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DGIM Innere Medizin
Info
Verfasst von:
Joachim Mössner
Publiziert am: 20.03.2017

Leitsymptom: Bauchschmerz

Bauchschmerzen gehören zum führenden Symptom zahlreicher Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Aber auch einige extraintestinale Krankheitsbilder und Stoffwechselerkrankungen können sich mit dem Symptom Bauchschmerzen präsentieren. Stärkste Bauchschmerzen gehören zum Symptomenkomplex des akuten Abdomens. Aufgrund der Anamnese der Schmerzen und des Schmerzcharakters kann bereits oft eine richtige Zuordnung zu bestimmten Krankheitsbildern erfolgen. Wichtig in der Zuordnung des Symptoms Bauchschmerzen zu einem Krankheitsbild sind natürlich weitere Symptome, wie Fieber, Durchfall, Stuhlverhalt, Erbrechen und der klinische Untersuchungsbefund. Es lässt sich die Diagnose aber allein aufgrund der Anamnese, des Schmerzcharakters und der körperlichen Untersuchung nicht immer stellen. Daher sind je nach Verdachtsdiagnose und möglicher Differenzialdiagnosen zusätzlich bildgebende Verfahren und Laborparameter erforderlich.
Bauchschmerzen gehören zum führenden Symptom zahlreicher Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Aber auch einige extraintestinale Krankheitsbilder und Stoffwechselerkrankungen können sich mit dem Symptom Bauchschmerzen präsentieren. Stärkste Bauchschmerzen gehören zum Symptomenkomplex des akuten Abdomens. Aufgrund der Anamnese der Schmerzen und des Schmerzcharakters kann bereits oft eine richtige Zuordnung zu bestimmten Krankheitsbildern erfolgen. Wichtig in der Zuordnung des Symptoms Bauchschmerzen zu einem Krankheitsbild sind natürlich weitere Symptome, wie Fieber, Durchfall, Stuhlverhalt, Erbrechen und der klinische Untersuchungsbefund. Es lässt sich die Diagnose aber allein aufgrund der Anamnese, des Schmerzcharakters und der körperlichen Untersuchung nicht immer stellen. Daher sind je nach Verdachtsdiagnose und möglicher Differenzialdiagnosen zusätzlich bildgebende Verfahren und Laborparameter erforderlich.
Sehr häufig sind abdominelle Schmerzen Symptom bei Non-Ulcer-Dyspepsie (Reizmagen) oder Reizdarmsyndrom. Die Stellung dieser Diagnosen sind Ausschlussdiagnosen.

Schmerzanamnese und Schmerzcharakter

Insbesondere bei akuten und starken Schmerzen sind 6 Hauptfragen zu stellen:
1.
Wann: Nach welchem Ereignis? Nachts?
 
2.
Wie lange: Zeitlicher Verlauf des Schmerzes, Dringlichkeit der Situation
 
3.
Warum: Beziehung zu vorangegangenen Ereignissen
 
4.
Wie: Plötzlicher Eintritt des Schmerzes oder langsam ansteigende Tendenz?
 
5.
Wo: Lokalisation im Bauchraum
 
6.
Schmerzcharakter: Krampfartig, brennend, drückend, kontinuierlich-schneidend
 

Pathophysiologie

Pathophysiologisch wird zwischen somatischen und viszeralen Schmerzen unterschieden. Dies bedingt auch mit den Schmerzcharakter. Es ist zu fragen, ob die Schmerzen fortgeleitet werden. Klinisch ist zu prüfen, ob eine Abwehrspannung oder eine Schocksymptomatik vorliegt. Für das akute Abdomen ist auch eine Anamnese von weniger als 24 Stunden charakteristisch. Kolikartige, wiederkehrende Schmerzen sind typisch für eine akute Überdehnung der glatten Muskulatur, beispielweise bei einer Gallenkolik aufgrund eines eingeklemmten Konkrements im Ductus cysticus oder präpapillär. Auch ein mechanisch bedingter Ileus oder Nierensteine können kolikartige Schmerzen verursachen. Akute starke Schmerzen, die wieder abklingen und dann wieder an Stärke rasch zunehmen, können Folge einer Ulkus- oder Gallenblasenperforation sein, auch eines Mesenterialarterieninfarktes. An Schweregrad rasch zunehmende Schmerzen periumbilikal mit Ausstrahlung in den Rücken können Symptom einer akuten Pankreatitis sein; zunehmende Schmerzen im rechten Oberbauch Symptom einer Cholecystitis, im rechten Unterbauch einer Appendizitis.
Häufige intraperitoneale Ursachen eines akuten Abdomens (in absteigender Reihenfolge) sind Appendizitis (ca. 50–55 %), akute Cholezystitis (ca. 15 %), Ileus (ca. 10 %), Magen-, Duodenalulkusperforation (5–10 %), akute Pankreatitis (ca. 5 %), Dünndarmerkrankungen, Morbus Crohn, mesenteriale Ischämie und seltenere weitere Erkrankungen, auch gynäkologische Ursachen oder eine Peritonitis unklarer Ätiologie. Seltener führen extraperitoneale Ursachen zum Bild eines akuten Abdomens, z. B. Lungen-, Pleuraaffektionen, Pneumonie, Lungenembolie, kardiovaskuläre Erkrankungen (wie Herzinfarkt, Aortenaneurysma), urogenitale Erkrankungen (Nephrolithiasis, Pyelonephritis) oder neurologische Krankheiten (Herpes zoster). Schmerzen bei nicht diagnostizierten Stoffwechselerkrankungen wie akute intermittierende Porphyrie, Pseudoperitonitis diabetica, Hyperkalzämie oder eine Bleivergiftung können zur Fehlindikation einer Laparotomie führen.

Diagnostik

Ziele der Diagnostik bei akutem Abdomen sind Senkung der negativen Laparotomierate, der Rate schwerwiegender Fehldiagnosen, der Rate unterlassener oder verzögerter dringlicher Operationen. Anamnese und Ergebnis der klinischen Untersuchung bedingen je nach vermuteter Diagnose und möglicher Differenzialdiagnosen einen weiteren Algorithmus unter Einschluss der Bestimmung von Laborparametern und bildgebender Verfahren, der in der Regel rasch zur richtigen Diagnose führt. Abdomensonographie, Ösophago-Gastro-Duodenoskopie und Abdomencomputertomographie sind bei den häufigsten Ursachen abdomineller Schmerzen die Verfahren der 1. Wahl.

Laborparameter

Zu den bei akutem Abdomen standardmäßig bestimmten Laborparametern gehören das Blutbild (Hämoglobin, Leukozyten, Hämatokrit), Serumparameter (CRP, Elektrolyte, Glukose, Kreatinkinase, Lipase, Procalcitonin, Transaminasen, Troponin), Blutgasanalyse und Urinstatus, um rasch die wichtigsten Diagnosen eingrenzen zu können (Tab. 1).
Tab. 1
Diagnostik Bauchschmerzen
Laborparameter
Frage nach der zugrunde liegenden Erkrankung
CRP, Leukozyten, Thrombozyten, Procalcitonin
Entzündung generell, Sepsis, SIRS
Hämoglobin, Hämatokrit
Blutung
Serum-Lipase
Serum-Troponin
Herzinfarkt
Serum-Transaminasen
Hepatitis
Harnpflichtige Substanzen
Blutgasanalyse
Lactat
Mesenterialinfarkt
Selten zu bestimmenden Parameter: Blei
Bleivergiftung
Bei einer akuten Pankreatitis gilt es rasch zu entscheiden, ob ein schwerer, intensivpflichtiger Verlauf zu erwarten ist. Hier kann der BISAP-Score bestimmt werden (B edside I ndex for S everity in A cute P ancreatitis). Dieser Score soll das Letalitätsrisiko in den ersten 24 Stunden bestimmen. Der Score beinhaltet Harnstoff-Stickstoff (>25 mg/dl/8,9 mmol/l), impaired mental status (Glasgow Coma Score <15), SIRS (systemic i nflammatory r esponse s yndrome), Alter (>60 Jahre), Vorhandensein eines Pleuraergusses (Wu et al. 2008).

Bildgebende Verfahren

Abdomensonographie

Zahlreiche Erkrankungen lassen sich oft bereits sonographisch vermuten oder sogar beweisen: Cholezystitis, Cholezystolithiasis, Gallenblasenkarzinom, akute und chronische Pankreatitis, Pankreaskarzinom, Appendizitis, chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Ileus (paralytisch, mechanisch), Nierensteine, Perforation mit freier abdomineller Luft, mesenteriale Ischämie, Aortenaneurysma, Milzruptur, Abszess, Gravidität.
Trotz der hohen Sensitivität bildgebender Verfahren wie Sonographie, Computertomographie und Endoskopie ist bei der Notwendigkeit einer raschen Klärung der Ursache akuter Bauchschmerzen die Erfahrung des Arztes oft wichtiger als Labor- und bildgebende Verfahren (Vahl et al. 1998). Dennoch bleibt eine zu späte und falsche Indikationsstellung zur Operation in vielen Fällen ein ungelöstes Problem beim Vorliegen eines akuten Abdomens.
Fehlentscheidungen zur Operation wären eine akute intermittierende Porphyrie, eine intestinale Pseudoobstruktion, hämolytische Krisen (z. B. bei Sichelzellanämie) oder „Raritäten“ (Muskeleinblutung unter Antikoagulanzientherapie, Bleivergiftung). So sollte an eine Bleivergiftung bei akuten Bauchschmerzen und Vorliegen einer Anämie gedacht werden. Eine Bleivergiftung kann vorliegen bei einer beruflichen Exposition oder seltenen Ursachen wie Salbenrezepturen (Wolf et al. 2001), asiatischen Kräuterzubereitungen (Anderson et al. 2001). Zu den Symptomen gehören Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Obstipation, Schwächegefühl, Kopf- und Muskelschmerzen und abdominelle Koliken. Laborchemisch findet sich eine normozytäre, sideroachrestische Anämie und eine sekundäre Porphyrinurie. Erhöhte Blutbleispiegel sind beweisend. Im Blutbild findet sich eine basophile Tüpfelung der Erythrozyten und klinisch die Burtons-Linie im Bereich der Gingiva. Aufgrund gesetzlicher Auflagen werden in Deutschland kaum noch Bleivergiftungen beobachtet. In Leipzig wurde kürzlich über eine fast schon epidemische Bleivergiftung aufgrund mit Bleikügelchen „gestreckten“ Marihuanas berichtet. Einer der Patienten wurde aufgrund starker Bauchschmerzen fälschlicherweise laparotomiert (Busse et al. 2008). Zu weiteren Symptomen der Bleivergiftung zählen neurologische Symptome bis hin zu einer schweren Enzephalopathie mit Halluzinationen und einer peripheren Neuropathie. Weitere Fehlentscheidungen zur Operation wären nicht gastroenterologische Erkrankungen wie pulmonale, kardiale, metabolische und renale Ursachen.
Die intestinale Pseudoobstruktion ist ein klinisches Syndrom mit mangelnder intestinaler Propulsion. Ein mechanisches Hindernis als Ursache lässt sich nicht nachweisen. Es handelt sich um unterschiedliche Störungen der glatten Muskulatur, des myenterischen Plexus oder des extraintestinalen Nervensystems. Die intestinale Pseudoobstruktion kann auch sekundär bei Systemerkrankungen (z. B. Amyloidose, Muskeldystrophie, progressive Sklerose) oder primär idiopathisch auftreten.
Das akute Abdomen bleibt ein tägliches Problem der Notfallaufnahme. Die Ziele der initialen Diagnostik sind eine Reduktion der negativen Laparotomierate, aber natürlich auch eine Reduktion der Anzahl unterlassener oder verzögerter dringlicher Operationen. Die Rate schwerwiegender Fehldiagnosen muss minimiert werden. Die rasche Verfügbarkeit der Computertomographie mit deren Hilfe sich oft die Ursache akuter Bauchschmerzen klären lässt, verleitet aber auch zu einem zu großzügigen, unkritischen Einsatz mit der Folge einer unnötigen Strahlenbelastung.
Eine sorgfältige Anamneseerhebung, gezielte körperliche Untersuchung, „einfache“ Labor- und bildgebende Diagnostik wie Abdomensonographie erreicht das Ziel der richtigen Diagnosestellung in ca. 80 % der Fälle. Bezüglich des differenzierteren Einsatzes bildgebender Verfahren wie Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, Koloileoskopie, Magnetresonanz-Jejunoileographie (ursprünglich von Sellink beschriebene Röntgendarstellung des Dünndarms nach Applikation von Kontrastmittel via Jejunalsonde), Angiographie etc. wird auf die einzelnen Kapitel verwiesen.
Literatur
Anderson NR, Gama R, Kapadia S (2001) Herbal remedy poisoning presenting with acute abdomen and raised urine porphyrins. Ann Clin Biochem 38:408–410CrossRefPubMed
Busse F, Omidi L, Timper K, Leichtle A, Windgassen M, Kluge E, Stumvoll M (2008) Lead poisoning due to adulterated marijuana. N Engl J Med 358:1641–1642CrossRefPubMed
Vahl AC, Out NJ, Kapteijn BA, Koomen AR (1998) Nothing gained from the determinations of plasma lactate levels in the evaluation of a patient with acute abdomen. Ned Tijdschr Geneeskd 142:1346–1347
Wolf C, Binder R, Barth A, Konnaris C, Rüdiger HW (2001) Chronische Anämie und abdominelle Schmerzen als Folge einer Bleivergiftung. Dtsch Med Wochenschr 126:556–558CrossRefPubMed
Wu BU, Johannes RS, Sun X, Tabak Y, Conwell DL, Banks PA (2008) The early prediction of mortality in acute pancreatitis: a large population-based study. Gut 57:1698–1703CrossRefPubMed