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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 24.12.2018

Degenerative Arthropathien (Arthrose/Osteoarthritis)

Verfasst von: Elisabeth Märker-Hermann
Unter Arthrose (Osteoarthritis, OA) versteht man eine Erkrankung des gesamten Gelenks, also des Knorpels, Knochens, Synoviums und des Bindegewebes der Gelenkkapsel. Die Pathologie der Arthrose reflektiert das Ergebnis der Gelenkerkrankung mit Verlust und Erosion des Gelenkknorpels, subchondraler Sklerose und knöchernen Anbauten (Osteophyten). Die beiden häufigsten Arthroseformen sind die Arthrose großer Gelenke (Hüft- und Kniegelenksarthrose) sowie die Hand- und Fingergelenkspolyarthrose. Die Polyarthrose der Hände und Fingergelenke wird nochmals in die Subgruppen der nodalen Interphalangeal-OA, der Daumengrundgelenks-OA (Rhizarthrose) und der erosiven Polyarthrose unterteilt. Zudem unterscheidet man die primären Arthrosen von sekundären Arthrosen als Folge anderer Gelenk- und Stoffwechselerkrankungen. Eine kausale Therapie ist bislang nicht möglich, die konservative Therapie entspricht einer symptomatischen Therapie.

Definition und Klassifikation

Unter Arthrose (im angloamerikanischen Sprachraum als Osteoarthritis [OA] bezeichnet) versteht man eine Erkrankung des gesamten Gelenks, also des Knorpels, Knochens, Synoviums und des Bindegewebes der Gelenkkapsel. Die Pathologie der Arthrose reflektiert das Ergebnis der Gelenkerkrankung mit Verlust und Erosion des Gelenkknorpels, subchondraler Sklerose und knöchernen Anbauten (Osteophyten).
Die beiden häufigsten Arthroseformen sind die Arthrose großer Gelenke (Hüft- und Kniegelenksarthrose) sowie die Hand- und Fingergelenkspolyarthrose. Die Polyarthrose der Hände und Fingergelenke wird nochmals in die Subgruppen der nodalen Interphalangeal-OA, der Daumengrundgelenks-OA (Rhizarthrose) und der erosiven Polyarthrose unterteilt. Zudem unterscheidet man die primären Arthrosen von sekundären Arthrosen als Folge anderer Gelenk- und Stoffwechselerkrankungen.
Klassifikationskriterien für die Fingergelenkspolyarthrose nach Pereira 2011
Schmerzen und Steifigkeit der Fingergelenke und mindestens 3 der folgenden Kriterien:
1.
Knöcherne Verdickung der Fingergelenke von mindestens 2 von 10 ausgewählten Gelenken (distales Interphalangealgelenk II und III beidseits, proximales Interphalangealgelenk II und III beidseits, Carpometacarpalgelenk I beidseits)
 
2.
Knöcherne Verdickung von mindestens 2 distalen Interphalangealgelenken
 
3.
Weniger als 3 geschwollene Metacarpophalangealgelenke
 
4.
Deformität von mindestens einem der o. g. Gelenke
 
Sekundäre Arthrosen als Folgen angeborener oder erworbener Erkrankungen bzw. Verletzungen
  • Angeborene Form- und Funktionsstörungen
    • Fehlstellung (z. B. Varus, Valgus)
    • Fehlbildungen (z. B. Hüftdysplasie)
  • Metabolische und endokrinologische Erkrankungen
  • Anderweitige Ursachen

Pathophysiologie

Mechanische oder entzündliche Verletzungen, die die Zonen des Knorpels mit ihren Chondrozyten und der extrazellulären Matrix unterbrechen, führen zu irreparablem Schaden und zu weiterer Entzündung, Fragmentation und Fissuren des Gelenkknorpels. Verschiedene Zytokine wie Interleukin-1β und Transforming Growth Factor β, Proteasen (vor allem die Matrix-Metalloprotease) und Nitric-Oxide-(NO-)Synthetasen sowie defekte Reparaturmechanismen sind wesentliche Faktoren im Prozess des Knorpelabbaus. Der Knochen reagiert mit einer subchondralen Sklerose, einer Öffnung von Knochenmarkräumen, einer Ansammlung von Knorpel- und Knochendetritus in diesen Vertiefungen und konsekutiver Bildung sog. Geröllzysten. Nach der Degradation des Knorpelgewebes wird häufig die Bildung von Osteophyten am Rand der Gelenkkörper beobachtet, in der Folge kommt es zu Deformierungen und derben Verdickungen des betroffenen Gelenks.
Genetischen Faktoren kommt eine große Bedeutung in der Pathogenese zu, wobei diese bei der Entstehung der Fingerpolyarthrose und der Hüftgelenksarthrose eine größere Rolle spielen als bei Arthrosen der Kniegelenke. Andere Untersuchungen weisen auf Unterschiede bezüglich der Krankheitshäufigkeit in verschiedenen ethnischen Gruppen hin.
Übergewicht und Adipositas sind am stärksten mit der Kniegelenksarthrose assoziiert. Die Beziehung zwischen Übergewicht und Adipositas und der Hüftgelenksarthrose ist dagegen weniger konsistent.

Epidemiologie

Die Arthose (Osteoarthritis) ist die häufigste Gelenkerkrankung des erwachsenen Menschen weltweit und bislang nicht heilbar. Sie verläuft in Schüben mit aktiven schmerzhaften Phasen und latenten, d. h. schmerzfreien Phasen, sodass sich die Lebenszeitprävalenzen von 1-Jahres-Prävalenzen oft deutlich unterscheiden. Für Deutschland wurde in der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2012“ (GEDA 2012) eine Gesamtprävalenz der Arthrose von 23,8 % bestimmt. Insgesamt geben 28 % der Frauen und 20 % der Männer an, dass bei ihnen jemals eine Arthrose ärztlich diagnostiziert wurde. Weltweit liegt die altersstandardisierte Prävalenz der Kniegelenksarthrose bei 3,8 % und der Hüftgelenksarthrose bei 0,85 % mit einer höheren Prävalenz bei Frauen.

Klinik

Schmerzanamnese

Es kommt zu bewegungsabhängigen Schmerzen sowie zu typischen Einlauf- oder Anlaufschmerzen, die sich in den Anfangsstadien durch Ruhe bessern. Bei der Fingerpolyarthrose tritt häufig auch Morgensteifigkeit auf, die jedoch weniger lange anhält (< 30 Minuten) als beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis. Die Schmerzqualität wird häufig als bohrend empfunden. Mit zunehmender Schwere der Arthrose kommt es zu einem Dauerschmerz mit progredienter Funktionsminderung des Gelenkes. Der radiologische Nachweis einer Arthrose korreliert nicht mit dem Ausmaß entsprechender Schmerzen und anderer Beschwerden. So klagten in einer Studie zur Gonarthrose nur ca. 15 % der Patienten mit radiologisch nachgewiesener Gonarthrose über Kniegelenksschmerzen. Der klinische Schweregrad einer Gonarthrose wird im WOMAC-Arthroseindex dokumentiert. Dieser ist für Studienzwecke etabliert, erlaubt eine valide Bewertung des Grades der Beeinträchtigung durch Schmerzen und Funktionsverlust, wird allerdings im klinischen Alltag nicht oder nur selten angewendet.

Untersuchungsbefund

Fingerpolyarthrose

Bei der Fingerpolyarthrose ist ein typisches Befallsmuster mit Manifestation im Bereich der Fingerend- und Mittelgelenke (am häufigsten der Finger II und III beidseits) sowie der Daumensattelgelenke festzustellen, die Fingergrundgelenke sind praktisch nie befallen. Die Endgelenke weisen dabei häufig knotige Verdickungen auf, die als Heberden-Knoten bezeichnet werden.

Coxarthrose

Eine Einschränkung der Innenrotation ist oft das erste klinische Zeichen der Funktionseinschränkung, es folgen Einschränkung der Außenrotation, Abduktion, Extension und Flexion ohne oder mit Schmerzen.

Gonarthrose

Symptome sind eine Kapselverdickung, bei entzündlicher Aktivierung ein palpabler Kniegelenkserguss im oberen Rezessus, zumeist ohne Überwärmung oder Rötung, ggf. Baker-Zysten (Poplitealzysten) und retropatellares Reiben bei Femoropatellararthrose. Flexion und Extension sind eingeschränkt, ggf. sind Valgus- oder Varusfehlstellungen und Seitenbandinstabilitäten festzustellen.

Diagnostik

Labor

Es gibt keine Laborparameter, die die Verdachtsdiagnose einer Arthrose positiv untermauern können. Akutphaseproteine wie das C-reaktive Protein (CRP) oder die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) können in Aktivierungsphasen geringgradig erhöht sein. Autoantikörper (Rheumafaktoren u. a.) sind nicht nachweisbar. Erhöhte Serumspiegel von Markern des Knorpelabbaus (wie z. B. Kollagen Typ II oder C-terminale Telopeptide aus dem Kollagen Typ I und II) konnten bei Patienten mit erosiver Polyarthrose gefunden werden, diese werden jedoch nicht routinemäßig im Labor bestimmt.

Bildgebung

Röntgen

Verschmälerung des Gelenkspalts, subchondrale Sklerose, Knochenzysten/Geröllzysten, Osteophyten (knöcherne Anbauten), ggf. Chondrokalzinose.

Gelenksonografie

Darstellung eines Gelenkergusses, von Tenosynovitiden, Bursitiden, Verkalkungen, osteophytären Anbauten, Erosionen.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Subchondrales „bone bruise“ oder Knochenödeme können als frühe Veränderungen dargestellt werden. Haupteinsatz des MRT ist allerdings in der Differenzialdiagnose zu sehen, zum Beispiel zum Ausschluss eines Gelenkbinnenschadens wie einer Meniskopathie, einer rheumatischen Synovialitis, von Sehnenscheiden- und Bandschäden oder Osteonekrosen.

Differenzialdiagnostik

  • Primäre versus sekundäre Arthrosen
  • Psoriasis-Arthritis, insbesondere die Psoriasis-Arthritis vom Endgelenkstyp
  • Rheumatoide Arthritis (insbesondere Differenzialdiagnose zwischen Polyarthritis der Fingermittelgelenke und der frühen Bouchard-Arthrose)
  • Gichtarthropathie
  • Genetische Hämochromatose
  • Kristallarthropathien bei Hydroxyapatiterkrankung und Kalziumpyrophosphat-bedingte Kristallarthropathie/Chondrokalzinose
  • Spondyloarthritiden mit Befall der Knie- und/oder Hüftgelenke

Therapie

Eine kausale Therapie ist bislang nicht möglich, die konservative Therapie entspricht einer symptomatischen Therapie.

Nichtmedikamentöse Therapie

Bei Gonarthrose (und Coxarthrose) wird Gewichtsreduktion angestrebt, des Weiteren werden aerobes Training, Krafttraining und Wassergymnastik empfohlen. Stockentlastung kann hilfreich sein. Orthesen sind in Alltagssituationen sinnvoll, die Gelenkstabilität erfordern. Schuheinlagen zur Beinachsenkorrektur bei Gonarthrose werden nur bedingt empfohlen.

Medikamentöse Therapie

Eine kausal orientierte Therapie ist bislang nicht möglich. Eine symptomatische Schmerztherapie erfolgt entsprechend dem Schema der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Behandlungen mit leichten, mittleren und starken Schmerzmitteln unterscheidet. Stufe 1 bilden Analgetika sowie schmerzlindernde und entzündungshemmende nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Coxibe. Zur reinen Schmerztherapie wird Paracetamol empfohlen. Es ist allerdings bekannt, dass bei Arthrose, insbesondere aktivierter Arthrose, die Wirkung von NSAR derjenigen von Paracetamol klar überlegen ist – und dies in systemischer wie auch in topischer Form. Der vielleicht überraschend gute Effekt der topischen NSAR im Bereich der Kniegelenke erklärt sich durch eine gute Zugänglichkeit der im Rahmen der Arthrose oft schmerzhaften periartikulären Strukturen wie Pes anserinus und begleitenden Schleimbeutel oder Seitenbänder. An den Fingergelenken wurde die Wirksamkeit der topischen Form ebenfalls belegt, die Datenlage ist aber weniger überzeugend. Schwach wirksame Opioide (z. B. Tilidin oder Tramadol) haben in der Arthrosetherapie einen begrenzten Stellenwert, zum Beispiel zur Überbrückung bis zu einem operativen Therapieverfahren oder bei internistischen Kontraindikationen gegen NSAR bzw. Coxibe. Systemische Steroide sind in der Therapie der Arthrose nicht indiziert. Die Ergebnisse hinsichtlich der systemischen oralen Verabreichung von sog. Knorpelprotektiva wie Chondroitinsulfat oder Glukosaminoglykan sind weiterhin widersprüchlich; es existieren keine Empfehlungen durch die Fachgesellschaften.

Intraartikuläre Injektionstherapie

In Phasen der schmerzhaften Aktivierung (insbesondere bei Ergussbildungen) können Glukokortikoid-Kristall-Suspensionen intraartikulär injiziert werden, was eine signifikant entzündungshemmende Wirkung zur Folge hat; es besteht eine positive Wirkung vor allem bei Vorliegen von Gelenkergüssen. Schmerzlinderung und Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit können über einen Zeitraum von bis zu 4 Wochen erreicht werden. Eine Gesamtanzahl von 4 Injektionen pro Jahr sollte aufgrund möglicher knorpelschädigender Effekte jedoch nicht überschritten werden. Die intraartikuläre Verabreichung von Hyaluronsäure kann den Knorpelverlust in frühen Phasen der Arthrose wahrscheinlich verlangsamen und die Symptome lindern. Fortgeschritten arthrotisch veränderte Gelenke dürften nicht mehr profitieren.

Operative Therapie

Nach Ausschöpfen bzw. Versagen der konservativen Therapie sind in abhängig vom Grad der Arthrose, der funktionellen Beeinträchtigung und der subjektiven Beschwerdesymptomatik operative Maßnahmen des Gelenkersatzes indiziert. Arthrodesen kommen heute fast ausschließlich bei kleineren Gelenken (z. B. Daumensattelgelenk, seltener oberes und unteres Sprunggelenk) zum Einsatz. Abgeraten werden muss von den früher häufiger angewandten Methoden der arthroskopischen sog. „Gelenktoilette“ mit Gelenkspülungen oder auch von Meniskusteilresektionen bei chronischen Meniskopathien.

Prävention

Einzig bei sekundär hervorgerufenen Arthrosen infolge einer Achsfehlstellung kann eine Erkrankung vorzeitig, z. B. durch die operative Begradigung von Valgus- oder Varusfehlstellungen der Extremitäten, vermieden werden. Einige bekannte mechanische Risikofaktoren sind mittels präventiver Maßnahmen beeinflussbar. So können Personen mit gelenkbelastenden Berufen oder Sportarten durch einen Wechsel auf schonendere Tätigkeiten charakteristischen Symptomen entgegenwirken bzw. eine Verlangsamung der Krankheitsentwicklung bewirken. Regelmäßige körperliche Aktivität (gelenkschonend wie Schwimmen, Radfahren, Walking) hat jedoch sowohl für den noch intakten als auch den bereits geschädigten Knorpel positive Wirkungen. Sekundäre Arthrosen infolge entzündlich-rheumatischer Erkrankung (wie z. B. bei rheumatoider Arthritis) können durch Therapie der rheumatischen Grunderkrankung vermieden werden.