Klinik
Die klinischen Befunde des Patienten mit chronischer Hepatitis-B-D-Koinfektion sind in Abwesenheit der typischen Zeichen einer
Leberzirrhose häufig unspezifisch. Zu den Befunden bei einer Leberzirrhose gehören
Ikterus, Spider naevi, Palmar- und Plantarerythem, Lackzunge, ggf. sichtbare venöse Umgehungskreisläufe auf dem Abdomen (Caput medusae), Bauchglatze,
Ödeme,
Aszites,
Gynäkomastie bei Männern sowie Symptome der
hepatischen Enzephalopathie. Die hepatische Enzephalopathie zeichnet sich durch Änderungen der Persönlichkeit, abnormales Verhalten, Verwirrtheitszustände,
Schlafstörungen sowie Konzentrationsstörungen und Schläfrigkeit bis hin zum
Koma aus.
Labor
Jeder Patient mit einer nachgewiesenen Hepatitis-B-Virusinfektion sollte zumindest einmalig auf das Vorhandensein einer Hepatitis Delta getestet werden. Immerhin geht man in Westeuropa bei 5–12 % der Patienten mit einer
chronischen Hepatitis B von einer Koinfektion mit HDV aus (Wedemeyer und Manns
2010). Bei einer Verschlechterung einer bekannten chronischen Hepatitis B sollte eine HDV-Superinfektion ausgeschlossen werden. Als Screeningparameter eignet sich die Bestimmung des Anti-HDV-Antikörpers, der jedoch nicht zwischen bestehender und ausgeheilter HDV-Infektion unterscheidet. Hierfür sowie zum Monitoring einer antiviralen Behandlung dient der quantitative Nachweis der HDV-RNA im Blut (Cornberg et al.
2011).
Zusätzlich zur Bestimmung von Anti-HDV und ggf. HDV-RNA sollten die serologischen und virologischen Untersuchungen des Hepatitis-B-Virus erfolgen. Zu diesen gehören der Nachweis von Anti-HBc, das (quantitative) HBsAg, der Nachweis von HBeAg und/oder Anti-HBe sowie die HBV-DNA-Viruslast. Letztere kann bei Bedarf durch die Bestimmung des HBV-Genotyps und eventuell bestehender Resistenzmutationen u. a. mittels der Sequenzierung der Reversen-Transkriptase-Domäne der viralen Polymerase ergänzt werden.
Identisch zur Monoinfektion mit dem Hepatitis-B-Virus gehören die laborchemischen Analysen der
Leberentzündung und -funktion zu den weiteren angezeigten Analysen. Hierzu gehören die Leberentzündungswerte Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT), die
Cholestase-anzeigenden Enzyme alkalische Phosphatase (AP) und Gamma-Glutamyltranspeptidase (γ-GT) sowie die Messung von
Bilirubin und Leberfunktion anhand der Prothrombinzeit (Quick, INR). Bei Verdacht auf ein HCC wird zudem das Alpha-Fetoprotein (AFP) bestimmt. Gleichzeitig sollte bei fortgeschrittener Lebererkrankung die Nierenfunktion berücksichtigt werden, um u. a. das Auftreten eines hepatorenalen Syndroms erkennen zu können. Hierzu werden das Serumkreatinin und die daraus abgeleitete geschätzte
glomeruläre Filtrationsrate („estimated GFR“, eGFR) bestimmt. Diese kann u. a. mit der
MDRD-Formel („Modification of Diet in Renal Disease“, für eine eGFR <60 ml/min) und der CKP-EPI-Formel („Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration“, auch für eine eGFR >60 ml/min) berechnet werden.
Zum histologischen Grading (Beurteilung des Entzündungsgrades) und Staging (Beurteilung des Fibrosestadiums) kann eine
Leberpunktion durchgeführt werden. Der Entzündungsgrad und das Fibrosestadium werden nach (histo-)pathologischen Kriterien in reproduzierbaren Scores
untersucherunabhängig quantitativ beurteilbar. Verbreitet sind der nur für die
Hepatitis C evaluierte METAVIR-Score sowie der Ishak-Score, ein histologischer Aktivitätsindex zur Einschätzung der Entzündungsaktivität. Für die Einteilung des Stadiums der Leberfibrose wird das Staging nach Desmet bevorzugt. F0 bedeutet keine Leberfibrose, F4 Zirrhose.
Darüber hinaus gibt es Algorithmen zur Beurteilung der Leberfunktion bei zugrunde liegender
Leberzirrhose. Eine weit verbreitete Einteilung ist der Child-Pugh-Score, der sich aus den drei Laborwerten
Albumin,
Bilirubin und Quick/INR, dem (sonographischen) Nachweis der Aszitesmenge sowie dem Stadium der
hepatischen Enzephalopathie zusammensetzt. Bei der Einschätzung der Dringlichkeit einer
Lebertransplantation wurde vor einigen Jahren der
MELD-Score („Model of Endstage Liver Disease“) eingeführt, der sich auf die Werte Bilirubin, INR und
Kreatinin stützt. Daraus ergibt sich ein Punktwert zwischen 6 (gesund) und 40 (sehr krank), der mit der zu erwartenden 3-Monats-Mortalität korreliert.
Bildgebung und Lokalisationsdiagnostik
Die bildgebenden Verfahren, die bei der Untersuchung einer Hepatitis-B-D-Koinfektion zum Einsatz kommen, sind die gleichen wie bei einer Hepatitis-B-Virus-Monoinfektion. Beide Infektionserkrankungen führen zu einem Fortschreiten der Lebererkrankung hin zur
Leberzirrhose mit ihren Komplikationen.
Der abdominelle Ultraschall mit Dopplersonographie erlaubt die Beurteilung der Leber, der Milz sowie der weiteren Bauchorgane und die Flussverhältnisse der abdominellen Gefäße (v. a. der Pfortader, der Lebervenen und der A. hepatica) in Echtzeit. Weiterhin können verdächtige Raumforderungen der zirrhotischen Leber erkannt und beurteilt werden. Eine Weiterentwicklung der
Sonographie ist die Kontrastmittelsonographie, mittels derer sich Leberläsionen in ihrer Dignität beurteilen lassen. Der Stellenwert der Abdomensonographie kann deshalb nicht hoch genug angesetzt werden. Eine Entwicklung der letzten Jahre ist die transiente Elastographie
(Fibroscan
®), mit der der bindegewebige Anteil des Leberparenchyms beurteilt werden kann. Zumindest für die
chronische Hepatitis B ist der Einsatz der transienten Elastografie zur Einschätzung des Fibrosestadiums zunehmend evaluiert und korreliert mit dem histopathologischen Ergebnis.
Radiologische Verfahren wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT) des Abdomens ergänzen die bildgebende Diagnostik beim Vorliegen einer Lebererkrankung.