DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Gerd Walz
Publiziert am: 25.11.2014

Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)

Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung ist eine monogenetische Nierenerkrankung, die in der Regel in der zweiten bis dritten Lebensdekade beginnt, typischerweise aber erst nach dem 40–50. Lebensjahr durch Schmerzen, welche durch das Zystenwachstum und -rupturen verursacht werden, Hypertonie und zunehmender Nierenfunktionsstörung in Erscheinung tritt. Die Kombination von stark vergrößerten Nieren mit multiplen beidseitigen Zysten unterschiedlicher Größe, Zysten in anderen Organen insbesondere der Leber in Verbindung mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und einer positiven Familienanamnese sind praktisch diagnostisch für diese Erkrankung.

Definition

Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (Abb. 1) ist eine monogenetische Nierenerkrankung, die in der Regel in der 2. bis 3. Lebensdekade beginnt, typischerweise aber erst nach dem 40–50. Lebensjahr in Erscheinung tritt. Sie ist gekennzeichnet durch Schmerzen, die durch das Zystenwachstum und -rupturen verursacht werden, Hypertonie und zunehmender Nierenfunktionsstörung. Die Kombination von stark vergrößerten Nieren mit multiplen beidseitigen Zysten unterschiedlicher Größe, Zysten in anderen Organen, insbesondere der Leber, in Verbindung mit einer eingeschränkten Nierenfunktion und einer positiven Familienanamnese sind diagnostisch für diese Erkrankung.

Pathophysiologie

Genetik

ADPKD wird durch Mutationen zwei verschiedener Gene verursacht (Torres et al. 2007). Mutationen von PKD1 (Chromosom 16p13.3) sind für ca. 85 % aller Fälle verantwortlich, Mutationen von PKD2 (Chromosom 4q21) für die restlichen 15 %. PKD1 kodiert für ein großes, membranständiges Protein von 4.303 Aminosäuren (ca. 460 kD), das als Polycystin-1 bezeichnet wird. Die intrazelluläre (carboxyterminale) Domäne von Polycystin-1 interagiert mit dem von PKD2 kodierten Genprodukt Polycystin-2/TRPP2, ein Mitglied der sog. TRP-Familie von kalziumpermeablen Ionenkanälen.
Entscheidung für das Verständnis des autosomalen Charakters der ADPKD war die Entdeckung, dass Zystenzellen in der Regel auch das 2. Allel von PKD1 oder PKD2 verloren haben (sog. „loss of heterzygosity, LOH“). Diese sog. „two-hit-theory“ postuliert, dass zwar alle Tubuluszellen die vererbte Keimbahnmutation aufweisen, dass aber eine zweite, somatische Mutation des gesunden Allels hinzukommen muss, damit Tubuluszellen aus dem normalen Zellkontext ausscheren und Zysten bilden (Watnick und Germino 1999).

Zystentstehung

Die Identifizierung von PKD-Proteinen in der Zilie von Neuronen des Fadenwurms (Barr et al. 2001) und tubulären Nierenzellen der Maus (Yoder et al. 2002) legte nahe, dass eine Störung der Funktion dieses Organells für die Bildung von Nierenzysten verantwortlich ist. Diese Hypothese wurde insbesondere dadurch unterstrichen, dass auch Genprodukte verantwortlich für rezessive zystische Nierenerkrankungen nachgewiesen werden konnten (Hildebrandt et al. 2011). Zilien befinden sich als Anhängsel auf den meisten Körperzellen, insbesondere auf polarisierten Epithelzellen. Es sind mikrotubuläre Organellen, die eine typische Konfiguration mit 9 kreisförmig angeordneten doppelsträngigen Mikrotubuli und einen zentralen Doppelstrang aufweisen (9 + 2 Konfiguration), wenn die Zilien beweglich sind (z. B. im Respirationstrakt). Bei den nichtmotilen (primären) Zilien fehlt der zentrale Doppelstrang (9 + 0 Konfiguration). Verschiedene Befunde legen nahe, dass Zilien und ziliäre Genprodukte für die Orientierung von Tubuluszellen verantwortlich sind.

Zystenwachstum

Der Ausfall der Zilienfunktion führt zu einer Reihe sekundärer Effekte mit Dysregulation verschiedener Signalübertragungswege. Prinzipiell ist eine Überaktivität verschiedener Proteinkinasen zu verzeichnen, die Zellzyklus, Zellproliferation, Apoptose und Zellpolarität beeinflussen. Zwei Signalübertragungswege sind sehr umfangreich charakterisiert worden, der mTOR-Weg und der cAMP-Weg. Die mTOR-Kinase, die über verschiedene Effektoren insbesondere das Größenwachstum von Zellen stimuliert, wird normalerweise über den tuberösen Sklerosekomplex (TSC) gehemmt. Die Zilie aktiviert den TSC-Komplex über die Kinasen LKB1 und cAMP (Boehlke et al. 2010); ziliäre Defekte verhindern diese Aktivierung und führen zur unkontrollierten Aktivierung von mTOR, welche sowohl in Tiermodellen mit zystischen Nierenerkrankungen wie auch in der menschlichen ADPKD-Niere nachweisbar ist (Shillingford et al. 2006). Hemmung dieser mTOR-Aktivierung mit mTOR-Inhibitoren wie Rapamycin oder Everolimus verlangsamt im Tiermodell die Krankheitsprogression (Ibraghimov-Beskrovnaya et al. 2011). Eine vermehrte Produktion von cAMP in ADPKD-Zellen ist seit vielen Jahren bekannt (Mangoo-Karim et al. 1989). Die Zystenflüssigkeit enthält eine Reihe von Substanzen, u. a. auch Antidiuretisches Hormon, das über Aktivierung von Vasopressin-2-Rezeptoren die Produktion von cAMP stimuliert. Andere, bisher nicht definierte Moleküle scheinen die Flüssigkeitssekretion und damit die Expansion von Nierenzysten zu stimulieren (Grantham et al. 1995).

Epidemiologie

Die Häufigkeit der ADPKD wird mit ca. 1:500 bis 1:2000 angegeben. Damit muss man in der BRD mit über 80.000 erkrankten Menschen rechnen. Die Penetranz der Erkrankung beträgt etwa 50 %, d. h. etwa die Hälfte aller betroffenen Patienten erleidet im Laufe des Lebens eine terminale Niereninsuffizienz und wird dialysepflichtig. Die Inzidenz schwankt zwischen 4–8,7 Patienten pro 1 mio. Einwohner. Weltweit wird die Zahl der ADPKD-Patienten auf ca. 12 Mio. geschätzt.

Klinik

Die ADPKD-Erkrankung ist eine Systemerkrankung, die typerischerweise im Alter zwischen 30 und 50 Jahren in Erscheinung tritt. Zu den Erstmanifestationen gehören arterielle Hypertonie (ca. 80 %), Flanken- oder Abdominalschmerzen (ca. 60 %) und eine Mikro- oder Makrohämaturie (ca. 50 %). Konzentrationsdefekte mit einer signifikanten Polyurie sowie eine deutliche Proteinurie (>1 g/Tag) gehören nicht zu den typischen Erstmanifestationen.

Verlauf und Prognose

Zystentstehung und -wachstum beginnen wahrscheinlich bereits perinatal. Abgesehen von Ausnahmen (z. B. Patienten mit gleichzeitigen PKD1/PKD2-Mutationen oder Verlust von PKD1/TSC2) lassen sich eine signifikante Zahl von Zysten und eine Vergrößerung der Nieren mit den üblichen Methoden meist erst nach dem 30. Lebensjahr feststellen. Die Nierenfunktion bleibt lange erhalten; vermutlich kommt es ähnlich wie beim Typ-I-Diabetes mellitus zu einer Phase der Hyperfiltration der nicht betroffenen Glomerula, so dass trotz Parenchymschädigung eine normale oder sogar erhöhte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gemessen wird (Helal et al. 2011).
Sorgfältige Analysen des CRISP-Konsortium in den USA haben gezeigt, dass eine Korrelation zwischen dem Zystenwachstum und der Größenzunahme der Nieren und dem Nierenfunktionsverlust besteht (Grantham et al. 2006). Während eine Zunahme von 100 ml pro Meter Körpergröße (ml/m) bei Patienten mit normaler Nierenfunktion eine Nierenfunktionsstörung in den nächsten Jahren anzeigt, erreichen Patienten mit einem Nierenvolumen von über 600 ml/m innerhalb von 8 Jahren ein chronische Nierenerkrankung Stadium III (Chapman et al. 2012). Wenn die kombinierte Nierengröße eine Volumen von mehr als 1.500 ml erreicht hat, nimmt die GFR durchschnittlich um ca. 5 ml/min pro Jahr ab (Grantham et al. 2006).

Arterielle Hypertonie

Bereits deutlich vor dem Einsetzen einer Nierenfunktionsstörung ist bei den meisten Patienten eine arterielle Hypertonie nachweisbar und wird möglicherweise durch eine lokale Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems hervorgerufen. Die Prävalenz wird bei Kindern mit 5–44 %, bei jungen Erwachsenen (20–34 Jahre) mit ca. 50 % und bei dialysepflichtigen ADPKD-Patienten mit 100 % angegeben (Torres et al. 2007). Während ein unkontrollierter Hypertonus die Progredienz der ADPKD beschleunigt, ist die optimale antihypertensive Therapie bisher nicht bekannt. Eine laufende Studie (HALT PKD) vergleicht zurzeit den Effekt von ACE-Hemmern und AR-Blockern auf die Progredienz der Erkrankung (Torres et al. 2012a).

Zystenwachstum und Flankenschmerzen

Das progrediente Zystenwachstum kann zu einer dramatischen Zunahme des Nierenvolumens führen. Dabei können die Nieren einseitig ein Volumen von mehr als 4–5 l erreichen und den Bauchraum nahezu komplett ausfüllen. Insbesondere bei gleichzeitigen Leberzysten kann es zu einer Kompression des Magens zwischen der linken Niere und dem linken Leberlappen mit Inappetenz und Anorexie kommen. Ansonsten sind Völlegefühl, chronische dumpfe Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung häufige Beschwerden. In verzweifelten Situationen kann eine einseitige Nephrektomie oder eine Leberteilresektion erwogen werden. Bei bereits eingeschränkter Nierenfunktion führt die einseitige Nephrektomie aber nicht selten zur Dialysepflichtigkeit, während die Leberteilresektion häufig von einem persistierenden Aszites begleitet wird. Die laparoskopische Abtragung von Nieren- und Leberzysten wird ebenfalls angewandt und führt in etwa 50 % zu einer Verbesserung der Schmerzsymptomatik (Haseebuddin et al. 2012), kann aber insbesondere bei Patienten mit bereits eingeschränkter GFR zur weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion führen (Millar et al. 2012). Medikamentöse Verfahren, um das Zystvolumen zu reduzieren (s. u.), zeigen statistisch zwar signifikante Ergebnisse; es bleibt aber abzuwarten ob die erzielten Veränderungsraten ausreichen, um einen klinischen Vorteil zu erzielen (Hogan et al. 2012).

Arterielle Aneurysmen

Intrakranielle Aneurysmen werden in ca. 4–8 % aller ADPKD Patienten gefunden (Neumann et al. 2012; Helal et al. 2012), wobei die Prävalenz bei positiver Familienanamnese auf 16 % steigen kann (Pieson et al. 2002). Rupturen werden mit ca. 1/2.000 Patientenjahren angegeben. Die Rupturgefahr beträgt 0,05–0,7 %/Jahr, steigt ab einem Durchmesser von mehr als 1 cm deutlich an, so dass eine Intervention bei Nachweis eines Aneurysma zwischen 5 und 10 mm empfohlen wird, in der Regel durch Einbringen eines „Coils“ (sog. „coiling“). Coiling weist im Vergleich zum chirurgischen „clipping“ eine deutlich niedrigere Mortalität und Morbidität auf (Brisman et al. 2006), allerdings sind Rezidive nach Coiling möglich. Ein Screening (alle 3–5 Jahre) wird generell nur bei Patienten mit einer positiven Anamnese oder Familienanamnese (einschließlich unklare Todesursache bei Familienmitgliedern mit ADPKD) empfohlen.

Leberzysten

Leberzysten zählen zu den häufigsten extrarenalen Manifestationen der ADPKD. In der CRISP-Studie wurden Leberzysten mittels MRT bei Patienten im Alter von 15–24 Jahren in 58 % nachgewiesen. Bei Patienten im Alter über 35 Jahren stieg die Häufigkeit auf 94 % an (Torres et al. 2007). Frauen haben eine höhere Prävalenz als Männer, und mehrfache Schwangerschaften, orale Kontrazeptiva und Östrogenersatztherapien scheinen das Wachstum von Leberzysten zu begünstigen. Symptome werden durch die Lebergröße und Verdrängung anderer Bauchorgane oder Kompression von Gefäßen verursacht und umfassen gastrointestinale Beschwerden einschließlich Reflux, Luftnot, Kompression der V. cava inferior oder der Pfortader. Zystinfektionen gehen oft mit einem Anstieg der alkalischen Phosphatase einher und werden in der Regel durch Enterobakterien verursacht. In selten Fällen wurden Leberfibrose, Adenome der Ampulla vateri und Cholangiokarzinome beschrieben.

Harnwegs- und Zystinfektionen

Harnwegs- und Zystinfektionen stellen häufige Komplikationen der ADPKD dar. Bei Zystinfektionen muss die Diagnose häufig rein klinisch gestellt werden, da die infizierte Zyste keinen Anschluss zu den ableitenden Harnwegen mehr haben muss und die mikrobiologische Untersuchung des Urins damit negativ sein können. Fieber in Kombination mit Flankenschmerzen und laborchemischen Entzündungszeichen sind hier die typischen Manifestationen. Konventionelle CT- oder MRT-Untersuchungen sind in der Regel nicht hilfreich, da sich infizierte Zysten kaum von anderen Zysten unterscheiden. Bei wiederholten Zystinfektionen und dem Verdacht, dass es sich um therapierefraktäre Rezidive, ausgehend von einem Herd, handeln könnte, ist möglicherweise die Durchführung eines PET-CT zur Identifizierung der infizierten Zyste sinnvoll. Ob damit das therapeutische Vorgehen beeinflusst wird, bleibt abzuwarten. Entscheidend für den Erfolg der Therapie ist die Wahl eines zystengängigen Antibiotikums (z. B. ein Fluoroquinolon) und die Therapiedauer. Zystinfektionen sprechen deutlich langsamer (meist erst nach 3–4 Tagen) auf eine Antibiotikatherapie an als unkomplizierte Pyelonephritiden und müssen in der Regel für mindestens 10–14 Tage behandelt werden, um ein frühes Rezidiv zu verhindern.

Nierenzellkarzinome

Die Inzidenz von Nierenzellkarzinomen ist bei ADPKD-Patienten nicht erhöht. Als Besonderheit ist aber zu berücksichtigen, dass diese häufig multifokal und/oder bilateral sind.

Andere extrarenale Manifestationen

Divertikel des Kolon sind häufiger bei Patienten mit ADPKD, werden aber praktisch immer erst bei Eintritt der terminalen Niereninsuffizienz oder nach Nierentransplantation symptomatisch. Herzklappenveränderungen, insbesondere ein Prolaps der Mitralklappen (25 %), wird ebenfalls gehäuft beobachtet, ist aber in der Regel klinisch nicht relevant. Zysten können auch in anderen Organen (Pankreas 5 %, Samenblasen 40 %, Arachnoidea 8 %, Meningen) auftreten. Ovarielle Zysten gehören allerdings nicht zum Krankheitsbild der ADPKD.

Diagnostik

Klinisch

Die Diagnose kann in den meisten Fällen klinisch gestellt werden. Etwa 70 % aller ADPKD-Patienten haben eine typische Familienanamnese. Bei den restlichen 30 % muss man entweder von einer Neumutation oder einer nichtmanifesten Erkrankung der Eltern ausgehen. Die Kombination von vergrößerten Nieren mit multiplen Zysten und unregelmäßiger Nierenoberfläche und Nierenfunktionseinschränkung ist weitestgehend beweisend. Die Diagnose kann durch den Nachweis von Leber- oder Pankreaszysten weiter erhärtet werden.

Ultraschall

Bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese kann die Diagnose mit zunehmenden Alter sonographisch ein- oder ausgeschlossen werden. Der Nachweis von ≥3 Zysten (uni- oder bilateral) im Alter von 15–39 Jahren ist für die Diagnose ADPKD hinreichend („positive predictive value“ 100 %), während umgekehrt der Ausschluss der Erkrankung aufgrund der langsamen Progredienz bei PKD2-Mutationen erst möglich ist, wenn Familienangehörige im Alter von >40 Jahren weniger als 2 Zysten aufweisen (Pei et al. 2009).

Genetik

Der genetische Nachweis lässt sich bei positiver Familienanamnese und ausreichend vielen Familienmitgliedern mittels „Linkage“-Analyse führen, ansonsten durch Sequenzierung von PKD1 und PKD2, womit sich die Diagnose aufgrund der Genkomplexität allerdings auch nur in ca. 85 % der Fälle eindeutig stellen lässt. Gegenwärtig sind diese genetischen Analysen auf bestimmte Fragestellungen begrenzt (z. B. zum Ausschluss der Erkrankung vor Nierenspende),denn sie sind teuer und haben momentan noch keine direkten therapeutischen Konsequenzen. Da aber die Kosten für eine komplexe genetische Analyse (einschließlich vollständiger Genomanalysen) in den nächsten Jahren stark abnehmen werden und die genetische Analyse möglicherweise helfen, Prognose und Therapie zu definieren, ist hier eine veränderte Vorgehensweise in naher Zukunft zu erwarten.

Differenzialdiagnostik

Der autosomal-dominante Erbgang in Verbindung mit dem Manifestationsalter (30–60. Lebensjahr) schließt die meisten rezessiven Erkrankungen (z. B. Nephronophthise, Bardet-Biedel-Syndrom, Meckel-Gruber-Syndrom, autosomal rezessive polyzystische Nierenerkrankung) aus, die in der Regel entweder bereits perinatal oder in den ersten ein bis zwei Lebensdekaden in Erscheinung treten. Patienten mit tuberöser Sklerose (TSC) können bilaterale Zystennieren entwickeln, die sich im Anfangsstadium kaum von ADPKD-Nieren unterschieden. Allerdings kommt es seltener zur signifikanten Nierenfunktionseinschränkung, während der gleichzeitige, häufig bilaterale Nachweis eines renalen Angiomyolipoms praktisch diagnostisch für TSC ist. Auch Patienten mit einem von Hippel-Lindau-Syndrom können Zysten entwickeln, die möglicherweise eine Präkanzerose für ein Nierenzellkarzinom darstellen. Auch hier kommt es in der Regel erst zur Funktionseinschränkung, wenn aufgrund rezidivierender Tumoren Teile der Niere entfernt werden müssen. Der Ausschluss einer medullären zystischen Nierenerkrankung („Medullary Cystic Kidney Disease“, MCKD-Komplex) dürfte schwieriger sein.
Es sind 2 Typen bekannt:
  • MCKD1 mit einer terminalen Niereninsuffizienz zwischen 30 und 40 Lebensjahren und
  • MCKD2, verursacht durch Mutationen des Uromodulins/Tamm-Horsefall-Proteins
MCKD2-Patienten verlieren zeitgleich mit ADPKD-Patienten im 5.–6. Lebensjahrzehnt ihre Nierenfunktion. Bei überwiegender Lokalisation kleiner Zysten im Bereich der Medulla ohne wesentliche Vergrößerung der Nieren sollte an diese Diagnose gedacht werden. Bei der multizystischen Dysplasie (MCDK) treten Zysten in der Regel einseitig auf und sind häufig mit anderen Fehlbildungen der ableitenden Harnwege verbunden.

Therapie

Gegenwärtig beschränkt sich die Therapie der ADPKD auf eine Behandlung des arteriellen Hypertonus (s. o.), der Vermeidung von nephrotoxischen Medikamenten und die symptomatische Therapie der extrarenalen Komplikationen (s. o.).
Mehrere Studien wurden initiiert, um über Hemmung des Zystenwachstums die Krankheitsprogredienz zu verlangsamen. Hierzu gehören insbesondere drei Gruppen von therapeutischen Ansätzen:
  • mTOR-Hemmung
  • cAMP-Hemmung
  • Einsatz von Somatostatinanaloga

mTOR-Inhibitoren

In verschiedenen Mausmodellen können mTOR-Inhibitoren die Krankheitsprogredienz signifikant verzögern. In einer Studie mit ca. 430 ADPKD-Patienten konnte der mTOR-Inhibitor Everolimus das Wachstum von Zysten zwar verzögern, führte jedoch zu keiner Verbesserung der Nierenfunktion. In einer ähnlichen Studie mit über 100 ADPKD-Patienten konnte der mTOR-Inhibitor Rapamycin zwar das Zystwachstum nicht verhindern; Patienten mit einer relativ gut erhaltenen Nierenfunktion schienen jedoch von dieser Therapie zu profitieren. Insgesamt war eine hohe Rate an Nebenwirkungen zu verzeichnen, die den langfristigen Einsatz dieser Medikamente schwierig macht.

Vasopressinantagonisten

Vasopressin-2-Rezeptor-Antagonisten (V2RA) reduzieren die Akkumulation von cAMP in den Tubuluszellen. Eine kürzlich abgeschlossene Studie (Torres et al. 2012b), in der 1.445 Patienten für 3 Jahre mit dem V2RA-Tolvaptan behandelt wurden, zeigte eine Reduktion der Zunahme des Nierenvolumens von 5,5 % auf 2,8 % pro Jahr. Gleichzeitig verschlechtere sich die Nierenfunktion etwas langsamer (1/Kreatinin mg/ml: –2,61 bs. versus oder bzw. 3,81 mg/ml–1). Ob diese Unterschiede klinisch relevant sind, bleibt abzuwarten. Die wichtigste Nebenwirkung ist die durch V2RA induzierte Polyurie/Nykturie.

Somatostatinanaloga

Somatostatinanaloga hemmen die cAMP-Produktion sowohl in Nieren- wie auch in Leberzellen und wurden daher bisher vorzugsweise zur Hemmung des Wachstums von Leberzysten eingesetzt. So führt das Somatostatinanaloga Lanreotid (verabreicht über 6 Monate) bei Patienten mit zystischer Lebererkrankung zu einer 4 %igen Abnahme des Lebervolumens. Eine weitere Studie (RESOLVE) untersucht gegenwärtig den Effekt von Lanreotid auf Leber- und Nierenvolumen bei ADPKD-Patienten (Gevers et al. 2012).
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