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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 28.01.2024

Dermale Intoxikationen

Verfasst von: Maren Hermanns-Clausen
Die Haut kann einerseits durch chemische und biogene Noxen bei Kontakt direkt geschädigt werden; andererseits werden zahlreiche Substanzen dermal gut resorbiert. Die wichtigste therapeutische Maßnahme zur Verminderung des akuten lokalen Schadens und/oder einer toxikologisch relevanten Resorption ist die möglichst unmittelbar nach Expositionsende durchgeführte Dekontamination. Die durch dermale Noxen ausgelösten Hautveränderungen sind vielfältig. Die wichtigsten toxischen Kontaktdermatitiden inklusive der toxischen Photodermatitis und deren Therapie werden kurz dargestellt. Relevante Hautveränderungen, die sich auf die Hautanhangsgebilde beschränken (z. B. Thallium-bedingter Haarausfall), werden ebenfalls kurz dargestellt.

Einleitung: Funktion und Aufbau der Haut

Die physiologischen Funktionen der Haut als Grenzschicht zwischen dem Organismus und der Umwelt sind vielfältig. Die Haut schützt den Körper vor stumpfen mechanischen Einwirkungen und bildet eine Barriere gegen das Eindringen von schädlichen Mikroorganismen, Substanzen und gegen Strahleneinwirkungen durch UV-Licht. Die Haut ist an der Regulation des Wasserhaushaltes, der Körpertemperatur und des Blutdrucks beteiligt. Das in der Subkutis eingelagerte Fettgewebe dient der Wärmeisolierung und als Energiespeicher. Die Haut erfüllt zudem eine wichtige Rolle als Sinnesorgan.
Die Haut besteht aus der Epidermis (Oberhaut), Dermis (Korium, Lederhaut) und Subkutis (Unterhaut). Eingebettet in diese Strukturen befinden sich verschiedene Hautanhangsgebilde wie die Haarfollikel, die ekkrinen Schweißdrüsen und die Sinnesorgane des Tast- und Schmerzsinnes, des Juckreizes und der Temperaturwahrnehmung. Die Epidermis wird bedeckt von einer oberflächlichen Emulsionsschutzschicht aus Schweiß, abgeschilferter Hornhaut, Sebum und epidermalen Lipiden. Diese oberflächliche Schicht bildet den sog. Säureschutzmantel. Die Epidermis besteht aus einem mehrschichtigen verhornenden Plattenepithel und wird gegliedert in das Stratum corneum (die Verhornungsschicht), das Stratum granulosum (Granularschicht), das Stratum spinosum (Spinosa) und das Stratum basale (Basalschicht) (Abb. 1). 90 % der Zellen der Epidermis sind Keratinozyten. Daneben finden sich Melanozyten, Langerhans-Zellen, Merkel-Zellen und Lymphozyten. Die proliferierenden Keratinozyten gelangen während des Prozesses der Hauterneuerung von der Basalschicht unter zunehmender Differenzierung und Keratinisierung in den mittleren Schichten der Epidermis bis zum Stratum corneum, das von mehreren Lagen Keratinozyten, die ziegelsteinartig in eine Matrix aus Ceramiden, Cholesterol und freien Fettsäuren eingebettet sind, gebildet wird. Das Stratum corneum weist einen geringen Wassergehalt auf (5–15 %). Melanozyten sind v. a. in der Basalschicht zu finden. Am Übergang der Epidermis zur Dermis liegt die dermoepidermale Junktionszone, die aus zwei dünnen Schichten (der Lamina lucida und densa) besteht. Die sich nach innen anschließende Dermis ist aus dem Stratum reticulare (der Retikularschicht) und dem Stratum papillare (Papillarschicht) aufgebaut. Die Dermis ist reich an Blutgefäßen, Nervenendigungen, Hautdrüsen, Kollagen und Elastin und wird unterteilt in die die obere papilläre und die untere retikulare Dermis. Die Zellen (Fibroblasten, Histiozyten, Mastzellen) und Bindegewebsfasern sind in eine gelartige Grundsubstanz aus Proteoglykanen und Glykosaminoglykanen (z. B. Chrondroitin A, Hyaluronsäure) eingebettet. Das arteriovenöse Netzwerk der Haut besteht aus einem tiefen dermalen und einem oberflächlichen subpapillären Plexus. Die Subkutis besteht aus dem subkutanen Gewebe mit Adipozyten (Abb. 1).
Folgende Hautanhangsgebilde können unterschieden werden: Apokrine Drüsen (Duftdrüsen) produzieren Sekret, das durch eine kutane bakterielle Flora zur Geruchsbildung führt (Axillae). Die ekkrinen Drüsen (Schweißdrüsen) dagegen produzieren isotone bis hypotone Sekrete, die den Schweiß auf der Haut bilden. Talgdrüsen wiederum bilden ölige fettreiche Sekrete für Haut und Haare. Der Haarfollikel ist eine längliche Einstülpung der Epidermis, an dessen unteren Ende das Haar in der Haarpapille gebildet wird. Der Haarschaft schiebt sich innerhalb des Follikels zur Hautoberfläche. Der Haarfollikel ist von einer inneren und einer äußeren Haarwurzelscheide umgeben. Der Haarbalgmuskel (M. arrector pili) setzt an der äußeren Haarwurzelscheide an. In den Follikel mündet eine Talgdrüse, je nach Körperregion auch eine Duftdrüse. Schließlich umwickeln sensorische Nervenendigungen den Follikel (sog. Haarfollikelrezeptoren). Das Haarwachstum wird in drei Phasen eingeteilt. In der Wachstumsphase (Anagenphase) wächst das Haar aktiv. Es besteht eine hohe mitotische Aktivität in der Haarpapille (Dauer 2–6 Jahre, Kopfhaar). In der Katagenphase (Übergangsphase, Dauer 2–3 Wochen) stellt die Haarpapille ihre Zellproduktion ein, das Haar löst sich von der Papille. In der Ruhephase (Telogenphase, Dauer 2–4 Monate) schließlich erneuert sich die Haarpapille (ca. 18 % aller Haare befinden sich in dieser Phase). Das Haarwachstum der einzelnen Haarfollikel erfolgt nicht synchronisiert.
Eine akut-toxische Schädigung der Haut und ihrer Anhangsgebilde kann einerseits durch direkten dermalen Kontakt mit der auslösenden Noxe entstehen, andererseits Folge einer systemischen Wirkung sein. Dieses Kapitel gibt im Folgenden einen kurzen Überblick über wichtige Aspekte der dermalen Toxikologie. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf akut-toxische Wirkungen von beispielhaften Toxinen. Eine umfassende Darstellung würde den Rahmen des Kapitels sprengen. Allergische Reaktionen und schwere arzneimittelinduzierte Hautreaktionen im Sinne von schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen werden nicht dargestellt.

Pathophysiologie

Transdermale Absorption

Da die durchschnittliche Körperoberfläche eines Erwachsenen 2 m2 beträgt, kann je nach Größe der exponierten Körperoberfläche und je nach Einwirkzeit eine toxikologisch relevante Resorption stattfinden. Wegen des charakteristischen Aufbaus bildet das nicht kapillarisierte Stratum corneum mit einem sehr niedrigen Wassergehalt eine ausgeprägte Barriere für den Stofftransport durch die Haut. Die Lamina lucida und densa fungieren zudem als semipermeable Barriereschicht. Lipophile Moleküle, die gleichzeitig noch eine gewisse Wasserlöslichkeit aufweisen, werden gut, hydrophile Substanzen aber auch Fette und Öle werden schlecht dermal resorbiert (Geisslinger et al. 2020). Kleinere Moleküle werden besser als größere resorbiert. Neben der passiven Diffusion besitzt auch der konvektive Transport eine gewisse Bedeutung bei der dermalen Wirkstoffaufnahme. Manche Moleküle können zusammen mit einem sog. strömenden Träger transportiert werden („solvent drug“) (Lewin et al. 2019). An einem In-vitro-Hautmodell konnte gezeigt werden, dass derart auch das eher hydrophile Quecksilberchlorid bei Zusatz zu einer Hautcreme konzentrationsabhängig resorbiert werden kann (Chan 2011). Zahlreiche Substanzen wie beispielsweise Ethanol und Dimethylsulfoxid (DMSO) können als sog. Penetrationsenhancer eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit die Penetration insbesondere von hydrophilen Stoffen zu verbessern, stellt die sog. Okklusion dar. Diese behindert die Wasserabgabe der Haut und kann den Wassergehalt im Stratum corneum um bis zu 50 % anheben (Nelson 2019). Eine Resorption durch die Hautanhangsgebilde (transfollikulär und transglandulär) spielt hingegen aufgrund ihres insgesamt geringen Anteils an der Hautoberfläche (0,1–1 %) kaum eine Rolle. Das Ausmaß einer transdermalen Resorption wird ferner beeinflusst durch die Dicke der Epidermis, die je nach Körperregion schwanken kann, die Größe der exponierten Fläche, die Einwirkzeit und den Konzentrationsgradienten.
Das Stratum corneum kann aufgrund der geschilderten Eigenschaften als Depot für lipophile Substanzen dienen – so kann beispielsweise auch noch nach Entfernung eines wirkstoffhaltigen Pflasters von der Haut Substanz aus dem intradermalen Depot freigesetzt werden (Nelson 2019).

Akut-toxische Hauterkrankungen und -veränderungen

Dermale Expositionen können einerseits als Folge einer lokalen Wirkung direkt zu dermalen Symptomen führen, andererseits können Symptome an der Haut auch als Folge von nicht-dermalen Expositionen auftreten.

Verfärbungen

Verfärbungen der Haut können durch Vasodilatation der dermalen Arteriolen (Erythem) hervorgerufen werden. Ursache ist eine Histaminfreisetzung unter Umgehung immunologischer Mechanismen (z. B. Vancomycin) oder eine vermehrte Bildung von Arachidonsäure (z. B. Nikotinsäure). Die Einlagerung von Farbstoffen und Pigmenten in die Haut kann ebenfalls Verfärbungen hervorrufen. Bei der Argyrose beispielsweise kommt es als Folge einer Ablagerung von schwarzen Silbergranula in der Basalmembran, an den Schweißdrüsen, Blutgefäßwänden und am Haarbalgmuskel zu einer Hautverfärbung. Silberpartikel induzieren zudem eine Melanozytenproliferation. Karotinoide wiederum lagern sich im Stratum corneum ab (Lewin et al. 2019). Im Anschluss an eine akut-toxische Dermatitis kann eine Hyperpigmentation zurückbleiben.

Akut toxische Kontaktdermatitis

Auf sehr unterschiedlichem Weg kann der Kontakt mit Substanzen, Gemischen oder biogenen Noxen zu einer akuten entzündlichen Hautreaktion bereits nach einmaligem Kontakt führen. Diese Hautreaktionen werden als akut-toxische Kontaktdermatitis zusammengefasst. Typische primäre Hautläsionen, die dabei auftreten können, werden in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Typische Primäreffloreszenzen an der Haut
Effloreszenz
Beschreibung
Makula
Farbveränderung der Haut als Folge einer Erweiterung von Gefäßen oder durch hervorgerufen durch Pigmentverlust oder Pigmentveränderungen oder externe Pigmente
Urtika (Quaddel)
Scharf begrenzte rötlich-weiße weiche Effloreszenz, die zumeist auf einer Flüssigkeitsansammlung in der oberen Dermis beruht. Typischerweise sind Quaddeln flüchtig (bestehen mehrere Stunden bis wenige Tage)
Papula und Nodus (Knötchen und Knoten)
Eine umschriebene Substanzvermehrung entweder in der Epidermis und/oder in der Dermis (Vermehrung der Keratinozyten = Akanthose, entzündliches Infiltrat, Einlagerung von Substanzen oder Gewebsvermehrung)
Plaque
Großflächige erhabene Substanzvermehrung der Haut
Vesikula und Bulla (Bläschen und Blasen)
Flüssigkeitsansammlung intra- oder subepidermal. Bei oberflächlichem Sitz findet sich ein schlaffes, leicht verletzliches Blasendach, bei subepidermalem Sitz ein festes, gespanntes Blasendach
Pustel (Eiterbläschen)
Mit eitriger Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, der in jeder Hautschicht möglich ist
Flüssige aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole und Tenside wirken entfettend auf die Haut. Tenside können überdies eine Keratolyse induzieren.
Thermische Schädigungen können das Ergebnis eines Kontaktes mit einer Chemikalie sein: Eine exotherme Reaktion kann durch die damit verbundene Wärmefreisetzung zu einer klassischen Verbrennung führen, wie beispielsweise bei Kontakt mit elementarem Phosphor oder Natrium. Die aus dieser chemischen Reaktion entstehenden Verbindungen führen sekundär zu einem zusätzlichen chemischen Schaden (Phosphorsäure, Natriumhydroxid). Erfrierungen können durch Kontakt mit sehr kalten Substanzen wie flüssigem Stickstoff oder Trockeneis entstehen.
Laugen können eine Verseifung der Fette in den Zellmembranen, eine Zellzerstörung und eine Schwellung, Verkürzung und Verdickung der Kollagenfasern verursachen. Das geschädigte Gewebe wird verflüssigt und nekrotisch (Kolliquationsnekrose). Laugen können tief in die Haut eindringen. Säuren dagegen führen durch Denaturierung von Proteinen zur Bildung eines Schorfes (sog. Koagulationsnekrose). Die trockene Verschorfung wirkt als Barriere und begrenzt die weitere Ausbreitung der Säure. Histologisch findet sich das Bild einer Koagulationsnekrose (Zellschwellung mit Eosinophilie, Denaturierung zytoplasmatischer Proteine, Zersetzung der Zellorganellen). Eine Sonderstellung nimmt die Flusssäure ein. Die nicht ionisierte Komponente der schwach sauren Flusssäure (Wasserstofffluorsäure – HF) kann aufgrund ihrer geringen Dissoziation und hohen Lipidlöslichkeit durch die Haut resorbiert werden und dadurch in tiefe Hautschichten und sogar in Knochen eindringen (Abb. 2). Das Proton H+ dagegen und das Fluoridion F sind wegen ihrer Ladung nicht in der Lage, die Haut zu penetrieren. Allerdings kann die nicht ionisierte und nicht dissoziierte Verbindung Wasserstofffluorsäure – ist sie erst mal in die Dermis gelangt – dort dissoziieren. Als ebenso toxisch wie Flusssäure gelten Hexafluorkieselsäure und deren Salze.
Phenol kann je nach Konzentration und Einwirkzeit eine Denaturierung von Proteinen mit der Folge eines lokalen Gewebeunterganges verursachen. Die als Kampfstoff verwendeten Substanzen Stickstofflost und Schwefellost verursachen eine Alkylierung nukleophiler Gruppen (OH, SH, NH<). Sog. Phorbolester, die im milchigen Saft vieler Euphorbienarten enthalten sind, können die Proteinkinase C aktivieren und zu einer Phosphorylierung von diversen Proteinen führen. Andere Euphorbienarten enthalten Inhaltstoffe, die zytotoxisch über eine Hemmung der DNA-Synthese wirken. Dadurch kann es nach einer Latenzzeit zu Blasenbildung und Erosionen kommen.
Phototoxische Substanzen absorbieren UV-Licht, was zur Bildung freier Radikale, reaktiver Sauerstoffverbindungen oder einer DNA-Schädigung führt, wie beispielsweise durch die von Psoralen nach Einwirkung von UV-Licht gebildeten Reaktionsprodukte mit Pyrimidinbasen. Folge kann eine sofortige Schädigung der Haut oder eine verzögert einsetzende klinische Reaktion sein. Photoxische Reaktionen sind Dosisabhängig sowohl bezogen auf die auslösende Noxe als auch auf die Sonnenbestrahlung (Hofmann und Weber 2021). Phototoxische Substanzen können entweder bei direktem Hautkontakt oder nach systemischer Aufnahme ihre Wirkung entfalten (Neumann und Schauder 2013), s. Tab. 2.
Tab. 2
Typische Sonderformen der toxischen Photodermatitis
Sonderform der phototoxischen Dermatitis
Beschreibung
Berloque-Dermatitis
Fleckförmige oder streifenförmige Hyperpigmentierungen nach Anwendung von parfümhaltigen Externa und UV-Einwirkung
Frauen sind häufiger als Männer betroffen
Auslösend sind ätherische Öle aus der Gruppe der Bergamottöle oder ähnliche ätherische Öle, die Furocumarine als obligat phototoxische Substanzen enthalten
Wiesengräser-Dermatitis
Akut-phototoxische Dermatitis mit Erythem, Uritikaria und Blasen. Nach Abheilung starke Hyperpigmentierung in irregulärer Verteilung entsprechend dem Kontakt mit furocumarinhaltigen Pflanzenteilen
Typisch für eine antigengetriggerte Typ 1- oder IgE-vermittelte Immunreaktion ist eine sofortige Mastzelldegeneration, die sich entlang der großen Blutgefäße, Nerven und Anhänge ausbreitet. Die Freisetzung von Histamin und Komplementfaktoren C3a und C5a sowie anderen vasoaktiven Mediatoren resultiert in einer Leckage von Flüssigkeit aus den dermalen Kapillaren. Das führt klinisch zu typischen Läsionen (Urtikaria). Eine Mastzelldegeneration kann aber auch unter Umgehung der Immunreaktion direkt durch zahlreiche Noxen hervorgerufen werden. Eine vorherige Sensibilisierung erfolgte nicht. Biologische Toxine, die durch Nesselhaare von Pflanzen oder Raupenhaare in die Haut injiziert werden, lösen eine mechanische Reizung und eine Mastzelldegeneration aus. Bei der Urtica dioica (große Brennnessel) beispielsweise dringen bei dermalem Kontakt sog. Nesselhaare in die Haut ein und brechen ab. Dabei gelangen chemische Reizstoffe (v. a. Histamin) in die Haut (Cummings und Olsen 2011). Das toxische Thaumetopoein aus den Gifthaaren (Setae) von Prozessionsspinnerraupen führt zu einer Fremdkörperreaktion sowie zu einer nicht-IgE-vermittelten Freisetzung von Mediatoren inkl. Histamin. Bei vorheriger Sensibilisierung ist zusätzlich eine IgE-vermittelte Immunreaktion möglich.
Das Venom der in der Ostsee beheimateten Haarqualle (Feuerqualle, Cyanea capillata) ist ein komplexes Gemisch toxischer Proteine (DNase, Elastasen, Kollagenase u. a.). Das Venom wird durch Kontakt mit den Nematozyten (Nesselkapseln) freigesetzt, die in hoher Dichte auf den Tentakeln der Qualle zu finden sind. Dabei wird das Venom in die untere Dermis injiziert. Das Toxingemisch bewirkt u. a. eine Histaminfreisetzung aus Mastzellen. Die Kompassqualle, Chrysaora hyoscella, enthält ein komplexes Gemisch toxischer Proteine, Enzymen (u. a. Proteasen und Hyaluronidase). Sie wirken zytolytisch und können unspezifisch Muskel- und Nervenmembranen depolarisieren (Mebs 2010). Auch das Venom der portugiesischen Galeere (Physalia physalis) enthält Enzyme (Phospholipase A, Metalloproteasen) sowie Physaliatoxin, ein Glykoproteinkomplex, das proarrhythmogen wirkt, an der Muskulatur die Permeabilität erhöht und eine Hämolyse induziert. Zudem setzt das Venom aus Mastzellen rasch Histamin frei, was die starke lokale Schmerzwirkung miterklärt. Die portugiesische Galeere ist im Atlantik und gelegentlich im Mittelmeer anzutreffen, und stellt für Schwimmer v. a. deswegen eine Gefahr dar, da sie an der Wasseroberfläche treibt und meterlange Tentakel hinter sich herzieht. (Mebs 2010)

Störungen an den Hautanhangsgebilden

Bei der Chlorakne wird primär die Talgdrüse geschädigt. Histologisch finden sich Hyperkeratosen und Metaplasien der Talgdrüsen, gefolgt von einer Zystenbildung. Die Talgdrüsen atrophieren im weiteren Verlauf (Passarini et al. 2010). Auslösende Substanzen sind Dioxine. Unter diesem Begriff werden polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (kurz PCDD/PCDF), polybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (kurz PBDD/PBDF), polyfluorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (kurz PFDD/PFDF) und 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (2,3,7,8-TCDD) zusammengefasst.
Zytostatika wie z. B. Doxorubicin reduzieren die Mitosehäufigkeit in den Haarwurzeln und hemmen die Wachstumsphase, sodass nur ein dünner brüchiger Haarschaft gebildet werden kann. Thallium dagegen reichert sich wie Kalium intrazellulär an und hemmt die Bindung an SH-Gruppen den normalen Einbau von Cystein in Keratin. Lösliche Bariumsalze wie Bariumsulfid können nach lokaler Applikation zu lokalem Haarausfall führen, jedoch ist der Wirkungsmechanismus unbekannt.

Epidemiologie

Lediglich 7 % der von den amerikanischen Giftinformationszentren beratenen humanen Expositionen betreffen die Haut. Die Mehrzahl dieser Expositionen verläuft symptomlos oder leicht, schwere Vergiftungen als Folge einer dermalen Exposition sind selten, Todesfälle sehr selten. Maximal 1 % der den amerikanischen Giftinformationszentren berichteten Todesfälle treten nach einer dermalen Exposition auf (Gummin et al. 2018).
In deutschen Giftinformationszentren ist der Anteil der humanen Expositionen, die primär die Haut betreffen, ähnlich niedrig – in der Vergiftungsinformationszentrale Freiburg beispielsweise betrafen 3,5 % aller humanen Expositionen in den Jahren 2018 und 2019 die Haut. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Unfälle, zu einem Fünftel am Arbeitsplatz. In weniger als 1 % der Fälle traten schwere Symptome auf. Von den häuslichen Unfällen waren vorwiegend Kleinkinder (m > w) und bei den gewerblichen Unfällen vor allem männliche Erwachsene betroffen.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen an der Haut wurden bei bis zu 2,2 % der stationär behandelten Patienten berichtet (Bigby et al. 1986). Entsprechende Angaben zur Häufigkeit im ambulanten Bereich fehlen. Die akut-toxische Kontaktdermatitis zählt zu den häufigsten Hauterkrankungen, allerdings fehlen im Gegensatz zur allergischen Kontaktdermatitis epidemiologische Zahlen.

Klinik, Verlauf und Prognose

Hautverfärbungen

Erythem

Bei zu rascher intravenöser Infusion, z. B. von Vancomycin, kann das sog. Red-Man-Syndrom ausgelöst werden. Es entwickeln sich Erythem, Juckreiz und Brennen v. a. im Gesicht, am Hals und am Oberkörper. Schwellungen der Haut und Schleimhäute (i. S. eines Angioödems) können sich zusätzlich ausbilden. Die Symptome sind innerhalb von 20 min bis mehrere Stunden rückläufig.
Nikotinsäure kann zu einem generalisierten Erythem mit einem Wärmegefühl (insbesondere im Gesicht, im Nacken und an den Ohren) führen. Das Erythem kann bis zu 2 h nach Ingestion auftreten. Die Rückbildung erfolgt innerhalb von wenigen Stunden.

Xanthodermie

Die sog. Karotendermie bezeichnet eine gelb bis gelborange makuläre Diskoloration der Haut, die durch eine hohe orale Zufuhr von Karotinoiden ausgelöst wird. Eine ähnliche Hautverfärbung ist die Lycopenämie, die durch exzessiven Konsum von Tomaten und -produkten hervorgerufen wird. Wird die Zufuhr von Karotinoiden und von Lycopen stark reduziert, bildet sich die Verfärbung allmählich wieder zurück. Eine spezielle Therapie ist nicht erforderlich.
Die Argyrose (eine typische graubraune Hyperpigmentierung) kann lokalisiert bestehen oder sich ausgedehnt über das Integument erstrecken. Die Pigmentverschiebung ist besonders ausgeprägt in Hautarealen, die der Sonne exponiert waren, da Silberpartikel eine Melanozytenproliferation induzieren (Lewin et al. 2019).

Erfrierungen

Erfrierungen können Folge eines Kontaktes mit flüssigem Sauerstoff oder Stickstoff, Propangas, und Trockeneis sein. Klinisch imponiert eine Rötung, die in eine blaurötliche Hautverfärbung übergeht und mit einem brennenden Schmerz verbunden ist. Bei Rückgang der Schmerzen setzen Taubheitsgefühle ein und die Haut wird wächsern und blass als Folge der lokalen Hypoxie. Der weitere Verlauf ist abhängig vom Ausmaß der Gewebeschädigung. Die Therapie ist symptomatisch.

Akut toxisches Kontaktekzem

Das akut-toxische Kontaktekzem ist auf das von der auslösenden Noxe exponierte Areal beschränkt. Streuphänomene, wie sie typisch für das akut allergische Kontaktekzem sind, fehlen. Eine vorherige Sensibilisierung besteht nicht. Im betroffenen Bereich finden sich Erythem und Schwellung. Vesikel, Bullae und Erosionen können sich im weiteren Verlauf zusammen mit Schuppung und/oder Krustenbildung entwickeln. Je nach Tiefe der Schädigung der Epidermis kann es zu tiefen Nekrosen und Narbenbildung kommen.
Die akute irritative Kontaktdermatitis wird nach einmaligem Kontakt v. a. durch reizende Chemikalien hervorgerufen. Es besteht eine oberflächliche Hautreizung, die durch Juckreiz, Erythem und Schwellung gekennzeichnet ist. Eine Blasenbildung und Verschorfung ist nur bei hoher Konzentration und langer Einwirkzeit z. B. über getränkte Kleidung möglich. Nach Beendigung des Kontaktes ist die Prognose gut.
Eine phototoxische Dermatitis setzt meistens innerhalb von 24 h nach Kontakt mit dem auslösenden Agens nach Kontakt mit UV-Licht ein. Ein verzögertes Einsetzen nach 24 bis zu 120 Stunden ist jedoch auch möglich (Hofmann und Weber 2021). Klinisch findet sich eine Quaddelbildung (sofort oder mit Verzögerung einsetzend) oder sonnenbrandähnlichen Hautveränderungen (durch eine an sich von der Haut reaktionslos tolerierte UV-Dosis), die bei manchen Substanzen mit verzögerter Ausbildung von Bläschen und Blasen meistens innerhalb von wenigen Stunden verbunden sein können. Schmerzen (stechend oder brennend) werden bei manchen Substanzen beschrieben und können bereits während der Exposition auftreten. Für die klinische Differenzialdiagnostik ist die Begrenzung der Hautveränderungen auf Körperregionen, die nicht von der Kleidung bedeckt wurden, ein wichtiger Anhalt. Der Verlauf und die Prognose sind abhängig vom Ausmaß der Gewebeschädigung. Nach der Abheilung der akuten Läsionen können Pigmentverschiebungen für Monate bis Jahre zurückbleiben (Moore 2002; Neumann und Schauder 2013). Wichtige auslösende Noxen finden sich in Tab. 3. Neben den dort angegebenen Medikamenten wirken zahlreiche weitere Medikamente photosensibilisierend (Hofmann und Weber 2021). Die Berloque-Dermatitis und die Wiesengräser-Dermatitis sind Sonderformen der phototoxischen Dermatitis (Tab. 2). Zusätzlich werden porphyrieähnliche Hautveränderungen (Pseudoporphyrie) beschrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass eine verstärkte Verletzlichkeit der Haut besteht und Blasenbildung nach Traumata beschrieben werden (Neumann und Schauder 2013).
Tab. 3
Übersicht über wichtige phototoxische Substanzen
Topisch oder systemisch wirksame Phototoxine
Noxen
Topische Phototoxine
Teer: polyzyklische Kohlenwasserstoffe, Anthrazen, Fluoranthren
Psoralene: 8-Methoxypsoralen, 5-Methoxypsoralen, Trimethylpsoralen
Farbstoffe: Thiazide, Akridin
Systemisch phototoxische Medikamente*
8-Methoxypsoralen
Tetrazycline wie Doxycyclin, Tetracyclin, Fluorchinolone wie Norfloxacin, Ciprofloxacin
Nichtsteroidale Antiphlogistika wie Piroxicam, Naproxen, Nalidixinsäure, Benoxaprofen, Carprofen, Tiaprofensäure
Furosemid
Phenothiazine wie Promethazin, Chlorpromazin
Hypericin
Fibrate wie Fenofibrat, Clofibrat
Zytostatika wie Dacarbazin, 5-Fluorouracil
Pflanzen, die topische Fototoxine (Furocumarine) enthalten
Bergamotte (Citrus bergamia)
Diptam (Dictamnus albus)
Engelwurz (Angelica)
Feigenbaum (Ficus carica)
Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum)
Knorpelmöhre (z. B. Ammi majus)
Meisterwurz (Peucedanum ostruthium)
Pastinak (Pastinaca satina)
Sellerie (Apium graveolens)
Weinraute (Ruta graveolens; Ruta chalepensis)
Wiesenbärenklau (Heracleum sphondylium)
*Die o. g. Substanzen bilden nur eine kleine Auswahl der inzwischen als potenziell photosensibilisierend identifizierten Arzneimittel (n = 393). Weitere Substanzen können dem Artikel von Hofmann und Weber (2021) entnommen werden
Typische Symptome einer Verätzung sind rasch einsetzender Schmerz und Rötung, ggf. mit Blasenbildung bis hin zu Erosionen und tiefen Nekrosen. Klinisch ähnelt das Bild einer Verbrennung. Manche chemisch bedingten Verätzungen werden erst nach einer Latenzzeit von bis zu mehreren Stunden sichtbar – wie beispielsweise bei Flusssäure. Bei der Säureverätzung fallen makroskopisch grauweiße bis braunschwarze Krusten oder auch gelbliche Verschorfungen auf. Eine Sonderform ist die Flusssäureverätzung, hier können sich die Symptome u. U. verzögert entwickeln. Klinisch finden sich eine rasch einsetzende Rötung und Brennen. Die Oberfläche der Haut kann jedoch u. U. auch wenig beeinträchtigt sein. Im Verlauf bilden sich äußerst schmerzhafte Entzündungen, z. T. mit Übergang in hartnäckige Geschwüre, die sehr schlecht heilen. Zur Therapieplanung sollte ein Giftinformationszentrum zu Rate gezogen werden. Flusssäure kann nicht nur zu Narbenbildung der Haut, sondern auch zum Verlust von Knochensubstanz führen. Dagegen führen Laugen zu dem typischen Bild einer Kolliquationsnekrose. Makroskopisch sind grauweiße, gallertartige Quellungen wie z. B. durch Ammoniak oder wässrige Lösungen von Natrium oder Kalium sichtbar. Es können sich weißliche, breiige Ansammlungen von nekrotischem Gewebe bilden. Die Prognose der Verätzungen ist ähnlich der bei Verbrennungen. Bei Flusssäureverätzungen ist die Prognose von der durchgeführten Therapie abhängig.
Eine Sonderform stellen dermale Verätzungen durch elementaren Phosphor dar. Klinisch imponieren gelbe Nekrosen, die extrem schmerzhaft sind (DGV 2021).
Bei der Verätzung durch Phenol sind weiße schmerzlose, pergamentartige Nekrosen und Ätzschorfe als grauweiße Läsionen mit gerötetem Rand sowie die sog. Phenol-Gangrän typisch. Da Phenol gut über die Haut resorbiert wird, findet sich je nach exponierter Fläche und Einwirkzeit auch eine systemische Beteiligung. Die Prognose hängt vom Ausmaß der resorbierten Menge einerseits und von dem Ausmaß der lokalen Hautschädigung ab.
Nach Kontakt mit Lost werden große gekammerte subepidermale Blasen mit Hautverfärbung im Umkreis, Juckreiz und Erythem beobachtet. Es bilden sich u. U. tiefe Nekrosen (tiefe bullöse ulzerierende Form). Die Hautveränderungen sind sehr schmerzhaft. Die Latenzzeit zwischen Exposition und Klinik beträgt 2–12 h. Nach 4–6 Tagen ist das Vollbild der nekrotischen Veränderungen erreicht und die abgehobene Epidermis stirbt ab. Nach vier Wochen entsteht eine neue Epidermis. Die Reepithelialisierung beginnt vom Rand der Läsion in der Regel 2–3 Wochen post expositionem. Lost-induzierte Hautwunden heilen langsam über mehrere Wochen und Monate. Pigmentierungsstörungen (Hyperpigmentierung wie Hypopigmentierung) treten regelmäßig auf und können sehr lange, teilweise lebenslang persistieren (Kehe et al. 2009). Da Lost zudem über die Haut resorbiert wird, sind ggf. weitere Organsysteme betroffen.
Der milchige Saft vieler Arten der Euphorbiaceae kann zu Erythemen, Schwellung und die Bildung von Blasen und Follikel führen. Typischerweise treten die Veränderungen 2–8 h nach Kontakt auf und können nach 8–24 h ihr Maximum erreichen. Anschließend bilden sich die Symptome im Allgemeinen rasch zurück. Allerdings können Pigmentverschiebungen zurückbleiben.
Nach Kontakt mit den toxischen Härchen (Setae) der Prozessionsspinnerraupen (Thaumetopoeidae) entwickeln sich innerhalb von mehreren Stunden Urtikaria, Erythem und Papeln, bei vorheriger Sensibilisierung treten die Hautveränderungen rascher auf. Es besteht Juckreiz oder Brennen. Die Prognose ist gut, über Tage bis Wochen bilden sich die Hautveränderungen wieder zurück.
Unmittelbar nach dem Kontakt mit der in der Ostsee beheimateten Haarqualle (Feuerqualle, Cyanea capillata) entwickelt sich lokal ein brennender Schmerz. Die Haut des exponierten Areals schwillt an und rötet sich (häufig striemenartig). Die Symptome bilden sich in der Regel innerhalb von zwei Tagen wieder zurück. Nach Kontakt mit der Kompassqualle Chrysaora hyoscella kommt es ähnlich wie bei der Feuerqualle zu sofortigen Brennschmerzen, striemenförmigen Nesselverletzungen und Erythem mit Schwellung und Bläschenbildung. Kleine Nekrosen sind möglich. Die Hautveränderungen halten länger als bei der Feuerqualle, in der Regel über mehrere Tage, an (Mebs 2010). Ein Hautkontakt mit den Tentakeln von der portugiesischen Galeere Physalis physalis führt zu einem sofort einsetzenden heftigen Schmerz, starker Rötung mit Quaddelbildung und lokalem Schweißausbruch. Die Nesselverletzungen können als ovale aneinandergereihte Male oder fadenförmige Striemen beschrieben werden. Bei intensiver Vernesselung treten Schwellungen sowie Blasenbildung auf und die Schmerzen breiten sich über die betroffene Körperregion aus. Ödeme mit Blasenbildung können Nekrosen zur Folge haben. Systemische Reaktionen können bei schweren Vergiftungen auftreten (wie Erbrechen, Hypotonie bis Schock, Koma, Fieber, Hämolyse) (Mebs 2014).

Chlorakne

Innerhalb von 2–4 Wochen nach akuter Exposition bilden sich kleine Komedonen aus. Im Gegensatz zur juvenilen Akne kann jedoch jede Körperregion inkl. der Extremitäten von der Hautveränderung betroffen sein. Bevorzugt finden sich die Läsionen periokulär, periaurikulär, genital und axillär. Die Nase wird dagegen meisten ausgespart. Die Hautläsionen bei der Chlorakne können über Monate bestehen bleiben. Bei schweren Vergiftungen können die Zysten sogar über Jahre vorhanden sein (Passarini et al. 2010).

Toxisch bedingter Haarausfall

Zahlreiche Zytostatika können einen Haarausfall auslösen Das Ausmaß des Haarverlustes kann, auch in Abhängigkeit von den eingesetzten Einzelsubstanzen, variieren. Meistens tritt der Haarausfall innerhalb von 7–10 Tagen nach Beginn der Chemotherapie auf und ist nach 1–2 Monaten am stärksten ausgeprägt.
Plötzlicher diffuser Haarausfall ist ein wichtiges Leitsymptom für eine Thalliumvergiftung. Der Haarverlust tritt meisten innerhalb der zweiten Woche nach Exposition auf. Der Haarausfall ist diffus beginnend am Kopfhaar. Im Verlauf sind die Körperhaare, laterale Augenbrauen, evtl. auch Achsel- und Schamhaare betroffen. Anhidrosis und trockene leicht schuppige Haut sind weitere unspezifische dermale Symptome. Der weitere Verlauf und die Prognose sind abhängig von der aufgenommenen Menge und werden durch die weiteren Thalliumwirkungen bestimmt.

Therapie

Dekontamination (allgemein)

Möglichst zeitnah nach dermaler Exposition sollten ggf. benetzte Kleidungsstücke entfernt und die betroffene Haut rasch mit Wasser abgeduscht werden. Die Dekontamination sollte mit einem möglichst hohen Fluss durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass ein weicher Wasserstrahl verwendet wird und die Temperatur des Wassers möglichst der Hauttemperatur entsprechen sollte, um mechanische Läsionen und eine Auskühlung zu vermeiden. Alternativ kann die Anwendung von amphoteren Spüllösungen empfohlen werden (DGV 2021) In Abweichung von diesem Vorgehen ist bei Exposition mit bestimmten Substanzen eine andersartige Dekontamination vorzuziehen oder anzuschließen, wenn sie verfügbar ist (Abschn. 5.2).

Spezifische Maßnahmen (Dekontamination)

Bei Alkalimetallen wie metallischem Natrium oder bei Partikeln wie ungelöschtem Kalk (Kalziumoxid) stellt die Dekontamination mit Wasser nicht die erste Wahl dar, weil durch Kontakt mit Wasser Natronlauge bzw. Kalziumhydroxid und damit eine starke Lauge mit der möglichen Folge einer Laugenverätzung entsteht. Deshalb ist die mechanische Entfernung des metallischen bzw. kristallinen Materials mit Pinzette vorzuziehen, falls sie unmittelbar nach Exposition verfügbar ist. Es wird alternativ auch Abbürsten und anschließende Spülung über ca. 20 Minuten empfohlen (DGV 2021). Nach Nelson 2019 sollte zusätzlich Seife verwendet werden.
Nach Kontakt mit elementarem Phosphor wird eine sofortige Spülung mit kaltem Wasser sowie ein chirurgisches Debridement empfohlen. Es besteht eine systemische Toxizität durch Hypokalzämie und Hyperphosphatämie, sodass eine EKG-Überwachung und das Elektrolytmonitoring für einige Tage erfolgen sollte (DGV 2021).
Im Falle einer Exposition mit Phenol sollten betroffene Hautpartien sofort unter fließendem Wasser gespült werden. Alternativ kann die Haut mit einem Gemisch aus Polyethylenglykol 300/Ethanol 2:1 oder Polyethylenglykol 400 (ohne Ethanol) abgespült werden. Dabei ist das Einreiben des Phenols in die Haut unbedingt zu vermeiden, es ist auf einen ausreichend hohen Fluss zu achten und das früher gelegentlich eingesetzte Tupfen ist unbedingt zu vermeiden. Auch Mischungen von Polyethylenglykol 300 mit Isopropanol werden gelegentlich verwendet.
Nach Kontakt mit Lost wird ein Abwaschen des gesamten Körpers mit einer 5–10 %igen Chloramin-T-Lösung empfohlen. Noch besser ist die Dekontamination mit RSDL-Kontaminationslösung und diese sollte im Fall einer Verfügbarkeit bevorzugt eingesetzt werden.
Nach Kontakt mit Prozessionsspinnerraupenhaaren sollte die Kleidung entfernt und die exponierte Haut, wie oben beschrieben, abgespült werden. Eine Entfernung der winzigen Raupenhaare kann z. B. mithilfe eines Pflasters erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass die das toxische Protein enthaltenden Raupenhärchen (Setae) selbst sehr klein sind. Hingegen sind die Raupenhaare, die an der Kleidung oder auch an der Raupe mit bloßem Auge gesehen werden, die ungiftigen Seidenhaare und damit allenfalls ein indirekter Hinweis auf das Vorhandensein von Setae.
Nach Kontakt mit der Haarqualle (Feuerqualle, Cyanea capillata) oder der Kompassqualle (Chrysaora hyoscella) wird das Aufbringen von angerührtem Backpulver empfohlen. Da dies aber in der Regel selten spontan am Strand verfügbar ist, werden alternativ das Aufstreuen von Sand gefolgt von einem vorsichtigen Abschaben empfohlen (Mebs 2010). Die auf der Haut klebenden Tentakel sollten nicht mit dem Handtuch abgewischt oder Alkohol oder Süßwasser zum Spülen verwendet werden, da sich sonst weitere Nesselkapseln entladen können. Wenn vorhanden, kann Weinessig (5 %ige Essigsäure) auf die betroffene Hautregion gegossen werden, um die nicht entladenen Nesselkapseln in den Tentakeln zu inaktivieren. Dieses Vorgehen wird jedoch nach Kontakt mit der portugiesischen Galeere Physalis physalis kontrovers diskutiert, alternativ wird Abwaschen mit Seewasser und das Eintauchen der betroffenen Extremität in 45 °C heißes Wasser empfohlen (Mebs 2014). Bei systemischen Symptomen ist eine intensivmedizinische Therapie erforderlich (Mebs 2014).

Spezifische Therapie

Zur Therapie des Red-Man-Syndroms werden je nach Schwere der Symptomatik Antihistaminika oral oder i.v. eingesetzt. Das durch Nikotinsäure bedingte Erythem bildet sich innerhalb von einigen Stunden zurück, außer dem Beenden der Zufuhr sind in der Regel keine spezifischen Maßnahmen erforderlich.
Spezifische Maßnahmen für Verfärbungen aufgrund einer Einlagerung von Farbpigmenten gibt es nicht, es sollte die weitere Exposition abgestellt werden und ggf. ein Sonnenschutz erfolgen (insbesondere bei Verfärbungen durch Silberpigmente).
Die Therapie des akut-toxischen Kontaktekzemes erfolgt symptomorientiert. Die topische Basistherapie mit Hautpflegeprodukten ist mit eine der Schlüsselkomponenten bei der Therapie des Kontaktekzems. Kortisonhaltige Dermatika werden als First-line-Therapie eingesetzt. Topische Antiseptika sollten nur bei Vorliegen einer Superinfektion der Kontaktdermatitis eingesetzt werden (Dickel et al. 2022). Nach Kontakt mit phototoxischen Substanzen sollte unbedingt für mehrere Tage eine erneute Lichtexposition vermieden werden. Beim Vorhandensein großflächiger Blasen sollte die Therapie wie bei Verbrennungen zweiten Grades erfolgen. Bei phototoxischen Dermatitiden wie der Wiesengräser-Dermatitis kann eine lokale Kortikosteroidanwendung über die akute Heilungsphase hinaus wichtig sein, um der nachfolgenden starken Hyper- oder Hypopigmentierung vorzubeugen. Ein konsequenter Lichtschutz ist im Anschluss an die Akutphase oft erforderlich.
Bei Verätzungen durch Säuren und Laugen sollte grundsätzlich nach der primären Dekontamination eine Behandlung wie bei einer Verbrennung erfolgen. Eine Verlegung in ein Zentrum für Brandverletzte wird unter Berücksichtigung insbesondere folgender Kriterien empfohlen: zweitgradige Verbrennungen > 10 % Körperoberfläche, drittgradige Verbrennungen > 5 % Körperoberfläche, Lokalisation (Hand, Gesicht, Genitalien), spezifische Ursachen (wie chemische Verbrennung) und spezifische Patienten (Alter und Komorbiditäten): Für Details wird hier auf die entsprechende AWMF-Leitlinie 044 – 00 verwiesen. Es ist empfehlenswert, Besonderheiten zu Einzelsubstanzen über den Giftnotruf zu erfragen. Manche Säuren, z. B. Ameisensäure, werden gut resorbiert und können auch eine systemische Wirkung entfalten. Im Falle der Flusssäure sollte das betroffene Areal unmittelbar nach der primären Dekontamination mit in Kalziumgluconatlösung getränkten Mullauflagen abgedeckt werden (Verdünnung 10 ml Kalziumgluconat 10 % und 30 ml H2O; häufiger Wechsel innerhalb einer Stunde). Je nach Lokalisation und Befund kann auch die Unterspritzung mit 10 %igem Kalziumgluconat oder 10 %gem Kalziumchlorid erforderlich werden, ggf. auch eine intraarterielle Gabe von Kalziumgluconat bzw. Kalziumchlorid. Ziel dieser Maßnahmen ist insbesondere die Vermeidung der Schädigung der tieferen Gewebeschichten inkl. des Knochens.
Zur Therapie urtikarieller Läsionen unterschiedlicher Genese werden lokale Steroide und lokale Antihistaminika sowie ggf. systemische Antihistaminika und/oder systemische Kortisonpräparate eingesetzt. Allerdings ist sind diese Substanzen in der Behandlung von Nesselverletzungen durch Quallen wenig wirksam, hier kann das Auftragen einer Lidocainsalbe (2,5 % ig), ggf. Eispacks, die Schmerzen lindern. Bei extremer Schmerzsituation können sogar Opiate indiziert sein. Ausgedehnte Nesselverletzungen sind wie Brandwunden zu behandeln. (Mebs 2014)
Die Therapie einer Chlorakne erfolgt symptomatisch und sollte in enger Kooperation mit Dermatologen erfolgen. Eine spezifische Therapie des Haarausfalles bei Thalliumvergiftung gibt es nicht.
Literatur
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