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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 01.06.2016

Dilatative Kardiomyopathie

Verfasst von: Regina Pribe-Wolferts, Philipp Ehlermann, Benjamin Meder und Hugo A. Katus
Die dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist eine heterogene Gruppe kardialer Erkrankungen, die durch eine Einschränkung der systolischen linksventrikulären Funktion gekennzeichnet ist und in der Regel mit einer Erweiterung der Herzbinnenräume einhergeht. Etwa ein Drittel aller idiopathischen DCM-Formen ist genetisch bedingt, weshalb eine sorgfältige Erhebung der Familienanamnese obligater Bestandteil der Diagnostik ist. Der klinische Verlauf kann sehr variabel sein, Leitsymptome sind belastungsabhängige Dyspnoe sowie reduzierte Belastbarkeit. In der körperlichen Untersuchung können zudem periphere Ödeme, Hepatomegalie, Pleuraergüsse, grobblasige Rasselgeräusche, Jugularvenenstauung, Blässe, Kachexie und ein dritter Herzton gefunden werden. Die primäre Dokumentation einer Dilatation und Reduktion der systolischen Pumpfunktion erfolgt regelhaft mittels transthorakaler Echokardiographie und Magnetresonanztomographie. Als wichtigste Differenzialdiagnose gilt die ischämische Kardiomyopathie aufgrund einer koronaren Herzerkrankung. Die Behandlung der idiopathischen sowie der familiären DCM orientiert sich an den Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Ziele der medikamentösen und interventionellen Therapie sind die Milderung der Symptome, Vorbeugung eines Krankheitsprogress sowie damit assoziierter Endorganschäden zur Reduktion von kardialen Dekompensationen, Krankenhausaufenthalten und Verbesserung der Prognose.

Einleitung: Definition und Klassifikation

Die dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist durch eine Einschränkung der systolischen linksventrikulären Funktion gekennzeichnet und geht in der Regel mit einer Erweiterung der Herzbinnenräume, insbesondere des linken Ventrikels, einher. Sie stellt eine heterogene Gruppe kardialer Erkrankungen dar, die sich durch vielfältige Ursachen und sehr variable klinische Verläufe auszeichnet (Maron et al. 2006; Elliott et al. 2008).
Für die Diagnosestellung wird ein linksventrikulärer enddiastolischer Diameter (LVEDD) >117 % der Norm korrigiert nach Henry (Abb. 1) für Alter und Körperoberfläche (BSA) und eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) <45 % vorausgesetzt. Im Frühstadium kann oft eine isolierte systolische Dysfunktion des linken Ventrikels imponieren, daher kann die Dilatation als eine Folge der reduzierten Pumpleistung des Herzens gedeutet werden. Bei bestimmten genetischen Ursachen (Taylor et al. 2003) kann auch ein Phänotyp der milden DCM (MDCM), bei der keine markante Dilatation, sondern nur eine Einschränkung der systolischen Funktion vorliegt (Keren et al. 1985), beobachtet werden.
Die American Heart Association (AHA) klassifiziert die DCM als Kardiomyopathie mit gemischter Ätiologie, da sowohl genetische als auch sekundäre Ursachen häufig sind. Die European Society of Cardiology (ESC) nimmt eine Unterteilung nach morphologischen Kriterien und dem klinisch dominierenden Phänotyp vor. Hierbei werden weiter genetische und nicht genetische Ätiologien unterschieden (Elliott et al. 2008).
Ca. 35–40 % der DCM-Fälle werden einer idiopathischen Genese zugeschrieben (Hershberger et al. 2010). Wird bei zwei oder mehr Personen in einer Familie die Diagnose einer DCM gestellt, handelt es sich um eine familiäre Form (fDCM) (Tab. 1). Es ist davon auszugehen, dass familiäre Fälle grundsätzlich genetisch bedingt sind, allerdings ist das Wissen über die einzelnen Gene noch unvollständig. Insgesamt kann unter Anwendung neuer genetischer Verfahren bei ca. 46 % aller Fälle eine genetische Ursache belegt werden (Towbin und Bowles 2002; Burkett und Hershberger 2005; Taylor et al. 2006; Haas et al. 2015). Mutationen können daher also auch bei einem Teil der nicht familiären Fällen nachgewiesen werden (Meder und Katus 2012) (Abb. 2).
Tab. 1
Kriterien einer familiären Kardiomyopathie. (Nach Mestroni et al. 1999)
Gesichert
Zwei oder mehr Betroffene innerhalb einer Familie (gesichert durch Herzkatheter oder Autopsie)
Erstgradiger Verwandter mit gut dokumentiertem plötzlichen Tod unklarer Ursache im Alter unter 35 Jahren
Vermutet
Erstgradiger Verwandter (Alter <65 Jahre) mit
- Unerklärtem plötzlichen Tod
- Tod wegen Herzinsuffizienz
- Eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion

Pathophysiologie

Der Anteil der familiären DCM-Fälle wird auf etwa ein Drittel aller idiopathischen Formen geschätzt (Burkett und Hershberger 2005). In den Fällen, in denen genetische Ursachen eindeutig identifiziert wurden, liegen in absteigender Häufigkeit autosomal-dominante, X-chromosomale und seltener auch autosomal-rezessive oder mitochondriale Erkrankungen vor (Fatkin 2011).
Häufig sind Bestandteile des Zytoskeletts, der Z-Scheibe und der kontraktilen Proteine durch die Genmutation im Aufbau oder der Funktion gestört (Meder et al. 2011). Daneben lassen sich Störungen der Kalziumhomöostase, der Signaltransduktion oder des Energiestoffwechsels identifizieren, die ursächlich für die Funktionseinschränkung sein können. Der resultierende disseminierte Zelluntergang führt zunächst zu einer Hypertrophie der verbliebenen funktionsfähigen Kardiomyozyten, gefolgt von einem fibrotischen Umbau ausgedehnter subendokardialer, fokal interstitieller und perivaskulärer Areale mit myokardialer Ausdünnung und Dilatation (Watkins et al. 2011).
Das Spektrum der sekundären Formen ist groß. So werden unter anderem Inflammation, virale Infektionen, metabolische und toxische Auslöser für pathogenetisch bedeutsam gehalten (Tab. 4). Häufig bleibt jedoch trotz sorgfältiger und umfassender Diagnostik eine genaue Ursache ungeklärt und die Erkrankung wird somit als idiopathische DCM klassifiziert.

Epidemiologie

Die DCM ist die häufigste Ursache für eine systolische Herzinsuffizienz und den plötzlichen Herztod bei jungen Patienten unter 35 Jahren. Die geschätzte Prävalenz in der Bevölkerung liegt bei über 1:2500. Die Inzidenz beträgt 5–6 Fälle pro 100.000 Einwohner und Jahr. Damit stellt die DCM die Hauptursache für die Herztransplantation der unter 55-Jährigen dar. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Neuerkrankungen deutlich höher ist, da eine Vielzahl der Betroffenen klinisch lange inapparent bleibt oder durch einen plötzlichen Herztod nicht diagnostiziert werden. Die Erstmanifestation kann in jeder Altersgruppe beobachtet werden, ein Häufigkeitsgipfel findet sich zwischen der vierten und sechsten Lebensdekade und nimmt mit steigendem Alter zu. Das Verhältnis von Männern zu Frauen liegt bei etwa 2:1 (Bagger et al. 1984; Codd et al. 1989; Fatkin et al. 2010; Petretta et al. 2011).

Klinik

Das klinische Bild manifestiert sich meist erst nach Beginn der strukturellen Myokardveränderungen und ist abhängig von der linksventrikulären Ejektionsfraktion mit sukzessiven Vorwärts- und Rückwärtsversagen. Nicht selten kommt es erst zur Diagnosestellung, wenn ein lebensbedrohlich fortgeschrittenes Krankheitsbild mit Herzversagen, Arrythmie, ein plötzlicher Herztod oder ein Apoplex vorliegen. Leitsymptome sind die belastungsabhängige Dyspnoe sowie reduzierte Belastbarkeit, die nach der New York Heart Association (NYHA) in vier Schweregrade eingeteilt wird. Leberstauung, Hepatosplenomegalie mit Ausbildung von Aszites sowie Stauungsgastritis sind Folge einer sich entwickelnden Rechtsherzinsuffizienz. Zusätzlich kommt es zu Ödembildung und pektanginösen Beschwerden als Folge einer erhöhten Wandspannung der Ventrikel sowie eines Perfusionsdefizits der kleinen Gefäße. Synkopen und Brady- bzw. Tachykardien (supraventrikuläre oder ventrikuläre Tachykardien, Vorhofflattern und Vorhofflimmern) können weiterer Ausdruck einer Herzinsuffizienz oder gerade bei genetischen Formen einer primären Störung der Erregungsleitung oder Erregungsbildung sein. Schlaganfälle und andere embolische Ereignisse aufgrund von intrakardialen Thromben sind Ausdruck eines deutlich reduzierten Herzzeitvolumens oder atrialer Rhythmusstörungen (meist Vorhofflimmern). In der körperlichen Untersuchung sollte neben peripheren Ödemen und Hepatomegalie auf Pleuraergüsse, grobblasige Rasselgeräusche, Jugularvenenstauung, Blässe, Kachexie und einen dritten Herzton geachtet werden. Eine sekundäre Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz kann ebenfalls auftreten.
Nicht selten wird die Erkrankung auch als Zufallsbefund bei präventiven Untersuchungen asymptomatischer Patienten oder Familienmitgliedern diagnostiziert. Des Weiteren kann die DCM mit extrakardialen Manifestationen oder Syndromen vergesellschaftet sein. Am häufigsten finden sich neuromuskuläre Veränderungen bei Mutationen des Desmin- oder Lamin-A-/C-Gens. Daher sollte in der Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung die Skelettmuskelfunktion besonders berücksichtigt werden. Weitere Syndrome umfassen eine Innenohrschwerhörigkeit bei EYA4-Mutationen, eine Netzhautdegeneration bei der chronisch progressiven externen Ophthalmoplegie (CPEO) und eine periphere Polyneuropathie beim Kearns-Sayre-Syndrom (meist Degeneration in der mitochondrialen DNA) sowie eine Myopathie und eine Neutropenie mit Immunschwäche beim Barth-Syndrom (Tafazzin-Mutation).

Diagnostik

Apparative Diagnostik

Die primäre Dokumentation einer Dilatation und Reduktion der systolischen Pumpfunktion erfolgt regelhaft mittels transthorakaler Echokardiographie. Dies ermöglicht zusätzlich die Beurteilung von Vitien, der diastolischen Funktion sowie der Wanddicke des Ventrikels.
Mit der kardialen Magnetresonanztomographie (MRT) können neben der präzisen Messung der Ejektionsfraktion und der üblichen morphologischen Parameter weitere wichtige Informationen zur Ätiologie gewonnen werden. Das Ausmaß sowie die Anreicherung des „Late Gadolinium Enhancement “ (LGE) ermöglicht zum einen eine partielle Differenzierung zwischen einer ischämischen, entzündlichen und infiltrativen Texturstörung, zum anderen erlauben sie eine Prognoseabschätzung (Lehrke et al. 2011; Leong et al. 2012) (Video 1).
Zur Abgrenzung der wichtigsten Differenzialdiagnose, der ischämischen Kardiomyopathie aufgrund einer koronaren Herzerkrankung, gilt nach wie vor die invasive Herzkatheterdiagnostik mit Koronarangiographie als essenziell bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder fortgeschrittenem Alter. Mittels Ventrikulographie können zudem die linksventrikuläre Pumpfunktion und das Ausmaß einer sekundären Mitralinsuffizienz bestimmt werden. Hämodynamische Parameter – insbesondere im fortgeschrittenen Krankheitsstadium – lassen sich mithilfe der Rechtsherzkatheteruntersuchung registrieren.
Gleichzeitig kann bei der Herzkatheteruntersuchung die Entnahme bevorzugt einer linksventrikulären Myokardbiopsie erfolgen. Diese ist insbesondere zur Erkennung sekundärer Formen (z. B. Myokarditis, Speicherkrankheiten, Sarkoidose und Hämochromatose) unverändert der Goldstandard (Cooper et al. 2007).
Das konventionelle Röntgenbild des Thorax zeigt häufig eine Kardiomegalie, eine prominente pulmonalvenöse Gefäßzeichnung mit Kerley-B-Linien bei einem interstitiellen oder bereits alveolären Lungenödem.
Im Ruhe-EKG können sich pathologische Q-Zacken, AV-nodale und ventrikuläre Blockbilder sowie ST-Strecken- und T-Wellenveränderungen finden. Das Langzeit-EKG dient zur Erkennung begleitender supraventrikulärer Tachykardien, Vorhofflimmern oder ventrikulärer Tachykardien und der fortlaufenden Risikostratifizierung.
Zur weiteren Einschätzung der funktionellen Kapazität des Patienten werden die maximale Sauerstoffaufnahme während der Spiroergometrie (peakVO 2) und die 6-Minuten-Gehstrecke hinzugezogen.
Natriuretische Peptide und hochsensitive Troponinassays als kardiale Biomarker werden zur Risikostratifizierung und zur Therapieüberwachung bestimmt. Die Kreatinkinase ist häufig bei DCM im Rahmen einer neuromuskulären Erkrankung erhöht und sollte in diesen Fällen zu einer Abklärung einer möglichen Skelettmuskelbeteiligung führen.

Genetische Diagnostik

Mit traditionellen Ansätzen (Diagnostik von drei bis vier häufigen Krankheitsgenen) kann in ca. 20 % der familiären Fälle eine ursächliche Genmutation nachgewiesen werden. Die genetische Diagnostik und die Genotyp-Phänotyp-Korrelation ist jedoch dadurch erschwert, dass die Vielzahl von 40 Krankheitsgenen (Tab. 2) einen hohen methodischen Aufwand verursacht. Durch Fortschritte in der Analytik wie z. B. durch das „Next Generation Sequencing“ ist es zu einer erheblichen Verbesserung und Kostenreduktion der genetischen Diagnostik von Kardiomyopahtien gekommen (Meder et al. 2011; Haas et al. 2015). Eine genetische Diagnostik ist bei allen familiären Fällen sowie bei Patienten mit AV-Überleitungsstörungen zu empfehlen und sollte individuell bei jeder DCM in Erwägung gezogen werden. Gemäß Vorgaben des Gendiagnostikgesetzes sowie internationalen Standards sollte vor Durchführung einer genetischen Diagnostik eine umfassende Beratung des Betroffenen stattfinden. Die genetische Diagnostik ist kein Ersatz für die Erhebung der Familienanamnese.
Tab. 2
Krankheitsgene der dilatativen Kardiomyopathie. (Nach Meder und Katus 2012; Meder et al. 2011)
Proteinlokalisation
Genname
Symbol
Zellmembran
M2 muscarinic receptor
CHRM2
 
Dystrophin
DMD
 
Laminin alpha 4
LAMA4
 
Präsenilin 1, Präsenilin 2
PSEN1/2
 
β-Sarcoglycan
SCGB
 
δ-Sarcoglycan
SGCD
Zellkern/Kernmembran
Emerin
EMD
 
Eyes absent 4
EYA4
 
Four-and-a-half LIM protein 2
FHL2
 
Lamin A, Lamin C
LMNA
 
Thymopoietin
TMPO
Z-Scheibe/Zytoskelett
α-Actinin 2
ACTN2
 
DES
 
α-Dystrobrevin
DTNA
 
Integrin-linked kinase
ILK
 
LIM-binding domain 3
LDB3
 
Myozenin 2 (Calsarcin 1)
MYOZ2
 
Myopalladin
MYPN
 
Nebulette
NEBL
 
Nexilin
NEXN
 
Titin
TTN
α-Cardiac actin 1
ACTC
 
Myosin-binding protein C
MYBPC3
 
α-Myosin heavy chain
MYH6
 
β-Myosin heavy chain
MYH7
 
Regulatory myosin light chain
MYL2
 
Cardiac troponin C
TNNC1
 
Cardiac troponin I
TNNI3
 
Cardiac troponin T
TNNT2
 
α-Tropomyosin
TPM1
Mitochondrium
Tafazzin
G4.5
Ionenkanäle/-regulatoren
ATP-sensitive K channel/SURA2
ABCC9
 
Phospholamban
PLN
 
Cardiac ryanodine receptor
RyR2
 
Sodiumchannel type V
SCN5A
Glanzstreifen
Desmoplakin
DSP
 
Plakoglobin
JUP
 
Metavinculin
VCL
Verschiedenes
Bcl-2 associated athanogene 3
BAG3
 
Alpha B crystallin
CRYAB
 
RNA-binding protein 20
RBM20

Familienuntersuchung

Da viele DCM-Fälle auf eine genetische Ursache zurückzuführen sind, ist eine sorgfältige Erhebung der Familienanamnese inklusive Erstellung eines Stammbaumes mit bis zu drittgradigen Verwandten obligater Bestandteil der Erstdiagnostik (Tab. 3). Weil eine DCM sich neben Herzinsuffizienzsymptomen auch durch kardiale Embolien oder maligne Arrhythmien erstmalig manifestieren kann, kann eine Identifikation weiterer Betroffener in einer Familie Komplikationen durch eine rechtzeitige Therapie verhindern. Auch bei Fehlen klinischer Symptome wird eine Routinekontrolle bei erwachsenen Verwandten ersten Grades zumindest alle drei Jahre empfohlen (Charron et al. 2010). Bei Minderjährigen muss der Zeitpunkt der ersten Untersuchung sowie die Intervalle für Kontrollen individuell anhand der Familienanamnese entschieden werden. Hierbei spielt das Alter bei Erstmanifestation sowie dem ersten Auftreten von Komplikationen bei betroffenen Familienmitgliedern eine Rolle. In der Regel wird ab dem zehnten Lebensjahr bis in das Erwachsenenalter eine jährliche Untersuchung empfohlen. Bei Vorliegen eines positiven genetischen Ergebnisses beim Indexpatienten kann den Familienmitgliedern ebenfalls die Durchführung einer genetischen Diagnostik nach vorhergehender umfassender Beratung empfohlen werden.
Tab. 3
Beurteilung des klinischen Status von Verwandten bei familiärer dilatativer Kardiomyopathie. (Nach Mestroni et al. 1999)
Hauptkriterien
Nebenkriterien
- LVEDD >117 %
- LVEF <45 %
- Unerklärte supraventrikuläre (Vorhofflimmern oder anhaltende Arrhythmien) oder ventrikuläre Arrhythmien, häufig (>1000/24 h) oder repetitiv (≥3 Schläge mit >120/min) im Alter <50 Jahren
- LVEDD >112 %
- LVEF <50 %
- Unerklärte Leitungsstörung: AV-Block 2. oder 3. Grades, kompletter Linksschenkelblock, Sinusknotendysfunktion
- Unerklärter plötzlicher Herztod oder Schlaganfall im Alter <50 Jahren
- Regionale Wandbewegungsstörungen in Abwesenheit eines Blockbildes oder einer ischämischen Herzkrankheit
LVEDD linksventrikulärer enddiastolischer Diameter, LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion
Betroffene: 2 Hauptkriterien, LVEDD >117 % plus ein Nebenkriterium oder 3 Nebenkriterien
Unklar: 1 oder 2 Nebenkriterien
Nicht betroffen: Normalbefund oder gesicherte andere Ursache einer Herzerkrankung

Differenzialdiagnostik

Da die Diagnose der idiopathischen DCM im Wesentlichen nach dem Ausschlussverfahren gestellt wird, ergeben sich die Differenzialdiagnosen nach Erhebung sekundärer Ursachen. So können koronare und hypertensive Herzerkrankungen, toxische oder Myokardschädigungen sowie weitere Ursachen (Tab. 4) ein ähnliches Bild verursachen.
Tab. 4
Auswahl sekundärer Ursachen einer dilatativen Kardiomyopathie. (Nach Hershberger et al. 2010)
Ischämisch
Toxisch
- Kohlenmonoxid
- Chemotherapeutika: Antracycline (z. B. Doxorubicin), Trastuzumab
- Andere: Kokain, Sympathomimetika
Metabolisch
- Mangelernährung: Thiamin, Selenium, Carnitine
- Elektrolytstörung: Hypokalzämie, Hypophosphatämie
Endokrinologisch
- Akromegalie
- Thyreotoxikose
- Cushing-Krankheit
Entzündlich
- Viral (Parvo-B19-, Entero-, Adeno-, Zytomegalie-, Herpes-simplex-, Epstein-Barr-, Influenza-, Coxsackie-B- und HI-Viren, Hepatitis B)
- Inflammatorisch ohne Nachweis von Erregern
- Bakteriell (u. a. Mykobakterien, Rickettsien)
- Fungal
- Parasitär (Toxoplasmose, Trichinose, Chagas-Krankheit)
Andere
- Amyloidose
- Tachymyopathie
- Peripartal

Therapie

In den meisten Fällen der DCM gelingt kein Nachweis einer spezifischen Ursache. Diese sind somit einer kausalen Therapieoption nicht zugänglich. Die Behandlung der idiopathischen sowie der familiären DCM erfolgt daher bislang rein symptomatisch und orientiert sich an den Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Ziele der medikamentösen und interventionellen Therapie sind die Milderung der Symptome, Vorbeugung von Krankheitsprogress sowie damit assoziierter Endorganschäden zur Reduktion der Krankenhausaufenthalte und Verbesserung der Prognose.

Medikamentöse Therapie

Für die symptomatische DCM ist eine Therapie mit einem ACE-Hemmer (bei Unverträglichkeit mit einem Angiotensin-Rezeptorblocker), einem Betablocker und, je nach Klinik, einem Diuretikum empfohlen. Bei unzureichendem Therapieerfolg trotz Erreichen der Zieldosen sollte die Medikation um ein Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (Spironolacton oder Eplerenon) ergänzt werden. Sofern weiterhin eine Herzinsuffizienzsymptomatik besteht, kann zusätzlich die Therapie mit dem I f-Kanalhemmer Ivabradin bei Sinusrhythmus und Herzfrequenzen >70/min (von der Europäischen Arzneimittelagentur ab >75/min zugelassen) erwogen werden. Nachfolgend wären Herzglykoside hinzuzuziehen.
Der Nutzen einer Antikoagulation zur primären Thrombembolieprophylaxe ist bei alleiniger DCM nicht gesichert (Abdo et al. 2010). Bei begleitendem Vorhofflimmern gelten die Empfehlungen nach dem CHA2DS2-VASc-Score. Im Falle von nachgewiesenen intrakardialen Thromben und Apoplex in der Vorgeschichte ist eine therapeutische Antikoagulation jedoch ratsam.
Derzeit gibt es keine Therapieempfehlungen für Patienten mit nachgewiesener Mutation und asymptomatischem Phänotyp (meist Zufallsbefund bei Angehörigen von Indexpatienten). Spezifische Ansätze werden derzeit im Tiermodel verfolgt. Eine frühe Herzinsuffizienztherapie wird in diesem Kontext auf ihre prognostische Relevanz in Studien überprüft.

Device-Therapien

Die primärprophylaktische Implantation eines Defibrillators (ICD) orientiert sich insbesondere an der Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion. Diese sollte bei einer Ejektionsfraktion <35 %, trotz optimierter medikamentöser Therapie erfolgen (Connolly et al. 2000). Wie lange eine Verbesserung der linksventrikulären Pumpfunktion abgewartet werden sollte, ist bisher nicht festgelegt. Die Empfehlungen differieren zwischen einem und neun Monaten (Jung et al. 2006). Bei Patienten mit einer Risikomutationen – z. B. im Lamin A-/C-Gen – kann der primärprophylaktische Einsatz auch bei erhaltener oder nur gering reduzierter Pumpfunktion sinnvoll sein (Meune et al. 2006; Pasotti et al. 2008). Bisher sind noch keine Daten zu externen Defibrillatorwesten zur Überbrückung des Risikos einer malignen Herzrhythmusstörung im Intervall verfügbar. Unbestritten besteht die Indikation zur Implantation bei überlebtem Herzstillstand als sekundärprophylaktische Maßnahme sowie bei anhaltenden ventrikulären Tachykardien.
Symptomlinderung und Prognoseverbesserung kann durch die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) mittels Implantationen eines CRT- oder CRT-D-Systems erreicht werden. Hierfür besteht eine primäre Indikation für ein Kollektiv mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium III), Sinusrhythmus und Asynchronie im EKG durch verzögerter inter- und intraventrikulärer Reizleitung (Linkschenkelblock mit einer QRS-Breite >120 ms sowie einem Nichtlinksschenkelblock mit einer QRS-Breite >150 ms) (Stellbrink et al. 2000; Gervais et al. 2009; McLeod et al. 2011). Patienten im NYHA-Stadium II können ebenfalls deutlich profitieren, wenn gleichzeitig eine LVEF ≤30 % und ein Linksschenkelblock mit einer Breite >130 ms bzw. Nichtlinkschenkelblock >150 ms vorliegt. Derzeit ungeklärt bleibt der Nutzen eines CRT-Systems bei Patienten mit Vorhofflimmern.
Im Falle einer funktionellen Mitralklappeninsuffizienz, die häufig durch eine Anulusdilatation verursacht ist und die Herzinsuffizienzsymptome verstärken kann, gibt es die Möglichkeit einer chirurgischen Mitralklappenrekonstruktion. Der Rekonstruktion nach Alfieri lehnt sich das neue interventionelle Verfahren MitraClip® an und steht als perkutane Therapie zur Verfügung.

Herztransplantation und Assist-Device

Die Herztransplantation ist angesichts der stark begrenzten Anzahl von Spenderherzen und dem entgegengesetzt steigender Prävalenz terminaler Herzinsuffizienzfälle den am schwersten betroffenen Patienten vorbehalten. Aufgrund dessen spielen auch mechanische Kreislaufunterstützungssysteme eine zunehmende Rolle. Unterschiedliche Ausführungen ventrikulärer Assist-Devices werden sowohl als temporäres Unterstützungssystem bis zur Erholung der ventrikulären Pumpfunktion („bridge to recovery“), als Überbrückung zur Transplantation („bridge to transplant“) sowie bei Patienten mit Kontraindikationen für eine Herztransplantation als palliative Therapie („bridge to destination“) eingesetzt.

Verlauf und Prognose

Der Verlauf und die Prognose der primären DCM sind hauptsächlich von der Dilatation des linken Ventrikels, dessen Pumpfunktionseinschränkung und verschiedenen klinischen Variablen wie beispielsweise Nierenfunktion, Alter und Anämie abhängig. Vor der routinemäßigen ACE-Hemmertherapie lag das 5-Jahres-Überleben bei etwa 50 % (Fuster et al. 1981). Durch die oben aufgeführten Therapieoptionen hat sich diese seither deutlich verbessert.
Der Nachweis einer myokardialen Texturstörung als „Late Gadolinium Enhancement“ (LGE) in der kardialen Magnetresonanztomographie ist nach Studienlage mit einer ebenfalls schlechteren Prognose vergesellschaftet (Lehrke et al. 2011). Es weist ein 3,4-fach erhöhtes Risiko für einen kardiovaskulären Tod, adäquate ICD-Entladungen und kardiale Dekompensationen auf (Ismail et al. 2012).
Unter den bisher bekannten Risikogenen einer DCM ist die Lamin A-/C-Mutation aufgrund rasch progredienter klinischer Verläufe und gehäufter maligner Herzrhythmusstörungen mit der schlechtesten Prognose assoziiert (van Berlo et al. 2005; Pasotti et al. 2008; Ehlermann et al. 2011). Weitere Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf sind in Tab. 5 aufgeführt. Der plötzliche Herztod bleibt jedoch die häufigste Todesursache bei DCM-Patienten.
Tab. 5
Risikofaktoren für eine schlechte Prognose bei dilatativer Kardiomyopathie
- Linksventrikuläres LGE
- Vorangegangenes Kammerflimmern
- NSVT
- QRS-Verbreiterung (Linksschenkelblock)
- NYHA-Klasse ≥ III
- LVEF <30 %
- Afrikanischer Abstammung
- Risikomutationen: LMNA (insbesondere Splice-site-Mutationen), TNNI (K36Q, N185K), TNNT (R131W, R205L, K210del, D270N)
- Kompetitive sportliche Betätigung
NSVT non-sustained ventricular tachycardia, LGE late gadolinium enhancement, LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion

Video/Audio

Below is the link to the Video/Audio.
Video 1
Kardialer Phänotyp der DCM in der transthorakalen Echokardiographie und Magnetresonanztomographie. a Echokardiographie : apikaler Vierkammerblick und b Zweikammerblick einer schweren DCM mit deutlich dilatiertem linken Ventrikel und global hochgradig eingeschränkter Pumpfunktion. c Durch eine Anulusdilatation hervorgerufene sekundäre Mitralklappeninsuffzienz.d Magnetresonanztomographie nach Kontastmittelgabe: Langachsenorientierung und e Kurzachsenorientierung mit streifenförmigen intramuralem „Late Gadolinium Enhancement“ (AVI 12631 kb)
Video 1B
Video 1C
Video 1D
Video 1E
Literatur
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