Die chronische interstitielle Nephritis (CIN) ist histologisch durch eine progressive Fibrose des Tubulointerstitiums mit monozytären und lymphozytären Infiltraten charakterisiert.
Die chronische interstitielle Nephritis (CIN) ist histologisch durch eine progressive Fibrose des Tubulointerstitiums mit monozytären und lymphozytären Infiltraten charakterisiert.
Pathophysiologie
Die Schädigung kann durch Medikamente, Toxine, Kristalle, immunologische Mechanismen, Infektionen sowie durch eine Obstruktion oder Ischämie ausgelöst werden. Darüber hinaus kann nahezu jede Nierenerkrankung eine sekundäre CIN induzieren. Unabhängig vom auslösenden Agens verläuft die Reaktion auf die tubulointerstitielle Schädigung sehr stereotyp und führt schließlich zur Fibrose des Interstitiums mit Verlust der Nierenfunktion.
Dieser Beitrag beschränkt sich auf die primär induzierte CIN.
Epidemiologie
Die primäre CIN ist für etwa 3–4 % aller Fälle einer terminalen Niereninsuffizienz verantwortlich.
Klinik
Der Nierenfunktionsverlust ist häufig schleichend. Die Proteinurie beträgt meist weniger als 1 g/Tag, eine Hämaturie ist selten. Typisch ist die frühzeitige Entwicklung einer normochromen normozytären Anämie, einer renal tubulären Azidose und einer kochsalzsensitiven arteriellen Hypertonie. Häufig klagen die Patienten über Polyurie und Polydipsie infolge eines nephrogenen Diabetes insipidus.
Medikamentös induzierte CIN
Bei 15 % aller mit Lithium behandelten Patienten kommt es zur signifikanten Verschlechterung der Nierenfunktion aufgrund einer interstitiellen Schädigung. Typisch ist der Nachweis von kortikalen Mikrozysten.
Die Analgetikanephropathie resultiert aus chronischem Gebrauch nichtsteroidaler Antiphlogistika und tritt bei Frauen deutlich häufiger auf. Die Inzidenz ist seit dem Verbot phenacetinhaltiger Präparate deutlich rückläufig. Typisch sind unregelmäßig begrenzte verkleinerte Nieren mit papillären Kalzifikationen oder kortikalen Zysten (Abb. 1).
Abb. 1
CT Abdomen (kontrastmittelverstärkte koronare Rekonstruktion) eines Patienten mit CIN bei chronischem Analgetikaabusus. Es imponieren verkleinerte, wellig begrenzte Nieren mit kortikalen Zysten (Pfeile). (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. med. Arno Bücker M.Sc., Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Deutschland)
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Die CIN bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist häufig Folge einer Aminosalizylattherapie. Cyclosporin und Tacrolimus induzieren dosisabhängig eine überwiegend tubulointerstitielle Nephropathie, die letztendlich zum Transplantatverlust beitragen kann.
Metabolisch induzierte CIN
Bei bis zu 50 % aller Patienten mit langjährigem Gichtleiden findet sich eine abnormale Nierenfunktion. Im Verhältnis zur Nierenfunktion überproportional erhöhte Serumharnsäurespiegel bei milder Proteinurie und unauffälligem Urinsediment lassen an eine Uratnephropathie denken.
Eine chronisch persistierenden Hypokaliämie (<3,0 mmol/l) kann zur interstitiellen Schädigung mit histologisch charakteristischer Vakuolenbildung führen. Diese hypokaliämische Nephropathie ist nach Kaliumsubstitution oft reversibel.
Auslöser einer hyperkalzämischen Nierenschädigung sind Hyperkalzämie und Hyperkalziurie. Typisch ist der bildgebende Nachweis einer Nephrokalzinose. Im Urinsediment imponieren kalziumhaltige Kristalle.
Toxisch induzierte CIN
Die in traditionellen chinesischen Arzneimitteln enthaltene nephrotoxische Aristolochiasäure verursacht die sog. „chinese herbs nephopathy“. Dieses Toxin scheint in Kombination mit einer genetischen Prädisposition auch für die endemische Balkan-Nephritis verantwortlich zu sein. Eine Besonderheit dieser Erkrankungen ist die erhöhte Inzidenz uroepithelialer Karzinome.
Verschiedenste Schwermetalle können eine CIN auslösen, am bedeutsamsten ist die chronische Blei-Nephropathie. Diese ist nahezu immer mit einer arteriellen Hypertonie und Hyperurikämie assoziiert. Begleitend können neurologische Symptomen im Rahmen der Bleivergiftung auftreten.
CIN bei Systemerkrankungen
Beim Sjögren-Syndrom ist eine isolierte renale Beteiligungen möglich, während bei der Sarkoidose und insbesondere beim SLE häufig ausgeprägte extrarenale Symptome vorliegen.
Zunehmend Beachtung finden IgG4-vermitteltete sklerosierende Erkrankungen, die eine tubulointerstitielle Nephritis induzieren können. Diese Komplikation ist v. a. bei der Autoimmunpankreatitis beschrieben.
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
Neben der Anamnese ist eine umfassende Diagnostik des Urins häufig wegweisend. Neben der verminderten glomerulären Filtrationsrate besteht regelhaft eine tubuläre Proteinurie (α1-Mikroglobulin, β2-Mikroglobulin und retinolbindendes Protein). Bei fortgeschrittener Schädigung finden sich eine Aminoazidurie sowie eine Phosphaturie. Das Urinsediment ist wenig charakteristisch, hilft jedoch bei dem Ausschluss anderer Ätiologien einer chronischen Niereninsuffizienz. Diesbezüglich erlaubt die Nierenbiopsie eine eindeutige Diagnose.
Therapie
Entscheidend ist die rasche Identifikation und Elimination der ursächlichen Noxe zur Vermeidung einer Progression der CIN. Zu den Allgemeinmaßnahmen gehören diätetische Kochsalzrestriktion, Meidung nephrotoxischer Substanzen sowie Nikotinkarenz. Darüber hinaus sollte eine optimale Blutdruckkontrolle, aufgrund des antiproteinurischen Effektes vorzugsweise mit ACE-Hemmern oder AT1-Inhibitoren, angestrebt werden. Bei systemischen Erkrankungen ist häufig eine spezifische Therapie notwendig.
Verlauf und Prognose
Die Ätiologie der CIN sowie individuelle Faktoren beeinflussen den Verlauf der Erkrankung erheblich, wodurch verlässliche Prognosen schwierig sind. Chronische interstitielle Schäden gelten fast ausnahmslos als irreversibel.
Literatur
Bamias G, Boletis J (2008) Balkan nephropathy: evolution of our knowledge. Am J Kidney Dis 52:606–616PubMedCrossRef