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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 01.04.2015

Gefäßmalformationen

Verfasst von: Hubert Stiegler, Andreas Saleh und Walter Wohlgemuth
Vaskuläre Malformationen sind angeborene vaskuläre Anomalien, die bei Geburt bereits angelegt, häufig asymptomatisch sind, proportional zum Körperwachstum größer werden, keine Regression zeigen und nach einer unterschiedlich langen Zeit symptomatisch werden können. Dabei können Triggereffekte durch eine Reihe von Faktoren wie hormonelle Einflüsse in Pubertät oder Schwangerschaft, aber auch Traumen oder Eingriffe nahe der Malformation, ebenso wie thrombotische Komplikationen das Wachstum beschleunigen und zu Beschwerden führen. Die Gefäßmalformationen werden nach ihren führenden Gefäßdefekten in primär arterielle, primär venöse, primär lymphatische und primär kapilläre Malformationen sowie aufgrund ihrer hämodynamischen Eigenschaften in „Low-flow“- und „High-flow“-Malformationen unterteilt. Neben der eingehenden Anamnese einschließlich der Familienanamnese lässt sich die Diagnose einer vaskulären Malformation häufig schon klinisch stellen. Die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) sollte als nicht invasive Methode am Anfang der bildgebenden Diagnostik stehen. Die Ziele der Behandlung einer Malformation richten sich im Wesentlichen nach den Beschwerden und dem Vermeiden von Komplikationen, die durch die Progression einer lebenslangen Erkrankung drohen. Ausgeprägte venöse Malformationen sollten durch eine angepasste Kompressionsbehandlung versorgt werden. Eine invasive Therapie erfolgt bei Komplikationen wie Blutungen. Prognostisch bestimmend sind die Ausdehnung und die Lokalisation der Gefäßmalformation.

Definition

Vaskuläre Malformationen sind angeborene vaskuläre Anomalien, die bei Geburt bereits angelegt, häufig asymptomatisch sind, proportional zum Körperwachstum größer werden, keine Regression zeigen und nach einer unterschiedlich langen Zeit symptomatisch werden können. Dabei können Triggereffekte durch eine Reihe von Faktoren wie hormonelle Einflüsse in Pubertät oder Schwangerschaft, aber auch Traumen oder Eingriffe nahe der Malformation, ebenso wie thrombotische Komplikationen das Wachstum beschleunigen und zu Beschwerden führen. Nicht selten werden vaskuläre Malformationen mit Gefäßtumoren verwechselt, die ebenfalls zu den angeborenen Gefäßanomalien zählen und als endotheliale, proliferierende Raumforderungen zu Gefäßneubildungen führen. Der häufigste Gefäßtumor ist das infantile Hämangiom, das nach der Geburt auftritt, meist eine ca. einjährige Proliferationsphase durchläuft, um sich dann häufig bis zum sechsten Lebensjahr in der Regressionsphase zurück zu bilden (Lee 2013).
Mit einer Häufigkeit von 1,5 % in der Allgemeinbevölkerung gehören die Malformationen nicht zu den so genannten Kolibrierkrankungen, bleiben hinsichtlich der Erstdiagnostik jedoch dennoch häufig dem Zufall überlassen (Gloviczki et al. 2009). Hierzu trugen in der Vergangenheit Verwechslungen mit Hämangiomen, aber auch eine verwirrende Vielzahl von so genannten Namensyndromen (Benennung nach dem erstbeschreibenden Autor) bei.

Klassifikation

Mit Einführung der Hamburg-Klassifikation 1988 wurden die Malformationen nach ihren führenden Gefäßdefekten in primär arterielle, primär venöse, primär lymphatische und primär kapilläre Malformationen unterteilt (Tab. 1).
Tab. 1
Modifizierte Hamburg-Klassifikation vaskulärer Malformationen. (Nach Lee 2013)
Primäre Klassifikation
Embryonale Subklassifikation
1. Arterielle Malformationen
1. Extratrunkuläre Malformationen
2. Venöse Malformationen
2. Trunkuläre Malformationen
3. Arteriovenöse Malformationen
 
4. Lymphatische Malformationen
 
5. Kapilläre Malformationen
 
6. Kombinierte Malformationen
 
 – Kapillär-lymphatisch-venös (Klippel-Trenaunay-Syndrom)
 
 – Kapillär-lymphatisch (mildes Klippel-Trenaunay-Syndrom)
 
 – Kapillär-venös mit arteriovenöser Malformation (Parkes-Weber-Syndrom)
 
 – Parks-Weber-Syndrom
 
Extratrunkuläre Malformationen bezeichnen dabei die Persistenz von unreifen Gefäßanlagen, die sich nicht zurückgebildet haben, und trunkuläre Malformationen ausgereifte, zum Teil zusätzliche, fehlgebildete Gefäßanlagen.
Eine wichtige Ergänzung erfährt die Hamburg-Klassifikation durch die Unterscheidung der hämodynamischen Eigenschaften einer vaskulären Malformation durch die Einteilung nach Mulliken (Tab. 2).
Tab. 2
„Low-flow“- versus „High-flow“-Differenzierung nach Mulliken (1988)
„Low-flow“-Malformationen
„High-flow“-Malformationen
1. Arteriovenöse Malformationen
2. Venöse Malformationen
2. Arteriovenöse Fisteln (angeboren)
3. Glomuvenöse Malformationen
3. Kombinierte Malformationen
4. Lymphatische Malformationen
 
5. Kombinierte Malformationen
 
 – Kapillär-lymphatisch
 
 – Kapillär-lymphatisch-venös
 

Pathophysiologie

Das Verständnis der Pathophysiologie der vaskulären Malformationen fußt auf der Entwicklung des menschlichen Gefäßsystems, das initial als undifferenzierter Kapillarplexus in den ersten Wochen eine retikuläre Struktur annimmt, um mit dem Fortgang der Embryogenese in das finale trunkuläre Stadium mit der Differenzierung in arterielle, venöse und lymphatische Gefäße überzugehen. Die Entwicklung extratrunkulärer Malformationen ist charakterisiert durch die Persistenz mesenchymaler retikulärer Zellen, den Angioblasten, mit der Eigenschaft zu wachsen und zu proliferieren. Hier können nach der Geburt die oben erwähnten Trigger ansetzen, die eine Ausbreiterung der unreifen mesenchymalen Gefäßanlagen auch über Organgrenzen hinweg (z. B. in Muskel- oder Knochengewebe) darstellen. Im Gegensatz dazu entwickeln sich die trunkulären Malformationen durch eine Entwicklungsstörung nach Abschluss der Gefäßdifferenzierung entweder als persistierende embryonale Gefäße (z. B. Marginalvene, Abb. 5) oder in Form von Stenosen, Aplasie, Hyperplasie oder aneurysmatischen Fehlbildungen anatomisch regelrecht verlaufender Gefäße. Die Unterscheidung in trunkuläre und extratrunkuläre Malformationen gilt für die unter der primären Klassifikation aufgeführten Gefäßtypen, die jeweils als lokale oder diffuse Variante in Erscheinung treten können.
Pathophysiologisch können extratrunkuläre Malformationen sowohl mechanisch durch Verdrängung als auch hämodynamisch durch „High-flow“-Malformationen klinisch in Erscheinung treten. Trunkuläre Malformationen zeichnen sich vornehmlich durch hämodynamische Effekte (z. B. als Aortenisthmusstenose, primäres Lymphödem oder chronisch-venöser Insuffizienz bei Klappenagenesie oder arteriovenöser Fistel) aus. Kombinierte trunkuläre und extratrunkuläre Malformationen sind häufig (Lee 2013; Gloviczki et al. 2009).

Klinik

Arterielle Malformation (AMF)

Klinisch relevante AMF sind gewöhnlich trunkulärer Natur und haben in der Aortenkoarktation ihren prominentesten Vertreter (Abb. 1). Erheblich seltener machen Claudicatiobeschwerden auf eine Atresie der A. iliaca externa aufmerksam, verursacht durch eine persistierende fetale A. iliaca interna. Eine andere trunkuläre Malformation stellt die aberrierende rechte A. subclavia dar, die von der proximalen Aorta descendens entspringend hinter dem Ösophagus zum rechten Arm zieht und zum Syndrom der Dysphagia lusoria führen kann.

Arteriovenöse Malformation (AVM)

Die zu den „High-flow“-Varianten gehörenden arteriovenösen Malformationen sind gekennzeichnet durch die dilatierten zuführenden Feederarterien und die dilatierten drainierenden venösen Gefäße. Sie versorgen ein netzartiges Gebilde aus kleinen und größeren arteriovenösen Fisteln, den sog. Nidus, ein Relikt aus dem frühen extratrunkulären Stadium der Gefäßentwicklung mit Persistenz mesenchymaler Zellen (Uller et al. 2013). Zwischengeschaltete Kapillaren fehlen. Diese extratrunkulären AVM werden häufig durch die oben erwähnten Trigger symptomatisch und können zu Umfangsvermehrung, Erwärmung und Rotfärbung führen, verbunden mit gelegentlichen Druckschmerzen oder Schwirren der Haut bei leichter Berührung. Insbesondere an den Akren kann der Shunt zu einer Mangelversorgung der Haut mit schlecht heilenden Ulzera führen. Häufiger als bei den venösen Malformationen wird ein vermehrtes Längenwachstum der betroffenen Extremität beobachtet (Abb. 2).
Im Gegensatz zu den extratrunkulären AVM liegt bei den trunkulären AVM, oder arteriovenösen Fisteln eine direkte Verbindung zwischen Arterie und Vene vor. Diese häufig intrazerebral oder okzipital auftretenden Malformationen weisen ebenfalls Zeichen der Progression auf, können lange asymptomatisch bleiben oder als pulssynchrones Ohrgeräusch, im schlimmsten Falle als intrazerebrale Blutung, symptomatisch werden.

Venöse Malformation (VMF)

Die venöse Malformation stellt neben der lymphatischen Malformation die häufigste Variante dar und ist histologisch durch irreguläres Fehlen von glatten Muskelzellen in den Venenwänden zu erkennen. Dies führt über Jahre bei den extratrunkulären Verlaufsformen zu wabenartig das Gewebe durchsetzenden, meist klappenlosen Venektasien mit zum Teil massiv erweiterten Venenräumen. Hieraus lassen sich die zu erwartenden Beschwerden wie Umfangsvermehrung, lokale Schmerzen, Blaufärbung der Haut oder bei subkutaner Lage leicht kompressible, blaue, nicht pulsatile Erhabenheiten ableiten (Abb. 3).
Die Schmerzen können durch lokale Verdrängung insbesondere bei Belastung oder durch Thromben verursacht sein, die sich in den durch Stase gekennzeichneten Venektasien bilden und bei Anschluss an das tiefe Venensystem auch zu Lungenembolien führen. Eine Ausdehnung der VMF in Gelenke kann zu Knorpel-/Knochenarrosionen mit Gelenkschmerzen führen, im schlimmsten Falle mit Einblutung in das Gelenk. VMF können mit Knochenhypertrophie, selten mit Hypotrophie einhergehen, wobei einzig das Ausmaß der Malformation mit der Ausprägung der Längendifferenz korrelierte (Kim et al. 2006). Trunkuläre venöse Malformationen sind bei Vorliegen einer Atresie der V. cava inferior Auslöser für Becken-/Beinvenenthrombosen im Kindesalter oder können bei Aneurysmen der V. poplitea erstmals als Lungenembolie klinisch in Erscheinung treten (Abb. 4).

Lymphatische Malformation (LMF)

Nach der Hamburg-Klassifikation tritt das weitaus häufigere primäre Lymphödem als Variante der trunkulären Entwicklungsstörung auf, meist an der unteren Extremität, ein- oder beidseitig, vor dem 35. Lebensjahr als Lymphoedema praecox oder nach dem 35. Lebensjahr als Lymphoedema tardum. Es kann sporadisch (meist in der Pubertät) oder durch ein Minortrauma ausgelöst klinisch in Erscheinung treten. Ursächlich findet man eine Hypo- oder Aplasie der Lymphkollektoren, selten eine Ektasie mit Klappeninsuffizienz. Hiervon unterscheiden sich klinisch die extratrunkulären Verlaufsformen, die als makrozystische lymphatische Malformationen bereits bei der Geburt am häufigsten im Kopf-Hals-Arm-Bereich als Raumforderung zu erkennen sind. Während der makrozystische Typ meist aus größeren Kammern besteht, liegen die Zysten der mikrozystischen Variante unter 2 cm (meist im Millimeterbereich). Beide Formen können durch Infektion oder Einblutung rasch an Größe zunehmen (Cahill und Nijs 2011; Garson et al. 2007a, 2007b).

Kapilläre Malformation (KMF)

Die zu den „Low-flow“-Malformationen zählenden KMF führen zu einer meist scharf begrenzten himbeerroten Verfärbung der Haut, auch Naevus flammeus genannt, die mit zunehmendem Alter entweder abblassen oder dunkler werden und oft zur Hyperkeratose neigen. Die meist bis zur retikulären Dermis reichenden pathologischen Ektasien kleinster Gefäße wachsen proportional mit dem Patienten und breiten sich nicht auf bisher unauffällige Haut aus. Nicht selten finden sich Kombinationen aus kapillären, venösen und lymphatischen Malformationen sowie eine Extremitätenhypertrophie. Man spricht dann von kombinierten Malformationen, die in der ISSVA-Klassifikation als Klippel-Trenaunay-Syndrom (KTS), Parks-Weber-Syndrom oder Sturge-Weber-Syndrom Erwähnung finden.

Kombinierte Malformation

In Venenkliniken wurden Patienten mit Klippel-Trenaunay-Syndrom mit einer Häufigkeit von 4,4 % (49 von 1118 Patienten) zur Behandlung vorgestellt (Gloviczki et al. 2009). Typischerweise präsentieren sich die Patienten mit Naevus flammeus, Hypertrophie, Ödem und Varikose (Marginalvene) (Abb. 5).
In der milden Verlaufsform kann sich die Klinik auf die Kombination aus kapillären und lymphatischen Malformationen beschränken. Die untere Extremität ist in 70 %, Arm und Bein sind in 10–15 % der Fälle betroffen, meist ipsilateral (Garson et al. 2007a, 2007b). Neben den Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz können Schmerzen durch Phlebitiden, Thrombosen oder Wachstumsstörungen die betroffenen Kinder zum Arzt führen (Lee et al. 2005).
Das Sturge-Weber Syndrom (SWS) hat mit dem Klippel-Trenaunay-Syndrom den Naevus flammeus gemein (typischerweise im Ausbreitungsgebiet des N. trigeminus) und weist zusätzlich Angiodysplasien der Leptimeningen und der Augen auf. Neben Schwindel werden Hemiparese, geistige Retardierung und Glaukom mit dem Sturge-Weber Syndrom in Zusammenhang gebracht. Beim Parkes-Weber-Syndrom bestehen zusätzlich zu den venösen Malformationen des Klippel-Trenaunay-Syndroms arteriovenöse Malformationen vom „High-flow“-Typ (Garson et al. 2007a, 2007b).

Diagnostik

Neben der eingehenden Anamnese einschließlich der Familienanamnese lässt sich die Diagnose einer vaskulären Malformation häufig schon klinisch stellen (Abb. 6).
Die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) sollte als nicht invasive Methode am Anfang der bildgebenden Diagnostik stehen. Sie ermöglicht durch seitenvergleichende Ableitung der großen zuführenden Arterien sicher zwischen einer „Low-flow“- und einer „High-flow“-Malformation zu unterscheiden und liefert verlässliche Angaben zum Shuntvolumen (Uller et al. 2013).

Venöse Malformation (VMF)

Die extratrunkulären VMF zeichnen sich durch meist echofreie, komprimierbare, häufig die Muskulatur durchsetzende Räume aus. Die FKDS erfasst frische Thrombosen, gibt Auskunft über den therapeutischen Verlauf (Abb. 7), weist Phlebolithen als pathognomonisches Zeichen einer VMF nach und ist für die Beurteilung der Klappenfunktion des oberflächlichen und tiefen Venensystems unerlässlich.
Während die Kontrastcomputertomographie Aussagen über ossäre Veränderungen zulässt, bildet die Magnetresonanztomographie (MRT) mit den entsprechenden Sequenzen die Ausdehnung der VMF am besten ab. Entscheidende Hinweise über die Drainage der VMF in das tiefe Venensystem und damit die Möglichkeit der Sklerosierungsbehandlung liefert die Direktpunktion mit Kontrastmittelgabe, die Varikographie (Uller et al. 2013; Cahill und Nijs 2011).
Ausgeprägte VMF können mit einer gesteigerten intravasalen Gerinnung einhergehen. Klinisch häufig mit Schmerzen einhergehend, lassen sich Thromben in den ektatischen Venen nachweisen. Diese können laborchemisch zu einem zum Teil erheblichen Anstieg der D-Dimerwerte, einem deutlichen Abfall des Fibrinogens sowie zu Thrombozytenwerten um 100.000 führen. Daher sollte bei ausgedehnteren VMF immer der Gerinnungsstatus einschließlich der D-Dimere kontrolliert werden. Operative Eingriffe verstärken die Vorgänge der intravasalen Gerinnung und bedingen dann eine schwer therapierbare Gerinnungsstörung. Diese lokalisierte intravasale Gerinnungsstörung ist zu trennen von der disseminierten intravasalen Gerinnung mit ausgeprägter Thrombozytopenie, wie sie als Kasabach-Merritt-Syndrom beim kaposiformen Hämangioendotheliom beschrieben wird (Mazoyer et al. 2002).
Die Unterscheidung ist therapeutisch von Bedeutung, da bei Vorliegen einer VMF Heparin indiziert ist, während es beim Kasabach-Merritt-Syndrom unwirksam ist.

Lymphatische Malformation (LMF)

Die trunkuläre Variante, das primäre Lymphödem, wird klinisch diagnostiziert. In seltenen Fällen kann eine Lymphszintigraphie zur Diagnosesicherung erforderlich sein. Sowohl die mikro- als auch die makrozystische Formen der LMF lassen sich duplexsonographisch diagnostizieren, erstere teils echofrei, teils echogen, letztere meist stark septiert, echogen, beide aber ohne nachweisbaren Fluss. Im MRT zeigen die mikrozystischen Malformationen keine, die makrozystischen nur eine Kontrastmittelanreichung im Zystenrandbereich. Eine zentrale Kontrastmittelaufnahme weist auf eine venolymphatische Malformation hin (Uller et al 2013).

Kombinierte Malformation

Bildgebende Verfahren bei der kapillären Malformation sind nur dann sinnvoll, wenn der Verdacht auf eine gemischte vaskuläre Malformation, wie das Klippel-Trenaunay-Syndrom oder das Parkes-Weber-Syndrom, besteht. Die weitere Abklärung erfolgt in Anlehnung an die Bildgebung bei venösen und/oder arteriovenösen Malformationen.

Arteriovenöse Malformation (AVM)

Die zu den „High-flow“-Malformationen gehörenden Fehlbildungen zeichnen sich duplexsonographisch durch typische Hyperperfusionzeichen aus: weites Gefäßlumen, parenchymatöse Frequenzanalyse mit zum Teil extremer Widerstandserniedrigung, zum Teil multipel abgehende Feederarterien, ein um das Vielfache erhöhtes Flussvolumen im Vergleich zur Gegenseite und weite, kontinuierlich bis pulsatil durchflossene Venen. Die MRT-Befunde liefern im Bereich der Extremität vor allem eine Übersichtsdarstellung ohne Detailinformation. Die genaue anatomische Auflösung liefert die digitale Subtraktionsangiographie mit Darstellung der den arteriovenösen Nidus speisenden Feederarterien. Ganz entscheidend ist auch die Darstellung der drainierenden Venen. Komplikationsreiche, flussabhängige Aneurysmata werden angiographisch erfasst und vermessen (Uller et al. 2013).

Differenzialdiagnostik

Das wechselweise Vertauschen von Hämangiomen und venösen Malformationen ist meist dem außer Acht lassen der Anamnese geschuldet, da sich Hämangiome als Gefäßtumoren meist zurückbilden, vaskuläre Malformationen aber lebenslang bestehen. Eine weitere Differenzierung ermöglicht die Duplexsonographie, die ggf. durch ein MRT zu ergänzen ist.
Bei der Abklärung von vaskulären Malformationen ist zu beachten, dass in 15–20 % der Fälle ein kombiniertes Gefäßleiden vorliegen kann (Lee 2013). Zum Ausschluss einer multilokulär verteilten venösen Malformation liefert die Ganzkörper-Blood-Pool-Szintigraphie wertvolle Hinweise für die Darstellung unerwarteter ektoper Malformationen (Lee und Villavicencio 2010). In seltenen Fällen lassen sich duplexsonographisch zusätzlich arteriiovenöse Malformationen darstellen, die in Abhängigkeit vom Shuntvolumen, der Lokalisation und der Beschwerden weiter abzuklären sind.

Therapie und Verlauf

Die Therapie der Gefäßmalformationen fasst Tab. 3 zusammen.
Tab. 3
Übersicht der Therapieverfahren
Malformation
Therapieverfahren
„Low-flow“
Venöse Malformation (VMF)
Sklerotherapie
Polidocanol, Alkoholgel
Lasertherapie
Interstitiell, endovaskulär
Resektion
Bei Therapieversagern
Lymphatische Malformation (LMF)
Sklerosierung (v. a. makrozystische Formen)
Picibanil (OK-432), Alkohol, Polidocanol
Resektion und interstitielle Lasertherapie
Bei Therapieversagern und mikrozystischen Formen
Kapilläre Malformation (KMF)
Lasertherapie
Farbstofflaser, IPL, Nd:YAG-Laser
„High-flow“
Arteriovenöse Malformation (AVM)
Embolisation transarteriell, direkt, transvenös
Onyx, Alkohol, Histoacryl
Resektion des verschlossenen Nidus
(Wenn möglich)
Arteriovenöse Fistel
Embolisation
Coils, AVP
AVP „amplatzer vascular plaques“, IPL „intense pulsed light“
Die Ziele der Behandlung einer Malformation richten sich im Wesentlichen nach den Beschwerden und dem Vermeiden von Komplikationen, die durch die Progression einer lebenslangen Erkrankung drohen. Im Falle einer arteriovenösen Malformation sind dies neben einer hyperdynamen Herzerkrankung, trophische Störungen der Haut mit Ulzerationen und ein vermehrtes Längenwachstum. Die Besonderheit der extratrunkulären arteriovenösen Malformationen liegt in den unreifen mesenchymalen Zellen, die bei fehlendem Verschluss des Nidus und des venösen Abstroms zu Rezidiven bis hin zur Progression der Erkrankung führen. Da die Kathetertherapie einer arteriovenösen Malformation in mehreren Sitzungen erfolgt, sollte der Patient an ein entsprechendes Zentrum zur Nachkontrolle angebunden sein.
Ausgeprägte venöse Malformationen (Abb. 3), die ein ganzes Bein durchsetzen, sollten vom Kindesalter an durch eine angepasste Kompressionsbehandlung versorgt werden. Eine invasive Therapie erfolgt bei Komplikationen wie Blutungen, insbesondere bei Gelenkblutungen. Vor jeder Operation ist der Gerinnungsstatus wegen der lokalisierten Verbrauchskoagulopathie zu kontrollieren. Patienten mit lokaler Verbrauchskoagulopathie und Thromboseneigung erhalten eine langfristige, prophylaktische Antikoagulation.
Weniger ausgeprägte venöse Malformationen sind einer Sklerotherapie zugänglich und werden im Allgemeinen ultraschallgesteuert durch Direktpunktion durch Polidocanolschaum oder Alkoholgel meist in mehreren Therapiesitzungen behandelt. Eine konsequente Nachsorge mittels Kompression, Heparin sowie ggf. sonographischen Nachkontrollen bei Beschwerden sind unerlässlich. Während beim primären Lymphödem die komplexe physikalische Entstauungstherapie an erster Stelle steht, lassen sich makrozystische lymphatische Malformationen meist erfolgreich einer Sklerotherapie zuführen.
Patienten mit einer kombinierten Malformation wie dem Klippel-Trenaunay-Syndrom leiden neben dem kosmetisch störenden Naevus flammeus in mehr als zwei Drittel der Fälle unter Schmerzen, die im Wesentlichen verursacht sein können durch (Lee et al. 2005)
  • chronische venöse Insuffizienz (Varikose, Marginalvene, Atresie/Aneurysma tiefer Leitvenen),
  • Thrombophlebitis,
  • Thrombose,
  • Wachstumsschmerzen (Längenunterschied),
  • intraossäre Malformationen und
  • Arthritis.
Bei durchgängigen tiefen Leitvenen sollte bereits im Schulalter die klappenlose Marginalvene entweder chirurgisch oder endovaskulär ausgeschaltet werden. Konservativ nicht beherrschbare Stauungssymptomatik kann rekonstruktive Eingriffe am tiefen Venensystem erforderlich machen. Die phlebolymphatische Stauungsproblematik macht eine lebenslange Kompressionstherapie erforderlich.

Prognose

Prognostisch bestimmend sind die Ausdehnung und die Lokalisation der Gefäßmalformation in absteigender Wertigkeit: Hirn – Spinal – Rumpf – Extremität. Zusätzlich bilden die Strömungsgeschwindigkeit und der Druck in den zu- und abführenden Gefäßen ebenso wie im Nidus eine entscheidende prognostische Größe. Bei den „Low-flow“-Malformationen sind es die Faktoren der Stase (weite venöse Hohlräume, langsame Drainage), die zu thromboembolischen Komplikationen führen. Insbesondere Patienten mit lymphatischen Malformationen sind bei schlechter Fußpflege durch Erysipele gefährdet, die schnell zur Dekompensation einer eigentlich konservativ gut zu behandelnden Erkrankung führen können (Wohlgemuth et al. 2010).
Die Vielgestaltigkeit der Ausprägung und Lokalisation der angeborenen Gefäßmalformationen macht eine Anbindung dieser Patienten an ein interdisziplinäres Zentrum erforderlich. Fächerübergreifend sollten sich Gefäßchirurgen, Radiologen, Angiologen, Kinderchirurgen, Pädiater, aber auch Dermatologen, HNO-Ärzte und Neurologen den komplexen Krankheitsbildern stellen.
Literatur
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