Skip to main content
DGIM Innere Medizin
Info
Verfasst von:
Thomas Erichsen
Publiziert am: 29.01.2015

Genetische Hyperbilirubinämien

Bei den genetischen (familiären) Hyperbilirubinämien kommt es im Rahmen einer Störung des Bilirubinstoffwechsels zu einem unterschiedlich stark ausgeprägten Ikterus (Skleren und/oder Haut). Abzugrenzen sind die familiären Hyperbilirubinämien gegenüber anderen Erkrankungen mit Ikterus (prä-, intra- und posthepatisch). Insgesamt können die familiären Hyperbilirubinämien in zwei Gruppen eingeteilt werden. In der ersten Gruppe kommt es zur Erhöhung des unkonjugierten Bilirubins, das zu den Krankheitsbildern des Morbus Meulengracht (Icterus intermittens juvenilis) oder Crigler-Najjar-Syndrom Typ I und II führt. In der zweiten Gruppe zeigt sich eine Erhöhung des konjugierten Bilirubins, die zu den Krankheitsbildern Dubin-Johnson- und Rotor-Syndrom führt.

Definition

Bei den genetischen (familiären) Hyperbilirubinämien kommt es im Rahmen einer Störung des Bilirubinstoffwechsels zu einem unterschiedlich stark ausgeprägten Ikterus (Skleren und/oder Haut). Abzugrenzen sind die familiären Hyperbilirubinämien gegenüber anderen Erkrankungen mit Ikterus (prä-, intra- und posthepatisch).
Insgesamt können die familiären Hyperbilirubinämien in zwei Gruppen eingeteilt werden. In der ersten Gruppe kommt es zur Erhöhung des unkonjugierten Bilirubins, das zu den Krankheitsbildern des Morbus Meulengracht (Icterus intermittens juvenilis) oder Crigler-Najjar-Syndrom Typ I und II führt. In der zweiten Gruppe zeigt sich eine Erhöhung des konjugierten Bilirubins, die zu den Krankheitsbildern Dubin-Johnson- und Rotor-Syndrom führt.

Pathomechanismus

Einen Erhöhung des unkonjugierten Bilirubins kann prähepatische Ursachen wie z. B. Hämolyse oder unzureichende Erythropoese haben. Häufiger ist allerdings eine Störung der Glukuronidierung. Die UDP-Glukuronosyltransferasen (UGT) der Gruppe 1A bestehen jeweils aus 5 Exons. Dabei entscheidet das erste Exon über das jeweilige Isoenzym und dessen Funktion, wohin gegen Exon 2–5 bei allen UGT1A-Enzymen gleich sind. Das führt dazu, dass eine Mutation im Exon 1 nur das einzelne Isoenzym betrifft. Das bekannteste ist die UGT1A1, welche für die Glukuronidierung des unkonjugierten zum konjugierten Bilirubin verantwortlich ist. Eine Blockierung des UGT1A1-Isoenzyms wurde für die antiviralen Medikamente Indinavir und Atazanavir beschrieben. Für zahlreiche andere Medikamente wurde ebenfalls ein verminderter Metabolismus für einzelne Isoenzyme der UGT1A-Gruppe beschrieben, eine klinische Relevanz hat sich aber aus diesen Daten bislang nicht ableiten lassen. Mutationen im Exon 2–5 betreffen alle Enzyme der UGT1A-Familie.

Morbus Meulengracht

Pathomechanismus

Bei dem Morbus Meulengracht (Icterus intermittens juvenilis, engl. Gilbert Disease) liegt eine Mutation im Promoter des Exon 1 der UGT1A1 vor, welches zu einer 60–80%igen Reduktion der Enzymaktivität führt.

Epidemiologie

Die Prävalenz von homozygoten Genträgern schwankt zwischen 5 und 10 % in der westlichen Welt. Heterozygote Vorkommen können bis zu 30 % der Bevölkerung ausmachen.

Klinik und Diagnostik

Klinisch handelt es sich beim Morbus Meulengracht um eine benigne Form der Hyperbilirubinämie. Zur Feststellung des Morbus Meulengracht ist heutzutage eine molekulargenetische Analyse die Methode der Wahl. Die früher durchgeführten Fastentests oder die Nikotinsäuregabe sind somit obsolet.

Therapie

Eine spezifische Therapie ist nicht indiziert. Einzig sollte bei einer antiviralen Therapie mit Indinavir und/oder Atazanavir und steigendem unkonjugierten Bilirubin an ein Morbus Meulengracht gedacht und ggf. die Therapie umgestellt werden.

Crigler-Najjar-Syndrom

Definition

Es handelt sich bei dem Crigler-Najjar-Syndrom um eine Erkrankung, die entweder kurz nach der Geburt (Typ I) oder im Laufe des ersten Lebensjahres (Typ II) eintritt und somit in der Pädiatrie eine Rolle spielt. Die Prävalenz wird mit 1:1.000.000 angegeben.

Pathophysiologie

Wie beim Morbus Meulengracht sind Mutationen für eine verminderte Enzymaktivität der UGT1A1 verantwortlich. Dabei kommt es beim Crigler-Najjar-Syndrom Typ I zu einem fast völligen Fehlen der Enzymaktivität, die auch durch bekannte Enzyminduktoren nicht gesteigert werden kann. Die Vererbung erfolgt autosomal rezessiv. Crigler-Najjar-Syndrom Typ II wird ebenfalls autosomal rezessiv vererbt. Eine Restaktivität von bis zu 10 % kann meist noch nachgewiesen und durch den Einsatz von Induktoren gesteigert werden.

Klinik

Beim Crigler-Najjar-Syndrom Typ I kommt es unmittelbar nach der Geburt zu einem Anstieg des unkonjugierten Bilirubins. Da sich auch nach einigen Tagen keine ausreichende Aktivität der UGT1A-Isoenzyme einstellt, kommt es zu einer ausgeprägten Hyperbilirubinämie mit einem Kernikterus (Einlagerung von Bilirubin in die Stammganglien). Unbehandelt führt dies zum Tod des Kindes. Auch eine zu spät begonnene Therapie kann zu anhaltenden neurologischen Schäden führen.
Beim Crigler-Najjar-Syndrom Typ II ist aufgrund der Restaktivität die Hyperbilirubinämie weniger stark ausgeprägt. Auch kommt es bei diesen Kindern praktisch nicht zu einem Kernikterus. Unspezifische Symptome wie Pruritus können aber im Rahmen der Hyperbilirubinämie eine Lebensqualitätseinschränkung für die Betroffenen darstellen.

Diagnostik

Hinweisend ist die Hyperbilirubinämie. Zur Diagnosesicherung sollte eine molekulargenetische Untersuchung mit Nachweis der Mutation erfolgen.

Therapie

Beim Crigler-Najjar-Syndrom Typ I sollte die Lebertransplantation vor Auftreten von neurologischen Symptomen angestrebt werden. Eine Lichttherapie mit Blaulicht sowie die Hämoxygenasehemmung und vermehrte enterale Bindung von unkonjugiertem Bilirubin können nur einen zeitlichen Aufschub geben.
Beim Crigler-Najjar-Syndrom Typ II kann aufgrund der Restaktivität und der Enzyminduktion mit Phenobarbital eine ausreichende Senkung des unkonjugierten Bilirubins meistens erzielt werden.

Dubin-Johnson-Syndrom

Beim Dubin-Johnson-Syndrom kommt es zu einer verminderten Ausscheidung von konjugiertem Bilirubin aufgrund einer geringeren MRP2-Membrantransportkapazität. Ein autosomal rezessiver Erbgang liegt vor und führt klinisch zu einem Ikterus. Dieser tritt meist erst nach der Pubertät oder nach Einnahme von bestimmten Medikamenten (z. B. Östrogene) auf.
Cholestaseparameter und Transaminasen sind trotzt der Hyperbilirubinämie unauffällig. Charakteristisch ist die Schwarzverfärbung des Leberparenchyms. Zusätzlich zeigt sich eine erhöhte Ausscheidung von Koproporphyrin Typ I im Urin.
Eine spezifische Therapie besteht nicht, da auch keine eingeschränkte Lebenserwartung besteht. Betroffene Frauen sollten keine östrogenhaltigen Kontrazeptiva einnehmen.

Rotor-Syndrom

An sich ähnelt das Rotor-Syndrom dem Dubin-Johnson-Syndrom, da ebenfalls eine Störung der MRP2-Transportkapazität von konjugiertem Bilirubin besteht, sodass klinisch ein Ikterus als meist einziges Symptom festzustellen ist. Wie beim Dubin-Johnson-Syndrom sind die alkalische Phosphatase sowie die Transaminasen meist unauffällig, allerdings ist keine vermehrte Pigmentierung des Leberparenchyms beschrieben worden. Auch zeigt sich eine vermehrte Ausscheidung des Gesamt-Koproporphyrins im Urin. Ein gehäuftes Vorkommen der autosomal rezessiv vererbten Krankheit ist auf den Philippinen beobachtet worden.

Progressive familiäre intrahepatische Cholestase

Insgesamt sind 3 Typen der progressiven familiären intrahepatische Cholestasen (PFIC) bekannt. Typ 1 wird auch als Morbus Byler bezeichnet, der autosomal rezessiv vererbt wird. Die Erkrankung geht mit einer schweren Cholestase, Gedeihstörungen, Malnutrition und Leberzirrhose einher. Laborchemisch fällt bei erkrankten Kindern eine exzessive Hyperbilirubinämie bei gleichzeitig normalwertiger γ-GT auf. Der in den arabischen Ländern beschrieben Typ 2 unterscheidet sich dahingegen nicht vom Typ 1, allerdings kommt es beim Typ 3 zu einer simultanen γ-GT-Erhöhung. Allen drei PFIC-Typen liegen Gendefekte von Membrantransportproteinen zugrunde.
Eine symptomatische Behandlung ist durch eine hochkalorische Kost mit MCT (mittelkettige Triglyceride) indiziert. Auch ist eine Ergänzung von fettlöslichen Vitaminen sinnvoll. Einen kurativen Ansatz stellt nur die Lebertransplantation dar. Erfolgt diese nicht, versterben die Kinder schon früh.
Literatur
Fretzayas A et al (2012) Gilbert syndrome. Eur J Pediatr 171(1):11–15CrossRefPubMed
Gil J et al (2012) Gilbert syndrome: the UGT1A1*28 promoter polymorphism as a biomarker of multifactorial diseases and drug metabolism. Biomark Med 6(2):223–230CrossRefPubMed
Hori T et al (2010) Progressive familial intrahepatic cholestasis. Hepatobiliary Pancreat Dis Int 9(6):570–578PubMed
Strassburg CP (2010) Hyperbilirubinemia syndromes (Gilbert-Meulengracht, Crigler-Najjar, Dubin-Johnson and Rotor syndrome. Best Pract Res Clin Gastroenterol 24(5):555–571CrossRefPubMed