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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Clemens Agne und Tim Lankisch
Publiziert am: 31.03.2015

Leberzirrhose und ihre Komplikationen

Bei der Leberzirrhose als Endstadium einer chronisch fibrosierenden Lebererkrankung kommt es zu einer Aufhebung der Leberarchitektur und zur Bildung von Regeneratknoten. Dies führt zur Entwicklung einer portalen Hypertension, einer eingeschränkten Synthese- und Entgiftungsfunktion und der Bildung von portalsystemischen Shunts. Zu den häufigsten Ursachen einer Leberzirrhose in den Industrienationen gelten die alkoholische und die nicht alkoholische Lebererkrankung sowie die chronisch aktiven Virushepatitiden. Eine Leberzirrhose verbleibt häufig über Jahre asymptomatisch. Erste Hinweise auf eine höhergradige Fibrosierung der Leber werden häufig im Zuge einer Labordiagnostik oder Ultraschalluntersuchung gewonnen. Typische körperliche Befunde sind bestimmte Hautzeichen (Spider-Naevi, Palmar-Erythem, Nagelveränderungen, Dupuytren-Kontrakturen), testikuläre Atrophie und Gynäkomastie sowie Menstruationsstörung. Wichtige Komplikationen sind Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatische Enzephalopathie sowie Ösophagusvarizen. Das Management einer Leberzirrhose konzentriert sich auf die Behandlung der Grunderkrankung und somit der Verlangsamung oder Revision des Fibroseprogresses.

Leberzirrhose

Definition

Die Leberzirrhose entspricht dem Endstadium einer chronisch fibrosierenden Lebererkrankung. Es kommt zu einer Aufhebung der Leberarchitektur und zur Bildung von Regeneratknoten. Die veränderte Struktur führt zur Entwicklung einer portalen Hypertension, einer eingeschränkten Synthese- und Entgiftungsfunktion und der Bildung von portalsystemischen Shunts.
Ursprünglich wurde dieser Prozess als nicht reversibel angesehen. Aktuelle Studien weisen auf die Möglichkeit einer Rückbildung der Fibrosierung auch in fortgeschrittenen Zirrhosestadien unter einer adäquaten Therapie der Grunderkrankungen (z. B. Hepatitis B) hin [Schrabpour et al. 2012].

Ätiologie und Pathophysiologie

Als die häufigsten Ursachen für eine Leberzirrhose in den Industrienationen gelten die alkoholische und die nicht alkoholische Lebererkrankung sowie die chronisch aktiven Virushepatitiden (Hepatitis B, Hepatitis C, Hepatitis D).
Von besonderer Bedeutung ist in Deutschland auch die alkoholische Lebererkrankung mit einem zunehmenden Anstieg der Todesfälle in den vergangenen Jahrzehnten (1980: 5/100.000, 2005: 9,9/100.000; Statistisches Bundesamt 2011).
Seltene Ursachen sind:

Klinik

Eine Leberzirrhose verbleibt häufig über Jahre asymptomatisch. Erste Hinweise auf eine höhergradige Fibrosierung der Leber werden häufig im Zuge einer Labordiagnostik oder Ultraschalluntersuchung gewonnen. Neben diesen Zufallsbefunden sind auch Komplikationen der Leberzirrhose im Sinne einer Blutung oder aszitischen Dekompensation ein nicht seltenes Bild bei Erstdiagnose der Zirrhose. Einzelne Fälle werden letztendlich erst bei einer Autopsie aufgedeckt [Conn et al. 1993].
Charakteristische Befunde der körperlichen Untersuchung können bereits auf eine Leberzirrhose hinweisen. Als Hautzeichen bei Leberzirrhose werden Spider-Naevi, Palmar-Erythem, Nagelveränderungen (Muehrcke-/Terry-Nägel) und Dupuytren-Kontrakturen angesehen. Hormonelle Störungen bei Leberzirrhose spiegeln sich beim Mann als testikuläre Atrophie und Gynäkomastie und bei der Frau als Menstruationsstörung wieder. Als Folge des portalvenösen Hochdrucks kann es zur Aszitesbildung, Ösophagusvarizenentstehung und -blutung sowie zur Splenomegalie und Ödembildung kommen. Eine signifikante Leberentgiftungsstörung demaskiert sich in einem Ikterus, einer hepatischen Enzephalopathie oder Asterixis („flapping tremor“) (Schuppan und Afdhal 2008).

Diagnostik

Im Vordergrund der ätiologischen Aufarbeitung steht auch bei Lebererkrankungen eine gezielte Anamnese. Problematische Themen wie Alkohol- und Drogenkonsum sollten dezidiert angesprochen werden. Spezielle Schlüsselsymptomatiken (z. B. Arthralgie bei Hämochromatose) sollten bekannt sein und entsprechend erfragt werden.
Labor
Zur allgemeinen und speziellen Labordiagnostik Tab. 1 und 2.
Tab. 1
Allgemeine Labordiagnostik bei Leberzirrhose
Quick (INR), Albumin, Bilirubin, Cholinesterase
Abschätzung der Lebersynthese- und Leberentgiftungsleistung
Korrelat einer hepatischen Hypertonie
Hyperpleniesyndrom
Verminderte hepatische Thrombopoetinproduktion
AP/GGT vs. GOT/GPT
Hepatisches vs. cholestatisches Leberenzymmuster:
differenzialdiagnostische Einordnung der Zirrhosegenese
γ-Globuline
Unspezifische Erhöhung bei Leberzirrhose häufig – aber auch als Hinweis auf eine Autoimmunhepatitis (IgG) oder primär biliäre Zirrhose (IgM) (Triger und Wright 1973)
AP alkalische Phosphatase, GGT Gamma-Glutamyltransferase, GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase, IgG Immunglobulin G, IgM Immunglobulin M, INR „international normalized ratio“
Tab. 2
Spezielle Labordiagnostik bei Leberzirrhose
Gruppe
Erkrankung
Diagnostik (Suchtest)
Alkoholische Lebererkrankung
ASH (alkoholische Steatohepatitis)
GGT (nicht proportional erhöht)
De-Ritis-Quotient (GOT/GPT >2)
CDT („carbohydrate-deficient transferrin“)
Virushepatitis
Chronische HCV-Infektion (Sarrazin et al. 2010)
Anti-HCV
Ggf. HCV-RNA
Chronische HBV-Infektion (Cornberg et al. 2011)
HBsAg, Anti-HBc
Ggf. HBeAg, Anti-HBe, HBV-DNA, Anti-HDV
Autoantikörper-assoziierte Leberzirrhose
Autoimmunhepatitis (AIH) (Manns et al. 2011)
AIH Typ 1: ANA, SMA
AIH Typ 2: LKM, SLA
Biliäre Erkrankung
Primär sklerosierende Cholangitis (EASL 2009)
ANCA (unspez. pANCA)
Primär biliäre Zirrhose (EASL 2009)
AMA
Metabolische Lebererkrankungen
Ggf. HFE-Genotyp
Serumcoeruloplasmin, freies Serumkupfer, 24-Stunden-Kupferausscheidung im Urin
α1-Antitrypsinmangel
α1-Antitrypsin (AAT) im Serum → ggf. AAT-Phenotypisierung
AMA antimitochondriale Antikörper, ANA antinukleäre Antikörper, ANCA Anti-Neutrophilen-zytoplasmatische Antikörper, GGT Gamma-Glutamyltransferase, GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase, GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase, HBV Hepatitis-B-Virus, HCV Hepatitis-C-Virus, HFE hereditäre Hämochromatose, LKM Leber-Nieren-Mikrosomen, SLA lösliches Leberantigen, SMA „smooth muscle antibody“
Sonographie
Hinweise auf eine Leberzirrhose [Dietrich 2010]:
  • Inhomogene Echotextur
  • Wellige Leberoberfläche (Hochfrequenzultraschall)
  • Linker/rechter Leberrand abgerundet
  • Lebervenen nicht gestreckt verlaufend und rarefiziert
  • Zeichen der portalen Hypertension: Aszites, Splenomegalie, Kaliber der V. lienalis >8 mm, Pfortaderfluss verlangsamt <12 cm/s (ggf. Flussumkehr), perihepatische Shunts (z. B. Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom oder splenorenaler Shunt)
  • Umfelddiagnostik: Lymphknotenvergrößerung (speziell Lig. hepatoduodenale) als Hinweis auf immune oder virale Lebererkrankung.
Nicht invasive Fibrosemessung
Transiente Elastographie (Fibroscan) oder ARFI („acoustic radiation force imaging“) sind nicht invasive ultraschallgestützte Techniken zur Bestimmung des hepatischen Fibrosegrades. Die Genauigkeit der Verfahren und der Nutzen im alltäglichen Einsatz wurden umfangreich belegt (Friedrich-Rust et al. 2012, Baranova et al. 2011).
Leberpunktion
Die Indikation zur Leberbiospie stellt sich bei Lebererkrankung unklarer Ätiologie oder wenn das Stadium der Lebererkrankung mittels nicht invasiver Verfahren nicht sicher festzustellen ist. Zur adäquaten Einschätzung des Fibrosegrades sollte ein Leberstanzzylinder von ausreichender Größe gewonnen werden (>15 mm Länge, >10 Portalfelder/Schnittebene) (Tannapfel et al.2012).
Perkutane (sonographisch gestützt), transjuguläre und laparoskopische Zugangswege stehen zur Verfügung.

Therapie

Das Management einer Leberzirrhose konzentriert sich auf die Behandlung der Grunderkrankung und somit der Verlangsamung oder Revision des Fibroseprogresses. Die Früherkennung und die Kontrolle von fibrosespezifischen Komplikationen sind von besonderer Bedeutung. Letztendlich gilt es im Falle eines nicht abwendbaren Leberversagens, die Möglichkeit einer Lebertransplantation zu prüfen.

Verlauf und Prognose

Die Prognose einer Zirrhose ist hoch variabel und von multiplen Einflussfaktoren (Ätiologie, Schweregrad, Auftreten von Komplikationen) abhängig. Als etabliertes Staging-Modell dient die Child-Pugh-Klassifikation (Tab. 3). Sie erlaubt eine Abschätzung der Schwere der Zirrhose, des Operationsrisikos und der Gesamtprognose. Die Child-Pugh-Klassifikation korreliert mit dem Gesamtüberleben. Ein-Jahres-Überlebensraten liegen für Child-Pugh-A-, -B- und -C-Zirrhose bei 100 %, 80 % und 45 % (Infante-Rivard et.al.1987; Albers 1989).
Tab. 3
Child-Pugh-Klassifikation
Parameter
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
Albumin im Serum (g/dl)
>3,5
2,8–3,5
<2,8
Bilirubin im Serum (mg/dl)
<2,0
2,0–3,0
>3,0
Quick (%)
>70
40–70
<40
Kein
Leichtgradig
Mittelgradig
Enzephalopathie
Keine
I–II
III–IV
Child A = 5–6, Child B = 7–9, Child C = 10–15

Komplikationen bei Leberzirrhose

Das Auftreten von Komplikationen der Leberzirrhose dient als Marker für eine dekompensierte Erkrankung. Hohe Morbidität und Mortalität gehen mit dem Auftreten der Komplikationen einher.
Die Mehrzahl der hepatozellulären Karzinome entwickelt sich auf dem Boden einer Leberzirrhose. Der Früherkennung und Therapie des hepatozellulären Karzinoms wird ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. Hepatozelluläres Karzinom).

Aszites

Aszites ist als pathologische Flüssigkeitsansammlung im Peritonealraum definiert. Eine portale Hypertension (>12 mmHg) bei intrahepatischem (sinusoidalem) Block bedingt die Aszitesentstehung. Eine vermehrte Lymphproduktion, Hypalbuminämie mit erniedrigtem kolloidosmotischen Druck und gesteigerte Natriumrückresorption (RAAS-Aktivierung) wirken begünstigend auf die Aszitesentstehung (Gerbes et al. 2010).
Eine Aszitespunktion wird bei neu aufgetretenem Aszites empfohlen (Tab. 4). Außerdem soll bei allen Patienten mit Zirrhose und Komplikationen sowie bei nicht elektiver stationärer Aufnahme eine Punktion durchgeführt werden. Im Zuge der initialen Punktion empfiehlt es sich, folgende Parameter zu bestimmen:
Tab. 4
Aszitespunktion
Parameter
 
Genese
Rechtsherzinsuffizienz, Budd-Chiari-Syndrom, Perikarditis constrictiva
Leberzirrhose
Entzündliche, maligne Genese
Eiweißgehalt
>2,5 g/dl
<2,5 g/dl
>2,5 g/dl
Serum-Aszites-Albumin-Quotient
>1,1 g/dl
>1,1 g/dl
<1,1 g/dl
  • Zellzahl
  • Gesamteiweiß und Albumin im Aszites
  • Mikrobiologische Kultur.
Spezielle Aspekte
1.
Maligner Aszites:
  • Aszites häufig hämorrhagisch (>50.000/μl)
  • Cholesterin (>45 mg/dl)
  • Die Bestimmung von Laktatdehydrogenase (LDH), Fibronektin und Tumormarkern wird zur Differenzierung zwischen malignem und nicht malignem Aszites in den aktuellen Leitlinien nicht empfohlen.
 
2.
Entzündlicher Aszites:
  • Erhöhte Zellzahl (>500/μl Gesamtzellzahl)
  • Zelldifferenzierung: >250/μl segmentkernige Granulozyten
  • Positive Bakterienkultur
 
3.
Pankreatogener Aszites:
  • Amylase-/Lipase-Erhöhung
 
Therapie
1.
Nicht medikamentöse Basistherapie:
  • Eiweißreiche Ernährung (1,2–1,5 g/kg KG/Tag) und ausreichender Energiegehalt (Nichteiweißenergie 25 kcal/kg KG/Tag)
  • Kochsalzrestriktion: bei refraktärem oder schwierig zu behandelndem Aszites (maximal 5 g/Tag)
  • Flüssigkeitsrestriktion: bei Hyponatriämie <125 mmol/l maximal 1,5 l/Tag
 
2.
2. Medikamentöse Therapie:
  • Primär: Aldosteronantagonist (Startdosis 100 mg Spirinolacton, Maximaldosis 400 mg/d)
  • Sekundär: Schleifendiuretikum bei insuffizienter Aszitesmobilisation unter 200 mg Spironolacton/d (in den ersten 2–3 Wochen)
 

Spontan bakterielle Peritonitis

Bei der spontan bakteriellen Peritonitis (SBP) handelt es sich um eine bakterielle Entzündung der Peritonealhöhle ohne Hinweis auf eine anderweitige intraabdominelle Ursache der Infektion, Peritonealkarzinose oder Tuberkulose (Gerbes et al. 2010).
Labor: >250 neutrophile Granulozyten/μl
Therapie
1.
Unkomplizierte Erstmanifestation der SBP (d. h. Fehlen von Schock, Ileus, gastrointestinaler Blutung, schwergradiger Enzephalopathie oder Serumkreatinin >3 mg/dl):
  • Chinolone oral
2.
Komplizierte SBP:
  • Cephalosporine Gruppe 3a i.v.
 
 
3.
Ergänzende Empfehlungen:
  • Abweichung gemäß lokaler Resistenzlage (speziell bei nosokomialer Infektion oder dem Bestehen einer antibiotischen Vorbehandlung)
  • Kontrolle des Therapieerfolges 48 Stunden nach Erstdiagnose mittels Kontrollpunktion
 
Primärprophylaxe
Eine Primärprophylaxe sollte bei der in Tab. 5 genannten Befundkonstellation erfolgen.
Tab. 5
Befundkonstellation für Primärprophylaxe
Aszitesalbumin <1,5 g/dl
+ Child-Pugh-Score >9 (mit Bilirubin >3 mg/dl)
oder
+ Serumkreatinin >1,2 mg/dl und Serumharnstoff >25 mg/dl
oder
+ Natrium <130 mmol/l
Jede gastrointestinale Blutung bei Leberzirrhose
Sekundärprophylaxe
Nach erfolgreicher Therapie einer SBP empfiehlt sich eine medikamentöse Prophylaxe. Als primäres Therapeutikum ist die Wirksamkeit von Chinolonen in Studien belegt (z. B. Norfloxacin 400 mg/Tag).

Hepatorenales Syndrom

Ein hepatorenales Syndrom (HRS) ist ein potenziell reversibles Nierenversagen bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites oder alkoholischer Steatohepatitis (Tab. 6) (Gerbes et al. 2010).
Tab. 6
Hepatorenales Syndrom (HRS)
HRS Typ 1
Rasches Nierenversagen, definiert als Verdopplung des Serumkreatinins auf über 2,5 mg/dl in weniger als zwei Wochen
HRS Typ 2
Moderates Nierenversagen mit Serumkreatinin zwischen 1,5 und 2,5 mg/dl bei stabilem oder langsam fortschreitenden Verlauf
Diagnosekriterien
  • Serumkreatinin >1,5 mg/dl
  • Leberzirrhose mit Aszites oder alkoholischer Steatohepatitis
  • Keine Besserung des Serumkreatinins nach zweitägiger Einnahmeunterbrechung aller Diuretika und Volumenexpansion mit Albumin (1 g/kg KG/Tag bis zu einer Maximaldosis von 100 g/Tag)
  • Ausschluss eines Schockgeschehens
  • Keine nephrotoxischen Medikamente (aktuell/kürzlich)
  • Ausschluss einer parenchymatösen Nierenerkrankung (keine Proteinurie >500 mg/d, keine Hämaturie >50 Erythrozyten/HPF, unauffällige Nierensonographie, unauffälliges Urinsediment)
Therapie
  • HRS Typ 1:
    • Albumin (1 g/kg KG/Tag bis zu einer Maximaldosis von 100 g/Tag)
    • Terlipressin 2–4 mg/Tag (maximal 8–12 mg/Tag) für mindestens drei Tage
  • HRS Typ 2:
    • Überlebensvorteile für eine kombinierte Albumin-Terlipressin-Therapie sind für das HRS Typ 2 nicht belegt. Eine standardisierte Aszitestherapie wird empfohlen.
Die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) kann bei Patienten mit HRS bei vorliegender Expertise erwogen werden.

Hepatische Enzephalopathie

Unter einer hepatischen Enzephalopathie versteht man reversible neuropsychiatrische Störungen bei Patienten mit einer schweren hepatischen Funktionsstörung (Tab. 7). Es kommt zur Akkumulation von toxischen Stoffwechselprodukten im Blut mit Affektion der kognitiven Funktion. Das klinische Spektrum reicht von subklinischen Einschränkungen (minimal hepatische Enzephalopathie, MHE) bis zum Leberkoma.
Tab. 7
Stadien der hepatischen Enzephalopathie
Stadium
Vigilanz
Neurologie
0
Klinisch unauffällig
Pathologische psychometrische Tests
1
Schläfrigkeit
Gestörte Feinmotorik, verminderte Reaktionsgeschwindigkeit
2
Starke Schläfrigkeit bis Apathie
Flapping tremor (Asterixis), verwaschene Sprache
3
Somnolenz, Stupor (erweckbar)
Korneal- und Sehnenreflexe erhalten (teilweise Hyper-/Hyporeflexie)
4
Leberausfallkoma (nicht erweckbar)
Hypo-/Areflexie
Klinisch bedeutsam ist vor allem die Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei einer bekannten Leberzirrhose. Die Ursache ist z. B. in dem vermehrten Anfall von Ammoniak im Organismus zu finden. Eine Zunahme der Ammoniakbildung im Darm kann Folge einer gastrointestinalen Blutung oder einem eiweißreichem Essen (bei Obstipation) sein. Infektionen begünstigen einen Eiweißkatabolismus, wodurch ebenfalls das fragile Gleichgewicht des Ammoniakstoffwechsels in einer Zirrhoseleber gestört werden kann.
Ein weiterer häufiger Auslöser einer enzephalopathischen Episode ist der Einsatz zentral dämpfender Medikamente bei Leberinsuffizienz (z. B. Benzodiazepine).
Im Alltag hat sich eine Ammoniakbestimmung im Serum bewährt (Ammoniak >100 μg/dl). Bei Erstvorstellung von Leberzirrhosepatienten mit kognitiven Störungen dient es der ätiologischen Orientierung und kann auch als Verlaufsparameter dienen.
Therapie
1.
Auslösende Faktoren beseitigen
  • Prämedikation überprüfen und ggf. Medikamente pausieren
  • Stuhlregulation bei Obstipation
  • Volumenmangel und Elektrolytstörungen ausgleichen
  • Blutstillung und Mobilisation des Hämatins bei gastrointestinaler Blutung
  • Infektionsbehandlung
 
2.
Für das Zentralnervensystem toxische Stoffe reduzieren:
  • Hochkalorische Kost (kohlenhydratreich) zur Verminderung des Eiweißkatabolismus
  • Eiweißarme Diät (bei drohendem Leberkoma passagere Eiweißkarenz)
  • Darmreinigung und Unterdrückung der ammoniakbildenden Darmbakterien durch Disaccharide (Laktulose oral oder als Schwenkeinlauf)
  • Darmdekontamination (z. B. mittels Rifaximin)
 
3.
Lebertransplantation bei terminaler Leberinsuffizienz
 

Ösophagus- und Corpus-/Fundusvarizen

Patienten mit Leberzirrhose weisen bei Erstdiagnose bereits in ca. 50 % der Fälle Ösophagusvarizen auf. Ein Drittel der Blutungsepisoden bei Zirrhosepatienten ist auf diese Komplikation der portalen Hypertension zurückzuführen. Differenzialdiagnostisch muss an die hypertensive Gastropathie, Fundusvarizen und klassische Blutungsquellen (z. B. peptische Ulcera) gedacht werden (Sauerbruch und Scheurlen 2002; Garcia-Tsao et al.2007; de Francis et al. 2010).
Allgemeine Empfehlungen
  • Bei Erstdiagnose einer Leberzirrhose ist eine diagnostische Ösophago-Gastro-Duodenoskopie zum Varizenstaging indiziert.
  • Indikation zur primärprophylaktischen Therapie bei stark blutungsgefährdeten Ösophagusvarizen (>5 mm Durchmesser)
  • Erste Wahl: unselektive Betablocker (z. B. Propranolol, Carvedilol)
  • Alternativ: Varizenligatur/-sklerosierung
Akute Varizenblutung
Allgemeine Maßnahmen:
  • Intensivmedizinische Betreuung (Intubation bei komatösem Patienten oder massiver Blutung mit Hämatemesis)
  • Zwei suffiziente venöse Zugänge
  • Bereitstellen/Substitution von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten (Zielwerte: Hämoglobin >8 g/dl, Thrombozyten >50.000)
  • Gerinnungsoptimierung (vor allem Patienten mit Thrombozytopenie oder bekannter Koagulopathie)
Medikamentöse Maßnahmen
  • Antibiotische Therapie: Chinolone oder Cephalosporine der Gruppe 3a (z. B. Ceftriaxon 2 g i.v.) für mindestens 5 Tage
  • Vasoaktive Pharmaka: Senkung des portalvenösen Druckes durch Vasopressinanaloga (z. B. Terlipressin 2 mg alle 4 h für 48 h; 1 mg alle 4 h bis Tag 5 fortsetzen)
Endoskopische Therapieoptionen
  • Ösophagusvarizen: Gummibandligatur, alternativ Sklerotherapie (Polidocanol)
  • Fundusvarizen: Sklerosierung (Histoacryl)
  • Bei Therapieversagen: Senkstaken-Blakemore- oder Linton-Nachlas-Sonde, Varizenstent-(DANIS-Stent)Notfall-TIPS
  • Elektiver TIPS zu erwägen bei Druckgradient zwischen Lebervenen und Pfordader (HVPG) >20 mmHg, Child-B- und -C-Patienten
Sekundärprophylaxe
Kombination aus Ligatur/Sklerosierungstherapie und medikamentöser Drucksenkung (unselektive Betablocker)
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