Definition
Benigne Tumoren der Leber stellen eine heterogene Gruppe intrahepatischer Raumforderungen dar und werden zumeist zufällig im Rahmen einer abdominellen Bildgebung entdeckt (Shaked et al.
2011). Die wichtigste Differenzialdiagnose stellen die primären Malignome der Leber (hepatozelluläre Karzinome (HCC) sowie intrahepatische Gallengangkarzinome) sowie Metastasen extrahepatischer Malignome dar. Die häufigsten benignen Lebertumoren sind Adenome, fokale noduläre Hyperplasien,
Hämangiome und Zysten.
Leberzysten
Leberzyste
n sind die häufigsten gutartigen Lebertumoren. Klinisch wichtig ist die Unterscheidung in unkomplizierte Zysten, Zystadenome und Zystadenokarzinome sowie die Abgrenzung von Zysten infektiöser Genese (z. B. Echinokokkuszysten). Die Größe von Leberzysten ist sehr variabel und reicht von wenigen Millimetern bis zu mehr als 20 cm. Zu unterscheiden sind zudem solitäre Leberzysten von
polyzystischen Lebererkrankungen. Unkomplizierte Zysten zeichnen sich durch einen zumeist klaren, sterilen Inhalt, der von einer einzelligen Epithelschicht umgeben ist, aus. Während unkomplizierte Zysten nicht entarten, besteht bei Zystadenomen das Risiko einer malignen Entartung. Zystadenokarzinome stellen maligne, zystische Lebertumoren dar und bedürfen einer chirurgischen Resektion.
Adenome
Adenom
e sind gutartige Tumoren epithelialen Ursprungs und morphologisch und histologisch oft nur schwer von hochdifferenzierten hepatozellulären Karzinomen zu unterscheiden. Sie kommen überwiegend als solitäre Läsionen vor und werden häufig zufällig diagnostiziert oder durch abdominelle
Schmerzen im Rahmen einer Einblutung symptomatisch. Obwohl eine generelle Adenom-Karzinom-Sequenz bei Lebertumoren nicht vorliegt, sind
maligne Transformationen in bis zu 10 % aller Adenome beschrieben. Ein stark erhöhtes Entartungsrisiko scheint bei Adenomen mit Positivität für β-Catenin vorzuliegen. Das Vorliegen von zehn oder mehr Adenomen wird als Adenomatose
bezeichnet. Im Gegensatz zu solitären Adenomen zeichnen sich Adenomatosen durch ein höheres Risiko für Blutung und Entartung, ein hormonunabhängiges Wachstum und durch eine häufige Assoziation mit portalvenösen Fehlbildungen aus.
Fokale noduläre Hyperplasien
Fokale noduläre Hyperplasien (FNH) stellen ebenso wie Adenome überwiegend solitäre Leberläsionen dar. Pathologisch-anatomisch sind FNH durch eine zentrale Leberarterie mit radiär angeordneten benachbarten Lebervenen gekennzeichnet, die in der Dopplersonographie ein typisches Radspeichenmuster imitieren. Somit stellen FNH am ehesten benigne noduläre Wachstumsareale mit pathologisch gesteigerter arterieller Perfusion dar. Eine Assoziation von FNH mit der hereditären Teleangiektasie (M. Osler-Rendu) und dem Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom ist beschrieben.
Hämangiome
Hämangiom
e stellen benigne mesenchymale Tumoren der Leber dar. Sie gehören zur Gruppe der
Gefäßtumoren, ihre Ätiologie ist nicht abschließend geklärt. Die Tatsache, dass
Hämangiome meist angeboren sind, legt eine fehlerhafte Gefäßanlage nahe, diskutiert wird auch eine pathologische Versprengung embryonaler Gewebe im Sinne eines Hamartoms. Im Einklang mit einer Genese als konnatale Vaskulopathie werden viele Hämangiome bereits im Kindesalter diagnostiziert, hier sind unter anderem auch sog. Riesenzellhämangiome („giant cell hemangioma“) beschrieben.
Diagnostik
Die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen benignen Tumorentitäten der Leber sowie zwischen den benignen und malignen Tumorentitäten erfolgt in der Mehrzahl der Fälle mithilfe der bildgebenden Verfahren Ultraschall, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) und nur in wenigen Fällen mittels Feinnadelbiopsie (Ariff et al.
2009). Serologische Marker spielen keine Rolle in der Diagnostik, erhöhte
Tumormarker (AFP, CEA) sind ein Indiz für das Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms bzw. eines Adenokarzinoms. Während bei zystischen Raumforderungen und
Hämangiomen die Diagnose zumeist bereits nativsonographisch gestellt werden kann, bedarf es für die Diagnose von Adenomen und FNH, insbesondere in Abgrenzung zum hepatozellulären Karzinom und zu primären und metastatischen Adenokarzinomen in der Leber meist des Einsatzes eines oder mehrerer bildgebender Verfahren unter Hinzunahme von Kontrastmittel. Im Zweifelsfall sollte die Diagnostik immer an einem Zentrum mit ausgewiesener Expertise in der Diagnostik von Lebertumoren erfolgen.
Welches der bildgebenden Verfahren hinsichtlich Sensitivität und Spezifität das beste zur Diagnostik von Lebertumoren ist, ist aktuell unklar. Obwohl in den meisten Studien das MRT als das beste bildgebende Verfahren angegeben ist, bleibt anzumerken, dass in einigen Ländern z. B. die kontrastmittelgestützte
Sonographie trotz ihrer hohen Treffsicherheit bisher nicht zugelassen ist und somit ein Vergleich zwischen der Sonographie und der Kernspintomographie nicht abschließend vorgenommen werden kann.
Leberzysten
Sowohl solitäre Zysten als auch
polyzystische Lebererkrankungen können meist unproblematisch im nativen Ultraschall oder alternativ mittels Computertomographie oder Kernspintomographie diagnostiziert werden. In der
Sonographie imponieren Zysten echofrei mit dorsaler Schallverstärkung und nehmen kein Kontrastmittel auf. In der Computertomographie zeigt sich ein homogener Zysteninhalt mit wasserähnlichen Dichtewerten. Im MRT bestehen eine nur geringe Signalintensität in der T1-Gewichtung und eine hohe Signalintensität in der T2-Gewichtung. In allen Bildgebungen zeigen sich eine glatte Berandung mit einer dünnen Wand und eine fehlende Septierung. Beim Vorliegen von Septen oder inhomogenem Zysteninhalt besteht der dringende Verdacht auf ein Zystadenom bzw. ein Zystadenokarzinom, auch wenn es sich in einem Teil der Fälle um eingeblutete, unkomplizierte Zysten handeln kann. Weitere Hinweise auf das Vorliegen von komplizierten Zysten sind multilokuläres Wachstum, echoarmer Zysteninhalt, verdickte Zystenwände und papilläre intrazystische Wachstumsformationen. Intrazystische Kalzifikationen legen eine infektiöse Genese (Echinokokkuszyste
) nahe. In jedem Fall sollte beim Vorliegen einer komplizierten Leberzyste eine Echinokokkenserologie durchgeführt werden. Eine Unterscheidung zwischen einer eingebluteten Zyste und einem Zystadenom oder Zystadenokarzinom kann nur histologisch erfolgen. Aufgrund der Rupturgefahr mit möglicher peritonealer Aussaat sollte eine Biopsie bei Verdacht auf ein Zystadenokarzinom im Regelfall nur intra- oder postoperativ durchgeführt werden.
Adenome
In der nativen
Sonographie sind Leberadenome im Regelfall nicht von gesundem Lebergewebe zu unterscheiden, sodass der Kontrastmittelsonographie eine zentrale Bedeutung zukommt. Nach Applikation von Kontrastmittel kommt es in der früharteriellen/arteriellen Phase typischerweise zu einer zentripetalen Anflutung, sodass die Adenome echoreich imponieren. In den meisten Fällen kommt es in der portalvenösen Phase zum Angleich an das umliegende Lebergewebe, daher erscheinen die Läsionen danach echogleich zum gesunden Leberparenchym.
In der Computertomographie zeigt sich in der arteriellen Phase ein peripheres Enhancement mit nachfolgender zentripetaler Auffüllung. In der portalvenösen Phase findet auch hier eine Angleichung an das umliegende Lebergewebe statt, zum Teil besteht in der Spätphase auch eine Hypodensität.
In der Magnetresonanztomographie sind Adenome häufig bereits ohne die Verwendung von Kontrastmittel nachweisbar, auch wenn das Erscheinungsbild der Tumoren sehr heterogen ist. Adenome besitzen zumeist sowohl in der T1-Gewichtung als auch in der T2-Gewichtung ein hyperintenses Signal. Bei Einsatz von Gadolinium wird besonders das T2-Signal in der Frühphase verstärkt, bevor es auch hier zum Angleich in der Spätphase kommt.
Fokale noduläre Hyperplasien
Das Erscheinungsbild von FNH im nativen Ultraschall ist sehr variabel und reicht von echoarmen bis zu echoreichen Läsionen. In einer Vielzahl der Fälle sind die Läsionen nicht oder nur sehr schwer von der gesunden Leber zu unterscheiden. Hingegen zeigen sich nach Injektion von Kontrastmittel oft bereits in der früharteriellen Phase eine charakteristische zentrale Auffüllung mit einer prominenten Arterie sowie ein angedeutetes Radspeichenmuster der Auffüllung. Dieser zentralen Anflutung folgt eine zentrifugale Kontrastierung mit rascher kompletter Auffüllung. In der portalvenösen Phase ist zudem häufig eine zentrale Narbe nachweisbar, die bis in die Spätphase sichtbar bleibt.
In der Computertomographie erscheinen FNH im Regelfall hypo- bis isodens und zeigen in der arteriellen Phase ein hyperdenses Signal. In der portalvenösen Phase folgt meist der Angleich an das Leberparenchym, dieser isodense Charakter bleibt häufig bis in die Spätphase erhalten.
In der nativen Magnetresonanztomographie sind FNH in der Mehrzahl der Fälle nur schlecht von gesundem Lebergewebe zu unterscheiden. Dementsprechend sind FNH häufig sowohl in der T1- als auch in der T2-Gewichtung isointens mit Tendenz zu hyperintensem Signalcharakter in der T2-Gewichtung. Nach Gadoliniumgabe kommt es auch hier zur früharteriellen Anreicherung aufgrund der zentralen arteriellen Blutversorgung, während der Signalcharakter in der Spätphase eher isointens ist.
Hämangiome
Hämangiome imponieren im nativen Ultraschall in der Regel als homogene, echoreiche Tumoren. In größeren Hämangiomen verliert sich oft der homogene Echocharakter zugunsten einer gemischten Echogenität. In der kontrastmittelgestützten
Sonographie zeichnen sich Hämangiome meist durch ein noduläres Randenhancement in der Frühphase mit zentripetaler Auffüllung in der Spätphase aus. In der Spätphase bleiben Hämangiome im Regelfall für einige Minuten echoreich.
Ähnliche Charakteristika zeigen
Hämangiome im Kontrastmittel-CT, in dem sie anfänglich hypodens imponieren, gefolgt von einem nodulären Randenhancement in der Frühphase und einer zentripetalen Auffüllung in der Spätphase.
In der Magnetresonanztomographie zeichnen sich
Hämangiome durch eine geringe Signalintensität in der T1-Gewichtung sowie durch ein hyperdenses T2-Signal aus. Nach Injektion von Gadolinium-haltigem Kontrastmittel zeigt sich auch hier ein noduläres bis globales Randenhancement mit zentripetaler Auffüllung.
Differenzialdiagnostik
Die wichtigste Differenzialdiagnose der benignen Lebertumoren stellen maligne Lebertumoren sowie hepatische Metastasen extrahepatischer Primärtumoren dar. Die wichtigsten malignen Lebertumoren stellen dabei das hepatozelluläre Karzinom
(HCC) und das intrahepatische Gallengangskarzinom (CCC) dar. Hepatische Metastasen stammen meist aus Adenokarzinomen (Kolon, Pankreas, Lunge, Mamma usw.), in selteneren Fällen auch aus neuroendokrinen Tumoren des Gastrointestinaltraktes, Plattenepithelkarzinomen oder
Sarkomen. In spezialisierten Zentren kann mittels adäquater Bildgebungsverfahren (Kontrastmittelsonographie, mehrphasige Kontrastmittel-CT, Kontrastmittel-MRT) in über 90 % aller Fälle eine Unterscheidung zwischen malignen und benignen Läsionen getroffen werden. Eine besondere Herausforderung stellen hierbei Adenome und Adenomatosen dar, da diese Läsionen nur sehr schwer von hochdifferenzierten hepatozellulären Karzinomen zu unterscheiden sind und
Transformation von Adenomen in hepatozelluläre Karzinome beschrieben sind. Daher sollte bei Verdacht auf das Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms im Zweifelsfall eine bioptische Sicherung mittels Feinnadelbiopsie erfolgen.
Therapie
Evidenzbasierte klinische Leitlinien zum Management von Patienten mit benignen Lebertumoren existieren aufgrund der geringen Anzahl von prospektiven Studien bislang nicht. Daher ist es im Einzelfall wichtig, die durch die Lebertumoren bedingten potenziellen klinischen Komplikationen richtig einzuschätzen und das klinische Management daran auszurichten. Zu beachten ist vor allem das Risiko einer malignen Entartung, einer Ruptur sowie eines unkontrollierten Wachstums mit Beeinträchtigung der Funktion von Leber und Nachbarorganen.
Leberzysten
Solitäre Leberzysten bedürfen im Regelfall keiner Therapie. Bei symptomatischen Leberzysten mit intrazystischer Infektion oder Einblutung sollte eine sonographiegestützte Aspiration erfolgen. Im Falle eines Rezidivs sollte eine Injektion von Äthoxysklerol nach erneuter Aspiration erwogen werden. Eine chirurgische Entdeckelung von Leberzysten sollte nur bei persistierender klinischer Symptomatik und nach erfolgter konservativer Therapie erfolgen. Rupturierte Zysten mit nachfolgender hämodynamischer Instabilität bedürfen einer sofortigen chirurgischen Intervention. Zystadenom
e sollten aufgrund ihres Entartungsrisiko reseziert werden, wobei eine Enukleation oder eine partielle Leberresektion in Frage kommen. Bei Zystadenokarzinom
en sollte eine partielle Leberresektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand erfolgen. Bei symptomatischen, therapierefraktären Verläufen polyzystischer Lebererkrankung
en ist eine
Lebertransplantation zu erwägen.
Adenome
Das Management von Adenomen wird aufgrund der Möglichkeit einer malignen Entartung kontrovers diskutiert. Nach Diagnose eines solitären Adenoms unter dem Einfluss hormoneller Kontrazeptiva erscheint ein konservatives Vorgehen (Absetzen der hormonellen Kontrazeption, Monitoring des Wachstums) vertretbar. Bei progredientem Wachstum nach Absetzen der Kontrazeptiva sollte eine Resektion erwogen werden. Dasselbe gilt für symptomatische Adenome sowie für Adenome mit einer Größe von mehr als 5 cm. Patienten mit Adenomatosen sollten für eine
Lebertransplantation evaluiert werden.
Fokale noduläre Hyperplasien
Da FNH im Gegensatz zu Adenomen nicht maligne entarten und nur selten symptomatisch werden, ist generell ein konservatives Management anzuraten. Nach Erstdiagnose einer FNH sollte eine Größenprogredienz ausgeschlossen werden, bei progredientem Wachstum sollte auf die Einnahme von östrogenhaltigen Kontrazeptiva verzichtet werden. Chirurgische Resektionen sollten nur bei symptomatischen FNH oder z. B. bei drohender Kompression von Gefäßen und Nachbarorganen erfolgen.
Hämangiome
Da
Hämangiome nur selten ein progredientes Wachstum zeigen, ist ein konservatives klinisches Management zu empfehlen (Terkivatan et al.
2006). Die Beendigung einer hormonellen Kontrazeption erscheint nicht zwingend notwendig. Chirurgische Resektionen sind nur bei symptomatischen oder rupturgefährdeten, subkapsulären Hämangiomen indiziert. Alternative Behandlungsoptionen wie die arterielle Embolisation haben keinen gesicherten Stellenwert in der Behandlung von Hämangiomen und sollten deshalb nur in begründeten Einzelfällen angewendet werden.