Skip to main content
DGIM Innere Medizin
Info
Verfasst von:
Peter Kardos
Publiziert am: 09.04.2023

Leitsymptom: Husten

Husten ist ein lebenswichtiger Schutzreflex der Atemwege, der die Lunge – das Organ mit dem intensivsten Kontakt mit der Außenwelt – vor Überflutung mit Fremdsubstanzen schützt. Allerdings handelt es sich um einen sekundären Schutzmechanismus, der dann zum Tragen kommt, wenn der primäre mukoziliäre Clearencemechanismus durch schädigende Einflüsse (Rauchen!) oder massive Überflutung (Aspiration) versagt. Die Bedeutung der Schutzfunktion des Hustens ist am besten zu ermessen, wenn der Reflex, z. B. bei einer Bulbärparalyse, geschädigt ist oder ausfällt: Die Folge sind Aspirationspneumonien.
Husten ist das Symptom praktisch aller pneumologischen und einiger nichtpneumologischen (chronische Sinusitis, gastroösophagealer Reflux) Erkrankungen. Schließlich ist Husten in den USA die häufigste Beschwerde, weshalb Patienten einen Arzt aufsuchen (Schappert und Burt 2006). Husten trägt auch zur Verbreitung kontagiöser Erkrankungen (Pertussis, Tbc) bei. Neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie und Klinik des Hustens ergaben, dass Husten nicht nur als Symptom einer definierten Erkrankung, sondern als eine eigenständige Krankheitsentität (refraktärer chronischer Husten, engl. RCC = refractory chronic cough, oder idiopathischer chronischer Husten, engl. UCC = unexplained chronic cough) auftreten kann.

Definition und Einleitung

Husten ist ein lebenswichtiger Schutzreflex der Atemwege, der die Lunge – das Organ mit dem intensivsten Kontakt mit der Außenwelt – vor Überflutung mit Fremdsubstanzen schützt. Allerdings handelt es sich um einen sekundären Schutzmechanismus, der dann zum Tragen kommt, wenn der primäre mukoziliäre Clearencemechanismus durch schädigende Einflüsse (Rauchen!) oder massive Überflutung (Aspiration) versagt. Die Bedeutung der Schutzfunktion des Hustens ist am besten zu ermessen, wenn der Reflex, z. B. bei einer Bulbärparalyse, geschädigt ist oder ausfällt: Die Folge sind Aspirationspneumonien.
Akuter Husten ist in den USA die häufigste Beschwerde, weshalb Patienten einen Arzt aufsuchen (Schappert und Burt 2006). Husten trägt auch zur Verbreitung kontagiöser Erkrankungen (Pertussis, Tbc) bei. Husten ist das Symptom praktisch aller pneumologischen und einiger nichtpneumologischen (chronische Sinusitis, eosinophile Erkrankungen der Atemwege, gastroösophagealer Reflux) Erkrankungen. Auch Medikamente können chronischen Husten provozieren, z. B. Angiotensin-converting-enzyme(ACE)-Hemmer. Schließlich ergaben neueste pathophysiologische und klinische Erkenntnisse, dass chronischer Husten auch ohne eine zugrunde liegende Erkrankung wie COPD, Lungentumoren oder Tbc etc. auftreten kann. Dann ist der Husten kein Symptom mehr (Symptom welcher Erkrankung?), sondern eine eigenständige Krankheitsentität (refraktärer chronischer Husten, engl. RCC = refractory chronic cough, oder idiopathischer chronischer Husten, engl. UCC = unexplained chronic cough, siehe unten) (Kardos et al. 2019).

Physiologie

Der Reflexbogen besteht aus 5 Abschnitten:
1.
Hustenrezeptoren (am dichtesten in den zentralen oberen und unteren Atemwegen),
 
2.
afferenter Schenkel des Reflexbogens im Vagus zum Ganglion nodosum (A-Delta-Fasern, Mechanorezeptoren) und Ganglion jugulare (C-Faser-Endungen für chemische und entzündliche Reize) und weiter zum
 
3.
Hustenzentrum im Hirnstamm (N. tractus solitarius) mit Verbindungen zum Cortex,
 
4.
efferenter Schenkel des Reflexbogens;
 
5.
Effektororgane: Kehlkopf-, Brust-, Bauch- und Rückenmuskulatur.
 
Die Plastizität des Hustenreflexes bedeutet enge Querverbindungen zwischen den verschiedenen Rezeptortypen und eine willkürliche Beeinflussung des Hustens (Initiierung oder Unterdrückung) durch Cortexverbindungen des Hustenzentrums (Bonham et al. 2004, 2006).

Klinik

Husten allgemein

Der Husten wird klinisch in produktiven und in trockenen (Reiz-)Husten unterteilt, obwohl die Grenzen zwischen den beiden Kategorien fließend sind. Beim produktiven Husten besteht eine Sekretproduktion von ≥ 30 ml (entsprechend 2 Esslöffeln) in 24 Stunden. Charakteristika des Auswurfs:
  • Mukös: schleimig, entsprechend dem typischen Sekret bei einer chronischen Bronchitis, häufig viskös
  • Serös-schaumig: bei hohem Flüssigkeitsgehalt des Sekrets, z. B. bei Lungenödem
  • Purulent oder putrid (gelb und grün): bei Infektionen, aber auch bei Asthma oder eosinophiler Bronchitis, Bronchiektasen (evtl. als „Ausguss“)
  • Blutig (Hämoptoe, Hämoptyse): bei Infektionen, Nekrosen, Tumoren, Bronchiektasen, Lungenembolie, Gerinnungsstörung
Je nach Ursache kann Husten vorwiegend nachts (Asthma), morgens nach dem Aufstehen (COPD), beim Hinlegen (Sinusitis, Reflux), auf inhalative einschließlich thermische Reize oder körperliche Belastung auftreten.
Husten ist das gemeinsame und manchmal das einzige Symptom eines breiten Spektrums von Erkrankungen. Unter diagnostischen und therapeutischen Gesichtspunkten erscheint es zweckmäßig, den Husten als akut (bis zu 3 Wochen anhaltend) oder subakut (bis zu 8 Wochen) bzw. chronisch (über 8 Wochen Dauer) zu klassifizieren (Kardos et al. 2019) Diese Unterteilung ist willkürlich, wird jedoch den diagnostischen Anforderungen gerecht: Wenn der Husten länger als 8 Wochen anhält, ist sofort mit der Abklärung der Ursache zu beginnen. Es könnte sich um schwerwiegende Erkrankungen (Lungentumoren, Tuberkulose) handeln, die unverzüglich weitere Diagnostik und Therapie erfordern.

Akuter und subakuter Husten

Tab. 1 zeigt die wichtigsten Ursachen für den akuten Husten.
Tab. 1
Wichtigste Ursachen des akuten Hustens. (Kardos et al. 2010)
Akut (< 8 Wochen)
Erkrankungen der Atemwege
• Erkältungskrankheiten der oberen Atemwege: meist virale Infektion (akute Rhinosinusitis, Pharyngitis, Laryngitis, Bronchitis) oder allergische Erkrankungen
Pertussis, Mykoplasmeninfekt
• Asthma
• Aspiration: oft Kinder 1–3 Jahre
• Inhalative Intoxikation: Unfälle, Brände
• Postinfektiöser Husten
Erkrankungen der Lungen/Pleura
• Pleuritis
Extrapulmonale Ursachen
Kardiale Erkrankungen mit akuter Lungenstauung
Am häufigsten handelt es sich um einen viralen (Erkältungs-)Infekt der oberen und/oder unteren Atemwege, der durchschnittlich nach 2 Wochen spontan abklingt, aber mit einer hohen Symptomlast für den Betroffenen einhergeht. Diese kann durch eine symptomatische Selbstmedikation erleichtert werden. Oft suchen die Betroffenen den Arzt gar nicht erst auf, viele Patienten lassen sich in der Apotheke beraten. Je nach Erreger kann der durch einen Erkältungsinfekt ausgelöste akute Husten bis zu 8 Wochen persistieren (in Ausnahmefällen, z. B. bei Keuchhusten, auch länger). Dann handelt es sich um einen subakuten Husten. Im Rahmen von Erkältungsinfekten kann eine vorübergehende postinfektiöse bronchiale Hyperreagibilität entstehen, die die Dauer des Hustens ebenfalls verlängert. Eine Beteiligung der oberen Atemwege (akute Rhinosinusitis) kann ebenfalls zu einem subakuten Husten führen. Auch hier klingt der Husten zwar spontan ab, die Beschwerdedauer kann aber bei bronchialer Hyperreagibilität oder postviraler Rhinosinusitis durch eine topische Kortisontherapie für die Bronchien bzw. für die Nase abgekürzt werden.
Wenn Patienten mit akutem Husten den Arzt aufsuchen, reicht in der Regel die Erhebung der Anamnese und eine körperliche Untersuchung zur Diagnose aus, falls nicht besondere Warnzeichen („red flags“, siehe Aufzählung) die sofortige Einleitung weiterer diagnostischer Maßnahmen erfordern.
Warnzeichen bei akutem Husten:
  • Atemnot
  • Hohes Fieber
  • Thoraxschmerz
  • Immundefizienz, HIV-Infektion, immunsuppressive Therapie
  • Tbc-Kontaktpersonen
  • Obdachlose
  • Längerer Aufenthalt in Ländern mit hoher Tbc-Prävalenz
  • Anamnestisch bekannte Malignome
  • Extrem starker Raucher
Weiter zu beachten ist, dass kleinere Lungenembolien oligosymptomatisch mit akutem Husten auftreten können und schwer zu diagnostizieren sind („daran denken“). Sie erfordern sofortiges ärztliches Handeln, häufig eine stationäre Einweisung.

Chronischer Husten

Der chronische Husten (> 8 Wochen Dauer) erfordert nach Erhebung der Anamnese und Durchführung der körperlichen Untersuchung die sofortige Veranlassung einer Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane sowie einer Lungenfunktionsprüfung (Standarddiagnostik). Die meisten auslösenden Ursachen (Tab. 2) können so diagnostiziert werden.
Tab. 2
Wichtigste Ursachen des chronischen Hustens. (Kardos et al. 2019)
Chronisch (> 8 Wochen)
Erkrankungen der Atemwege/der Lungen
• Chronische nichtobstruktive Bronchitis (z. B. Raucher)
• Asthma
• Erkrankungen der oberen Atemwege (z. B. chronische Rhinosinusitis, mit oder ohne Nasenpolypen, Laryngitis)
• Infektionskrankheiten (z. B. Tuberkulose)
• Diffuse Lungenparenchymerkrankungen
• Systemerkrankungen mit Lungenbeteiligung (z. B. Kollagenosen, Vaskulitiden)
• Inhalative Ereignisse (Aspiration, „reactive airways dysfunction syndrome“, RADS)
Bronchiektasen, Bronchomalazie
• Eosinophile Bronchitis
• Seltene lokalisierte Erkrankungen des Tracheobronchialsystems (Tracheobronchomegalie, rezidivierende Polychondritis, Amyloidose, tracheobronchiale Papillomatose, Tracheobronchopathia osteochrondroplastica)
Chronischer refraktärer oder idiopathischer Husten
Nach Triggerfaktoren suchen, gastroösophagealer Reflux, chronische Rhinosinusitis, Husten als Asthmaäquivalent, ACE-Hemmer-Einnahme
Kardiale Erkrankungen
• Alle mit Lungenstauung
Wenn chronischer Husten mit negativem Röntgenbild und normaler Lungenfunktion abgeklärt werden muss, sollen folgende Triggerfaktoren geprüft und ggf. leitliniengerecht behandelt werden:
  • Husten infolge chronischer Erkrankungen der oberen Atemwege, insbesondere chronische Rhinosinusitis, häufig mit verlegter Nasenatmung.
  • Husten als Asthmaäquivalent („cough type asthma“, „variant asthma“). Es besteht neben dem Husten eine bronchiale Hyperreagibilität, aber der Bronchospasmus zum Vollbild des Asthmas fehlt. Eine weitere eosinophile Erkrankung der Bronchien ist die nichtasthmatische eosinophile Bronchitis.
  • Gastroösophageale Refluxkrankheit mit typischer Symptomatik (Sodbrennen, Aufstoßen) kann extraösophageale Symptome (chronischem) verursachen (Vakil et al. 2006). Extraösophageale Symptome können selten auch ohne typisches Sodbrennen auftreten.
  • ACE-Hemmer-Einnahme.
Falls bei positiver Diagnose aus dem obigen Quartett der Husten auf die adäquate Therapie z. B. der diagnostizierten Rhinosinusitis nicht anspricht, handelt es sich um einen RCC. Falls kein Trigger gefunden wurde, liegt ein chronischer idiopathischer Husten (UCC) vor (Kardos et al. 2019).
Wenn die Standarddiagnostik (Tab. 3, Stufen 1–3) und das Quartett der häufigsten Trigger keine Ursache für den chronischen Husten erkennen lassen, könnten Bronchiektasen oder eine beginnende, noch wenig ausgeprägte diffuse Lungenparenchymerkrankung vorliegen, die auf der Röntgenübersichtsaufnahme leicht übersehen werden können. Hier hilft die Computertomografie weiter; für die beiden genannten Diagnosen ist eine Spiral-CT mit ≤ 1 mm Rekonstruktionen, ohne Kontrastmittelgabe am besten geeignet.
Tab. 3
Stufendiagnostik bei Husten
Diagnostische Maßnahme
Anwendung zur Diagnose
Anmerkung
1
Anamnese
Husten bei Covid-19 oder Influenza oder Epidemie
Ansonsten: Dauer, Charakteristika, Alarmzeichen beachten
Ohne körperliche Untersuchung bei COVID-19, Influenza
2
Körperliche Untersuchung
Akuter Husten, z. B. banaler Erkältungsinfekt
Warnzeichen (Abschn. 3.2) beachten
3
Röntgenthoraxaufnahme
Lungenfunktionsprüfung
Immer bei chronischem Husten (> 8 Wochen Dauer)
COPD, Asthma
Ausnahme: ACE-Hemmer-Einnahme: Hier reicht Absetzen/Ersetzen des Medikaments, Patienten nach 4 Wochen wieder bestellen, ob der Husten abgeklungen ist
4
Unspezifische inhalative Provokation
HNO-Untersuchung
Husten als Asthmaäquivalent
Chronische Rhinosinusitis
Ggf. CT der Nebenhöhlen
5
Erweiterte Diagnostik, falls kein Sodbrennen, Aufstoßen und trotzdem der Verdacht auf Reflux besteht:
24-h-pH-Metrie (Impedanz) a
Pharyngeale pH-Metrie c
Laryngopharyngealer Reflux
Falls Sodbrennen vorliegt: ohne erweiterte Diagnostik PPI-Test über 2 Monate mit der doppelten Standarddosisb
6
Spiral-CT des Thorax ≤ 1 mm Rekonstruktionen
Bronchiektasen
Anfangsstadium diffuser Lungenparenchymerkrankung
Okkulte intrabronchiale Tumoren
Bei begründetem klinischem Verdacht: CT kann vorgezogen werden
7
Tracheobronchiale Erkrankungen
Intrabronchiale Tumoren
Bronchomalazie
Selten diagnostisch
Bei unklar gebliebenen Fällen als letzte diagnostische Stufe
aZur Diagnostik des refluxbedingten Hustens: Die Ösophagogastroskopie ist nicht geeignet zum Ausschluss eines refluxbedingten Hustens, da bei zwei Dritteln der Patienten mit refluxassoziierten Symptomen NERD („non-erosive reflux disease“) vorliegt (Malfertheiner et al. 2010). Endoskopisch ist hingegen nur die erosive Ösophagitis (ERD) feststellbar. Der Goldstandard der Diagnostik ist daher die 24-h-pH-Metrie mit Impedanz.
Die klassische 24-h-pH-Metrie (ggf. mit pH-Messpunkten im Magen, 5 cm oberhalb des unteren Ösophagussphinkters und proximal im Ösophagus, unterhalb des oberen Ösophagussphinkters) gibt nur Auskunft über die Säure-Expositionszeit, Frequenz und Dauer saurer Refluxepisoden. Schwach saurer und alkalischer Reflux wird nicht erfasst, hierfür ist die Kombination mit der Impedanzmessung erforderlich. Auch der Reflux von gering saurem oder alkalischem Mageninhalt kann chronischen Husten verursachen. Die zeitliche Assoziation von Husten und Reflux ist ebenfalls zu erfassen („symptom association probability“, SAP) (Bajbouj et al. 2007; Blondeau et al. 2007; Sifrim et al. 2005).
bPPI-Test siehe Abschn. 5.2.
cPharyngeale pH-Metrie: Eine neue Technik erlaubt die Messung von aerosolisierter Säure im Pharynx (mittels einer Sonde). Es gibt keine gute Korrelation zwischen Ergebnissen der klassischen und der pharyngealen pH-Metrie. Es wird jedoch angenommen, dass die laryngopharyngeale Symptomatik (neben Husten Heiserkeit, Globusgefühl) mit den pH-Werten im Pharynx besser korreliert (Postma und Amin 2012; Kawamura et al. 2011).

Hypersensitivität des Hustenreflexes: Refraktärer chronischer Husten (RCC) und chronischer idiopathischer Husten (UCC)

Die gastroösophageale Refluxerkrankung ist eine der häufigsten Krankheiten überhaupt (Bredenoord et al. 2013). Auch die chronische Rhinosinusitis, die laryngopharyngeale Refluxsymptomatik gehören zu den häufigen Erkrankungen. Viele Patienten nehmen ACE-Hemmer, die heute die erste Wahl für die Behandlung der Hypertonie sind. Die Mehrzahl dieser Patienten hat zwar Reflux, kontrolliertes Asthma, Rhinosinusitis oder nimmt einen ACE-Hemmer, hustet aber nicht. Eine Untersuchung (Smith et al. 2010) wirft Licht auf dieses „Rätsel“: Es konnte gezeigt werden, dass nur diejenigen Patienten auf den Reflux mit chronischem Husten reagieren, die eine erhöhte Sensitivität des Hustenreflexes – bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern – haben. In diesem Fall löst bereits ein geringer (eventuell gar physiologischer?) Reflux den Husten aus. Der Pathomechanismus des refluxbedingten Hustens erklärt sich aus der anatomischen Nähe der afferenten Fasern von den Hustenrezeptoren einerseits und vom unteren Ösophagussphinkter andererseits. Beide verlaufen im Vagus und führen zum entsprechenden benachbarten medullären Zentrum. Eine gemeinsame Beeinflussung ist naheliegend; hier spielt die schon länger bekannte Plastizität des Hustenreflexes ebenfalls eine Rolle.
Die Hypothese der gesteigerten Sensitivität des Hustenreflexes besagt, dass alle Patienten mit chronischem Husten ohne evidente Ursache (z. B. Reflux, Rhinosinusitis, Asthma, ACE-Hemmer) schon auf niedrige Reize wegen der Hypersensitivität des Reflexes mit Husten reagieren. Geringe inhalative Belastungen, auf die Gesunde nicht reagieren (niedrige Staub-, Rauch-, Dampfkonzentrationen, Gerüche, langes Sprechen) lösen Husten aus. Auf der anderen Seite bedeutet eine erniedrigte, subnormale Sensitivität des Hustenreflexes, dass selbst massive Reize, wie Volumenaspiration, den Hustenreiz nicht auslösen können. Daher erleiden Patienten nach Apoplexie, bei Morbus Parkinson, neuromuskulären Erkrankungen mit Bulbärparalyse bedrohliche Aspirationspneumonien (Abb. 1).

Diagnostik

Da Husten eine sehr häufige Erkrankung ist, muss aus ökonomischen Gründen, wegen der zu erwartenden Trefferquote und wegen der Invasivität der Untersuchungen auf eine Stufendiagnostik Wert gelegt werden. Tab. 3 zeigt die einzelnen diagnostischen Stufen, deren Reihenfolge im Regelfall eingehalten werden sollte (Kardos et al. 2010).
Zur Erklärung des Pathomechanismus des Refluxhustens gibt es 2 Hypothesen:
1.
Mikroaspirationen
Direkte Säure-/Refluxat-Einwirkung an Larynx, Pharynx, Mikroaspiration in die Trachea:
Das Refluxat erreicht den supraösophagealen Bereich, den Pharynx und Larynx. Hier finden sich in dichter Folge Hustenrezeptoren. Es handelt sich dann um einen laryngopharyngealen Reflux, der neben Husten auch Heiserkeit, Laryngitis posterior, Globusgefühl, Räusperzwang oder gar chronische Rhinosinusitis (Vaezi et al. 2010) verursachen kann. Husten kann auch durch Mikroaspiration direkt in die Trachea ausgelöst werden (Decalmer et al. 2012), allerdings ist die Korrelation zwischen Reflux und Mikroaspiration nicht ganz eindeutig (Kahrilas et al. 2012).
 
2.
Reflextheorie
Die Reflexhypothese beruht auf experimentellen Daten, die zeigen, dass sich im distalen Ösophagus Hustenrezeptoren befinden und Reflux durch diese Rezeptoren den Hustenreflex aktivieren kann (Irwin et al. 1993; Malfertheiner et al. 2010). Allerdings ist der Zusammenhang auch hier nicht ganz eindeutig, da Studien mit hoch dosierten Protonenpumpeninhibitoren (PPI) keine klare Wirksamkeit in der Behandlung des refluxbedingten Hustens zeigen (Chang et al. 2011).
 
Die nichtasthmatische eosinophile Bronchitis lässt sich nur durch die aufwendige sputumzytologische Untersuchung oder ersatzweise durch eine FeNO-Bestimmung (fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid) diagnostizieren, da hier auch keine bronchiale Hyperreagibilität besteht (Kardos 2001).
Die chronische nichtobstruktive (Raucher-)Bronchitis dürfte zwar die häufigste Ursache des chronischen Hustens sein, allerdings erscheinen Raucher wegen Husten selten in der Sprechstunde des Arztes (Kardos und Gebhardt 1996).
Die Einnahme von Angiotensin-converting-enzyme(ACE)-Inhibitoren für die antihypertensive oder kardiale Therapie ist die häufigste medikamentöse Ursache des Hustens. Frauen erkranken mindestens doppelt so häufig wie Männer. Der Husten kann wenige Wochen, aber auch Jahre nach Beginn der Einnahme auftreten und sistiert 1–3 Wochen nach Absetzen des ACE-Inhibitors (Israili und Hall 1992).

Therapie

Therapie allgemein

Soweit es möglich ist, sollte kausal therapiert werden. Nur falls die kausale Therapie nicht ausreicht, um den Husten zu lindern (z. B. Bronchialkarzinom, idiopathische Lungenfibrose), oder die Wirkung zu spät einsetzt (Lungentuberkulose) bzw. wenn keine kausale Therapie zur Verfügung steht, können symptomatische Hustentherapeutika eingesetzt werden.
  • Physiotherapeutische Maßnahmen sind in vielen Fällen (Sekretretention, trockener Hustenreiz) hilfreich, spezielle Kenntnisse des Therapeuten sind erforderlich (Weise et al. 2008).
  • Medikamentöse Therapie:
    • kausal (es wird auf entsprechende Handbücher und Leitlinien verwiesen!),
    • protussiv,
    • antitussiv.

Kausale Therapie

Die kausale Therapie des gastroösophagealen und laryngopharyngealen Refluxes wird wegen der Besonderheiten der Behandlung des extraösophagealen Symptoms chronischer Husten hier behandelt. Die Therapie des Refluxes beinhaltet die Normalisierung des Gewichts, diätetische Maßnahmen und Hochlagerung des Oberkörpers im Liegen, allesamt Maßnahmen mit schwacher Evidenz. Protonenpumpeninhibitoren (PPI) stellen das Rückgrat der Therapie dar. Bei Refluxhusten wird die doppelte Standarddosis über mindestens 2 Monate empfohlen, das Ansprechen des Hustens ist deutlich verzögert gegenüber dem Sodbrennen. Es ist zu bedenken, dass PPI nur die Azidität und in geringerem Maß das Volumen des Refluxates reduzieren, nicht jedoch des schwach sauren, für die Schleimhäute der Trachea, Pharynx und Larynx immer noch aggressiven Mageninhalts. Aus diesem Grund ist ein Ex-juvantibus-PPI-Test (durchgeführt nach den obigen Therapieprinzipien) diagnostisch nicht geeignet für den refluxbedingten Husten und wirkt laut einer Metaanalyse nicht (Kahrilas et al. 2016). Er wird in der Leitlinie auch nicht empfohlen (Kardos et al. 2019). Die Ausnahme stellt der chronische Husten dar, der in Begleitung von Sodbrennen und/oder Aufstoßen auftritt: Hier ist eine PPI-Therapie ohnehin indiziert. Bei fehlendem Ansprechen des Hustens ist die gastroenterologische Diagnostik (24-h-Impedanz-pH-Metrie in Rahmen der Endoskopie; zusätzlich Ösophagusmanometrie, falls operative Maßnahmen wie eine Fundoplicatio geplant wird) erforderlich.
Histamin-2-Rezeptor-Antagonisten wie Famotidin und Motilitätsregler wie Domperidon spielen eine untergeordnete Rolle. Bei nachgewiesener Kausalität zwischen Reflux und Husten könnten chirurgische Maßnahmen (Fundoplicatio) wirksamer sein als PPI, da sie nicht nur gegen die Säure, sondern gegen den Reflux von Mageninhalt wirken. Zurzeit sind sie jedoch eher Einzelfällen nach ausführlicher Diagnostik vorbehalten.

Protussive Therapie

Weder für noch gegen die Wirksamkeit der rezeptfreien Sekretolytika für den chronischen Husten gibt es Evidenz. Die Wirksamkeit einiger standardisierter Phytotherapeutika (z. B. Cineol, Efeu, Thymian, Primeln, Pelargonium sidoides) wurde hingegen für die Indikation akuter Erkältungshusten in randomisierten placebokontrollierten Studien nachgewiesen (mittelgradige Evidenz).

Antitussive Therapie

Die Wirksamkeit der verfügbaren Antitussiva lässt viel zu wünschen übrig. Antitussiva mit neuem Wirkmechanismus (Natrium-Kanal -Antagonisten, P2X3-Rezeptor-Antagonisten und weitere) befinden sich in Entwicklung. Derzeit sind zentral wirkende Opiate der Goldstandard der antitussiven Therapie, mit Ausnahme der akuten Erkältung. Für diese Indikation sind sie nicht wirksamer als Placebo (Eccles et al. 1992). Dextrometorphan, das auch auf periphere Rezeptoren wirkt, ist die Ausnahme, aber dieses rezeptfreie Medikament ist auch nicht frei von der Suchtpotenz der Opiate. Darüber hinaus haben Opiate weitere unerwünschte Wirkungen (z. B. Obstipation, Benommenheit). Ihr Einsatz ist im Wesentlichen auf die symptomatische Therapie des Hustens bei palliativer Indikation, Lungentumoren und diffusen Lungenparenchymerkrankungen beschränkt. Bei RCC und UCC wirkt niedrig dosiertes Morphin retard (2-mal 10 mg) bei 20 % der Betroffenen. Codein ist häufig nur in der doppelten Standarddosis (60 mg pro Dosis) wirksam und wird im Körper zu einem unbestimmbaren Anteil zu Morphin verstoffwechselt. (Morice et al. 2006). Neuromodulatoren wie Gabapentin (bis zu 600 mg täglich) weisen ebenfalls bei etwa 20 % der Betroffenen eine Wirksamkeit auf. Bei COPD und Asthma empfehlen die entsprechenden Leitlinien in der Regel, keine Antitussiva einzusetzen. Die Angst vor Sekretretention scheint allerdings unbegründet (Morice et al. 2002). Weitere synthetische Antitussiva sind Levodropropizin (Luporini et al. 1998), Pentoxyverin und Noscapin mit geringer Evidenzbasis.
Literatur
Bajbouj M, Becker V, Neuber M et al (2007) Combined pH-metry/impedance monitoring increases the diagnostic yield in patients with atypical gastroesophageal reflux symptoms. Digestion 76:223–228CrossRefPubMed
Blondeau K, Dupont LJ, Mertens V et al (2007) Improved diagnosis of gastro-oesophageal reflux in patients with unexplained chronic cough. Aliment Pharmacol Ther 25:723–732CrossRefPubMed
Bonham AC, Sekizawa SI, Joad JP (2004) Plasticity of central mechanisms for cough. Pulm Pharmacol Ther 17:453–457CrossRefPubMed
Bonham AC, Chen CY, Sekizawa S et al (2006) Plasticity in the nucleus tractus solitarius and its influence on lung and airway reflexes. J Appl Physiol 101:322–327CrossRefPubMed
Bredenoord AJ, Pandolfino JE, Smout AJ (2013) Gastro-oesophageal reflux disease. Lancet 381:1933CrossRefPubMed
Chang AB, Lasserson TJ, Gaffney J et al (2011) Gastro-oesophageal reflux treatment for prolonged non-specific cough in children and adults. Cochrane Database Syst Rev:CD004823
Decalmer S, Stovold R, Houghton LA et al (2012) Chronic cough: relationship between micro-aspiration, gastroesophageal reflux and cough frequency. Chest 142:958CrossRefPubMed
Eccles R, Morris S, Jawad M (1992) Lack of effect of codeine in the treatment of cough associated with acute upper respiratory tract infection. J Clin Pharm Ther 17:175–180CrossRefPubMed
Irwin RS, French CL, Curley FJ et al (1993) Chronic cough due to gastroesophageal reflux. Clinical, diagnostic, and pathogenetic aspects [see comments]. Chest 104:1511–1517CrossRefPubMed
Israili ZH, Hall WD (1992) Cough and angioneurotic edema associated with angiotensin-converting enzyme inhibitor therapy. A review of the literature and pathophysiology [see comments]. Ann Intern Med 117:234–242CrossRefPubMed
Kahrilas PJ, Howden CW, Hughes N et al (2012) Response of chronic cough to acid-suppressive therapy in patients with gastroesophageal reflux disease. Chest 143:605CrossRefPubMedCentral
Kahrilas PJ, Altman KW, Chang AB et al (2016) Chronic cough due to gastroesophageal reflux in adults: Chest guideline and expert panel report. Chest. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​chest.​2016.​08.​1458
Kardos P (2001) Eosinophile Bronchitis ohne Asthma: eine weitere seltene Ursache für chronisch persistierenden Husten? Pneumologie 55:249–252CrossRefPubMed
Kardos P, Gebhardt T (1996) [Chronic persistent cough in general practice: diagnosis and therapy in 329 patients over the course of 2 years] Chronisch persistierender Husten (CPH) in der Praxis: Diagnostik und Therapie bei 329 Patienten in 2 Jahren. Pneumologie 50:437–441PubMed
Kardos P, Berck H, Fuchs KH et al (2010) Guidelines of the German Respiratory Society for diagnosis and treatment of adults suffering from acute or chronic cough. Pneumologie 64:701; 06.08.2010CrossRefPubMed
Kardos P, Dinh QT, Fuchs KH et al (2019) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. Pneumologie. https://​doi.​org/​10.​1055/​a-0808-7409
Kawamura O, Shimoyama Y, Hosaka H et al (2011) Increase of weakly acidic gas esophagopharyngeal reflux (EPR) and swallowing-induced acidic/weakly acidic EPR in patients with chronic cough responding to proton pump inhibitors. Neurogastroenterol Motil 23:411–418, e172CrossRefPubMed
Luporini G, Barni S, Marchi E et al (1998) Efficacy and safety of levodropropizine and dihydrocodeine on nonproductive cough in primary and metastatic lung cancer. Eur Respir J 12:97–101CrossRefPubMed
Malfertheiner MV, Kandulski A, Malfertheiner P et al (2010) Bronchopulmonary manifestations of gastroesophageal reflux disease. Internist (Berl) 51(Suppl 1):246–254CrossRefPubMed
Morice AH, Widdicombe J, Dicpinigaitis P et al (2002) Understanding cough. Eur Respir J 19:6–7CrossRefPubMed
Morice AH, Menon MS, Mulrennan SA et al (2006) Opiate therapy in chronic cough. Am J Respir Crit Care Med. https://​doi.​org/​10.​1164/​rccm.​200607-892OC
Postma GN, Amin MR (2012) Extraesophageal reflux is still NOT the same disorder as gastroesophageal reflux. Otolaryngol Head Neck Surg 146:684CrossRefPubMed
Schappert SM, Burt CW (2006) Ambulatory care visits to physician offices, hospital outpatient departments, and emergency departments: United States, 2001–02. Vital Health Stat 13:1–66
Sifrim D, Dupont L, Blondeau K et al (2005) Weakly acidic reflux in patients with chronic unexplained cough during 24 hour pressure, pH, and impedance monitoring. Gut 54:449–454CrossRefPubMedPubMedCentral
Smith JA, Decalmer S, Kelsall A et al (2010) Acoustic cough-reflux associations in chronic cough: potential triggers and mechanisms. Gastroenterology 139:754–762CrossRefPubMed
Vaezi MF, Hagaman DD, Slaughter JC et al (2010) Proton pump inhibitor therapy improves symptoms in postnasal drainage. Gastroenterology 139:1887–1893CrossRefPubMed
Vakil N, van Zanten SV, Kahrilas P et al (2006) The Montreal definition and classification of gastroesophageal reflux disease: a global evidence-based consensus. Am J Gastroenterol 101:1900–1920CrossRefPubMed
Weise S, Kardos P, Pfeiffer-Kascha D et al (2008) Empfehlungen zur physiotherapeutischen Atemtherapie, Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga, 2. Aufl. Dustri Verlag Dr. Karl Fesitle, München/Orlando, S 1–40. ISBN 978-3-87185-391-3