei mit 3–8 Monaten Verzögerung auftreten.
Für die Remissionsinduktion werden entweder eine Monotherapie aus hoch dosiertem Prednisolon (1 mg/kg Körpergewicht/Tag) oder eine primäre Kombinationstherapie aus Prednisolon (ca. 0,5 mg/kg Körpergewicht/Tag) und Azathioprin (1–2 mg/kg Körpergewicht/Tag) verwendet. Budesonid (initial 9 mg/Tag) kann als alternatives Steroid mit hohem „first-pass“-Effekt und daher niedrigeren systemischen Nebenwirkungen bei Patienten ohne Leberzirrhose oder Umgehungskreisläufe um die Leber eingesetzt werden (Manns et al. 2010a). Bei Therapieansprechen werden die Steroide im Verlauf auf die Erhaltungsdosis von 5–10 mg Prednisolon oder 3 mg Budesonid reduziert.
Bei therapierefraktärem Verlauf (ca. 20 %) oder Intoleranz der Standardtherapie können alternativ Calcineurin-Inhibitoren oder Mycophenolatmofetil eingesetzt werden. Kürzlich wurde auch eine Fallserie von therapierefraktären Patienten erfolgreich mit anti-TNFα behandelt, allerdings kam es hierbei zu zahlreichen Infektionen als Nebenwirkung.
Nach Erreichen der biochemischen Remission sollte die remissionserhaltende Therapie für mindestens 2 Jahre fortgeführt werden. Danach ist eine Leberbiopsie zur Beurteilung der histologischen Remission empfehlenswert. Bei biochemischer Remission mit weitestgehendem Rückgang der entzündlichen Aktivität in der Leber kann bei der AIH-Typ-I ein Therapieauslassversuch mit schrittweiser Reduktion der Immunsuppressiva über ca. 6 Wochen vorgenommen werden. Bei bis zu 80 % der Patienten tritt innerhalb von wenigen Wochen und Monaten ein Rückfall auf, der mit dem Therapieregime der Remissionsinduktion behandelt werden sollte. Bei der AIH-Typ-II treten Rückfälle noch häufiger auf, so dass Auslassversuche nur in begründeten Ausnahmefällen unternommen werden sollten.
Bei progredientem Verlauf oder fortgeschrittener Zirrhose bei Erstdiagnose der Erkrankung sollten die Patienten an ein Transplantationszentrum zur Beurteilung bzw. Planung einer Lebertransplantation verwiesen werden.

Verlauf und Prognose

Unbehandelt kann die AIH zum Leberversagen oder zur Entwicklung einer Leberzirrhose innerhalb von Monaten und wenigen Jahren führen. Mit der Standardtherapie lässt sich bei ca. 80 % der Patienten eine Normalisierung der Aminotransferasen und des Immunglobulin G erreichen. In biochemischer Remission kommt es nach aktueller Studienlage nur in einem geringen Prozentsatz der Patienten zu einer histologischen Progression.
Eine Leberzirrhose findet sich bei ca. 30 % der Patienten bereits bei Diagnosestellung und entwickelt sich bei ca. 30 % der Patienten im Verlauf. Ob das Vorliegen einer Zirrhose prognostisch von Nachteil ist, kann aktuell anhand der widersprüchlichen Datenlage nicht abschließend beantwortet werden.
Insgesamt haben Patienten mit einer AIH unter suffizienter Therapie eine kaum reduzierte Lebenserwartung.

Besondere Aspekte

Patientinnen mit einer AIH sollte bei Kinderwunsch nicht grundsätzlich von einer Schwangerschaft abgeraten werden. Der Familienplanung sollte jedoch eine Risikoabwägung und entsprechende Beratung in einem dahingehend gynäkologisch und hepatologisch erfahrenen Zentrum vorausgehen.
Unter der Schwangerschaft kommt es oft zu einer Verbesserung der AIH. Verschlechterungen bzw. eine Wiederaufflammen der AIH treten überwiegend postpartal auf.
Literatur
Alvarez F et al (1999) International Autoimmune Hepatitis Group Report: review of criteria for diagnosis of autoimmune hepatitis. J Hepatol 31:929–938PubMedCrossRef
Manns MP et al (2010a) Budesonide induces remission more effectively than prednisone in a controlled trial of patients with autoimmune hepatitis. Gastroenterology 139:1198–1206PubMedCrossRef
Manns MP et al (2010b) Diagnosis and management of autoimmune hepatitis. Hepatology 51:1–31CrossRef