Klinik (Übersicht)
Pflanzen können nach der dominierenden Wirkung ihrer Inhaltsstoffe gegliedert werden, aber auch nach den für ihre Hauptwirkung relevanten Eintrittspforten. Die Toxizität nach dermaler und okulärer Exposition unterscheidet sich von der oralen Toxizität. Die lokale Toxizität am Auge und auf der Haut wird in diesem Kapitel nicht dargestellt, im Einzelfall können Giftinformationszentren für die Abklärung möglicher Symptome und einer ggf. erforderlichen Therapie kontaktiert werden (Tab.
3). Informationen zur dermalen Toxizität finden sich im Kapitel
„Dermale Intoxikationen“.Tab. 3
Kurzübersicht über die Therapie bei oralen
Vergiftungen durch die in diesem Kapitel beschriebenen Giftpflanzen im Erwachsenenalter
Gartenbohne, (Phaseolus vulgaris), Aronstab, (Arum spec.) Seidelbast, (Daphne mezereum) | Lokale Schleimhautreizung und/oder Gastroenteritis | Supportive Therapie |
Herbstzeitlose Colchicum autumnale Prachtlilie Gloriosa superba Wunderbaumes (Ricinus communis) #Cucurbitacinhaltige Pflanzen (Cucurbitaceae) | Zytotoxische Wirkung | Supportive Therapie |
Eibe (Taxus baccata) | Zytotoxische und kardiotoxische Wirkung | Bei QRS Verbreiterung Natriumbikarbonat Bei refraktären Arhythmien und/oder kardiogenem Schock ggf. va-ECMO |
Fingerhut (Digitalis spec) Oleander, Rosenlorbeer (Nerium oleander) Gelber Oleander (Thevetia peruviana) | Kardiotoxische Wirkung | |
Eisenhut (Aconitum napellus), Rhododendron, Alpenrose, Azalee (Rhododendron spec.) | Kardiotoxisch und neurotoxisch | Bei TdP-Tachykardie Magnesiumsulfat i. v. Bei ventrikulärer Extrasystolie ggf. Amiodaron, Flecainid Bei refraktären Arhythmien und/oder kardiogenem Schock ggf. va-ECMO Bei Bradykardie Atropin i. v., wenn unwirksam ggf. (Nor)adrenalin |
Goldregen (Laburnum anagyroides) Wasserschierling (Cicuta virosa) gefleckter Schierling (Conium maculatum) | Neurotoxisch | |
Tollkirsche Atropa belladonna, Stechapfel (Datura stramonium) Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) Engelstrompete (Brugmansia sanguinea) | Tropanalkaloide | Physostigmin 0,01–0,03 mg/kg langsam über 5 min spritzen, ggf. wdhl. Benzodiazepine bei Agitation |
Die Gastroenteritis (Übelkeit, Erbrechen,
Bauchschmerzen und Durchfall) ist das häufigste Syndrom nach oraler Ingestion von Giftpflanzen. Diese kann je nach Pflanzenart begleitet oder gefolgt sein von Affektionen anderer Organsysteme.
Vergiftungen nach dem Verzehr primär kardio- und/oder neurotoxischer Giftpflanzen manifestieren sich mit kardialen und/oder neurologischen Symptomen, eine gastrointestinale Symptomatik je nach Pflanzenart u. U. zusätzlich auftreten.
Pflanzen mit lokaler Reizwirkung auf Schleimhäute
Die Leitsymptomatik nach dem Verzehr von Pflanzenteilen und/oder Zubereitungen der Pflanzen aus dieser Gruppe besteht aus einer Gastroenteritis mit/oder ohne orale lokale Reizsymptome.
Die
Gartenbohne (
Phaseolus vulgaris) enthält wie auch andere Bohnenarten
Phasin, ein hitzelabiles Protein, das durch Kochen nach etwa zehn Minuten zerstört wird. Der Verzehr roher oder unzureichend erhitzter Bohnen (
Phaseolus spec.) kann innerhalb weniger Stunden zu teils sehr heftigen Magen-Darm-Beschwerden (wie Übelkeit, Erbrechen, teilweise sehr ausgeprägt,
Bauchschmerzen und Durchfälle) verursachen. Teilweise wurden auch blutiges Erbrechen und/oder blutiger Durchfall berichtet. Begleitende Allgemeinsymptome wie Unwohlsein,
Kopfschmerzen,
Schwindel aber auch sekundäre Komplikationen wie Kollaps bei Exsikkose wurden beschrieben. Die Beschwerden sind selbstlimitierend und klingen meist innerhalb weniger Stunden ab, können jedoch für 1–2 Tage anhalten. Nur selten ist eine Hospitalisierung nötig.
Entgegen der verbreiteten Meinung enthalten rohe
Kichererbsen (
Cicer arietinum) kaum Phasin, sind roh allerdings schwer bekömmlich. Darüber hinaus enthalten Sie andere
Lektine, die für eine ähnliche, aber mildere sich selbst limitierende Magen-Darm-Symptomatik sorgen (Grant et al.
1983).
Der
Aronstab, Arum spec. und der
Seidelbast,
Daphne mezereum zeichnet sich durch eine starke lokale Reizwirkung aus, die direkt bei Kontakt oder mit einer kurzen Latenz von 5–20 min mit enoralem Brennen einsetzt. Es kann zudem lokal zu Bläschenbildung und Schleimhautschwellung (wie Lippenschwellung, Schwellungen im Larynx und/oder Pharynx ggf. mit Schluckbeschwerden) gefolgt von Übelkeit,
Bauchschmerzen und Durchfall kommen. Für die ausgeprägte schleimhautreizende Wirkung sind einerseits Oxalate und Saponine (Aronstab), andererseits die Diterpene Daphnetoxin und Mezerein (Seidelbast) verantwortlich (Teuscher und Lindequist
2010).
Pflanzen mit zytotoxischer Wirkung
Das arzneilich eingesetzte Colchicin ist der wichtigste Vertreter der Tropolonalalkaloide und bewirkt eine Hemmung der Zellteilung und des axonalen Transportes in den Nervenzellen (Teuscher und Lindequist
2010). Insbesondere die
Herbstzeitlose (
Colchicum autumnale) und die
Prachtlilie (
Gloriosa superba) enthalten toxikologisch relevante Mengen Colchicin und können zu schweren
Vergiftungen führen. Je schneller sich Zellen teilen, desto früher tritt die typische Colchicin-Wirkung auf. Darmzellen zählen zu den am schnellsten proliferierenden Zellen, daher werden bereits nach zwei bis 24 h zunächst gastroenteritische Symptome berichtet, ein als typisch geltendes brennendes, pelziges Gefühl im Mund kann jedoch fehlen. Zellen des
Knochenmarks (Panzytopenie), der Nervenzellen (CIP, Critical-Illnes-Polyneuoropathie) und der Haarwurzeln (Alopezie) sind erst im Verlauf betroffen. Ein
Nierenversagen wird häufig beobachtet. Nach einer Latenzzeit von 24 bis 72 h kann es in Abhängigkeit von der aufgenommenen Colchicindosis zu einem Multiorganversagen kommen. Neben einem hypovolämischen und kardiogenen Schock wurden Gerinnungsstörungen im Sinne einer
disseminierten intravasalen Gerinnung, ein paralytischer
Ileus, eine Rhabdomyolyse,
Verwirrtheit,
Delir,
Koma, Krampfanfälle und ein Hirnödem beschrieben. Ein Leberversagen wird nach sehr großen Mengen Colchicin nahezu immer berichtet. Eine Knochenmarksdepression tritt erst mit einer Latenz von 4 bis 7 Tagen nach Ingestion auf.
Nach der Ingestion von Samen des
Wunderbaumes (
Ricinus communis), die das zytotoxische Lektin
Ricin in hoher Konzentration enthalten, werden neben den Symptomen der Gastroenteritis (wie massives Erbrechen,
Bauchschmerzen, (blutiger) Durchfall), auch
Fieber, eine toxische Nephritis, toxische Leberschädigung, Unruhe, Benommenheit bis Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle berichtet. Ricin hemmt die Bindung des Elongationsfaktors 2 (EF-2) während der Proteinbiosynthese, wodurch prinzipiell jedes Endorgan bis zum Multiorganversagen betroffen sein kann (Schieltz et al.
2011). Die Gastroenteritis kann bei schweren
Vergiftungen hämorrhagisch und nekrotisierend verlaufen (Franke et al.
2019; Kaland et al.
2015). Erste Symptome treten nach der Ingestion von Samen innerhalb weniger Stunden (meist innerhalb von 48 h) auf.
Cucurbitacine sind stark reizend, und die Cucurbitacine B, D, E, F und I wirken zytotoxisch (Bajcsik et al.
2017). Nach dem Verzehr von Zierk
ürbissen und anderen Cucurbitacin-haltige Pflanzen dominieren gastrointestinale Symptome wie wiederholtes Erbrechen, hämorrhagische Diarrhoe, Darmkoliken und ggf. eine Dehydratation. In Abhängigkeit von Alter und Vorerkrankung sind vereinzelt auch schwere Verläufe beschrieben worden (Le Roux et al.
2018). Konzentrationsabhängig sorgt Cucurbitacin für einen leicht bis stark bitteren Geschmack, was viele Betroffene davon abhält, eine größere Menge aufzunehmen. Jedoch sind vor allem ältere Patienten (Bajcsik et al.
2017), deren Geschmackssinn im Vergleich zu jüngeren Menschen alterungsbedingt herabgesetzt ist, gefährdet, größere klinisch relevante Mengen von Cucurbitacin aufzunehmen.
Pflanzen mit zytotoxischen und kardiotoxischen Inhaltsstoffen
Taxanderivate aus
Eibenarten wirken zyto- und kardiotoxisch. Insbesondere das auch medizinisch eingesetzte Taxol blockiert die Zellteilung und wirkt proliferationshemmend. Taxin B hingegen wirkt negativ inotrop und chronotop sowie antagonistisch an Calcium- und Natriumionenkanälen des Myokards (Buetler et al.
2023). Klinisch dominieren neben möglichen gastroenteritischen Symptomen nach Ingestion großer Mengen in suizidaler Absicht rasch einsetzende ZNS-Symptome (
Schwindel, Müdigkeit bis
Koma) und kardiale Symptome (Bradykardie mit breiten QRS-Komplexen, tachykarde ventrikuläre
Herzrhythmusstörungen und Asystolie im Sinne eines kardiogenen Schockes). Während das von Kleinkindern am häufigsten ingestierte rote Fruchtfleisch der Eibenbeere nur toxikologisch irrelevante Spuren von Taxanen enthält, sind vor allem die Nadeln ursächlich für schwerwiegende suizidal intendierte
Vergiftungen (Pietsch et al.
2007; Grobosch et al.
2013). Zu beachten ist, dass eine Zerkleinerung der Nadeln z. B. durch Hexeln, Smoothie oder sehr sorgfältiges Kauen die
Bioverfügbarkeit der Taxanderivate deutlich erhöht. Das gilt auch für Zubereitungen wie z. B. einen Eibennadelnsud.
Pflanzen mit vorwiegend kardiotoxischen Inhaltsstoffen
Pflanzen mit herzwirksamen Steroidglykosiden, insbesondere
Digitalisarten können im Rahmen von Selbstmordversuchen zu schwerwiegenden
Vergiftungen führen. Das wichtigste herzwirksame Steroidglykosid aus der
Digitalis spec. ist Acetyldigitoxin. Ein bis drei Stunden nach Ingestion einer toxikologisch relevanten Dosis beginnen die Symptome typischerweise langsam mit Übelkeit und Erbrechen, danach sind auch Benommenheit,
Verwirrtheit,
Kopfschmerzen,
Bauchschmerzen, Muskelschwäche und
Sehstörungen möglich. Ungefähr 4 bis 8 h nach Ingestion können
Herzrhythmusstörungen auftreten. Als typisch gilt eine AV-Überleitungsstörung kombiniert mit einer gesteigerten Autonomie oder ektopen Zentren. Das Bild im
EKG reicht von Sinusbradykardie, ventrikulären Extrasystolen, Sinusarrhythmie, ventrikulärer und supraventrikulärer Tachykardie, AV-Tachykardie über
Vorhofflimmern bis hin zu Kammerflattern/-flimmern. Laborchemisch fällt bei manifesten Vergiftungen ein progressiver Anstieg des Serumkaliums auf.
Die Steroidglykoside Convallotoxin und Convallisid sind die Hauptwirkstoffe des
Maiglöckchens,
Convallaria majalis. Nach Ingestion größerer Pflanzenmengen dominieren Übelkeit und Erbrechen (Hermanns-Clausen
2019a), nur sehr selten wurden
Herzrhythmusstörungen berichtet, die jedoch nicht schwer verliefen (Haugen et al.
2001; Alexandre et al.
2012).
Der
gelbe Oleander (
Thevetia peruviana), eine in Deutschland nicht heimische und auch kaum anzutreffende Pflanze, ist eine Pflanze mit hohem Vergiftungspotenzial. Sie enthält in allen Pflanzenteilen, insbesondere aber in den Samen kardiotoxische Steroidglykoside wie Thevetin A und B (Konca et al.
2016). Der gelbe Oleander sollte nicht mit dem in Deutschland typischerweise kultivierten
Oleander, dem
Nerium oleander, verwechselt werden. Diese Pflanze enthält die Glykoside Oleandrin und Stropesid, die eine
Kreuzreaktivität mit den typischerweise für die Spiegelbestimmung von
Digoxin und
Digitoxin genutzten Immuno-Assays (wie ECLIO) aufweisen. Nach Ingestion von großen Mengen des
Nerium oleanders können schwere
Vergiftungen mit digitalisähnlichen Symptomen auftreten (Bandara et al.
2010), am häufigsten wurden jedoch mittelschwere gastrointestinale Symptome gesehen. (Hermanns-Clausen et al.
2019a)
Pflanzen mit kardio- und neurotoxischen Inhaltsstoffen
Die in allen Pflanzenteilen des
Eisenhutes (
Aconitum napellus) enthaltenen
Alkaloide wie Aconitin wirken insbesondere auf spannungsabhängige Natriumkanäle. Die anhaltende Erhöhung der Öffnungswahrscheinlichkeit der Natriumkanäle ist hauptverantwortlich für die neuro- und kardiotoxischen Wirkungen. Ein Teil der arrhythmogenen Eigenschaften ist zudem auf eine Beeinflussung des N. vagus zurückzuführen (Michel et al.
2021; Teuscher und Lindequist
2010). Nach Ingestion von Pflanzenteilen des Eisenhuts wird ein rasches Einsetzen der Symptome beobachtet. Anfänglich treten periorale und akrale Parästhesien auf, die sich über gesamte Haut ausbreiten können, gefolgt von einem Taubheitsgefühl. Weitere Symptome sind Schwitzen,
Muskelschmerzen, ein Gefühl von intensiver Kälte (Gefühl von Eiswasser in den Adern), Erbrechen, Durchfall und
Sehstörungen.
Tachykarde Herzrhythmusstörungen insbesondere
ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern/flattern prägen das schwere Vergiftungsbild. Auch eine QTc-Verlängerung mit Torsades-de-pointes-Tachykardien wurde beschrieben (Teuscher und Lindequist
2010).
Wie Aconitin binden auch Grayanotoxine an eine
Untereinheit der spannungsabhängigen Natriumkanäle und führen zu einer lang dauernden Depolarisation mit der Folge von neuro- und kardiotoxischen Wirkungen (Teuscher und Lindequist
2010). Nach dem Verzehr von sog.
pontischem Honig oder von Blüten/Blättern von den grayanotoxinhaltigen
Rhododendronarten treten erste Symptome dosisabhängig nach wenigen Minuten bis nach ca. zwei Stunden auf. Berichtet wurden Parästhesien (perioral und an den Armen),
Schwindel,
Synkopen und ZNS-Depression. Initial sind Erbrechen, später auch Durchfälle möglich.
Bradykarde Herzrhythmusstörungen, und anhaltende ausgeprägte hypertensive Phasen bestimmen den weiteren klinischen Verlauf und haben gelegentlich zur Verdachtsdiagnose eines
Myokardinfarktes geführt. (Engel et al.
2014; Gerke et al.
2003)
Pflanzen mit vorwiegend neurotoxischen Inhaltsstoffen
Pflanzen mit neurotoxischen Inhaltsstoffen wie der Goldregen, Laburnum anagyroides, der Wasserschierling, Cicuta virosa und der gefleckte Schierling, Conium maculatum können zu vielgestaltigen Symptomen führen.
Das Chinolizidalkaloid aus dem
Goldregen, das Cytisin, ist ein Alpha-4-Beta-2-Nikotinrezeptoragonist an den nikotinergen Acetylcholinrezeptoren des ZNS (zentrales Nervensystem) und der sympathischen Ganglien (Teuscher und Lindequist
2010). Die Wirkung auf die Brech-, Atem- und Vasomotorenzentrum der Medulla oblongata ist zunächst erregend, dann hemmend. Im Vergleich zu Nikotin stimuliert Cytisin das Atemzentrum stärker, hat aber weniger ausgeprägte Curare-artige Effekte als Nikotin. (Curare bezeichnet verschiedene
Alkaloide, die als kompetitiver Antagonist am nikotinergen Acetylcholinrezeptor wirken. Curare besetzt die Bindungsstellen, ohne den Rezeptor selbst zu aktivieren. Es kommt an der neuromuskulären Endplatte schließlich zur schlaffen Muskellähmung. Unbehandelt kann Curare zum Atemstillstand durch Atemlähmung führen.) Nach Aufnahme einer toxischen Menge von Goldregensamen werden erste Symptome nach bereits 15–60 min berichtet. Klinisch dominieren Übelkeit und Erbrechen, es können dosisabhängig im Verlauf auch Koordinationsstörungen, Muskelschwäche, Mydriasis,
Sehstörungen, Delirien und Krampfanfälle hinzukommen.
Der wichtigste toxische Inhaltsstoff des
Wasserschierlings (
Cicuta virosa), das Cicutoxin, wird in der höchsten Konzentration im Rhizom (vorwiegend unterirdisch, manchmal auch dicht über dem Boden wachsendes Sprossachsensystem) gefunden (Teuscher und Lindequist
2010). Cicutoxin bewirkt eine nicht kompetitive Blockade von GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) im ZNS und damit eine Senkung der Krampfschwelle mit der Folge von Krampfanfällen. Bereits 20 min nach Ingestion einer toxischen Menge können erste Symptome auftreten. Ein Brennen im Mund, exzessive Hypersalivation, Übelkeit, Erbrechen,
Schwindel, Mydriasis und Muskelkrämpfe sind erste Symptome. Generalisierte Krampfanfälle bis hin zum
Status epilepticus können bereits frühzeitig auftreten, im Verlauf auch eine Zyanose und Atemdepression. In der Literatur wurden schwere
Vergiftungen nach der Ingestion von Wurzeln des Wasserschierlings, die mit denen der wilden Möhre verwechselt worden waren, berichtet (Frohne D) (Schep et al.
2009).
Auch nach Ingestion von Pflanzenteilen des
gefleckten Schierlings (
Conium maculatum) können bereits nach 15 min erste Symptome auftreten. Die Toxizität dieser Pflanze resultiert aus der Wirkung von acht nikotinartigen
Alkaloiden. Das Hauptalkaloid Coniin ist ein selektiver Agonist an den nikotinergen Acetylcholin-Rezeptoren. In höherer Dosis kann Coniin verzögert zu einer paradoxen Blockade der nikotinergen Acetylcholin-Rezeptoren führen. Initial wird nach Ingestion ein enorales Brennen sowie Speichelfluss beschrieben (Li et al.
2021). Ein biphasischer Verlauf mit
Bauchschmerzen, hypertensiven Phasen, Tachykardie und Tremor gefolgt von Hypotension, Bradykardie, Dyspnoe und
Koma ist typisch für die Coniinvergiftung (Hotti und Rietscher
2017; Boskabadi et al.
2021). Die durch Coniin induzierte neuromuskuläre respiratorische Paralyse kann zur
respiratorischen Insuffizienz führen. Eine ausgeprägte Toxin-induzierte Rhabdomyolyse ist möglich.
Vergiftungen aufgrund von Verwechslungen mit Petersilie, Pastinaken oder Pimpinellen (Hotti und Rietscher
2017) oder wildem Sellerie (Chen et al.
2017) sind publiziert worden.
Tropanalkaloidhaltige Pflanzen
Tropanalkaloidhaltige Pflanzenarten wie die
Tollkirsche, Atropa belladonna, der
Stechapfel (Datura stramonium), die
Engelstrompete (Brugmansia sanguinea) und das
Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) bilden eine weitere Gruppe von relevanten Giftpflanzen. Nach Ingestion kann ein atropinähnliches anticholinerges Syndrom (Mydriasis, trockene Haut, Gesichtsrötung, Tachykardie, Harnverhalt,
Fieber,
Verwirrtheit, Unruhe,
Halluzinationen) auftreten. Die wichtigsten Tropanalkaloide dieser Pflanzen sind Atropin und Scopolamin, welche vorwiegend zentral dämpfend wirken, aber auch ausgeprägte visuelle Halluzinationen hervorrufen können. Im Gegensatz zur Atropinvergiftung ist die ZNS-Symptomatik häufig ausgeprägter. Auch Krampfanfälle können gelegentlich auftreten (Teuscher und Lindequist
2010).