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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 19.03.2020

Diabetes insipidus

Verfasst von: Johannes Hensen
Der Diabetes insipidus (Di) entsteht aufgrund eines Mangels an Antidiuretischem Hormon (= Vasopressin, ADH) oder aufgrund einer verminderten Wirkung von ADH am renalen Sammelrohr. Beides führt primär zu einer vermehrten Ausscheidung (Polyurie) eines unkonzentrierten Urins. Dabei bleibt die Natriumkonzentration im Serum in der Regel noch normal, solange der sekundär vermehrte Durst (Polydipsie) die Wasserverluste durch Trinken kompensiert. Sind hingegen auch das Durstgefühl oder die Flüssigkeitsaufnahme gestört, entsteht eine hypernatriäme Dehydration.

Definition

Den Diabetes insipidus (Di) kann man allgemein definieren als eine Störung der Regulation der Osmolalität bzw. der Natriumkonzentration im Plasma, aufgrund eines Mangels an Antidiuretischem Hormon (= Vasopressin, ADH) oder aufgrund einer verminderten Wirkung von ADH am renalen Sammelrohr. Beides führt primär zu einer vermehrten Ausscheidung (Polyurie) eines unkonzentrierten Urins. Dabei bleibt die Natriumkonzentration im Plasma in der Regel noch normal, solange der sekundär vermehrte Durst (Polydipsie) die Wasserverluste (durch Trinken) kompensiert. Sind hingegen auch das Durstgefühl oder die Flüssigkeitsaufnahme gestört, entsteht eine hypernatriäme Dehydration (Czernichow und Robinson 1985).

Pathophysiologie

Es werden zentrale und renale Formen sowie erworbene und seltene familiäre Formen unterschieden.

Diabetes insipidus centralis

Der erworbenen zentralen Form liegt eine Erkrankung des Hypothalamus oder des Hypophysenstiels zugrunde. Die Ursachen lassen sich einteilen in posttraumatische oder postoperative Störungen, benigne oder maligne Raumforderungen einschließlich Metastasen und Leukämien, entzündliche oder granulomatöse Erkrankungen (Hypophysitis, Entzündung des Hypophysenstiels („Stalkitis“), Enzephalitis, Sarkoidose, Langerhans-Zell-Histiozytose) oder Gefäßerkrankungen (Aneurysma, Infarkte). Bei Patienten mit AIDS wurde ein Diabetes insipidus nach Infektionen des zentralen Nervensystems mit Toxoplasma gondii, Zytomegalie oder Herpes simplex oder bei lymphozytären Infiltrationen des Zentralnervensystems (ZNS) beschrieben. Weitere Ursachen des zentralen Diabetes insipidus sind Germinome und Pinealome.
Insbesondere bei Kraniopharyngeomen ist der Diabetes insipidus häufig ein Frühsymptom, das präoperativ bei etwa einem Viertel der Patienten besteht. Wenn eine komplette operative Exstirpation des hypothalamischen Tumors angestrebt wird, steigt die Prävalenz eines permanenten Diabetes insipidus selbst bei Versuch der Kontinuitätserhaltung des Hypophysenstiels postoperativ auf etwa 70 % der Patienten.
Auch der komplette Hirntod kann zu einem Untergang der Vasopressin produzierenden Neurone führen, was bei hirntoten Patienten, die zur Organspende anstehen, eine Behandlung mit Desmopressin erforderlich machen kann.
Ein partieller (kompensierter) Diabetes insipidus centralis kann in der Schwangerschaft aufgrund verstärkter ADH-Degradation durch eine Vasopressinase (Ocytocinase), die in der Plazenta gebildet wird, dekompensieren.
Ein milder Diabetes insipidus bei Simmonds-Sheehan-Syndrom kann sich nach Substitution des Kortisoldefizits aufgrund der ADH-inhibitorischen Wirkung von Kortisol und aufgrund der kortisolinduzierten Verbesserung der Hämodynamik und der Nierenfunktion verschlechtern.
Wichtige Ursachen des Diabetes insipidus centralis sind:
  • Familiär
    • Hereditär (autosomal dominant)
    • Assoziation von Diabetes insipidus, Diabetes mellitus, „optic atrophy“, „nerve deafness“ (DIDMOAD)
  • Erworben
    • Trauma
    • Tumoren
      • Kraniopharyngeom
      • Germinom
      • Metastasen
    • Operation im Bereich der Sella turcica
    • Idiopathisch
  • Granulomatöse Entzündungen
  • Infektionen
  • Vaskuläre Erkrankungen
    • Sheehan-Syndrom
    • Zerebrale Aneurysmata
    • Thrombotisch thrombozytopenische Purpura
Erst wenn mehr als 80–90 % der magnozellulären ADH-sezernierenden Neurone zerstört sind, resultiert das klinische Bild des Diabetes insipidus. Je geringer die verbleibende Zellzahl unter dieser Schwelle ist, desto schwerer wird das Krankheitsbild sein. Das klinische Ausmaß der Polyurie hängt also nur von der verbleibenden Zahl der funktionstüchtigen Neurone ab. Aus diesem Grunde bewirkt die operative Entfernung des Hypophysenhinterlappens alleine allenfalls einen partiellen Diabetes insipidus, da mehr als 10 % der ADH- sezernierenden Neurone oberhalb des Hypophysenhinterlappens enden. Deshalb bewirken Hypophysenadenome, auch mit extrasellärer Ausdehnung, ebenfalls fast nie einen Diabetes insipidus. Wenn ein Diabetes insipidus bei einem Patienten mit „Hypophysenadenom“ auftritt, sollte man an der Diagnose zweifeln, es könnte z. B. eine Hypophysitis vorliegen.
Nach transsphenoidaler Operation eines intrasellären oder extrasellären Hypophysenadenoms kann ein passagerer Diabetes insipidus auftreten, nach transkranieller Operation deutlich häufiger als nach transsphenoidaler Operation.
Die polyurische Phase nach Operation im Bereich der Sellaregion ist in etwa 5 % der Fälle durch eine „Interphase“ eine Woche nach Operation unterbrochen, in der eine Oligurie besteht und sich vielfach auch passager eine euvoläme Hyponatriämie (SIADH) entwickelt (Hensen et al. 1999). Die Interphase kommt durch ungeregelte verzögerte Freisetzung von ADH aus dem verletzten Hypophysenhinterlappen sowie durch aufsteigende, retrograde Degeneration von Vasopressin sezernierenden Neuronen zustande, deren Axone bei der Operation beschädigt worden waren. Das SIADH kann postoperativ auch isoliert, d. h. ohne vorangehende Polyurie, auftreten, mit einem Maximum am 7. Tag postoperativ.
Der postoperative Diabetes insipidus bildet sich im Verlauf häufig zurück. Im Erlanger Patientenkollektiv sind nach 3 Monaten 0,9 % der operierten Patienten behandlungsbedürftig, nach 1 Jahr sinkt die Prävalenz des permanenten Diabetes insipidus auf 0,25 %.
Der Diabetes insipidus hypersalaemicus, auch Hypodipsie-Hypernatriämie-Syndrom genannt, wird durch eine Läsion im Bereich des Osmorezeptors bzw. der osmosensitiven Neurone verursacht. In diesem Fall versiegen sowohl die osmotisch stimulierte ADH-Sekretion als auch das schützende Durstgefühl. Ursächlich können z. B. Aneurysmablutungen im Bereich der A. cerebri communicans anterior oder neurochirurgische Eingriffe im Hypothalamusbereich, z. B. bei Kraniopharyngeom, sein. Die resultierende Hypernatriämie bei diesem Krankheitsbild ist oft beträchtlich (bis 190 mmol/l). Unbehandelt scheiden die Patienten zunächst weiter einen hypotonen Urin aus, und es kommt zur Hypernatriämie. Bei hohem Serumnatrium und Dehydratation kann der Urin durch nichtosmotisch bedingten ADH-Anstieg bei Hypotonie und Hypovolämie wieder konzentriert sein.
Ein definierter und bekannter pathogenetischer Hintergrund besteht dafür eindeutig bei den seltenen familiären Formen.
Ein Diabetes insipidus centralis tritt bei einem Drittel der Patienten des sehr seltenen Wolfram-(DIDMOAD-)Syndrom auf. Hierbei handelt es sich um eine seltene autosomal rezessiv vererbbare Erkrankung, die mit Diabetes insipidus (DI), Diabetes mellitus (DM), Nervus-opticus-Atrophie (OA) und Taubheit einhergehen kann (D).
Der familiäre Diabetes insipidus centralis ist eine sehr seltene autosomal dominant vererbte Erkrankung mit 100 %iger Penetranz. Das besondere Merkmal der Erkrankung ist der verzögerte Beginn im Kleinkindesalter bzw. in früher Kindheit. In den letzten Jahren wurden zahlreiche heterozygote Mutationen im Polypeptidpräkursor-Gen für AVP-Neurophysin II (AVP-NP II) nachgewiesen. Die Mutationen stören einheitlich den Transportprozess bzw. die Faltung und Selbstassoziation des Prohormons: Unkorrekt gefaltete Proteine können nicht weitertransportiert werden. Sie verbleiben im endoplasmatischen Retikulum, wo sie als große Aggregate akkumulieren und vermutlich den Zelluntergang auslösen. Dieser Mechanismus erklärt die Dominanz der heterozygoten Mutationen (dominant negativer Effekt), die Autopsiebefunde der Degeneration von magnozellulären Neuronen, den verzögerten Beginn des Diabetes insipidus und die Einheitlichkeit des Krankheitsbildes trotz der Vielzahl von Mutationen.

Diabetes insipidus renalis

Bei der renalen ADH-Resistenz unterscheidet man zwischen angeborener und erworbener Endorganresistenz gegenüber ADH.
Zahlreiche Mutationen im V2-AVP-Rezeptor-Gen bewirken den X-chromosomal rezessiv vererbten Diabetes insipidus renalis (nephrogener Diabetes insipidus, NDI). Die Erkrankung betrifft nur Knaben und Männer. Konduktorinnen können gelegentlich in geringerem Ausmaß polyurisch und polydiptisch sein, was auf eine vermehrte (einseitige) X-chromosomale Inaktivation des gesunden Allels zurückgeführt wird.
Auch die extrarenalen V2-AVP-Rezeptoren sind von der Mutation betroffen. Dies lässt sich in einer abgeschwächten oder fehlenden Reaktion auf intravenös injiziertes Desmopressin nachweisen. Normalerweise kommt es nach Injektion von 4 μg Vasopressin zu einer Vasodilatation im Bereich der Gefäße der Arme und zu einem Anstieg von Gerinnungsfaktoren, wie dem von-Willebrandt-Jürgens-Faktor. Diese Effekte bleiben bei Mutationen im V2-AVP-Rezeptor aus oder sind stark abgeschwächt.
In wenigen Familien mit renalem Diabetes insipidus sind Frauen und Männer mit einem autosomal rezessiven Erbgang betroffen. Ursächlich konnten Mutationen des Aquaporin-2-(AQP2-)Gens nachgewiesen werden.
Weitaus häufiger als der kongenitale Diabetes insipidus renalis ist die erworbene Form, die wesentlich milder verläuft. Lithium bewirkt eine Polyurie, indem es zu einer Abnahme der ADH-abhängigen Insertion von Wasserkanälen (Aquaporin-2 = AQP-2) in die luminale Zellmembran der Prinzipalzellen führt. Dadurch wird weniger Wasser aus dem Sammelrohr reabsorbiert. Auch die Hypokaliämie- oder Hyperkalziämie-induzierte Einschränkung der renalen Konzentrationskapazität scheint über eine Abnahme von AQP-2-Wasserkanälen verursacht zu sein. Der Vasopressin-„escape“, d. h. die Abnahme der Wirkung von ADH bei kontinuierlicher ADH-Erhöhung oder Langzeitgabe von ADH, geht ebenfalls mit einer Abnahme von AQP-2 einher. Demeclocyclin bewirkt einen Diabetes insipidus renalis über Inhibition der ADH-induzierbaren Adenylatzyklase. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die den Mechanismus der Gegenstromkonzentration über eine Herunterregulation des Na-K-2Cl-Kotransporters einschränken. So ist auch in der polyurischen Phase der akuten tubulären Nekrose die medulläre Hypertonizität herabgesetzt und damit die ADH-induzierte Rückdiffusion von Wasser vermindert. Ob die Einschränkung der renalen Konzentrationskapazität durch übermäßiges Trinken (z. B. bei psychogener Polydipsie) eine Folge der Auswaschung der Nierenmarks ist, wurde in letzter Zeit infrage gestellt. Alternativ oder in Ergänzung zu dieser klassischen Hypothese spielt vermutlich bei fortwährender Polydipsie und vermehrtem Trinken auch in diesem Fall die Herunterregulierung der AQP-2-Expression eine wichtige Rolle.

Epidemiologie

Exakte Daten zur Inzidenz und Prävalenz des Diabetes insipidus liegen nicht vor. Die auch als neurogener oder hypothalamischer Diabetes insipidus bezeichnete Erkrankung ist mit einer Prävalenz von etwa 1:25.000 selten und betrifft beide Geschlechter gleich häufig. Die familiären Formen sind sehr selten.

Klinik

Die Leitsymptome des Diabetes insipidus sind Polyurie und Polydipsie, seltener eine Hypernatriämie. Je nach Form des Diabetes insipidus können weitere Symptome und Befunde auftreten, wie Mundtrockenheit, Dehydration, Sehstörungen, etc. Bei renalem Diabetes insipidus bedingt die unbehandelte Erkrankung bei Kindern eine hypernatriämen Dehydration und Hyperthermie. Typisch für das „Durstfieber“ ist, dass es im Gegensatz zum Fieber bei Entzündungen meist morgens am höchsten ist. Eine mentale Retardierung kann durch mehrmalige Episoden von unbemerkter Dehydratation vor Diagnosestellung in frühester Kindheit entstehen. Die Dilatation der ableitenden Harnwege kann das klinische Bild einer obstruktiven Uropathie bewirken.

Diagnostik

Anamnese und Basislabor

Die typische Störung des Nachtschlafs durch mehrmalige Nykturie und nächtliches Trinken bei Durst sind zu erfragen, auch sollte nach möglichen Ursachen des Diabetes insipidus gefahndet werden: z.  B. Traumata, Metastasen, vorangegangene neurochirurgische Eingriffe, entzündliche oder infiltrative Erkrankungen, Hautveränderungen bei Histiozytose.
Als Such- bzw. Ausschlussdiagnostik wird die Messung des Harnvolumens und der Trinkmenge über eine oder zwei 24-h-Perioden nach Absetzen diuretischer oder antidiuretischer Medikation für mindestens 2 Tage empfohlen sowie parallel dazu die Messung von Serum-Na+, Harnstoff, Glukose, Serum- und Urinosmolalität.
Serumnatrium und Plasmaosmolalität sind bei ausgeprägtem Diabetes insipidus morgens meist zu hochnormalen Konzentrationen verschoben. Eine Hypernatriämie weist auf einen Diabetes insipidus hypersalaemicus hin.
Besteht eine klinisch relevante (hypotone) Polyurie von >50 ml/kg KG in 24 h, d. h. >3 bis >4 l bei 60–80 kg KG und liegen keine anderen offensichtlichen Ursachen für die Polyurie vor, wie eine Hyperglykämie, Hypokaliämie, Hyperkalziämie, chronisch polyurische Nierenerkrankung oder die polyurische Phase eines akuten Nierenversagens, sollte ggf. eine weiterführende Diagnostik erfolgen.
Diese ist nicht notwendig, wenn die Situation bereits nach Klinik und Basisdiagnostik klar ist. Eine Polyurie mit Serumnatrium >143 mmol/l in Verbindung mit einer Serumosmolalität von >295 mOsmol/kg KG, mit einer UOsm<POsm, bei ausgeschlossener Urämie und normalem Blutzucker bzw. einem negativen Glukosestick im Urin beweisen bereits das Vorliegen einen Diabetes insipidus. Ein klinisches Ansprechen auf DDAVP klärt dann die Differenzialdiagnose zwischen zentralem und nephrogenem Diabetes insipidus eindeutig. In Zweifelsfällen wird zukünftig auch das Arginin-stimulierte Copeptin in der Differenzialdiagnose der Polyurie/Polydipsie eine wichtige Rolle spielen (Winzeler et al. 2019).

Biochemische Diagnostik

Die erweiterte Testung dient vor allem der Differenzialdiagnose zwischen partiellem Diabetes insipidus und primärer Polydipsie bzw. Potomanie.

Durstversuch mit anschließender DDAVP-Gabe

Der kurze Durstversuch mit DDAVP-Test erlaubt die indirekte Überprüfung der ADH-Freisetzung und Wirkung über Messung der Urinosmolalität (Miller et al. 1970). Üblicherweise beginnt der Durstversuch um 22:00 oder 24:00 Uhr (Abb. 1). Ab spätestens 8 Uhr werden in 2-stündigem Abstand Harnmenge, Urinosmolalität, Körpergewicht, Blutdruck und Puls gemessen. Um 8:00 Uhr morgens und nachdem ein Plateau der Urinosmolalität erreicht ist, in der Regel um 16:00 Uhr, werden die Osmolalität und Natrium im Plasma bestimmt. Abbruchkriterien sind der Verlust von 3–4 % des Körpergewichts, Hypotension oder unerträglicher Durst. Um 16:00 Uhr erfolgt die Injektion von Desmopressin (4 μg DDAVP i.v.), der Patient kann maximal 200 ml Wasser trinken. Es werden dann noch 2 Portionen Urin gesammelt, z. B. um 17:00 Uhr und 18:00 Uhr. Die letzte Urinosmolalität vor DDAVP und die höchste Urinosmolalität nach DDAVP werden verglichen. Nur bei Patienten mit einem Diabetes insipidus steigt nach Gabe von DDAVP die Urinosmolalität weiter an. Ein Defekt der ADH-Sekretion kann angenommen werden, wenn exogenes DDAVP die Urinosmolalität um mehr als 10 % nach Erreichen eines Plateaus stimuliert (Miller et al. 1970). Durch die Analyse von Copeptin, des C-terminalen Teils von Präprovasopressin vor und nach Dursten unter Berücksichtigung des Anstiegs von Serumnatrium, lässt sich die Aussagefähigkeit des Testes weiter erhöhen (Fenske und Allolio 2012).
Der Test ist einfach durchzuführen, wenig belastend und auch in einer endokrinologischen Praxis ambulant gut durchführbar.

Hypertoner Kochsalzinfusionstest

Der Kochsalzinfusionstest wird als Goldstandard der Differenzialdiagnostik der Polyurie/Polydipsie angesehen, weil die Trennschärfe des Testes höher ist. Dabei wird durch hypertone, in der Regel 3 %ige Kochsalzlösung, die Natriumkonzentration innerhalb von 2–3 h kontrolliert angehoben, parallel erfolgt die Messung von ADH oder heute die Messung des Surrogatparameters von ADH, Copeptin im Serum (Fenske et al. 2018). Auch das Durstgefühl kann dabei registriert und quantifiziert werden. Der Test benötigt großvolumige periphere Venen, da es durch die hypertone Lösung zu einer Thrombophlebitis kommen kann. Voraussetzung ist auch die Möglichkeit einer schnell verfügbaren Natriumbestimmung. Der Test ist in uneindeutigen Fällen Mittel der Wahl.

Therapieversuch mit Desmopressin

Desmopressin zur Nacht zeigt bei Patienten mit Diabetes insipidus centralis eine sofortige Wirkung. Diese verspüren sofort Erleichterung, weil Polyurie, Nykturie und Polydipsie vergehen und sie wieder durchschlafen können. Patienten mit primärer Polydipsie oder Potomanie verspüren jedoch keine oder nur wenig Linderung, sie trinken weiter und werden u.  U. durch die Wasserretention hyponatriämisch. Deshalb muss ein Therapieversuch gut überwacht werden, mit täglicher Messung von Trinkmenge, Gewicht, Urinausscheidung durch den Patienten und initial engmaschiger Kontrolle von Serumnatrium.

Genetische Diagnostik

Eine genetische Diagnostik ist nur selten erforderlich.

Lokalisationsdiagnostik und bildgebende Verfahren

Zur Klärung der Lokalisation kommt in erster Linie die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz. Das MRT ist wesentlich besser als das Computertomatogramm (CT) zur Darstellung der Hypophysen- und Hypothalamusregion geeignet. Der intakte Hypophysenhinterlappen stellt sich in der T1-gewichteten Spinechosequenz meist hyperintens als „hot spot“ dar. Regenerate des Hinterlappens bzw. ADH-sezernierender Neurone nach Hypophysektomie oder Hypophysenstielabriss lassen sich gelegentlich im Bereich der Eminentia mediana aufgrund ihrer Hyperintensität im T1-gewichteten Bild nachweisen. Ein Fehlen des hypophysären „hot spot“ ist bei Diabetes insipidus centralis häufig, aber nicht beweisend.

Differenzialdiagnostik

Beim Leitsymptom Polyurie müssen unterschiedliche Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden. In erster Linie geht es hier um die primäre (psychogene) Polydipsie, ferner um die Nykturie aus anderen Gründen, und die osmotische Polyurie bei Diabetes mellitus. Die Differenzialdiagnostik muss auch Störungen der renalen Urinkonzentration, z.  B. bei Hyperkalziämie und Hypokaliämie und bei akuten und chronischen Nierenerkrankungen umfassen. Sehr selten ist eine organische Hyperdipsie.

Therapie

Die Behandlung des Diabetes insipidus muss sich an dessen Ursache und Ausprägung orientieren. Ziel der Therapie ist es, die Polyurie soweit zu vermindern, dass der Patient ein normales Leben führen kann und insbesondere die Nachtruhe wenig gestört wird. Patienten mit langjährigem milden (partiellen) Diabetes insipidus centralis benötigen nicht immer eine medikamentöse Therapie. Viele Patienten, insbesondere mit familiärem zentralen Diabetes insipidus, haben sich an die gesteigerte Trinkmenge und an die Nykturie gewöhnt. Eine Behandlung mit DDAVP ist absolut indiziert, wenn eine hypertone Dehydratation droht, z. B. wenn das Durstgefühl beeinträchtigt ist oder eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr nicht möglich ist.

Medikamentöse Therapie

Bei Patienten mit Diabetes insipidus centralis ist intranasales oder orales Desmopressin Therapie der Wahl. DDAVP bindet nur an den antidiuretischen V2-AVP-Vasopressinrezeptor und hat deshalb keine pressorischen Nebenwirkungen. Bedingt durch die fehlende α-Aminogruppe weist DDAVP auch im Vergleich zu AVP eine deutlich verlängerte Halbwertszeit (ca. 2–3 h) auf. Die Bioverfügbarkeit nach intranasaler Gabe beträgt etwa 10 % und nach oraler Gabe 1 %.
Die antidiuretische Wirkung einer intranasalen Gabe von 10 μg hält ungefähr 10 h an, bei manchen Patienten aber auch deutlich länger (bis 24 h). Die Dosierung kann deshalb im Einzelfall nicht vorausgesagt werden. Die Wirkdauer beim jeweiligen Patienten kann leicht anhand des Wiederauftretens von hypotoner Polyurie mit wasserhellem Urin und Polydipsie festgestellt werden. Die Rhinyle, ein Schläuchchen, mit dem eine kleine Menge der Substanz aufgezogen und dann in ein Nasenloch geblasen werden kann, hat den Vorteil, genauer und geringer als ein Spray dosieren zu können (0,05 ml entsprechen 5 μg). Für den Gebrauch bei Kindern und Säuglingen kann DDAVP mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt werden. Ein Diabetes insipidus bei parenteral ernährten Patienten oder postoperativ kann intramuskulär oder subkutan mit 2 μg Desmopressin (½ Ampulle Minirin) 1- bis 3-mal pro Tag behandelt werden. Schwangerschaft und Laktation sind keine Kontraindikation für therapeutische „Substitutions“-Dosen von DDAVP.
Zahlreiche Medikamente können mit der Wirkung von DDAVP an der Niere interagieren. Auch Veränderungen der Hämodynamik können den Prozess der Urinverdünnung und -konzentration erheblich beeinflussen. Kreislaufbeeinflussende Medikamente, Koffein, aber auch Prostaglandin-Synthesehemmer (z. B. Diclofenac, Ibuprofen, Aspirin) können Wirkdauer und Wirkstärke von DDAVP beeinflussen. Nichtsteroidale Antiphlogistika können eine Wasserretention und eine Hyponatriämie induzieren. Carbamazepin führt zu einer ADH-unabhängigen Erhöhung von AQO2 an der Niere und damit zu einer Verstärkung der Wirkung von DDAVP an der Niere. Eine zentrale Wirkung von Carbamazepin auf die ADH-Freisetzung wird ebenfalls (kontrovers) diskutiert. Die Dosis von DDAVP kann unter Carbamazepin reduziert werden, einige Patienten kommen unter Carbamazepin sogar ganz ohne DDAVP aus. Loperamid kann zu einer deutlichen Erhöhung der Desmopressin-Plasmakonzentration mit Hyoponatriämie führen.

Therapiekontrolle

Man beginnt bei Erwachsenen mit DDAVP-Dosierspray in einer niedrigen Dosis, z.  B. 1 Hub oder 0,1 ml zur Nacht (ca. 10 μg), da es für die meisten Patienten am wichtigsten ist, nachts wieder durchschlafen zu können. Der Patient sollte vorsichtshalber darauf hingewiesen werden, in den ersten 3 h nach DDAVP-Einnahme keine großen Mengen zu trinken. Je nach Wirkung kann morgens oder mittags eine zweite Dosis DDAVP zugegeben werden. Normalerweise gibt es bei erhaltenem Durstgefühl keinen Grund, die Flüssigkeitsaufnahme zu kontrollieren, außer zu Beginn der Therapie, um eine Überwässerung zu vermeiden. In den ersten Wochen sollte das Körpergewicht täglich kontrolliert werden, auch für die Langzeittherapie ist das regelmäßige Wiegen eine gute Kontrollmöglichkeit bei unsicheren Patienten. Serumnatrium sollte im ersten Therapiemonat wöchentlich überwacht werden, später in größeren Abständen, z. B. alle 3–6 Monate. Zur Selbstkontrolle eignet sich auch die Messung des spezifischen Gewichts.
Patienten mit Diabetes insipidus hypersalaemicus müssen zusätzlich zur DDAVP-Therapie zu einer regelmäßigen Wasseraufnahme, evtl. mit Dokumentation von Einfuhr, Ausfuhr und Gewicht angehalten werden. Regelmäßige, u. U. wöchentliche Kontrollen von Serumnatrium sind bei solchen Patienten unerlässlich.

Nebenwirkungen

Sehr selten kommt es unter DDAVP zu Bauchkrämpfen und lokalen Reaktionen an der Nasenschleimhaut (Perfusionssteigerung). Gewichtszunahme, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Krämpfe sind Hinweise auf eine Hyponatriämie, die auftreten kann, wenn ein Patient mit einer primären psychogenen oder organischen Hyperdipsie mit DDAVP behandelt wird, wenn DDAVP überdosiert wird oder wenn ein Patient nach Gabe von DDAVP zu viel trinkt.
Die Entwicklung einer Hyponatriämie kann verhindert werden, wenn die jeweils nächste Desmopressin-Dosis erst nach Wiederauftreten der Polyurie appliziert wird.

Therapie des kongenitalen Diabetes insipidus renalis

Therapeutisch wirksam sind Diuretika vom Thiazidtyp oder Amilorid bzw. eine Kombination beider Substanzen. Durch die initial vermehrte Natriumausscheidung wird das Extrazellulärvolumen vermindert. Dies bedingt eine Abnahme der glomerulären Filtrationsrate und eine erhöhte proximale Resorption von Salz und Wasser, sodass der distale Wasserzufluss schließlich abnimmt. Somit gelangt weniger Wasser in die unter Kontrolle von ADH stehenden Sammelrohre, und es wird insgesamt weniger Urin ausgeschieden. Als therapeutisch effektiv hat sich auch der Prostaglandin-Synthesehemmer Indomethacin in einer Dosis von 50 mg alle 8 h erwiesen.
Keine der obigen therapeutischen Methoden führt zu einer Urinosmolalität, die die Plasmaosmolalität übersteigt. Der therapeutisch induzierbare Anstieg der Urinosmolalität von z. B. 50 auf 200 mosmol/kg kann aber u. U. die zur Exkretion der harnpflichtigen Substanzen benötigte obligatorische Urinmenge von z. B. 10–12 l auf tolerable 3–4 l pro Tag reduzieren und damit helfen, die Dilatation der ableitenden Harnwege zu vermeiden.

Verlauf und Prognose

Der idiopathische Diabetes insipidus centralis und die entzündlichen Formen bilden sich nur selten zurück. Dagegen ist ein posttraumatischer oder postoperativer Diabetes insipidus häufig transient (Hensen et al. 1999). Die Wahrscheinlichkeit für einen permanenten Diabetes insipidus nimmt mit zunehmender Schwere des Schädel-Hirn-Traumas oder der Schädelbasisfrakturen zu. Auch gilt: Je länger ein manifester Diabetes insipidus besteht, desto weniger wahrscheinlich ist eine Remission.

Besondere Aspekte

Schulung von Patienten und Angehörigen

Die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit Diabetes insipidus lässt sich problemlos behandeln. Viele Patienten haben einen enormen Wissens „durst“ und fühlen sich erst sicher, wenn sie die zugrundeliegende Krankheit und die Regulationsmechanismen verstanden haben. Aber es gibt auch medizinische Gründe für eine Schulung, denn passagere Elektrolytentgleisungen treten häufiger als angenommen auf und lassen sich durch eine richtige Reaktion verhindern. Schulungsinhalte sollten sein: Prinzip der Regelung der Natriumkonzentration durch Wasserzufuhr und -ausscheidung, Symptome einer Hyponatriämie und Hypernatriämie. Wertigkeit der Kontrollparameter wie Gewicht, Serumnatrium, Urinkonzentration (Farbe, spezifisches Gewicht), Durstgefühl, Verhalten in besonderen Fällen.
Ein Verweis auf Selbsthilfegruppen hilft vielen Patienten weiter. Im deutschsprachigen Raum bietet das Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen mit seinen regionalen Gesprächsgruppen, diagnosespezifischen Gesprächskreisen und Abhaltung von Hypophysen- und Nebennierentagen eine Anlaufstelle (Selbsthilfegruppe Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V 2015).
Literatur
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