Schmerzen
Schmerzen sind bei den meisten Patienten das führende klinische Symptom. Sie sind der häufigste Grund für eine interventionelle oder chirurgische Therapie. Typisch sind epigastrische Schmerzen mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken, häufig einhergehend mit Übelkeit und Erbrechen und damit den Beschwerden im Rahmen einer
akuten Pankreatitis ähnelnd. Zwei unterschiedliche Schmerzverläufe konnten in klinischen Kohortenstudien charakterisiert werden (Ammann
1996; Mullady et al.
2011): rekurrierende starke Schmerzen mit dazwischenliegenden annähernd schmerzfreien Episoden (Typ A) und chronische kontinuierliche Schmerzen (Typ B), die bei Patienten mit meist alkoholinduzierter
chronischer Pankreatitis beobachtet werden. In seltenen Fällen (10–15 % der Patienten) werden Schmerzen gar nicht berichtet, und die Erkrankung wird durch die Symptome der Pankreasinsuffizienz apparent. Dies trifft vor allem für Patienten mit idiopathischer chronischer Pankreatitis vom „Late-onset“-Typ oder für Patienten mit autoimmuner Pankreatitis zu, bei denen die Erkrankung durch einen
Diabetes, einen
Ikterus oder Zeichen der Maldigestion manifest wird (Park et al.
2009). Differenzialdiagnostisch muss auch bei Patienten mit chronischer Pankreatitis jedoch immer an andere mögliche Schmerzursachen gedacht werden, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Grunderkrankung stehen. Während infolge der chronischen Pankreatitis Schmerzen durch akute entzündliche Schübe, durch eine Komplikation wie eine Pseudozyste mit Kompressionserscheinungen, Gallengangsobstruktion, Duodenalstenose durch einen entzündlichen Pankreaskopftumor oder im Rahmen einer Thrombose der Milzvene oder der Pfortader auftreten können, können auch bei diesen Patienten Schmerzen durch extrapankreatische Erkrankungen wie Ulcera ventriculi et duodeni,
Gallensteine oder mesenteriale Ischämien auftreten. Auch opioidinduzierte Nebenwirkungen wie Gastroparese und
Obstipation können Schmerzen ähnlich der Dyspepsie und dem
Reizdarmsyndrom auslösen (Braganza et al.
2011).
Die in klinischen Studien schwierige objektive Erfassung des Symptoms
Schmerz, die Tatsache, dass annähernd asymptomatische Patienten häufig unerfasst bleiben und der retrospektive Charakter der meisten Studien machen verlässliche Aussagen zum Schmerzverlauf schwierig. Die beobachteten morphologischen Veränderungen korrelieren nicht mit der Inzidenz und der Schwere der Schmerzen (Ammann und Muellhaupt
1999; Malfertheiner et al.
1990).
Bei einem Teil der Patienten (in der Literatur bis 80 %) wird ein Verschwinden des
Schmerzes im Langzeitverlauf beschrieben (sog. „burn out“) (Lankisch et al.
1995). Eine prospektive Kohortenstudie konnte dies sogar für 95,6 % der Patienten nach einer medianen Zeit von zehn Jahren nach Krankheitsbeginn zeigen. Dieser Zeitpunkt fiel mit dem Auftreten der exokrinen und/oder endokrinen Insuffizienz zusammen (Müllhaupt et al.
2005). Andere Studien belegen einen Zusammenhang zwischen der Abnahme des Schmerzes und dem Auftreten einer Pankreasinsuffizienz nicht (Lankisch et al.
1993) und gehen davon aus, dass bei 50 % der Patienten die Schmerzen persistieren. Die alkoholinduzierte
chronische Pankreatitis ist durch zwei klinische Krankheitsphasen charakterisiert. Während initial wiederholte akute Pankreatitiden mit in diesem Rahmen auftretenden Schmerzen das Bild dominieren, bestimmen die Folgen des endokrinen und exokrinen Funktionsverlustes das klinische Bild in der späteren Erkrankungsphase, in der sich morphologisch häufig Kalzifikationen des Organs zeigen.
Der Einfluss interventioneller Therapien (operative resezierende und/oder drainierende Verfahren und endoskopische Interventionen wie Stenteinlagen und extrakorporale Stoßwellenlithotripsie) auf den Verlauf der
Schmerzen wurde in vielen klinischen Studien mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen adressiert.
Unabhängig von der vorangegangenen
Schmerztherapie konnte in einigen Studien durch eine Resektion des Pankreaskopfes, der als Schrittmacher der chronischen Entzündung gilt, auch eine langfristige Schmerzfreiheit erreicht werden (Alexakis et al.
2004). Die Wahrscheinlichkeit des Erreichens einer Schmerzfreiheit scheint dabei höher zu sein, wenn der operative Eingriff früher im Verlauf der Erkrankung durchgeführt wird (Ahmed Ali et al.
2012). Nach duodenumerhaltender Pankreaskopfresektion sind bis zu 80 % der Patienten langfristig schmerzfrei (Beger
1987). Durch die postoperativ verringerte Schubfrequenz, Verringerung der Schmerzintensität bis hin zur Schmerzfreiheit und die daraus resultierende verbesserte
Lebensqualität verändert der operative Eingriff häufig den natürlichen Verlauf der Erkrankung (Beger et al.
1999). In Bezug auf den Schmerzverlauf ist die operative Therapie der endoskopischen überlegen, jedoch liegen hier nur wenige qualitativ hochwertige Studien mit adäquaten Patientenzahlen vor (Ahmed Ali et al.
2012; Díte et al.
2003; Cahen et al.
2005). Ein großer Teil der Patienten, bei denen initial durch eine endoskopische Therapie eine Beschwerdelinderung erzielt werden kann, muss im Langzeitverlauf dennoch operativ therapiert werden (Cahen et al.
2011). Die im direkten Vergleich gezeigte Überlegenheit der Chirurgie über die Endoskopie bezüglich des Langzeitverlaufs der
Schmerzen wurde bisher nur für chirurgische Drainageverfahren (z. B. Puestow, Partington-Rochelle), aber noch nicht für die resezierenden Verfahren gezeigt.
Exokrine Pankreasinsuffizienz
Die Symptome der exokrinen Pankreasinsuffizienz
in Form von Fettstühlen treten meist erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auf, nämlich dann, wenn durch den fibrotischen Umbau des Organs 80–90 % des Parenchyms zerstört sind und die Lipasesekretion auf weniger als 10 % des Normalen reduziert ist (DiMagno et al.
1973). Die gestörte Fettverdauung wird dabei häufig zuerst klinisch manifest, weil die Lipasesekretion schneller abnimmt als die Sekretion von Proteasen oder Amylasen und zusätzlich gastrale und intestinale
Enzyme die Kohlenhydrat- und Proteinverdauung bei Vorliegen einer exokrinen Pankreasinsuffizienz partiell kompensieren können. Entscheidend für das Auftreten von Fettstühlen ist allerdings die Aufnahme von ausreichend Fett mit der Nahrung. Infolge der gestörten Fettverdauung kann es zu einer Malabsorption von
Vitamin B12 und der fettlöslichen
Vitamine A, D, E und K kommen, auch wenn manifeste Vitaminmangelerkrankungen selten sind (Toskes et al.
1971).
Mit fortschreitender
Fibrose nimmt die
Prävalenz einer exokrinen Pankreasinsuffizienz zu (Ammann et al.
1996). Auch unter Noxenkarenz schreitet die exokrine Pankreasinsuffizienz bei Patienten mit alkoholinduzierter
chronischer Pankreatitis voran, jedoch weniger schnell und weniger ausgeprägt als bei Patienten, die einen Alkoholabusus fortführen (Gullo et al.
1988). Die Entwicklung einer exokrinen Insuffizienz läuft bei Patienten mit nicht alkoholischer chronischer Pankreatitis langsamer ab als bei Patienten mit alkoholinduzierter chronischer Pankreatitis, bei denen eine exokrine Insuffizienz bereits im Median sechs Jahre nach Krankheitsbeginn beobachtet wird (Müllhaupt et al.
2005; Ammann et al.
1987). Dies trifft insbesondere auf Patienten mit hereditärer und „juveniler“ chronischer Pankreatitis zu. Nach einer Erkrankungszeit von zehn Jahren leiden 80 % der Patienten mit alkoholinduzierter chronischer Pankreatitis an einer exokrinen Insuffizienz (Ammann und Muellhaupt
1999). Tabakrauch wurde inzwischen als zweiter wichtiger Faktor für die Progression der chronischen Pankreatitis identifiziert.
Durch eine operative oder endoskopische Intervention kann bei einigen Patienten das Fortschreiten des Funktionsverlustes möglicherweise verzögert werden (Nealon und Thompson
1993). Eine resezierende Pankreasoperation hingegen kann die Manifestation einer exokrinen Insuffizienz beschleunigen (van der Gaag et al.
2012; Keck et al.
2012). Zu beiden Aussagen ist die Studienlage allerdings noch kontrovers.
Diabetes mellitus
Unabhängig von der Ätiologie tritt die endokrine Insuffizienz bei den meisten Patienten erst nach der exokrinen Insuffizienz auf und wird bei 30–50 % der Patienten mit
chronischer Pankreatitis im Verlauf diagnostiziert (Mitchell et al.
2003). Der pankreoprive
Diabetes entsteht dabei zum einen infolge einer Betazelldysfunktion in einem chronisch-entzündlichen Milieu, zum anderen durch Zerstörung von Betazellen im Rahmen der fortschreitenden Fibrosierung (Sasikala et al.
2012) oder infolge einer resezierenden Therapie. Zusätzlich bestehen ein Defizit an pankreatischem Polypeptid, eine hepatische Insulinresistenz sowie eine gesteigerte periphere Insulinresistenz. In der alkoholinduzierten chronischen Pankreatitis wird die endokrine Insuffizienz im Median acht Jahre nach Krankheitsbeginn diagnostiziert, während dies bei Patienten mit der frühen Form der idiopathischen chronischen Pankreatitis erst nach 27 Jahren zutrifft. Die tropische Pankreatitis zeichnet sich dadurch aus, dass bereits zum Zeitpunkt der Diagnose bei etwa 70 % der Patienten sowohl eine exokrine als auch eine endokrine Insuffizienz vorliegen.
Da der Zelluntergang aber auch die glukagonproduzierenden Zellen betrifft, ist diese Diabetesform durch schwere Steuerbarkeit und häufige
Hypoglykämien gekennzeichnet (Kap. Typ-3-Diabetes).
Komplikationen der chronischen Pankreatitis
Die Komplikationen der
chronischen Pankreatitis sind vielfältig und können sowohl im Pankreas selbst als auch an den benachbarten Organstrukturen auftreten (Tab.
1 und
2).
Pseudozysten, die im Gegensatz zu den Pseudozysten infolge einer
akuten Pankreatitis nicht aus peripankreatischen Flüssigkeitsformationen, sondern meist aus Gangrupturen resultieren, treten bei etwa 10 % der Patienten mit chronischer Pankreatitis auf. Meist kommunizieren sie mit dem Pankreasgangsystem und zeigen daher laborchemisch hohe Konzentrationen an Pankreasenzymen. Sie sind von einer Kapsel aus fibrösem oder granulomatösem Gewebe ohne Epithelauskleidung umgeben und meist asymptomatisch. Abhängig von Größe und Lokalisation können sie jedoch ein breites Spektrum an klinischen Problemen auslösen:
Schmerzen, Obstruktion des Duodenum mit Magenausgangstenose oder Stenose der ableitenden Gallenwege mit
Ikterus, pankreatogene Ergüsse in Pleura oder Perikard, spontane Infektionen mit Ausbildung eines
Abszesses oder Ausbildung von Pseudoaneurysmata durch Andauung von Gefäßstrukturen mit der Gefahr von Blutungskomplikationen mit hoher Mortalität sind mögliche Komplikationen. Milzvenenthrombosen, die durch eine linksseitige
portale Hypertension in Form von Varizen in Magen und Ösophagus oder Splenomegalie klinisch evident werden können, sind eine weitere mögliche Folge der chronischen Pankreatitis.
Tab. 1
Mögliche Komplikationen der chronischen Pankreatitis
- Pseudozysten - Pankreasgangstrikturen - Pankreasgangrupturen | - Pseudozysten - Gallengangstenose - Duodenalstenose - Pankreatogene Fisteln - Seltene Komplikationen (z. B. Kolonstenosen) |
Tab. 2
Stadien der chronischen Pankreatitis (mit typischen klinischen und morphologischen Zeichen, Pankreasfunktion und empfohlenen diagnostischen Maßnahmen. (Modifiziert aufgrund der Entwicklungen der diagnostischen Methoden nach Ammann et al.
1984)
Früh | Wiederkehrende akute Attacken | Keine Komplikationen | Morphologische Veränderungen, die mit bildgebenden Untersuchungen des Parenchyms und des Gangsystems erkannt werden können | Normale endokrine und exokrine Funktion | EUS, ggf. MRP/(ERP), ggf. CT, FE-1 (ggf. SCT) |
Moderat | Progrediente Schmerzen (Intensität, Schubfrequenz) | Pseudozysten, Cholestase, segmentale portale Hypertension | Progrediente morphologische Veränderungen, die mithilfe verschiedener bildgebender Verfahren detektiert werden können | Einschränkung der Pankreasfunktion unterschiedlicher Schweregrade, aber selten Steatorrhoe | ERP/MRP, EUS, CT, FE-1 (PLT), HbA1c, ggf. Nüchternglukose oder oraler Glukosetoleranztest |
Fortgeschritten | Abnahme der Schmerzen („burn out of the pancreas“) | Pseudozysten, Cholestase, segmentale portale Hypertension | Kalzifikationen | Signifikante Einschränkung der Pankreasfunktion, häufiger Steatorrhoe als in anderen Stadien, Diabetes mellitus | Transabdominelle Sonographie, ERP/MRP, CT, FE-1, HbA1c, ggf. Nüchternglukose oder oraler Glukosetoleranztest |
Langzeitverlauf
Der Langzeitverlauf der
chronischen Pankreatitis wird vom Fortschreiten der morphologischen Veränderungen in Folge der Fibrosierung, dem Verlauf der
Schmerzen und des endokrinen und exokrinen Funktionsverlustes sowie dem Auftreten von Komplikationen der Erkrankung, von denen das
Pankreaskarzinom die gefürchtetste ist, bestimmt. Viele Variablen beeinflussen den Langzeitverlauf der Erkrankung zusätzlich. Dazu zählen Komorbiditäten, von denen eine chronische Alkoholkrankheit mit ihren Folgen häufig die dominierende ist. Hinzu kommen als weitere erschwerende Faktoren die Variabilität der klinischen Symptome mit oft später Diagnosestellung, die Variabilität der diagnostischen Kriterien sowie die fehlende Möglichkeit histologischer Untersuchungen im Verlauf. Charakterisierungen des Langzeitverlaufes der Erkrankungen bleiben daher schwer.
Die publizierten Daten im Hinblick auf den Einfluss der Ätiologie auf den Verlauf der
chronischen Pankreatitis sind zum Teil widersprüchlich. In der Endphase des Verlaufs, im Stadium der fortgeschrittenen
Fibrose, scheint es nur diskrete Unterschiede zwischen den unterschiedlichen ätiologischen Patientengruppen zu geben. Eine Ausnahme bildet die autoimmune Pankreatitis, bei der durch eine Steroidtherapie eine Besserung des klinischen Bildes erzielt werden kann (Pickartz et al
2007). Auch die chronisch-obstruktive Pankreatitis stellt eine Sonderform dar, in deren Verlauf es nach Beseitigung der Obstruktion zu einer Verbesserung des klinischen Bildes kommen kann. Die Progression bis zum Endzustand der fortgeschrittenen Fibrose unterscheidet sich zwischen den verschiedenen ätiologischen Gruppen hingegen zum Teil beträchtlich.
Die Lebenserwartung von Patienten mit
chronischer Pankreatitis im Vergleich mit einer gesunden Normalbevölkerung ist verkürzt. In einer multizentrischen Langzeitstudie an 2015 Patienten mit chronischer Pankreatitis konnte gezeigt werden, dass zehn Jahre nach der Diagnosestellung 70 % der Patienten lebten, während nach 20 Jahren bereits 55 % der Patienten verstorben waren. In einer multivariaten Analyse konnten Alter, Nikotinabusus, Alkoholabusus und die Entwicklung einer
Leberzirrhose als signifikante Einflussfaktoren identifiziert werden (Lowenfels et al.
1994). Nur bei etwa 20 % der Patienten steht die Todesursache in einem direkten Zusammenhang mit der chronischen Pankreatitis (Levy et al.
1989), bei den übrigen Patienten dominieren Langzeitfolgen des
Rauchens oder des Alkoholabusus sowie kardiovaskuläre Erkrankungen. Bei Patienten mit hereditärer chronischer Pankreatitis scheint die Lebenserwartung jedoch nicht kürzer als in der gesunden Normalbevölkerung, sofern sie nicht an einem
Pankreaskarzinom erkranken (Rebours et al.
2009).