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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Maren Hermanns-Clausen und Johannes Nadler
Publiziert am: 03.08.2023

Intoxikationen durch Pflanzen

Im Kindes- und Erwachsenenalter dominieren unfallbedingte Expositionen (99 % bzw. 96 %). Diese verlaufen mehrheitlich asymptomatisch oder leicht. Nur vereinzelt (0,6 % bzw. 0,04 %) werden mittelschwere bis schwere Symptome berichtet (Hermanns-Clausen 2019a), insbesondere wenn giftige Pflanzen als Nahrungsmittel, Gewürz oder Tee konsumiert wurden. Bei der Ingestion von Pflanzen in selbstverletzender oder berauschender Absicht werden meistens größerer Pflanzenmengen konsumiert. Deshalb können unter diesen Umständen Pflanzen mit einem hohen (Kategorie III) und Pflanzen mit mittleren Vergiftungsrisiko (Kategorie II) für Kleinkinder nach Hermanns-Clausen M et al. (2019b) auch bei Erwachsenen zu mittelschweren oder schweren Vergiftungen führen.
Vergiftungen mit wichtigen Giftpflanzen werden gegliedert nach der dominierenden Wirkung ihrer Inhaltsstoffe dargestellt. Bei der Auswahl der Giftpflanzen haben die Autoren sich v. a. an der Häufigkeit von Intoxikationen orientiert.

Hintergrund

Einleitung

Anrufe in Giftinformationszentren wegen akuter Vergiftungen durch Pflanzen betreffen am häufigsten Säuglinge und Kleinkinder. Fast ausschließlich handelt es sich dabei um unfallbedingte Expositionen (99 %). Nur selten jedoch werden mittelschwere bis schwere Symptome berichtet (Hermanns-Clausen 2019a).
Im Erwachsenenalter sind Pflanzenexpositionen seltener Anlass von Anrufen in Giftinformationszentren. Sie betreffen lediglich knapp 6 % der exponierten Erwachsenen und Älteren (VIZ Jahresberichte 2015–2019). Auch hier dominieren unfallbedingte Expositionen (95 %).
Neben der häufigeren oralen Aufnahme werden auch dermale und okuläre Expositionen berichtet (Hermanns-Clausen 2019a). Derartige Unfälle können vor allem bei der Gartenarbeit auftreten. Bei Erwachsenen betreffen bis zu ein Fünftel der Expositionen mit Pflanzen einen Haut- oder Augenkontakt (bislang unveröffentlichte Erfahrungen der Vergiftungs-Informations-Zentrale Freiburg 2012–2021). Auf dermale Expositionen mit Pflanzen wird in diesem Kapitel nicht weiter eingegangen, dazu findet sich mehr im Kapitel Dermale Intoxikationen. Ebenfalls nicht weiter dargestellt werden Augenexpositionen von Pflanzenmaterial, es empfiehlt sich in derartigen Fällen ein Giftinformationszentrum zu kontaktieren, insbesondere wenn vor Ort kein Augenarzt verfügbar sein sollte.
Kleinkinder verschlucken typischerweise nur geringe Mengen einer Pflanze, da sie im Rahmen ihres Entdeckerdranges Pflanzenteile wie attraktive Früchte probieren. Im Erwachsenenalter hingegen ist bei unbeabsichtigten Vergiftungen der Unfallhergang in der überwiegenden Mehrheit der Fälle anders als bei Kleinkindern. Insbesondere nach einer Verwechslung von Giftpflanzen mit essbaren Pflanzen werden häufig größere Mengen verspeist. Deshalb ist das Risiko von mittelschweren bis schweren Vergiftungen in diesen Fällen erhöht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Toxizität von der Zubereitungsart der Pflanze (z. B. roh, gekocht, eingelegt) abhängt.
Im Erwachsenenalter können zudem beabsichtigte Einnahmen von Giftpflanzen zu schwerwiegenden Symptomen führen, dies ist allerdings selten. Lediglich in 4 % der an Giftinformationszentren berichteten oralen Ingestionen erfolgte die Einnahme in suizidaler Absicht, noch seltener werden Pflanzen zu Berauschungszwecken (1 %) konsumiert (bislang unveröffentlichte Erfahrungen der Vergiftungs-Informations-Zentrale Freiburg 2012–2021).
Da insbesondere bei der selbstschädigenden Einnahme typischerweise größere Mengen von Giftpflanzen eingenommen werden und zudem zumeist Zubereitungen von Pflanzen konsumiert werden, die toxizitätsfördernd sind, können auch Pflanzen, die sich nicht auf der Liste der Pflanzen mit einem hohen Vergiftungsrisiko für Kleinkinder (Tab. 1) finden, zu schweren lebensbedrohlichen Vergiftungen führen.
Tab. 1
Pflanzen mit einem hohen Vergiftungsrisiko (Kategorie III). (Nach Hermanns-Clausen M et al. 2019b)
Botanischer Name
Deutscher Name
Wichtigste Inhaltsstoffe
Vorwiegend giftige Pflanzenteile
Aconitum napellus L., A. tauricum, A. lycococtonum
Blauer Eisenhut
Aconitin, Mesaconitin, Lycotonin
Alle
Atropa belladonna
Tollkirsche
Atropin, Scopolamin
Alle
Brugmansia sanguinea
Engelstrompete
Atropin, Scopolamin
Alle
Cicuta virosa
Wasserschierling
Cicutoxin, Aethusin, Coniin, Cicutol
Blätter, Wurzel
Colchicum autumnale
Herbstzeitlose
Colchicin
Alle
Conium maculatum
Gefleckter Schierling
Coniin, Conicein
Alle
Datura stramonium
Stechapfel
Atropin, Scopolamin
Alle
Gloriosa superba
Prachtlilie, Ruhmeskrone
Colchicin
Alle
Hyoscyamus niger
Schwarzes Bilsenkraut
Atropin, Scopolamin
Alle
Ricinus communis
Wunderbaum
Ricin, Ricinin
Samen
Veratrum album
Weißer Germer
Protoveratrine, Jervin, Germerin
Alle
Unter den Pflanzen, die als Rauschmittel verwendet werden, stellt Cannabis sativa die wichtigste Droge dar. Für detaillierte Informationen wird auf das Kapitel Vergiftungen durch Drogen verwiesen.
In diesem Kapitel werden beispielhaft einige Giftpflanzen dargestellt. Dabei haben die Autoren sich v. a. an der Häufigkeit von Intoxikationen mit den ausgewählten Giftpflanzen orientiert. Zusätzliche und ausführliche Informationen zu Giftpflanzen können der weiterführenden Literatur entnommen werden (Frohne und Pfänder 2004; Teuscher und Lindequist 2010; Fuchs et al. 2011; Pietsch et al. 2018).

Wichtige Giftpflanzen

Giftpflanzen, die bei Kleinkindern zu schweren Vergiftungen nach Einnahme kleiner Menge führen können, stellen auch für Erwachsene und Ältere ein hohes Vergiftungsrisiko dar. Eine Übersicht findet sich in Tab. 1.
Typische Verwechslungsgefahren betreffen im Erwachsenenalter z. B. die Blätter des Bärlauches (Abb. 1), die mit denen der Herbstzeitlose (Abb. 2), des Maiglöckchens oder dem Aronstab verwechselt werden, und insbesondere im Frühjahr regelmäßig Ursache von akuten Vergiftungen darstellen (Fuchs et al. 2011; Hermanns-Clausen et al. 2019a). Aber auch die Blätter des Eisenhuts (Abb. 3) können mit Blättern der Petersilie oder des Liebstöckels verwechselt werden und so zu schweren Vergiftungen im Erwachsenenalter führen (Michel et al. 2021).
Kultivierte Cucurbitaceae (Kürbisgewächse) sind durch Züchtung frei von toxischen Cucurbitacinen, wahrscheinlich aufgrund eines Suppressor-Gens, welches die Biogenese der Toxine unterdrückt. Eine Rückmutation ist jedoch möglich, sodass an sich ungiftige Zuchtformen giftig werden können. Vor diesem Hintergrund ist Vorsicht bei (stark) bitter schmeckenden Früchten geboten. Das gilt auch für Zucchini, die als Folge der oben beschriebenen Rückmutation toxisch relevante Mengen von Cucurbitacinen (v. a. Cucurbitacin E) enthalten können (Bajcsik et al. 2017).
Sog. pontischer Honig stellt eine sehr seltene, jedoch potenzielle Ursache schwerer Vergiftungen im Erwachsenenalter dar. Dieser Honig wird in Gegenden gewonnen, in denen Rhododendronarten, die Grayanotoxine enthalten, die vorherrschende Vegetation bilden. Dort können die Bienen über den Pollen Grayanotoxine aufnehmen, was zu regional hohen Grayanotoxin-Konzentrationen im Honig führen kann. Importierter Honig beispielsweise aus der östlichen Schwarzmeerregion der Türkei kann hiervon betroffen sein. In Deutschland gewonnener Honig erreicht jedoch keine toxischen Konzentrationen von Grayanotoxin (Frohne und Pfänder 2004; Teuscher und Lindequist 2010).
Zu schweren Intoxikationen im Rahmen von Suizidversuchen haben insbesondere die Aufnahme großer Mengen der Nadeln der Eibe (Taxus baccata) sowie von Blättern und Blüten des Fingerhutes (Digitalis Spec-) und von Pflanzenteilen des Goldregens (Laburnum anagyroides) geführt (Tab. 2).
Tab. 2
Pflanzen mit einem mittleren Vergiftungsrisiko (Kategorie II) nach Hermanns-Clausen M et al. 2019b, die bei Erwachsenen im Rahmen von Suizidversuchen oder akzidentell nach Verwechslung mit essbaren Lebensmitteln zu mittelschweren oder schweren Vergiftungen geführt haben und auf die in diesem Kapitel neben den Pflanzen der Kategorie III eingegangen wird
Botanischer Name
Deutscher Name
Wichtigste Inhaltsstoffe
Vorwiegend giftige Pflanzenteile
Leitsymptomatik
Arum spec.
Gefleckter Aronstab
Oxalate, Aronin, Triglochinin, Aroin, Saponine
Alle
Lokale Schleimhautreizung & Gastroenteritis
Convallaria majalis
Maiglöckchen
Convallatoxin, Convallasid
Blüten, Samen, Blätter
Gastroenteritis, in großen Mengen auch kardiotoxisch
Cucurbitaceae#
Kürbisarten, Zucchini
Cucurbitacine
Früchte
Gastroenteritis
Daphne spec.
Gewöhnlicher Seidelbast
Daphnetoxin, Mezerein
Alle
Lokale Schleimhautreizung & Gastroenteritis
Digitalis spec.
Fingerhut
Digoxin, Digitoxin, Gitoxin, Lanatosid
Alle
Laburnum anagyroides
Goldregen
Cytisin, Methylcytisin, Anagyrin
Alle
Erbrechen, Koordinationsstörungen, Krampfanfälle
Nerium oleander
Oleander
Oleandrin, Stropesid
Alle
Gastroenteritis, in großen Mengen auch kardiotoxisch
Phaseolus vulgaris, P. coccineus
Gartenbohne, Feuerbohne
Phasin, Linamarin
Samen, Früchte
Gastroenteritis
Rhododendron spec.
Alpenrose, Azalee, Rhododendron
Grayanotoxine
Blätter, Blüten, Nektar
Parästhesien, Schwindel, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen
Taxus baccata
Eibe
Taxine, Taxole, Taxane
Alle (außer dem roten Fruchtfleisch)
Erbrechen, Schwindel, Koma, Bradykarde Herzrhythmusstörungen, Schock
#dieser Eintrag bezieht sich neben Zierkürbissen auch auf Cucurbitaceae, die nach Rückmutation Cucurbitacine enthalten wie beispielsweise Zucchini
In Berauschungsabsicht werden gelegentlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen tropanalkaloidhaltige Pflanzen wie die Engelstrompete konsumiert. Neben Teilen der Frischpflanze wie Blüten oder Blätter werden hierzu auch Teeaufgüsse verwendet (Pietsch et al. 2018).

Klinik

Klinik (Übersicht)

Pflanzen können nach der dominierenden Wirkung ihrer Inhaltsstoffe gegliedert werden, aber auch nach den für ihre Hauptwirkung relevanten Eintrittspforten. Die Toxizität nach dermaler und okulärer Exposition unterscheidet sich von der oralen Toxizität. Die lokale Toxizität am Auge und auf der Haut wird in diesem Kapitel nicht dargestellt, im Einzelfall können Giftinformationszentren für die Abklärung möglicher Symptome und einer ggf. erforderlichen Therapie kontaktiert werden (Tab. 3). Informationen zur dermalen Toxizität finden sich im Kapitel „Dermale Intoxikationen“.
Tab. 3
Kurzübersicht über die Therapie bei oralen Vergiftungen durch die in diesem Kapitel beschriebenen Giftpflanzen im Erwachsenenalter
Pflanzen
Klinische Hautwirkung
Wichtigste Maßnahmen
Gartenbohne, (Phaseolus vulgaris),
Aronstab, (Arum spec.)
Seidelbast, (Daphne mezereum)
Lokale Schleimhautreizung und/oder Gastroenteritis
Supportive Therapie
Herbstzeitlose Colchicum autumnale
Prachtlilie Gloriosa superba
Wunderbaumes (Ricinus communis)
#Cucurbitacinhaltige Pflanzen (Cucurbitaceae)
Zytotoxische Wirkung
Supportive Therapie
Eibe (Taxus baccata)
Zytotoxische und kardiotoxische Wirkung
Bei Bradykardie Atropin, Katecholamine oder Herzschrittmacher
Bei QRS Verbreiterung Natriumbikarbonat
Bei refraktären Arhythmien und/oder kardiogenem Schock ggf. va-ECMO
Fingerhut (Digitalis spec)
Oleander, Rosenlorbeer (Nerium oleander)
Gelber Oleander (Thevetia peruviana)
Kardiotoxische Wirkung
Bei schweren Herzrhythmusstörungen Digoxin spezifische-FAB
Eisenhut (Aconitum napellus),
Rhododendron, Alpenrose, Azalee (Rhododendron spec.)
Kardiotoxisch und neurotoxisch
Bei TdP-Tachykardie Magnesiumsulfat i. v.
Bei ventrikulärer Extrasystolie ggf. Amiodaron, Flecainid
Bei refraktären Arhythmien und/oder kardiogenem Schock ggf. va-ECMO
Bei Bradykardie Atropin i. v.,
wenn unwirksam ggf. (Nor)adrenalin
Goldregen (Laburnum anagyroides)
Wasserschierling (Cicuta virosa)
gefleckter Schierling (Conium maculatum)
Neurotoxisch
Bei Krampfanfällen Benzodiazepine, wenn nicht wirksam Phenobarbital
Bei Paralyse Intubation und Beatmung
Tollkirsche Atropa belladonna, Stechapfel (Datura stramonium) Bilsenkraut (Hyoscyamus niger)
Engelstrompete (Brugmansia sanguinea)
Tropanalkaloide
Physostigmin 0,01–0,03 mg/kg langsam über 5 min spritzen, ggf. wdhl.
Benzodiazepine bei Agitation
#dieser Eintrag bezieht sich neben Zierkürbissen auch auf Cucurbitaceae, die nach Rückmutation Cucurbitacine enthalten wie beispiels-weise Zucchini
Die Gastroenteritis (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall) ist das häufigste Syndrom nach oraler Ingestion von Giftpflanzen. Diese kann je nach Pflanzenart begleitet oder gefolgt sein von Affektionen anderer Organsysteme. Vergiftungen nach dem Verzehr primär kardio- und/oder neurotoxischer Giftpflanzen manifestieren sich mit kardialen und/oder neurologischen Symptomen, eine gastrointestinale Symptomatik je nach Pflanzenart u. U. zusätzlich auftreten.

Pflanzen mit lokaler Reizwirkung auf Schleimhäute

Die Leitsymptomatik nach dem Verzehr von Pflanzenteilen und/oder Zubereitungen der Pflanzen aus dieser Gruppe besteht aus einer Gastroenteritis mit/oder ohne orale lokale Reizsymptome.
Die Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) enthält wie auch andere Bohnenarten Phasin, ein hitzelabiles Protein, das durch Kochen nach etwa zehn Minuten zerstört wird. Der Verzehr roher oder unzureichend erhitzter Bohnen (Phaseolus spec.) kann innerhalb weniger Stunden zu teils sehr heftigen Magen-Darm-Beschwerden (wie Übelkeit, Erbrechen, teilweise sehr ausgeprägt, Bauchschmerzen und Durchfälle) verursachen. Teilweise wurden auch blutiges Erbrechen und/oder blutiger Durchfall berichtet. Begleitende Allgemeinsymptome wie Unwohlsein, Kopfschmerzen, Schwindel aber auch sekundäre Komplikationen wie Kollaps bei Exsikkose wurden beschrieben. Die Beschwerden sind selbstlimitierend und klingen meist innerhalb weniger Stunden ab, können jedoch für 1–2 Tage anhalten. Nur selten ist eine Hospitalisierung nötig.
Entgegen der verbreiteten Meinung enthalten rohe Kichererbsen (Cicer arietinum) kaum Phasin, sind roh allerdings schwer bekömmlich. Darüber hinaus enthalten Sie andere Lektine, die für eine ähnliche, aber mildere sich selbst limitierende Magen-Darm-Symptomatik sorgen (Grant et al. 1983).
Der Aronstab, Arum spec. und der Seidelbast, Daphne mezereum zeichnet sich durch eine starke lokale Reizwirkung aus, die direkt bei Kontakt oder mit einer kurzen Latenz von 5–20 min mit enoralem Brennen einsetzt. Es kann zudem lokal zu Bläschenbildung und Schleimhautschwellung (wie Lippenschwellung, Schwellungen im Larynx und/oder Pharynx ggf. mit Schluckbeschwerden) gefolgt von Übelkeit, Bauchschmerzen und Durchfall kommen. Für die ausgeprägte schleimhautreizende Wirkung sind einerseits Oxalate und Saponine (Aronstab), andererseits die Diterpene Daphnetoxin und Mezerein (Seidelbast) verantwortlich (Teuscher und Lindequist 2010).

Pflanzen mit zytotoxischer Wirkung

Das arzneilich eingesetzte Colchicin ist der wichtigste Vertreter der Tropolonalalkaloide und bewirkt eine Hemmung der Zellteilung und des axonalen Transportes in den Nervenzellen (Teuscher und Lindequist 2010). Insbesondere die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) und die Prachtlilie (Gloriosa superba) enthalten toxikologisch relevante Mengen Colchicin und können zu schweren Vergiftungen führen. Je schneller sich Zellen teilen, desto früher tritt die typische Colchicin-Wirkung auf. Darmzellen zählen zu den am schnellsten proliferierenden Zellen, daher werden bereits nach zwei bis 24 h zunächst gastroenteritische Symptome berichtet, ein als typisch geltendes brennendes, pelziges Gefühl im Mund kann jedoch fehlen. Zellen des Knochenmarks (Panzytopenie), der Nervenzellen (CIP, Critical-Illnes-Polyneuoropathie) und der Haarwurzeln (Alopezie) sind erst im Verlauf betroffen. Ein Nierenversagen wird häufig beobachtet. Nach einer Latenzzeit von 24 bis 72 h kann es in Abhängigkeit von der aufgenommenen Colchicindosis zu einem Multiorganversagen kommen. Neben einem hypovolämischen und kardiogenen Schock wurden Gerinnungsstörungen im Sinne einer disseminierten intravasalen Gerinnung, ein paralytischer Ileus, eine Rhabdomyolyse, Verwirrtheit, Delir, Koma, Krampfanfälle und ein Hirnödem beschrieben. Ein Leberversagen wird nach sehr großen Mengen Colchicin nahezu immer berichtet. Eine Knochenmarksdepression tritt erst mit einer Latenz von 4 bis 7 Tagen nach Ingestion auf.
Nach der Ingestion von Samen des Wunderbaumes (Ricinus communis), die das zytotoxische Lektin Ricin in hoher Konzentration enthalten, werden neben den Symptomen der Gastroenteritis (wie massives Erbrechen, Bauchschmerzen, (blutiger) Durchfall), auch Fieber, eine toxische Nephritis, toxische Leberschädigung, Unruhe, Benommenheit bis Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle berichtet. Ricin hemmt die Bindung des Elongationsfaktors 2 (EF-2) während der Proteinbiosynthese, wodurch prinzipiell jedes Endorgan bis zum Multiorganversagen betroffen sein kann (Schieltz et al. 2011). Die Gastroenteritis kann bei schweren Vergiftungen hämorrhagisch und nekrotisierend verlaufen (Franke et al. 2019; Kaland et al. 2015). Erste Symptome treten nach der Ingestion von Samen innerhalb weniger Stunden (meist innerhalb von 48 h) auf.
Cucurbitacine sind stark reizend, und die Cucurbitacine B, D, E, F und I wirken zytotoxisch (Bajcsik et al. 2017). Nach dem Verzehr von Zierkürbissen und anderen Cucurbitacin-haltige Pflanzen dominieren gastrointestinale Symptome wie wiederholtes Erbrechen, hämorrhagische Diarrhoe, Darmkoliken und ggf. eine Dehydratation. In Abhängigkeit von Alter und Vorerkrankung sind vereinzelt auch schwere Verläufe beschrieben worden (Le Roux et al. 2018). Konzentrationsabhängig sorgt Cucurbitacin für einen leicht bis stark bitteren Geschmack, was viele Betroffene davon abhält, eine größere Menge aufzunehmen. Jedoch sind vor allem ältere Patienten (Bajcsik et al. 2017), deren Geschmackssinn im Vergleich zu jüngeren Menschen alterungsbedingt herabgesetzt ist, gefährdet, größere klinisch relevante Mengen von Cucurbitacin aufzunehmen.

Pflanzen mit zytotoxischen und kardiotoxischen Inhaltsstoffen

Taxanderivate aus Eibenarten wirken zyto- und kardiotoxisch. Insbesondere das auch medizinisch eingesetzte Taxol blockiert die Zellteilung und wirkt proliferationshemmend. Taxin B hingegen wirkt negativ inotrop und chronotop sowie antagonistisch an Calcium- und Natriumionenkanälen des Myokards (Buetler et al. 2023). Klinisch dominieren neben möglichen gastroenteritischen Symptomen nach Ingestion großer Mengen in suizidaler Absicht rasch einsetzende ZNS-Symptome (Schwindel, Müdigkeit bis Koma) und kardiale Symptome (Bradykardie mit breiten QRS-Komplexen, tachykarde ventrikuläre Herzrhythmusstörungen und Asystolie im Sinne eines kardiogenen Schockes). Während das von Kleinkindern am häufigsten ingestierte rote Fruchtfleisch der Eibenbeere nur toxikologisch irrelevante Spuren von Taxanen enthält, sind vor allem die Nadeln ursächlich für schwerwiegende suizidal intendierte Vergiftungen (Pietsch et al. 2007; Grobosch et al. 2013). Zu beachten ist, dass eine Zerkleinerung der Nadeln z. B. durch Hexeln, Smoothie oder sehr sorgfältiges Kauen die Bioverfügbarkeit der Taxanderivate deutlich erhöht. Das gilt auch für Zubereitungen wie z. B. einen Eibennadelnsud.

Pflanzen mit vorwiegend kardiotoxischen Inhaltsstoffen

Pflanzen mit herzwirksamen Steroidglykosiden, insbesondere Digitalisarten können im Rahmen von Selbstmordversuchen zu schwerwiegenden Vergiftungen führen. Das wichtigste herzwirksame Steroidglykosid aus der Digitalis spec. ist Acetyldigitoxin. Ein bis drei Stunden nach Ingestion einer toxikologisch relevanten Dosis beginnen die Symptome typischerweise langsam mit Übelkeit und Erbrechen, danach sind auch Benommenheit, Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Muskelschwäche und Sehstörungen möglich. Ungefähr 4 bis 8 h nach Ingestion können Herzrhythmusstörungen auftreten. Als typisch gilt eine AV-Überleitungsstörung kombiniert mit einer gesteigerten Autonomie oder ektopen Zentren. Das Bild im EKG reicht von Sinusbradykardie, ventrikulären Extrasystolen, Sinusarrhythmie, ventrikulärer und supraventrikulärer Tachykardie, AV-Tachykardie über Vorhofflimmern bis hin zu Kammerflattern/-flimmern. Laborchemisch fällt bei manifesten Vergiftungen ein progressiver Anstieg des Serumkaliums auf.
Die Steroidglykoside Convallotoxin und Convallisid sind die Hauptwirkstoffe des Maiglöckchens, Convallaria majalis. Nach Ingestion größerer Pflanzenmengen dominieren Übelkeit und Erbrechen (Hermanns-Clausen 2019a), nur sehr selten wurden Herzrhythmusstörungen berichtet, die jedoch nicht schwer verliefen (Haugen et al. 2001; Alexandre et al. 2012).
Der gelbe Oleander (Thevetia peruviana), eine in Deutschland nicht heimische und auch kaum anzutreffende Pflanze, ist eine Pflanze mit hohem Vergiftungspotenzial. Sie enthält in allen Pflanzenteilen, insbesondere aber in den Samen kardiotoxische Steroidglykoside wie Thevetin A und B (Konca et al. 2016). Der gelbe Oleander sollte nicht mit dem in Deutschland typischerweise kultivierten Oleander, dem Nerium oleander, verwechselt werden. Diese Pflanze enthält die Glykoside Oleandrin und Stropesid, die eine Kreuzreaktivität mit den typischerweise für die Spiegelbestimmung von Digoxin und Digitoxin genutzten Immuno-Assays (wie ECLIO) aufweisen. Nach Ingestion von großen Mengen des Nerium oleanders können schwere Vergiftungen mit digitalisähnlichen Symptomen auftreten (Bandara et al. 2010), am häufigsten wurden jedoch mittelschwere gastrointestinale Symptome gesehen. (Hermanns-Clausen et al. 2019a)

Pflanzen mit kardio- und neurotoxischen Inhaltsstoffen

Die in allen Pflanzenteilen des Eisenhutes (Aconitum napellus) enthaltenen Alkaloide wie Aconitin wirken insbesondere auf spannungsabhängige Natriumkanäle. Die anhaltende Erhöhung der Öffnungswahrscheinlichkeit der Natriumkanäle ist hauptverantwortlich für die neuro- und kardiotoxischen Wirkungen. Ein Teil der arrhythmogenen Eigenschaften ist zudem auf eine Beeinflussung des N. vagus zurückzuführen (Michel et al. 2021; Teuscher und Lindequist 2010). Nach Ingestion von Pflanzenteilen des Eisenhuts wird ein rasches Einsetzen der Symptome beobachtet. Anfänglich treten periorale und akrale Parästhesien auf, die sich über gesamte Haut ausbreiten können, gefolgt von einem Taubheitsgefühl. Weitere Symptome sind Schwitzen, Muskelschmerzen, ein Gefühl von intensiver Kälte (Gefühl von Eiswasser in den Adern), Erbrechen, Durchfall und Sehstörungen. Tachykarde Herzrhythmusstörungen insbesondere ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern/flattern prägen das schwere Vergiftungsbild. Auch eine QTc-Verlängerung mit Torsades-de-pointes-Tachykardien wurde beschrieben (Teuscher und Lindequist 2010).
Wie Aconitin binden auch Grayanotoxine an eine Untereinheit der spannungsabhängigen Natriumkanäle und führen zu einer lang dauernden Depolarisation mit der Folge von neuro- und kardiotoxischen Wirkungen (Teuscher und Lindequist 2010). Nach dem Verzehr von sog. pontischem Honig oder von Blüten/Blättern von den grayanotoxinhaltigen Rhododendronarten treten erste Symptome dosisabhängig nach wenigen Minuten bis nach ca. zwei Stunden auf. Berichtet wurden Parästhesien (perioral und an den Armen), Schwindel, Synkopen und ZNS-Depression. Initial sind Erbrechen, später auch Durchfälle möglich. Bradykarde Herzrhythmusstörungen, und anhaltende ausgeprägte hypertensive Phasen bestimmen den weiteren klinischen Verlauf und haben gelegentlich zur Verdachtsdiagnose eines Myokardinfarktes geführt. (Engel et al. 2014; Gerke et al. 2003)

Pflanzen mit vorwiegend neurotoxischen Inhaltsstoffen

Pflanzen mit neurotoxischen Inhaltsstoffen wie der Goldregen, Laburnum anagyroides, der Wasserschierling, Cicuta virosa und der gefleckte Schierling, Conium maculatum können zu vielgestaltigen Symptomen führen.
Das Chinolizidalkaloid aus dem Goldregen, das Cytisin, ist ein Alpha-4-Beta-2-Nikotinrezeptoragonist an den nikotinergen Acetylcholinrezeptoren des ZNS (zentrales Nervensystem) und der sympathischen Ganglien (Teuscher und Lindequist 2010). Die Wirkung auf die Brech-, Atem- und Vasomotorenzentrum der Medulla oblongata ist zunächst erregend, dann hemmend. Im Vergleich zu Nikotin stimuliert Cytisin das Atemzentrum stärker, hat aber weniger ausgeprägte Curare-artige Effekte als Nikotin. (Curare bezeichnet verschiedene Alkaloide, die als kompetitiver Antagonist am nikotinergen Acetylcholinrezeptor wirken. Curare besetzt die Bindungsstellen, ohne den Rezeptor selbst zu aktivieren. Es kommt an der neuromuskulären Endplatte schließlich zur schlaffen Muskellähmung. Unbehandelt kann Curare zum Atemstillstand durch Atemlähmung führen.) Nach Aufnahme einer toxischen Menge von Goldregensamen werden erste Symptome nach bereits 15–60 min berichtet. Klinisch dominieren Übelkeit und Erbrechen, es können dosisabhängig im Verlauf auch Koordinationsstörungen, Muskelschwäche, Mydriasis, Sehstörungen, Delirien und Krampfanfälle hinzukommen.
Der wichtigste toxische Inhaltsstoff des Wasserschierlings (Cicuta virosa), das Cicutoxin, wird in der höchsten Konzentration im Rhizom (vorwiegend unterirdisch, manchmal auch dicht über dem Boden wachsendes Sprossachsensystem) gefunden (Teuscher und Lindequist 2010). Cicutoxin bewirkt eine nicht kompetitive Blockade von GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) im ZNS und damit eine Senkung der Krampfschwelle mit der Folge von Krampfanfällen. Bereits 20 min nach Ingestion einer toxischen Menge können erste Symptome auftreten. Ein Brennen im Mund, exzessive Hypersalivation, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Mydriasis und Muskelkrämpfe sind erste Symptome. Generalisierte Krampfanfälle bis hin zum Status epilepticus können bereits frühzeitig auftreten, im Verlauf auch eine Zyanose und Atemdepression. In der Literatur wurden schwere Vergiftungen nach der Ingestion von Wurzeln des Wasserschierlings, die mit denen der wilden Möhre verwechselt worden waren, berichtet (Frohne D) (Schep et al. 2009).
Auch nach Ingestion von Pflanzenteilen des gefleckten Schierlings (Conium maculatum) können bereits nach 15 min erste Symptome auftreten. Die Toxizität dieser Pflanze resultiert aus der Wirkung von acht nikotinartigen Alkaloiden. Das Hauptalkaloid Coniin ist ein selektiver Agonist an den nikotinergen Acetylcholin-Rezeptoren. In höherer Dosis kann Coniin verzögert zu einer paradoxen Blockade der nikotinergen Acetylcholin-Rezeptoren führen. Initial wird nach Ingestion ein enorales Brennen sowie Speichelfluss beschrieben (Li et al. 2021). Ein biphasischer Verlauf mit Bauchschmerzen, hypertensiven Phasen, Tachykardie und Tremor gefolgt von Hypotension, Bradykardie, Dyspnoe und Koma ist typisch für die Coniinvergiftung (Hotti und Rietscher 2017; Boskabadi et al. 2021). Die durch Coniin induzierte neuromuskuläre respiratorische Paralyse kann zur respiratorischen Insuffizienz führen. Eine ausgeprägte Toxin-induzierte Rhabdomyolyse ist möglich. Vergiftungen aufgrund von Verwechslungen mit Petersilie, Pastinaken oder Pimpinellen (Hotti und Rietscher 2017) oder wildem Sellerie (Chen et al. 2017) sind publiziert worden.

Tropanalkaloidhaltige Pflanzen

Tropanalkaloidhaltige Pflanzenarten wie die Tollkirsche, Atropa belladonna, der Stechapfel (Datura stramonium), die Engelstrompete (Brugmansia sanguinea) und das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) bilden eine weitere Gruppe von relevanten Giftpflanzen. Nach Ingestion kann ein atropinähnliches anticholinerges Syndrom (Mydriasis, trockene Haut, Gesichtsrötung, Tachykardie, Harnverhalt, Fieber, Verwirrtheit, Unruhe, Halluzinationen) auftreten. Die wichtigsten Tropanalkaloide dieser Pflanzen sind Atropin und Scopolamin, welche vorwiegend zentral dämpfend wirken, aber auch ausgeprägte visuelle Halluzinationen hervorrufen können. Im Gegensatz zur Atropinvergiftung ist die ZNS-Symptomatik häufig ausgeprägter. Auch Krampfanfälle können gelegentlich auftreten (Teuscher und Lindequist 2010).

Therapie

Giftentfernung nach Ingestion

Liegt die Ingestion noch nicht lange zurück (< 1h) und wurden große Pflanzenmengen verspeist, kann eine primäre Giftelimination (endoskopisch) in Einzelfällen infrage kommen. Allerdings ist zu beachten, dass Zubereitungen wie Tees, Suppen oder Pestos in der Regel rasch resorbiert werden. Wurden jedoch große Mengen, beispielsweise Nadeln (z. B. von Taxus baccata), Blätter (z. B. von Digitalis spec.) oder Samen (z. B. vom Ricinus communis) ingestiert, die eine potenziell letale Vergiftung hervorrufen, kann in Einzelfällen. auch noch Stunden nach der Ingestion eine endoskopische Entfernung von Pflanzenmaterial infrage kommen. In diesen Fällen ist eine Rücksprache mit einem Giftinformationszentrum zu halten, da die zu empfehlenden Maßnahmen der primären Giftentfernung stark von Menge, Art und ggf. Zubereitung der Giftpflanzen abhängen. Geschrotete oder zerkaute Ricinussamen sind beispielsweise deutlich toxischer als unzerkaute.
Die Gabe von Aktivkohle empfiehlt sich bei einer toxikologisch relevanten Menge, die eine mittelschwere Vergiftung hervorrufen kann, der Einnahmezeitpunkt sollte in der Regel jedoch nicht zu lange zurückliegen (1–2 h). Nur in Einzelfällen kann die Kohlegabe auch später noch sinnvoll sein. Bei potenziell leichten Vergiftungen ist sie hingegen nicht sinnvoll (Zellner et al. 2019). Ein Aspirationsschutz ist immer zu gewährleisten. Es empfiehlt sich die Rücksprache mit einem Giftinformationszentrum. Insgesamt ist die Evidenz ist jedoch eher schlecht. Es existieren kaum gute randomisierte kontrollierte Studien (Wendt et al. 2022).
Eine sekundäre Giftentfernung durch Hämodialyse/-filtration ist bei keinem der in diesem Kapitel dargestellten Pflanzenvergiftungen sinnvoll. Hingegen kann eine sekundäre Giftentfernung durch die wiederholte Gabe von Aktivkohle bei Digitalisvergiftungen sinnvoll sein. Dabei wird der enterohepatische Kreislauf (siehe Kapitel Giftelimination) von Digitoxin und Digoxin durchbrochen und auf diesem Weg die Elimination erhöht und die Wiederaufnahme gehemmt.

Spezifische Therapie

Pflanzen mit lokaler Reizwirkung auf Schleimhäute

Patienten, die nach dem Verspeisen von ungegarten oder unzureichend gegarten Bohnen (Phaseolus) anhaltend schwere gastrointestinale Symptome entwickeln, sollten stationär behandelt werden. Im Vordergrund steht die supportive Therapie durch Rehydratation und Elektrolytausgleich und die Gabe von Antiemetika. Sekundärkomplikationen einer Exsikkose wie ein akutes Nierenversagen können so vermieden werden.
Nach dem Verzehr von Aronstab, Arum spec. oder Seidelbast, Daphne mezereum ist nur selten eine stationäre Behandlung erforderlich. Bei starker Schleimhautschwellung im Larynx und Stridor sowie bei ausgeprägter Gastroenteritis wie auch nach Einnahme sehr großer Mengen ist sie jedoch indiziert.

Pflanzen mit zytotoxischer Wirkung

Patienten, die Colchicin-haltige Pflanzen sollten für mindestens 24 h stationär überwacht werden. Ein Antidot ist nicht verfügbar. Im Vordergrund steht die supportive Therapie.
Nach dem Verspeisen toxischer Mengen Ricinussamen sollte bereits vor den ersten Symptomen eine stationäre Aufnahme veranlasst werden. Eine spezifische Therapie (Antidot) existiert nicht. Mögliche Komplikationen sollten frühzeitig erfasst und supportiv behandelt werden. Bei Krampfanfällen ist an die Möglichkeit eines Hirnödems zu denken und ggf. eine entsprechende Diagnostik und Therapie zu veranlassen.
Bei der Therapie von Cucurbitacin-Vergiftungen steht die symptomatische Therapie, insbesondere der Gastroenteritis und ihrer Folgen, im Vordergrund. Da bei schweren Verläufen eine hämorrhagische Diarrhoe mit Mukosanekrose auftreten kann, sollten insbesondere komorbide, ältere Patienten stationär aufgenommen werden.

Pflanzen mit zytotoxischer und kardiotoxischer Wirkung

Wurden große Mengen von Eibennadeln eingenommen, kann sich der Zustand nach einer unterschiedlich langen Latenzzeit in kurzer Zeit rapide verschlechtern. Ein spezifisches Antidot existiert nicht. Extrakorporale Eliminationsmethoden wie die Hämodialyse sind aufgrund des großen Verteilungsvolumens, hoher Eiweißbindung und hohem Molekulargewicht der Taxanalkaloide ineffektiv. Bei Bradykardie kann Atropin zum Einsatz kommen, ein Nichtansprechen ist jedoch nicht selten, sodass ein passageres Pacing sinnvoll sein kann (Plants – Taxus 2022). Eine elektrische Kardioversion zeigt bei defibrillierbaren Herzrhythmusstörungen unbefriedigende Ergebnisse, sollte natürlich trotzdem zum Einsatz kommen. Bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen wurde in wenigen Einzelfällen Digitalisantidot (DigiFab) verabreicht – mit widersprüchlichen Ergebnissen (Labossiere und Thompson 2018; Hermes-Laufer et al. 2021). Es gibt keinen eindeutigen Hinweis auf eine Kreuzreaktivität von Digitalisantidot mit Taxusalkaloiden. Die Gabe wird somit generell nicht empfohlen (Plants – Taxus 2022; Labossiere und Thompson 2018; Hermes-Laufer et al. 2021). Auch der Einsatz einer Lipidemulsion (analog zur Therapie der Intoxikation durch lipophile Lokalanästhetika) ist umstritten.
Bei therapierefraktären Herzrhythmusstörungen und/oder kardiogenem Schock wurde zur Überbrückung der Zeit, bis ein suffizienter Kreislauf wiederhergestellt wurde, eine venös-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (va-ECMO bzw. veno-arterielle extra-corporale Membranoxygenierung) bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt (Hermes-Laufer et al. 2021; Labossiere und Thompson 2018, Erfahrungen der VIZ, bislang unpubliziert).

Pflanzen mit kardiotoxischen Inhaltsstoffen

Eine Hämodialyse ist zur beschleunigten Elimination von Digitoxin u. a. Digitalisglykosiden nicht wirksam, die wiederholte Kohlegabe kann jedoch zur Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufes eingesetzt werden und auf diese Weise die Toxinwiederaufnahme hemmen. Bei schweren Vergiftungen kommen die gängigen intensivmedizinischen Maßnahmen inklusive Katecholamintherapie und Gabe von Atropin bei Bradykardie zum Einsatz. Bei Bradykardie lohnt sich ein Versuch mit Atropin. Für die Therapie einer Intoxikation mit Digitalisglykosiden steht Digitalis–Antitoxin (z. B. DigiFab®) zur Verfügung. Die Indikation wird in Abhängigkeit vom Kaliumspiegel, Risikofaktoren und der Klinik gestellt. Die Rücksprache mit einem Giftinformationszentrum ist notwendig. Insbesondere bei lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen wie beispielsweise AV-Block Grad III, progressiver und atropinrefraktärer Bradykardie, multifokalen ventrikulären Extrasystolen und ventrikulären Salven, Kammerflimmern oder -tachykardie ist der Einsatz indiziert (siehe Kap. Vergiftungen durch Kardiaka).
Auch bei schweren Herzrhythmusstörungen im Rahmen von Vergiftungen mit Oleander (Rosenlorbeer, Nerium oleander) (Barrueto Jr et al. 2003) sowie mit gelbem Oleander (Thevetia peruviana) (Bandara et al. 2010; Eddleston et al. 2000) wurden Digoxin-spezifische Fab-Fragmente erfolgreich eingesetzt.

Pflanzen mit kardio- und neurotoxischen Inhaltsstoffen

Ein spezifisches Antidot für Aconitin ist nicht verfügbar. Die Behandlung Aconitin induzierten ventrikulären Herzrhythmusstörungen ist diffizil, da sie oft refraktär gegenüber elektrischer Kardioversion und Antiarrhythmika sind: Weder Lidocain, Disopyramid, Chinidin noch Mexilitin konnten in einer Fallserie überzeugen, hingegen waren Amiodaron und Flecainid in Einzelfällen wirksam (Chan 2009). Insgesamt ist der Einsatz von Antiarrhythmika als kritisch zu bewerten – proarrhythmogene Effekte, die bereits unter therapeutischen Dosen als Nebenwirkung auftreten, können in Kombination mit Aconitin potenziell vitalbedrohlich sein. Magnesiumsulfat wurde bei manifesten Torsades-de-pointes (TdP)-Tachykardien erfolgreich eingesetzt (Clara et al. 2015).
Die Absorption von Grayanotoxin ist insbesondere nach Aufnahme von kontaminiertem Honig rasch und erste Symptome können bereits nach Minuten auftreten. Deshalb ist die intensivmedizinische Überwachung möglichst zügig einzuleiten. Bei Bradykardie im Rahmen von Grayanotoxin-Intoxikationen kann Atropin zum Einsatz kommen oder bei Versagen ein passageres Pacing indiziert sein.

Pflanzen mit neurotoxischen Inhaltsstoffen

Jede Intoxikation durch Cicutoxine (Wasserschierling) ist als potenziell gefährlich anzusehen. Bei tonisch-klonischen Krampfanfälle sind Benzodiazepine indiziert. Bei Unwirksamkeit sollte Phenobarbital, alternativ Propofol eingesetzt werden. Eine kardiorespiratorische Intensivüberwachung ist bei betroffenen Patienten anzuraten.
Nach einer Aufnahme einer toxischen Dosis vom Goldregen ist eine kardiorespiratorische Überwachung indiziert, bei Krampfanfällen und/oder Delir wurden Benzodiazepine erfolgreich eingesetzt.
Bei Vergiftungen nach Ingestion einer toxischen Menge von Coniin (gefleckter Schierling) kann eine kontrollierte Beatmung erforderlich werden, die Therapie ist insgesamt supportiv ausgerichtet. Auf eine Toxin-induzierte Rhabdomyolyse ist zu achten (Kontrolle der Creatinkinase).

Tropanalkaloidhaltige Pflanzen

Das Antidot bei einem anticholinergen Delir nach Ingestion von tropanalkaloidhaltigen Pflanzen stellt Physostigmin dar, initial werden langsam 2 mg (d. h. über 5 min) unter Kreislaufüberwachung am EKG-Monitor intravenös injiziert. Die Wirkdauer von Physostigmin beträgt bis zu 60 min. Cave; Unter Physostigmin kann es zu cholinergen Krisen mit Bradykardie, Asystolie, Nausea/Erbrechen, vermehrtem Schwitzen, Hypersalivation, Bronchospasmus oder Krampfanfällen kommen.
Bei Agitation und/oder Delir könnten auch Benzodiazepine titriert eingesetzt werden. Auch bei Krampfanfällen sind Benzodiazepine indiziert.
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