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DGIM Innere Medizin
Info
Verfasst von:
Peter W. Radke
Publiziert am: 25.06.2016

Herzkatheter

Unter dem Begriff Herzkatheteruntersuchung werden mehrere invasive diagnostische und therapeutische Verfahren zusammengefasst. Bis auf Notfalluntersuchungen (v. a. ST-Streckenelevations-Myokardinfarkt) ist mindestens 24 Stunden vor der Untersuchung eine Aufklärung des Patienten über das Vorgehen, die Risiken und mögliche Komplikationen des Verfahrens durchzuführen und dies entsprechend schriftlich zu dokumentieren.
Die mutmaßlich erste Herzkatheteruntersuchung am Menschen wurde im Frühjahr 1925 durch Werner Forßmann im Selbstversuch durchgeführt. Er führte über die Cubitalvene einen Blasenkatheter bis in den rechten Vorhof ein. Die Messung des Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung über Katheter, die in das rechte Herz und die Pulmonalarterie vorgebracht werden, wird als Rechtsherzkatheteruntersuchung bezeichnet. Im Rahmen dieser Untersuchung können ebenso Angiografien des rechten Ventrikels oder der Pulmonalarterie durchgeführt werden. Die heutigen Möglichkeiten der nichtinvasiven Schnittbildgebung (Computertomografie und im Besonderen der Magnetresonanztomographie) haben die Angiografie des rechten Herzens jedoch in den Hintergrund gedrängt.
Bei der Linksherzkatheteruntersuchung können im arteriellen System und dem linken Ventrikel ebenso Druckwerte und Sauerstoffsättigungen gemessen werden. Möglich ist über den arteriellen Zugang auch die direkte angiographische Darstellung der Herzkranzarterien, die als Goldstandard in der Koronarbildgebung gilt. Darüber hinaus wird die Durchführung der direkten interventionellen Behandlung von Koronarstenosen über die Verwendung von Ballons und Stents ermöglicht.

Einleitung

Unter dem Begriff Herzkatheter untersuchung werden mehrere invasive diagnostische und therapeutische Verfahren zusammengefasst. Bis auf Notfalluntersuchungen (v. a. ST-Streckenelevations-Myokardinfarkt) ist mindestens 24 Stunden vor der Untersuchung eine Aufklärung des Patienten über das Vorgehen, die Risiken und mögliche Komplikationen des Verfahrens durchzuführen und dies entsprechend schriftlich zu dokumentieren.
Die mutmaßlich erste Herzkatheteruntersuchung am Menschen wurde im Frühjahr 1925 durch Werner Forßmann im Selbstversuch durchgeführt. Er führte über die Cubitalvene einen Blasenkatheter bis in den rechten Vorhof ein. Die Messung des Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung über Katheter, die in das rechte Herz und die Pulmonalarterie vorgebracht werden, wird als Rechtsherzkatheteruntersuchung bezeichnet. Im Rahmen dieser Untersuchung können ebenso Angiografien des rechten Ventrikels oder der Pulmonalarterie durchgeführt werden. Die heutigen Möglichkeiten der nichtinvasiven Schnittbildgebung (Computertomografie und im Besonderen der Magnetresonanztomographie) haben die Angiografie des rechten Herzens jedoch in den Hintergrund gedrängt.
Bei der Linksherzkatheteruntersuchung können im arteriellen System und dem linken Ventrikel ebenso Druckwerte und Sauerstoffsättigungen gemessen werden. Möglich ist über den arteriellen Zugang auch die direkte angiographische Darstellung der Herzkranzarterien, die als Goldstandard in der Koronarbildgebung gilt. Darüber hinaus wird die Durchführung der direkten interventionellen Behandlung von Koronarstenosen über die Verwendung von Ballons und Stents ermöglicht (Video 1).

Grundlagen

Rechtsherzkatheteruntersuchung

Bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung erfolgt der Zugang zum venösen System in den meisten Fällen über die V. femoralis, die V. cubitalis oder auch die V. jugularis. Nach Punktion der entsprechenden Vene wird zunächst ein Draht vorgebracht, über den dann nachfolgend eine Schleuse eingeführt wird (Verfahren nach Seldinger). Anschließend kann ein Katheter mit dem venösen Blutstrom über das rechte Antrium und den rechten Ventrikel bis in die Lungenstrombahn vorgebracht werden (Einschwemmkatheter). Der hierfür am besten eeignete Katheter wurde von den Kardiologen William Ganz und Harold Swan im Jahr 1970 entwickelt. Dieser Swan-Ganz-Katheter hat ein endständiges Lumen sowie ein weiter proximal gelegenes zweites Lumen (Abb. 1).
Zudem befindet sich weit distal am Katheter ein Ballon (Abb. 2).
Über die Insufflation des Ballons können somit nicht nur die Blutdrücke auf mehreren Etagen des rechten Herzens und der A. pulmonalis gemessen werden, sondern in Annäherung auch der Druck im linken Vorhof (pulmonal kapillärer Verschlussdruck, PCWP). Weiterhin kann über das distale Lumen Blut für die Messung der Sauerstoffsättigung gewonnen werden. Dies ermöglicht beispielsweise über das Ficksche Prinzip die Messung des Herzzeitvolumens. Die Messung der Sauerstoffsättigung in mehreren Etagen ermöglicht zudem die Quantifizierung von Shunts zwischen Herzhöhlen und/oder den herznahen Gefäßen. Unter Berücksichtigung der Blutdruckwerte können auch die systemischen (hierzu wird auch eine arterielle Sättigung benötigt) sowie pulmonalen Widerstände errechnet werden. Weiterhin ist es im Rahmen der Rechtsherzkatheteruntersuchung möglich, selektive Angiografien des rechten Herzens (Dextrokardiographie) oder der A. pulmonalis (Pulmonalisangiographie) durchzuführen. Es können auch intrakardiale Shunts dargestellt werden (z. B. atrialer Septumdefekt).
Nach Beendigung der Untersuchung wird die Schleuse entfernt, die Punktionsstelle manuell komprimiert und ein Druckverband angelegt.

Linksherzkatheteruntersuchung

Unter einer Linksherzkatheteruntersuchung wird vornehmlich die Kardioangiographie im arteriellen System verstanden. Hierzu zählen die durch Kontrastmittel gestützte Darstellung des linken Ventrikels (Lävokardiographie), der Koronararterien sowie der herznahen arteriellen Gefäße. Bei der Linksherzkatheteruntersuchung stehen, im Gegensatz zum Rechtsherzkatheter, vor allem die Bildgebung und weniger Messungen von Blutdruck- und Sättigungswerten im Vordergrund. Druckwerte werden jedoch auch erhoben und sind für das Verständnis der Pathologien (erhöhte Füllungsdrücke, transvalvulärer Gradient) und der Katheterlage (Verschlussdruck/Ventrikularisierung der Druckkurve) wichtig. Typische Zugangswege für die Linksherzkatheteruntersuchung sind die A. femoralis sowie zunehmend auch die A. radialis oder (in Ausnahmefällen) die A. brachialis. Es wird nach Punktion des Gefäßes, ebenso in Seldinger-Technik, eine entsprechende Schleuse eingebracht (im Regelfall 5 F–7 F).
Bei dem häufigsten Untersuchungsablauf wird zunächst ein spezieller Pigtail-Katheter (Abb. 3) retrograd über die Aortenklappe in den linken Ventrikel vorgebracht und nach Messung der intrakavitären Drücke eine Lävokardiographie durchgeführt. Nachfolgend wird der Katheter unter simultaner Druckregistrierung über die Aortenklappe in die Aorta ascendens zurückgezogen.
An dieser Stelle kann auch eine Angiografie durchgeführt werden, um eine Aortenklappeninsuffizienz darzustellen oder auch das Ausmaß einer Aortendilatation zu quantifizieren. Nachfolgend wird der Pigtail-Katheter über einen Draht gegen weitere Katheter ausgetauscht, die spezielle Konfigurationen aufweisen und so das Aufsuchen der Koronarostien erleichtern. Über die Injektion von Röntgenkontrastmittel können dann die nativen Koronarien oder auch Bypassgefäße dargestellt werden.

Indikationen

Rechtsherzkatheteruntersuchung

Für die Rechtsherzkatheteruntersuchung bestehen zwei große Indikationsgruppen. Einerseits ermöglicht der Pulmonaliskatheter ein erweitertes hämodynamisches Monitoring und wird daher vor allem auf Intensivstationen und auch perioperativ in der Herzchirurgie eingesetzt (Tab. 1). Sinnvoll ist die dies vor allem bei akuter Linksherzinsuffizienz, schweren Schockzuständen und akutem Lungenversagen aus differenzialdiagnostischen Gründen (septischer Schock versus kardiogener Schock) sowie zur Therapiesteuerung. In diesem klinischen Kontext kommen aber zunehmend auch alternative Verfahren zum Einsatz, die beispielsweise auf der Pulswellenkonturanalyse basieren.
Tab. 1
Indikation Rechtsherzkatheteruntersuchung
Indikation
Erläuterung
Rechtsherzkatheteruntersuchung
 
Ätiologisch unklares Schockgeschehen Differenzierung/Monitoring/Therapiesteuerung
Herzchirurgie
Perioperatives Monitoring
Quantifizierung der Widerstandserhöhung, medikamentöse Testung der Reagibilität
Kombinierte Links-/Rechtsherzkathteteruntersuchung
 
Unklare Rechtsherzinsuffizienz
Differenzierung links-/rechtskardial oder pulmonale Genese
Invasive Abklärung Aortenklappenstenose
Exakte Berechnung der Klappenöffnungsfläche falls diskrepante nicht invasive Befunde
Invasive Abklärung Mitralklappenstenose
Exakte Bestimmung der Klappenöffnungsfläche falls diskrepante nichtinvasive Befunde oder Inkongruenz zwischen klinischem Bild und nichtinvasiver Diagnostik
Invasive Abklärung Mitralklappeninsuffizienz
Quantifizierung der hämodynamischen Relevanz bei nichtkonklusiven nichtinvasiven Befunden, Untersuchung ggf. unter Belastung
Andererseits wird die Rechtsherzkatheteruntersuchung aus differenzialdiagnostischen Erwägungen (Abgrenzung: primär kardiale versus primär pulmonale Genese) bei unklarer Rechtsherzinsuffizienz durchgeführt. Hierbei kann durch die Messung und Analyse der Drücke und Widerstände in der Lungenstrombahn eine prä-kapilläre (primär pulmonale) von einer post-kapillären (primär kardialen) Druckerhöhung abgegrenzt werden. In diesem Zusammenhang kommt dem pulmonalarteriellen Verschlussdruck (pulmonary capillary wedge pressure, PCWP) eine besondere Bedeutung zu. Der PCWP bildet in Annäherung den linksatrialen Druck und damit – bei normal öffnender Mitralklappe – auch den linksventrikulär enddiastolischen Druck ab. Ist dieser bei gleichzeitig erhöhtem pulmonalarterielle Druck erhöht, weist dies auf eine primär kardiale pulmonale Hypertonie hin. Dies kann beispielsweise Folge einer Linksherzinsuffizienz sein. In diesem Fall ist auch der pulmonale Widerstand nicht erhöht. Bei normalem PCWP und erhöhtem pulmonalarteriellem Druck kommt es somit in der Lungenstrombahn zum Druckanstieg, was auf eine primär pulmonale Ursache hinweist. In diesem Fall ist der pulmonalarterielle Widerstand pathologisch erhöht.
Sinnvoll ist die kombinierte Links-/Rechtsherzkatheteruntersuchung auch bei Klappenvitien zur Quantifizierung des Insuffizienz-/Stenosegrades. Shuntvitien können heutzutage auch sehr gut mit der kardialen Magnetresonanztomographie evaluiert werden, jedoch stellt die Rechtsherzkatheteruntersuchung mit Stufenoxymetrie den Goldstandard zur Quantifizierung von Shuntvitien dar.

Linksherzkatheteruntersuchung

Die Indikationskriterien zur Linksherzkatheteruntersuchung sind sehr gut in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung abgebildet (Tab. 2; Hamm et al. 2008).
Tab. 2
Indikation Linksherzkatheteruntersuchung bei stabiler Klinik (nur Klasse-I- oder -IIa-Empfehlung)
Elektive Koronarangiografie
Erläuterung
Empfehlungsgrad
Angina pectoris CCS III/IV
De novo oder unter Therapie
I
Hochrisikomerkmale bei nichtinvasiver Testung
Unabhängig des klinischen Bildes
I
Angina pectoris CCS I/II
Fehlende Beschwerdefreiheit
IIa
Verschlechterung der Ergebnisse des Ischämietests
Gleiche Technik
IIa
Patient mit typischer Angina und hoher Vortestwahrscheinlichkeit
Fehlende Möglichkeit eines Belastungstests
IIa
Verdacht auf hochgradige Stenose proximaler Koronarsegmente in der Computertomografie
CT der Koronarien stellt jedoch keine Screeningmethode dar
IIa
Berufsbedingt (Fremdgefährdung) notwendiger sicherer Ausschluss einer KHK bei Risikomerkmalen (Ischämietest, Klinik)
z. B. Taxi-/Busfahrer, Kranführer
IIa
Asymptomatische Männer/postmenopausale Frauen mit ≥ 2 Risikofaktoren und pathologischem Ischämienachweis
Falls Ergometrie als Ischämienachweis ggf. Durchführung eines alternativen Stresstests (z. B. c-MRT)
IIa
Asymptomatischer Patient nach Myokardinfarkt und pathologischem Ischämienachweis
Falls Ergometrie als Ischämienachweis ggf. Durchführung eines alternativen Stresstests (z. B. c-MRT)
IIa
Die Linksherzkatheteruntersuchung ist kein Screeningverfahren zur Diagnostik der koronaren Herzerkrankung. Die große Mehrzahl von Linksherzkatheteruntersuchungen wird im Sinn einer Stufendiagnostik bei entsprechend hoher Vortestwahrscheinlichkeit zur Evaluation einer stenosierenden koronaren Herzerkrankung durchgeführt. Die Indikation ergibt sich in diesem Zusammenhang prinzipiell bei bestehenden typischen klinischen Symptomen und/oder einem positiven Ischämienachweis. Weiterhin ist aufgrund des invasiven Charakters der Untersuchung zu fordern, dass die aus der Untersuchung resultierenden therapeutischen Konsequenzen (z. B. PTCA oder Bypassoperation) entweder die Lebensqualität oder die Prognose des Patienten verbessern (Bonzel et al. 2008). Die Indikation zur Katheteruntersuchung sollte daher bei einer stark prognoselimitierenden malignen Erkrankung gut überdacht und bei Ablehnung therapeutischer Konsequenzen durch den Patienten nicht durchgeführt werden.
Den größten Nutzengradienten zeigt die Linksherzkatheteruntersuchung bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und hierbei vor allem beim ST-Streckenelevations-Myokardinfarkt (Roffi et al. 2015). Die zeitgerechte direkte (sofortige) perkutane koronare Revaskularisation der verschlossenen Infarktarterie führt im Gegensatz zur Thrombolysetherapie zu einer weiteren Reduktion der Sterblichkeit sowie der Inzidenz intrakranieller Blutungen. Auch Patienten mit akutem Koronarsyndrom aber ohne ST-Streckenelevation profitieren prognostisch von einer frühen invasiven Vorgehensweise im Vergleich zu einer primär konservativen Strategie.
Bei Patienten mit stabiler klinischer Symptomatik besteht der höchste Empfehlungsgrad (Klasse-I-Indikation) zur Durchführung einer Linksherzkatheteruntersuchung für Patienten mit einer neu aufgetretenen Angina- pectoris -Symptomatik der Funktionsklasse CCS III/IV oder Patienten, die unter Medikation keine Beschwerdebesserung erfahren. Ebenso wird für Patienten mit dem gleichen hohen Evidenzgrad eine Linksherzkatheteruntersuchung empfohlen, wenn Hochrisikomerkmale in der nichtinvasiven Risikostratifizierung vorliegen. Als Hochrisiko-Konstellation werden beispielsweise auch unabhängig vom klinischen Bild eine echokardiographisch hochgradig reduzierte linksventrikuläre Pumpfunktion oder ein pathologischer Belastungstest definiert.
Weiterhin gibt es eine Reihe von Klasse-II-Empfehlungen, die aus einer typischen Klinik entsprechend der Funktionsklassen CCS I/II unter Medikation oder auch der Verschlechterung eines nichtinvasiven Belastungstest resultieren (Tab. 2). Im Rahmen einer präoperativen Risikostratifizierung ergibt sich für Patienten vor großen vaskulären Eingriffen ebenfalls eine Klasse-IIa-Indikation für eine Linksherzkatheteruntersuchung.
Für den Großteil der Patienten mit akutem Koronarsyndrom konnte ein prognostischer Vorteil für eine invasive Vorgehensweise gezeigt werden. Abhängig vom Akutrisiko werden jedoch unterschiedliche Zeitintervalle bis zur invasiven Diagnostik empfohlen (Tab. 3).
Tab. 3
Indikation zur invasiven Diagnostik und Therapie bei akutem Koronarsydnrom
Indikation
Erläuterung
Empfehlungsgrad
Notfallindikation
Sofortige Intervention (PCI)
 
ST-Elevations-Myokardinfarkt (STEMI, ESC Leitlinie 2012)
Zeitliche Verzögerung maximal 90 Min. von erstem medizinischen Kontakt bis Gefäßeröffnung
I
Dringliche Indikation („sehr hohes Risiko“)
Verzögerung maximal 120 Min.
 
Nicht-ST-Elevations-akutes-Koronarsyndrom (NSTE-ACS) mit Hochrisikomerkmalen
Assoziierte Herzinsuffizienz, hämodynamische Instabilität, refraktäre Angina, schwere ventrikuläre Rhythmusstörungen
I
Frühe Indikation („hohes Risiko“)
Verzögerung maximal 24 h
 
NSTE-ACS mit GRACE-Risikoscore > 140 oder 1 Hochrisikomerkmal
Troponin-Anstieg/-Abfall oder dynamische EKG-Veränderungen
I
Frühe elektive Indikation („intermediäres Risiko“)
Verzögerung maximal 72 h
 
NSTE-ACS mit erneuten Symptomen
Falls dann Beschwerden persistent, dringliche Indikation
I
NSTE-ACS mit 1 Risikomerkmal
Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min), z. B. CABG oder PCI, eingeschränkte LV-Funktion (LVEF < 40 %), GRACE-Score 109–140
IIa
ACS akutes Koronarsyndrom, CABG koronar-arterielle Bypassoperation, GFR glomeruläre Filtrationsrate, NSTE-ACS Nicht-ST-Elevations-akutes-Koronarsyndrom, STEMI ST-Elevations-Myokardinfarkt

Typische Befunde

Rechtsherzkatheteruntersuchung

Bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung wird der Katheter (zumeist ein Swan-Ganz-Katheter) bis in die Peripherie einer Pulmonalarterie vorgebracht. Nach einer vorsichtigen Insufflation des distal angebrachten Ballons wird über das endständige Lumen der pulmonalkapilläre Verschlussdruck (PCWP) gemessen. Nachfolgend wird der Ballon desuffliert und der Katheter unter Druckregistrierung von der Position in der Lungenarterie über die Pulmonalklappe in den rechten Ventrikel und von dort in das rechte Atrium zurückgezogen. Zur Bestimmung des Herzzeitvolumens nach dem Fickschen Prinzip müssen mindestens eine arterielle Blutgasanalyse (Sauerstoffsättigung) und eine Abnahme in de Pulmonalarterie erfolgen. Alternativ können Proben in der oberen und unteren Hohlvene entnommen werden. Bei Verdacht auf ein Shuntvitium ist eine Probenabnahme in Stufen notwendig.

Linksherzkatheteruntersuchung

Der typische Untersuchungsablauf einer Linksherzkatheteruntersuchung beinhaltet zunächst eine Druckmessung in der Aorta. Nachfolgend wird der Katheter über die Aortenklappe in den linken Ventrikel vorgebracht und, nach erneuter Druckmessung, eine Lävokardiographie in der RAO 30°-Projektion (und gegebenenfalls zusätzlich LAO 60°-Projektion) durchgeführt (Video 2).
Nachfolgend werden die linke Herzkranzarterie (Video 3) und die rechte Herzkranzarterie (Video 4) in mehreren Projektionen dargestellt.
Auf eine LV-Angiografie sollte bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom/Myokardinfarkt oder deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate < 30 ml/min) verzichtet werden. Bei vorliegender Echokardiografie mit guter Beurteilbarkeit kann, auch bei Patienten mit Vitien (z. B. Aortenklappenstenose), auf eine LV-Angiografie verzichtet werden.

Beispiel

Ein anderes Beispiel zeigt die koronarangiographischen Befunde bei akutem Seitwandinfarkt mit Verschluss des R. circumflexus (Video 5).
Nach Vorbringen eines feinen Führungsdrahts über den thrombotischen Verschluss wird eine Dilatation durchgeführt (Video 6).
Nachfolgend führt die Implantation eines medikamentenbeschichteten Stents zur Wiederherstellung des ursprünglichen Gefäßlumens und einem normalisierten epikardialen Fluss bis weit in die Gefäßperipherie (Video 7).
Die rechte Kranzarterie zeigte sich ohne relevante Stenosen (Video 8).

Erweiterte invasive Diagnostik

Allgemein

Die Linksherzkatheteruntersuchung stellt den Goldstandard in der Darstellung der Koronararterien dar. Die Angiografie hat jedoch aufgrund der zweidimensionalen Abbildung dreidimensionaler Gefäßstrukturen auch Limitationen. Zudem ist für die Frage der therapeutischen Konsequenz von dargestellten Koronarstenosen vor allem deren hämodynamische Relevanz von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang gibt es mittlerweile drei etablierte invasive (intraluminale) diagnostische Verfahren, die im Rahmen von Linksherzkatheteruntersuchungen durchgeführt werden können: Hierzu zählen der intravaskuläre Ultraschall, die optische Kohärenz-Tomografie und die intrakoronare Messung der fraktionellen Flussreserve.

Intrakoronare Ultraschalluntersuchung (IVUS)

Bei der intrakoronaren Ultraschalluntersuchung (IVUS) wird ein miniaturisierter Schallkopf über einen Führungsdraht in ein Koronargefäß gebracht. Dies ermöglicht eine differenzierte Analyse nicht nur des Gefäßlumens, sondern auch der Gefäßwand. Das Verfahren wird mittlerweile vor allem zur verbesserten Planung zur interventionellen Therapie komplexer Koronarstenosen (z. B. linker Hauptstamm) angewandt. Eine weitere sinnvolle Indikation besteht in der Kontrolle der Interventionsergebnisse komplexer Interventionen, beispielsweise um die Apposition des Stents an der Gefäßwand zu überprüfen.

Optische Kohärenztomographie

Die optische Kohärenztomografie basiert auf dem Prinzip der Reflexion von Lichtsignalen und ermöglicht eine von der Auflösung wesentlich bessere Visualisierung der Gefäßwand und auch implantierter Stents. So können vor allem Einheilungsprozesse nach Stentimplantation sehr gut dargestellt werden. Momentan wird das Verfahren vor allem im Rahmen klinischer Studien angewandt.

Messung der fraktionellen Flussreserve

Im Gegensatz dazu stellt die invasive Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) mittlerweile ein etabliertes diagnostisches Verfahren zur Quantifizierung der hämodynamischen Relevanz von mittelgradigen Koronarstenosen dar. Das Prinzip beruht auf der Messung von Druckdifferenzen über koronaren Stenosen unter gleichzeitiger Gabe von Adenosin und hat seine Überlegenheit im Gegensatz zur alleinigen morphologischen Beurteilung mittelgradiger Koronarstenosen in mehreren klinischen Studien zeigen können.

Video/Audio

Below is the link to the Video/Audio.
Video 1
Untersuchungsfilm
Video 2 Coro-LV: Lävokardiographie des linken Ventrikels in RAO 30°-Projektion mit normo- bis hyperkontraktiler Pumpfunktion (Ejektionsfraktion 74 %), vereinbar mit hypertensiver Herzerkrankung, initial katheterbedingte Extrasystolie, keine regionalen Wandbewegungsstörungen
Video 3 Coro-LCA: Koronarangiografie des linken Herzkranzsystems in RAO 30°-Projektion mit Darstellung der Vorderwandarterie (RIVA, ramus interventricularis anterior, verläuft im oberen Bereich nach rechts) sowie des R. circumflexus (RCX, verläuft nach Abgang aus dem Hauptstamm nach unten im Bild). Glattwandige Gefäße mit tourquiertem Verlauf, vereinbar mit hypertensiver Herzerkrankung
Video 4 Coro-RCA: Darstellung der rechten Herzkranzarterie (RCA, arteria coronaria dextra). Glattwandiges Gefäß mit tourquiertem Verlauf, vereinbar mit hypertensiver Herzerkrankung
Video 5 Infarkt RCX vor Intervention
Video 6 Infarkt RCX Ballon
Video 7 Infarkt RCX nach Stent
Video 8 Infarkt RCA
Literatur
Bonzel T, Erbel R, Hamm CW et al (2008) Perkutane Koronarintervention (PCI). Clin Res Cardiol 97:513–547CrossRefPubMed
Hamm C, Albrecht A, Bonzel T et al (2008) Diagnostische Herzkatheteruntersuchung. Clin Res Cardiol 97:475–512CrossRefPubMed
Roffi M, Patrono C, Collet JP et al (2015) ESC guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. 267–315. doi:10.​1093/​eurheartj/​ehv320. Zugegriffen am 29.08.2015