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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 28.01.2015

Hypophysentumore

Verfasst von: Günter Stalla und Christina Dimopoulou
Hypophysenadenome sind nach den Meningeomen die zweithäufigsten Neoplasien. Selläre Raumforderungen können primär hypophysär-adenomatösen, zystischen, granulomatösen oder anderen Zellursprungs sein. Je nach Größe und Hormonaktivität des Hypophysentumors differenziert man einerseits zwischen Mikro- und Makroadenomen und andererseits zwischen hormonaktiven und hormoninaktiven Adenomen (NFPA). Als Inzidentalome bezeichnet man zufällig entdeckte hypophysäre Läsionen ohne klinisches Korrelat. Hinsichtlich der Aggressivität werden Hypophysenadenome in typisch benigne und aggressivere atypische Adenome sowie Hypophysenkarzinome unterteilt. Mikroprolaktinome führen nur zum funktionellen Hypogonadismus, während Makroprolaktinome zusätzlich zum Chiasmasyndrom und Hypophysenvorderlappeninsuffizienz führen können. Die pathologisch vermehrte Sekretion von Wachstumshormon durch Mikro- oder Makroadenome führt klinisch präpubertär zum Gigantismus und im Erwachsenenalter zur Akromegalie. Die Klinik des Cushing-Syndroms umfasst zahlreiche Symptome. NFPA können sich mit den Zeichen der Hypophyseninsuffizienz und/oder mit Visus- und Gesichtsfeldeinschränkungen präsentieren. Frühsymptome der Hypophysenvorderlappeninsuffizienz beinhalten Zyklusstörungen und Amenorrhoe bei der Frau, Libido- und Potenzverlust beim Mann. Spätsymptome umfassen Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen und Visusminderung. Die Grundpfeiler der Diagnostik bei Hypophysentumoren beinhalten Anamnese, Hormonanalytik, Funktionsdiagnostik, bildgebende Diagnostik und ophthalmologische Untersuchung. Die Therapiestrategie bei Hypophysenadenomen richtet sich nach der klinischen Symptomatik, den Hormonachsenausfällen und der Hormonaktivität der Tumoren. Die primären Therapieziele sind die Beseitigung des Tumors mit Normalisierung von Visus, Gesichtsfeld Hormonmehrsekretion sowie der Erhalt oder die Wiederherstellung der Hypophysenfunktionen.

Definition

Selläre Raumforderungen1 können primär hypophysär-adenomatösen, zystischen, granulomatösen oder anderen Zellursprungs sein. Je nach Größe und Hormonaktivität des Hypophysentumors differenziert man einerseits zwischen Mikro- (<10 mm) und Makroadenomen (≥10 mm) und andererseits zwischen hormonaktiven und hormoninaktiven Adenomen („nonfunctioning pituitary adenoma“, NFPA). Als Inzidentalome bezeichnet man zufällig entdeckte hypophysäre Läsionen ohne klinisches Korrelat (10 % aller MR-Untersuchungen). Hinsichtlich der Aggressivität werden Hypophysenadenome in typisch benigne (ca. 85 %) und aggressivere atypische Adenome (ca. 15 %) sowie Hypophysenkarzinome (ca. 0,1 %) unterteilt.

Pathophysiologie

Hinsichtlich der Entstehung von Hypophysenadenomen wurde traditionell angenommen, dass Hypophysentumoren als Konsequenz exzessiver hormoneller Stimulation bzw. fehlender Inhibition entstehen; diese Theorie hat sich jedoch nicht bestätigt. Heutzutage wird die Theorie der Tumorgenese als Konsequenz intrinsischer hypophysärer Defekte (Monoklonalität) favorisiert.

Epidemiologie

Hypophysenadenome stellen etwa 10–15 % aller intrakraniellen Tumoren dar und sind nach den Meningeomen die zweithäufigsten Neoplasien. Die Inzidenz von Hypophysenadenomen liegt bei 30/1.000.000 Einwohner pro Jahr, die Prävalenz bei 300/1.000.000 Einwohner. Die häufigsten Hypophysenadenome sind Prolaktinome, die etwa 50 % aller Adenome umfassen. Etwa 22 % der Hypophysenadenome sind Wachstumshormon(GH)-produzierende Adenome, 23 % sind NFPA, 5 % sind ACTH-produzierende und <1 % sind TSH- und FSH-produzierende Adenome. Hypophysenkarzinome sind extrem selten und entwickeln sich meist aus Prolaktinomen.

Klinik

Hormonmehrsekretion

Prolaktinome
Mikroprolaktinome sind bei Frauen zwanzigmal häufiger als bei Männern und führen nur zum funktionellen Hypogonadismus (Zyklusstörungen, Oligo-/Amenorrhoe, unerfüllter Kinderwunsch), während Makroprolaktinome genauso oft bei Frauen und Männern auftreten und durch den raumfordernden Prozess zusätzlich zum Chiasmasyndrom und Hypophysenvorderlappeninsuffizienz führen können. Ein weiteres Leitsymptom des Prolaktinoms ist die ein- oder beidseitige Galaktorrhoe, die bei etwa 50 % der Frauen auftritt. Leitsymptome des Prolaktinoms beim Mann sind Libido- und Potenzstörungen, die auf den bestehenden Hypogonadismus zurückzuführen sind.
GH-produzierende Hypophysenadenome (Akromegalie)
Die pathologisch vermehrte Sekretion von Wachstumshormon („growth hormone“, GH) durch Mikro- oder Makroadenome führt klinisch präpubertär zum Gigantismus und im Erwachsenenalter zur Akromegalie. Die häufigsten Symptome umfassen Vergrößerung der Akren, Kopfschmerzen, Zyklusstörungen bzw. Impotenz, Sehstörungen, Hyperhidrosis, Libidoverlust, Schlafapnoe, Karpaltunnelsyndrom und Arthropathie. Metabolisch zeigt sich bei ca. 50 % der Patienten eine pathologische Glukosetoleranz bzw. ein Diabetes mellitus. Die Kardiomegalie im Rahmen der allgemeinen Viszeromegalie führt zusammen mit der arteriellen Hypertonie zur Kardiomyopathie. Kardiale und respiratorische Erkrankungen (obstruktives Schlafapnoesyndrom) sind im Wesentlichen für die zwei- bis vierfach erhöhte Mortalität akromegaler Patienten verantwortlich. Neben der Neigung zu einer Strumaentwicklung gibt es Hinweise auf eine vermehrte Inzidenz von Kolonpolypen.
ACTH-produzierende Hypophysenadenome (Morbus Cushing)
Das endogene Cushing-Syndrom ist mit einer Inzidenz von 1–3/1.000.000 Einwohner/Jahr selten. Im Erwachsenenalter liegt in etwa 80 % der Fälle ein ACTH-sezernierender Hypophysentumor vor (Morbus Cushing); meist handelt es sich um sehr kleine – teilweise in der Magnetresonanztomographie (MRT) nicht sichtbare – Mikroadenome, in 10 % der Fälle sind Makroadenome dafür verantwortlich. Die Klinik des Cushing-Syndroms umfasst zahlreiche Symptome, unter anderem Vollmondgesicht (Plethora), stammbetonte Fettsucht, Büffelnacken, Striae rubrae, Hypogonadismus, Osteoporose, Muskelschwäche, Hirsutismus bei Frauen, Ödeme, Akne, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus und Depression. Die ACTH-Sekretion der Hypophyse und damit die adrenale Glukokortikoidsekretion folgen nicht mehr der normalen zirkadianen Rhythmik.

Hormoninaktive Hypophysenadenome (Inzidentalome)

NFPA (Makroadenome) können sich klinisch mit den Zeichen der Hypophyseninsuffizienz und/oder bei supra- und parasellärer Extension mit Visus- und Gesichtsfeldeinschränkungen präsentieren. Die Augensymptomatik erfolgt meist progredient, gelegentlich aber auch mit akut einsetzenden Symptomen. Häufig werden diese Adenome zufällig bei CT-/MRT-Untersuchungen entdeckt. Inzidentalome finden sich bei 10 % aller MRT-Untersuchungen. Meist sind es sehr kleine Mikroadenome.

Hypophyseninsuffizienz

Eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (HVL-Insuffizienz) kann bei Makroadenomen, postoperativ oder funktionell beim Morbus Cushing auftreten und wird durch die Zeichen der jeweils ausgefallenen hypophysären Partialfunktion definiert (Tab. 1). HVL-Zellen weisen eine unterschiedliche Sensitivität gegenüber einer lokalen Kompression auf; zunächst sind die somatotrophen und gonadotrophen gefolgt von den thyreotrophen und kortikotrophen Partialfunktionen beeinträchtigt. Frühsymptome beinhalten Zyklusstörungen und Amenorrhoe bei der Frau, Libido- und Potenzverlust beim Mann. Spätsymptome umfassen Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen und Visusminderung. Eine gleichzeitige Hypophysenhinterlappeninsuffizienz (HHL-Insuffizienz) ist meist Hinweis auf eine primär hypothalamische Erkrankung und kommt bei Hypophysentumoren präoperativ nicht vor.
Tab. 1
Klinik der Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
Ausfall der somatotrophen Funktion
- Kleinwuchs im Kindes- und Jugendalter
- Veränderte Körperzusammensetzung (reduzierte Muskelmasse und vermehrte abdominelle Fetteinlagerung)
- Fettstoffwechselstörung (erhöhtes LDL und erniedrigtes HDL)
- Reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit
Ausfall der gonadotrophen Funktion
- Verminderte oder fehlende Achsel- und Schambehaarung
- Bei der Frau: Oligo- oder Amenorrhoe, Mammaatrophie, Infertilität
- Beim Mann: Infertilität, Libido- und Potenzminderung, kleine weiche Testes
Ausfall der thyreotrophen Funktion
- Kälteintoleranz
- Neigung zur Gewichtszunahme
- Müdigkeit
- Lethargie
- Wesensveränderung
- Bradykardie
Ausfall der kortikotrophen Funktion
- Blasses Hautkolorit
- Schwäche
- Müdigkeit
- Gewichtsverlust
- Übelkeit (Erbrechen in Stresssituationen)
- Hypotonie

Diagnostik

Die Grundpfeiler der Diagnostik bei Hypophysentumoren beinhalten Anamnese, Hormonanalytik, bildgebende Diagnostik und ophthalmologische Untersuchung. Eine Überprüfung der Hypophysenvorderlappenpartialfunktionen erübrigt sich bei zufällig entdeckten Mikroadenomen ohne Klinik (nur Prolaktinanalyse), muss allerdings bei Makroadenomen durchgeführt werden. Vor einer angedachten Hypophysenoperation muss zudem immer eine komplette endokrinologische Diagnostik erfolgen, um auch milde Formen von Akromegalie bzw. Morbus Cushing nicht zu übersehen. Insbesondere muss ein Prolaktinom (gilt auch für Mikroadenome) ausgeschlossen werden, da in diesem Fall – wie auch bei Makroadenomen – die medikamentöse Behandlung Therapie der Wahl ist.

Biochemische Diagnostik

Verdacht auf Hypophysenvorderlappeninsuffizienz

Die Bestimmung basaler Hormonspiegel ist sinnvoll und in der Regel genügend aussagekräftig; für die Beurteilung der thyreotrophen, gonadotrophen und laktotrophen Achse ist keine Funktionsdiagnostik notwendig. Bei prämenopausalen Frauen ist eine genaue Anamnese mit Kenntnis der Zyklusphase erforderlich. Zur Beurteilung der gonadotrophen Achse muss darauf geachtet werden, dass eine orale Antikonzeption für einen Zyklus abgesetzt wird. Ein regelmäßiger Zyklus bei prämenopausalen Frauen oder die erwartungsgemäß erhöhten Gonadotropine bei postmenopausalen Frauen schließen eine gonadotrophe Insuffizienz aus. Bezüglich der kortikotrophen Achse sind hoch normale oder erheblich verminderte Kortisolspiegel genügend aussagekräftig; liegen sie jedoch im mittleren Normbereich, dann ist eine Funktionsdiagnostik erforderlich. Niedrige IGF-1-Spiegel sind für einen Wachstumshormonmangel verdächtig, aber nicht beweisend; daher ist zur Beurteilung der somatotrophen Achse immer eine Funktionsdiagnostik erforderlich. Ein nicht messbarer Prolaktinspiegel deutet immer auf eine komplette HVL-Insuffizienz hin.

Verdacht auf Hypophysenhinterlappeninsuffizienz

Störungen der Hypophysenhinterlappenfunktion und der Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH) treten insbesondere als transiente perioperative oder postoperative Störungen nach Hypophysenoperationen auf (Grant et al. 2012). Die Überprüfung der Hypophysenhinterlappenfunktion erfolgt mit dem klassischen Durstversuch, der mit Monitoring von Harnmenge, Urinosmolarität, Körpergewicht, Körpertemperatur, Blutdruck, Puls, Serumosmolarität, Serumnatriumwert morgens über mehrere Stunden oder bei Verdacht auf partiellen Diabetes insipidus über Nacht (Cave: Urinausscheidung >2 l) erfolgt. Ein Diabetes insipidus ist bewiesen, wenn die Urinosmolalität im Vergleich zum Ausgangswert nicht ansteigt, also eine mangelnde Konzentrierung des Urins besteht und das Körpergewicht abfällt bzw. die Serumosmolalität während des Durstens ansteigt. Ein Anstieg der Urinosmolarität auf mehr als 750 mosmol/kg schließt einen Diabetes insipidus aus.

Verdacht auf Hormonmehrsekretion

Prolaktinom
Ein einmalig normwertig gemessener Prolaktinwert schließt meist ein Prolaktinom aus. Mehrmalige Messungen dienen dazu, stressbedingte leichte Hyperprolaktinämien nicht falsch zu bewerten. Bei fehlender oder nicht passender Klinik muss an eine Makroprolaktinämie gedacht werden (Prolaktindimere oder Oligomere, die an Immunglobuline gebunden sind und in vielen Immunoassays mit erfasst werden, Vallette-Kasic et al. 2002). Diese kann mittels PEG-Fällung ausgeschlossen werden. Bei mäßig erhöhten Prolaktinspiegel ist neben einem Mikroprolaktinom auch eine Entzügelungshyperprolaktinämie durch eine tumorbedingte Kompression des Hypophysenstiels zu bedenken (Karavitaki et al. 2006; Melmed et al. 2011). Bei jedem Giantadenom mit nur geringer Hyperprolaktinämie sollte der paradoxe Hook-Effekt (falsch niedrige Prolaktinspiegel durch massiven Antigenüberschuss im Assay) in Betracht gezogen und eine Prolaktinbestimmung in 1:100-Verdünnung erfolgen. Dopaminantagonistisch wirksame Medikamente wie z. B. Neuroleptika, Antidepressiva, Antiemetika, Sexualhormone und Opiate können ebenso eine Hyperprolaktinämie induzieren.
Akromegalie
Die biochemische Diagnostik der Akromegalie erfolgt mittels basaler Bestimmung von Wachstumshormon (GH) und IGF-1 und mithilfe des oralen Glukosetoleranztests (OGTT) (Tab. 2). Bei einem GH-Wert unterhalb 0,3 μg/l und falls insbesondere IGF-1 im alters- und geschlechtsentsprechenden Normbereich liegt, ist eine Akromegalie ausgeschlossen. Ein nicht supprimierbares GH oder ein paradoxer GH-Anstieg im OGTT bei gleichzeitig erhöhtem IGF-1 beweist das Vorliegen einer Akromegalie.
Tab. 2
Biochemische Diagnostik der Akromegalie
- Basale IGF-1- und GH-Bestimmung
- Suppressionstest: OGTT mit 75 g Glukose (bei Normalpersonen Suppression des GH auf unter 0,5 μg/l)
- Bei positivem Testausfall: einmalige GHRH-Bestimmung (zum Ausschluss einer ektopen Produktion)
GH Wachstumshormon („growth hormone“); GHRH „growth hormone releasing hormone“; IGF insulinähnlicher Wachstumsfaktor („insulin-like growth factor“)
Cushing-Syndrom
Zum Ausschluss eines Cushing-Syndroms bietet sich der 1-mg-Dexamethasonhemmtest an. Bei pathologischem Dexamethasonhemmtest sind als Bestätigungstests die (mehrfache) Bestimmung des Kortisols im Speichel um 23:00 Uhr bzw. des freien Kortisols im 24-Stunden-Urin indiziert (Tab. 3). Die differenzialdiagnostische Abklärung zwischen Morbus Cushing und einer ektopen ACTH-Sekretion erfolgt mit dem Corticotropin-Releasing-Hormon-Test (CRH-Test) und dem hochdosierten Dexamethasonhemmtest (Nieman et al. 2008). Bei schwieriger differenzialdiagnostischer Abgrenzung oder nicht nachweisbarem Tumor in der MRT ist eine selektive Sinus-petrosus-Katheterdiagnostik erforderlich.
Tab. 3
Biochemische Diagnostik des Cushing-Syndroms
Testprinzip
Interpretation
Dexamethasonhemmtest
(1 mg, 23:00 Uhr oral, Blutentnahme 8:00 Uhr)
Suppressionstest
Norm: <1,8 μg/dl
Graubereich: 1,8–2,9 μg/dl
Pathologisch: >3 μg/dl
Mitternächtlicher Serumkortisolspiegel (23:00–24:00 Uhr)
Kortisoltagesrhythmik
Norm: <3,0 μg/dl
Graubereich: 3,0–4,9 μg/dl
Pathologisch: >5 μg/dl
Mitternächtlicher Speichelkortisolspiegel (23:00–24:00 Uhr)
Kortisoltagesrhythmik
Norm: <1,0 ng/ml
Graubereich: 1,0–2,4 ng/ml
Pathologisch: >2,5 ng/ml
Ausscheidung des freien Kortisols im 24-Stunden-Urin
Zeitintegrierte Kortisolsekretion
Norm: <100 μg/Tag
Graubereich: 100– μg/Tag
Pathologisch: >200 μg/Tag

Hormoninaktives Hypophysenadenom (Inzidentalom)

Bei einem zufällig entdeckten Inzidentalom der Hypophyse muss eine differenzialdiagnostische Abklärung und Einschätzung der Therapiebedürftigkeit erfolgen. Zunächst muss bildmorphologisch eine Differenzialdiagnostik zwischen Hypophysenadenom und nicht hypophysärer Raumforderung erfolgen. Bei Adenomen muss nachfolgend eine Diagnostik bzgl. der hormonellen Aktivität durchgeführt werden sowie mögliche Hypophyseninsuffizienz und Gesichtsfeldbeteiligung, insbesondere bei Makroadenomen, beurteilt werden.

Bildgebende Diagnostik

Den höchsten Stellenwert unter den bildgebenden Verfahren bei der Diagnostik hypothalamisch-hypophysärer Störungen hat die MRT in 2-mm-Schichtung. Makroadenome (≥1 cm) mit supra- und/oder parasellärem Tumoranteil müssen differenzialdiagnostisch von anderen sellären Raumforderungen abgegrenzt werden. Circa die Hälfte der ACTH-sezernierenden Hypophysenadenome lassen sich aufgrund ihrer geringen Größe von unter 3 mm nicht in der MRT darstellen, weshalb die entsprechende endokrinologische Diagnostik sehr gründlich und klärend sein sollte.

Ophthalmologische Diagnostik

Durch die Nähe zur Sehbahn finden sich bei Hypophysentumoren, die nach suprasellär extendieren, durch Kompression oder Infiltration der Sehnerven, des Chiasma opticum oder des Tractus opticus Sehstörungen mit unterschiedlich ausgeprägter Gesichtsfeldeinschränkung bzw. einer Optikusatrophie. Die Gesichtsfeldperimetrie bzw. die computerassistierte Perimetrie sind dabei die wichtigsten Untersuchungen. Bei parasellärer Tumorextension kann es auch zu Doppelbildern durch Kompression von Hirnnerven kommen, die die Augenmuskulatur innervieren (N. oculomotorius, N. trochlearis, N. abducens).

Therapie

Die Therapiestrategie bei Hypophysenadenomen richtet sich nach der klinischen Symptomatik, den Hormonachsenausfällen und der Hormonaktivität der Tumoren. Die primären Therapieziele sind die Beseitigung des Tumors mit Normalisierung von Visus, Gesichtsfeld Hormonmehrsekretion sowie der Erhalt oder die Wiederherstellung der Hypophysenfunktionen. Erst nach Abschluss der Diagnostik kann die Indikation zur entsprechend angezeigten Vorgehensweise gestellt werden.

Operative Therapie

Die transsphenoidale Hypophysenoperation stellt bei Hypophysenadenomen bis auf Prolaktinome die Therapie der Wahl dar. Es handelt sich meist um einen minimal invasiven Eingriff, der wenig belastend ist. Selten ergibt sich die Indikation zur transkraniellen Operation. Der Patient profitiert von einer Hypophysenoperation, wenn Tumorwachstum oder eine beginnende HVL-Insuffizienz dokumentiert ist oder wenn das Chiasma opticum erreicht bzw. angehoben ist.

Hormonmehrsekretion

Prolaktinome
Der Einsatz von Dopaminagonisten ist die Therapie der ersten Wahl beim Prolaktinom (Casanueva et al. 2006; Melmed et al. 2011). Dopaminagonisten sind besonders effektiv, da sie nicht nur die Prolaktinsekretion hemmen, sondern auch bei Makroadenomen zur Schrumpfung des Tumors führen können (ca. 80 % der Fälle). Zur Verfügung stehen Dopaminagonisten der ersten (wie z. B. Bromocriptin) und der zweiten Generation (wie z. B. Cabergolin). Wird ein Dopaminagonist nicht vertragen bzw. zeigt sich eine unzureichende Prolaktinsenkung, sollte die Therapie auf ein Non-Ergot-Derivat (z. B. Quinagolid) umgestellt werden.
Eine Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit der medikamentösen Therapie, ein rasch progredienter Visusverlust trotz Dopaminagonistengabe, Kinderwunsch bei Makroprolaktinomen oder ein großer zystischer Tumoranteil stellen mögliche Operationsindikationen beim Prolaktinom dar.
GH-produzierende Hypophysenadenome
Bei der Therapie der Akromegalie ist die transsphenoidale Hypophysenoperation die empfohlene Primärtherapie (Melmed et al. 2009). Die operative Erfolgsrate (biochemische Kontrolle) liegt bei 80–90 % für Mikroadenome und zwischen 20 % und 50 % für Makroadenome. Präoperativ können zur Tumorschrumpfung und Verbesserung des chirurgischen Ergebnisses Somatostatinanaloga (SSA) eingesetzt werden.
Bei nicht operablen oder nicht durch eine Operation geheilten Patienten stehen uns die langwirkenden SSA Octreotid LAR bzw. Lanreotid Autogel und der Dopaminagonist Cabergolin zur Verfügung. SSA erzielen eine biochemische Kontrolle in 50–65 % und eine zusätzliche Reduktion des Tumorvolumens um >10 % in 20–50 % der Fälle; die Erfolgsrate von Dopaminagonisten ist mit 15–25 % deutlich niedriger. Der GH-Rezeptorantagonist Pegvisomant führt zu einer dosisabhängigen Normalisierung der IGF-1-Spiegel bei 80–90 % der Patienten.
ACTH-produzierende Hypophysenadenome
Ist die Diagnose eines ACTH-produzierenden Hypophysenadenoms gesichert, ist als Primärtherapie eine Hypophysenoperation empfohlen (Biller et al. 2008). Die Erfolgsrate liegt bei 66–94 % (Hofmann et al. 2008). Als Remissionskriterium gilt eine postoperative sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz bzw. eine vollständige Kortisolsuppression nach 1 mg Dexamethason. Wenn die Operation nicht zur biochemischen Normalisierung führt, wird als Second-line-Therapie die Radiatio bzw. Radiochirurgie mit Erfolgsraten von 60–70 % bzw. 60–85 % eingesetzt, wobei die Remission im Mittel erst nach Jahren eintritt.
Für die medikamentöse Behandlung des Morbus Cushing erfolgte 2012 die Zulassung des Multiliganden-SSA Pasireotid, das bei ca. 60 % der Patienten eine Absenkung von Kortisol um >50 % erreicht (Colao et al. 2012) (Cave: häufige Hyperglykämieneigung). Weitere medikamentöse Therapieansätze beinhalten den Glukokortikoidantagonisten Mifepristone als Heilversuch, die adrenostatische Therapie mit Etomidate, Ketokonazol, Metopiron oder die adrenolytische Therapie mit Mitotane. Als Ultima Ratio kann eine beidseitige Adrenalektomie erfolgen (Cave: Nelson-Tumor, vor allem bei Makroadenomen).

Hormoninaktive Hypophysenadenome (Inzidentalome)

Grundsätzlich werden sie der operativen Therapie zugeführt, wenn sie durch ein Chiasmasyndrom oder durch eine Hypophyseninsuffizienz in Erscheinung treten. Eine abwartende Haltung ist bei Inzidentalomen gerechtfertigt, falls diese nicht zu Partialfunktionseinschränkungen führen und bei denen kein Bezug zum Chiasma opticum besteht oder bei Patienten, die primär nicht operabel sind. Selten kann „off-label“ ein medikamentöser Heilversuch mit Dopaminagonisten z. B. Cabergolin erfolgen (Greenman und Stern 2009). MRT-Verlaufskontrollen sind in den ersten drei Jahren bei Makroadenom nach sechs Monaten und dann einmal jährlich und bei Mikroadenom nach zwölf Monaten und dann alle zwei Jahre empfohlen.

Hypophysenkarzinome und atypische Hypophysenadenome

Das Chemotherapeutikum Temozolomid (Temodal) stellt eine therapeutische Option für Patienten mit aggressiven Hypophysentumoren inklusive Patienten mit Hypophysenkarzinomen oder atypischen Adenomen dar. Ein Teil der Patienten spricht auf Temozolomid in Bezug auf Tumorschrumpfung und Reduktion der Hormonproduktion an (Raverot et al. 2012).

Radiotherapie

Die Radiotherapie kann postoperativ bei residuellen Tumoren, in der Rezidivsituation von hormoninaktiven Makroadenomen mit Kompression der benachbarten Strukturen oder bei therapierefraktärem Hormonexzess trotz medikamentöser Behandlung eingesetzt werden. Standard ist die stereotaktische einzeitige (CyberKnife, GammaKnife) oder die fraktionierte Bestrahlung.
Zahlreiche Studien haben mit 83–100 % die hohe lokale Tumorkontrolle bei NFPA belegt; hormonaktive Tumoren zeigen in der Regel niedrigere Remissionsraten (Prolaktinom 11–80 %, Akromegalie 48–53 %, Morbus Cushing 40–65 %; Kim et al. 2012). Die Normalisierung des Hormonspiegels nach Radiotherapie ist ein langsamer Prozess, der Monate bis Jahre dauern kann. Als Spätfolgen der Radiotherapie können eine Hypophyseninsuffizienz (Häufigkeit ca. 50–60 %), Sehstörungen (selten, <5 %) und sekundäre Malignome (extrem selten, <0,5 %) auftreten.

Hormonsubstitutionstherapie

Eine Insuffizienz der Hypophysenpartialfunktionen muss sowohl präoperativ als auch postoperativ substituiert werden. Perioperativ muss bei Hypophysenadenomen aus vitaler Indikation eine Behandlung mit Hydrokortison durchgeführt werden, auch wenn die Evaluierung dieser hypophysären Partialfunktionen erst postoperativ exakter erfolgen kann.
Hydrokortison
Die sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz stellt die wesentlichste Bedrohung des Patienten dar und muss adäquat behandelt werden. Zur Substitutionstherapie sollte Hydrokortison in einer Erhaltungsdosis von 15–25 mg pro Tag (aufgeteilt auf zwei bis drei Einzeldosen) gegeben werden, z. B. 10-10-0 oder 10-5-5. Seit 2012 ist ein „dual-release“ Hydrokortisonpräparat (Plenadren) zugelassen, das nur einmal täglich eingenommen werden muss. In Stresssituationen, wie z. B. bei fieberhaften Infekten, Operationen, Beatmungs- und Intensivpflichtigkeit oder Entbindung, muss eine empirisch belegte adäquate Dosisanpassung um das Zwei- bis Fünffache erfolgen (Quinkler und Hahner 2012). Das Therapiemonitoring erfolgt durch anamnestische und klinische Zeichen vom Hypo- bzw. Hyperkortisolismus.
L-Thyroxin
Im Falle einer sekundären Hypothyreose erfolgt die Substitutionstherapie mit L-Thyroxin in körpergewichtsadaptierter Dosis. Als Zielbereich sollte ein im oberen Normbereich gelegener fT4-Spiegel angestrebt werden. Das basale TSH ist zur Diagnostik und Verlaufsbeurteilung der sekundären Hypothyreose nicht geeignet und diagnostisch irreführend. In zwei Drittel der Fälle liegt es bei Diagnosestellung inadäquat im unteren Normbereich; hingegen liegt bei der sekundären Hypothyreose immer ein erniedrigtes fT4 vor. Vor L-Thyroxingabe muss immer eine sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz ausgeschlossen bzw. substituiert werden, da ansonsten die L-Thyroxingabe eine latent vorhandene Nebennierenrindeninsuffizienz demaskieren und verstärken kann. Bei Einleitung einer Östrogensubstitution oder Eintritt einer Schwangerschaft erhöht sich der Bedarf an L-Thyroxin um ca. 30 %.
Sexualhormone beim Mann
Therapieziel der Androgensubstitution beim Mann mit sekundärem Hypogonadismus ist die Anhebung der endogenen Testosteronspiegel in den mittleren physiologischen Normbereich. Zur Testosteronsubstitution haben sich insbesondere die Applikation von 1 %igen oder 2 %igen transdermalen Gelen (25–50 mg täglich) oder die dreimonatliche Gabe von Testosteronundecanoat (1000 mg gluteal i.m.) als Depotpräparat bewährt. Das Therapiemonitoring beinhaltet unter anderem die regelmäßige PSA-Bestimmung und die digital-rektale Untersuchung (Bhasin et al. 2010). Bei Kinderwunsch muss die Testosteronsubstitution abgesetzt und eine Gonadotropintherapie initiiert werden (Eintritt einer Schwangerschaft bei der Partnerin in ca. 80 % der Fälle).
Sexualhormone bei der Frau
Die Östrogensubstitution bei der jüngeren Frau mit sekundärem Hypogonadismus ist bis zum Erreichen des mittleren Menopausealters indiziert; in höherem Alter ist die allgemeine Indikationsstellung der postmenopausalen Hormonsubstitution zu beachten (Bhasin et al. 2010). Beim Kinderwunsch und sekundärem Hypogonadismus besteht durch die Gonadotropintherapie eine sehr gute Erfolgsaussicht bezüglich Eintreten einer Schwangerschaft. Frauen mit chirurgischer Menopause nach Hysterektomie und beidseitiger Adnexektomie, Hypophysenvorderlappen- oder Nebennierenrindeninsuffizienz können unter einer Androgenmangelsymptomatik mit Libidoverlust leiden; dafürkann eine niedrigdosierte Testosteronsubstitution erfolgen. Die Gabe von oralem DHEA (25–50 mg pro Tag) zeigte in Studien positive Effekte.
Wachstumshormon
Patienten mit hypothalamisch-hypophysären Erkrankungen weisen häufig einen Wachstumshormonmangel auf. Ziel der Wachstumshormonsubstitution beim Erwachsenen ist die Normalisierung des Serum-IGF-1-Spiegels. Klinisch zeigen sich unter anderem positive Effekte auf Körperzusammensetzung, kardiovaskuläres Risikoprofil und Lebensqualität. Nach sechs Monaten effektiver Therapie kann eine Therapieevaluation gemeinsam mit dem Patienten erfolgen und über die Fortführung der Therapie entschieden werden.
Desmopressin
Bei Diabetes insipidus centralis erfolgt die Substitution mit Desmopressin-Nasenspray (10 μg pro Hub) oder Desmopressin Rhinyle (exaktere Dosierung in 2,5-μg-Schritten möglich). Alternativ ist auch die Gabe von Desmopressin-Tabletten (0,1 mg oder 0,2 mg Tabletten) möglich. Initial erfolgt eine Dosierung zur Nacht. Gewicht und Serumnatriumspiegel sollten regelmäßig überwacht werden; eine rasche Gewichtszunahme oder Hyponatriämie ist häufig Ausdruck einer Überdosierung.
Fußnoten
1
Dieses Kapitel stützt sich mit Modifikationen und Kürzungen auf das Kapitel „Hypophysentumoren und andere selläre Raumforderungen“ im Manual „Endokrine Tumoren“, 3. Aufl., des Tumorzentrums München.
 
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