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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 28.01.2015

Long- und Short-QT-Syndrome

Verfasst von: Rainer Schimpf und Martin Borggrefe
Das Long-QT-Syndrom, das als Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom und als Romano-Ward-Syndrom auftritt, ist eine kongenitale elektrische Erkrankung des Herzens mit einer Störung der Repolarisation der Herzmuskelzellen und Verlängerung der QT-Zeit im EKG. Das klinische Spektrum der Long-QT-Syndrome reicht vom lebenslang asymptomatischen Verlauf über rezidivierende Präsynkopen und Synkopen bis zum plötzlichen Herztod bereits im Kindes- und Jugendalter. Die Diagnose eines Long-QT-Syndroms gelingt bei deutlichem Befund durch die konventionelle Elektrokardiographie (12-Kanal-EKG), sowie durch additive elektrokardiographische Methoden (Langzeit-EKG, Stehversuch, Ergometrie) und molekulargenetische Untersuchung. Bei der Therapie entscheidend sind eine Risikostratifizierung, die Vermeidung von auslösenden Faktoren und eine antiadrenerge Therapie mit einem Betablocker. Nach überlebtem Herzstillstand besteht die Indikation zur Implantation eines intrakardialen Defibrillators (ICD). Die Mortalität eines unbehandelten Long-QT-Syndroms beträgt ungefähr 50 %. Das Short-QT-Syndrom ist eine eigenständige primär elektrische Erkrankung. Es handelt sich um das funktionelle Pendant des Long-QT-Syndroms mit funktionell gegensðtzlich gestörter Ionenkanalfunktion, erheblicher Verkürzung sowohl der QT-Zeit als auch der atrialen und ventrikulären Refraktärzeiten. Bei der es sich um das funktionelle Pendant bereits bekannter Unterformen des Long-QT-Syndroms mit entsprechend gegensätzlich gestörter Ionenkanalfunktion handelt und die sich durch eine erhebliche Verkürzung der QT-Zeit sowie der atrialen und ventrikulären Refraktärzeiten auszeichnet.

Einleitung

Eine strukturelle Herzerkrankung ist die häufigste Ursache des plötzlichen Herztodes in der Bevölkerung und hier insbesondere die koronare Herzerkrankung (80 %) (Gorgels et al. 2003). 5–10 % der plötzlichen Herztodesfälle betreffen strukturell herzgesunde, meist jüngere Menschen. Die so genannten primär elektrischen Erkrankungen des Herzens stellen eine wichtige Differenzialdiagnose dar. Zu ihnen gehören das Long-QT-Syndrom (LQTS), das Short-QT-Syndrom (SQTS), das Brugada-Syndrom und die katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT).
Das Long-QT-Syndrom ist eine kongenitale elektrische Erkrankung des Herzens mit einer Störung der Repolarisation der Herzmuskelzellen und Verlängerung der QT-Zeit im EKG. Die folgenden Werte der QT-Zeit, korrigiert nach der Herzfrequenz (Bazett-Formel, QTc), sind pathologisch: QTc-Zeit ≥450 ms bei Männern sowie ≥460 ms bei Frauen. Eine grenzwertige QT-Zeit-Verlängerung liegt bei Werten der QTc-Zeit von 430–450 ms (Männer) sowie 440–460 ms (Frauen) vor (Goldenberg et al. 2006; Rautaharju et al. 2009). Weitere diagnostische Hinweise sind Auffälligkeiten der Repolarisation im EKG mit biphasischer T-Welle und einer höheramplitudigen, breitbasigen sowie verzögert einsetzenden T-Welle. Ein unauffälliges EKG schließt ein symptomatisches kongenitales Long-QT-Syndrom nicht aus.
Es werden zwei Formen des Long-QT-Syndroms unterschieden, das sehr seltene Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom (JLNS) sowie das Romano-Ward-Syndrom (RWS).

Pathophysiologie

Die koordinierte Aktivität der Ionenkanäle reguliert im Herzen den für die Depolarisation erforderlichen elektrochemischen Gradienten und damit die Erregbarkeit der Herzmuskelzelle. Ionenkanäle sind Proteinkomplexe, die eine Pore in der Zellmembran bilden und durch Öffnung und Schließung den transmembranösen Fluss von geladenen Ionen als Grundlage der elektrischen Aktivierung der Myokardzelle gewährleisten. Funktionelle Defekte der Erregbarkeit der Herzmuskelzelle ohne strukturelle Veränderungen des Herzens bilden die Grundlage der primär elektrischen Erkrankungen des Herzens und die Basis für ventrikuläre Herzrhythmusstörungen bis zum plötzlichen Herztod. Durch die verlängerte und inhomogene Repolarisationsphase kommt es zu frühen Nachdepolarisationen (EAD), die wiederum eine erneute Depolarisation der Zelle auslösen können. Durch einen transmuralen Gradienten der Repolarisation wird die Grundlage für kreisende Erregungen geschaffen. Die klassischen, so entstandenen Arrhythmien bei Long-QT-Syndromen (angeboren sowie erworben) sind maligne Kammertachykardien (Torsade-de-Pointes), die in anhaltendes Kammerflimmern degenerieren können.
Erstmals wurde bei Patienten die genetische Ursache einer primär elektrischen Erkrankung des Herzens Im Jahre 1991 wurde erstmals bei Patienten entdeckt und zwar bei Patienten mit einem Long-QT-Syndrom. Man wies eine Mutation des HERG-Gens und als Folge einer Unterfunktion („loss of function“) des verzögert aktivierenden Kaliumgleichrichterstromes (IKs) nach (Curran et al. 1995; Keating et al. 1991).
Mittlerweile wurden 13 genetische Subtypen des RWS (LQT1 bis LQT13) sowie zwei genetische Subtypen des JLNS beschrieben (Tab. 1). Am häufigsten sind die Subtypen LQT1 bis LQT3 (75 %). Sie unterscheiden sich klinisch und elektrokardiographisch (Ackerman et al. 2011; Moss 1997; Moss et al. 1995). Die zugrunde liegenden Mutationen führen zu einem Funktionsverlust („loss of function“) des IKs-Kaliumstroms (LQT1, ca. 30–35 % der Fälle), zu einer verminderten Aktivierung („loss of function“) des IKr-Kaliumstroms (LQT2, ca. 25–40 % der Fälle) und zu einer vermehrten Aktivierung („gain of function“) des INa-Natriumstroms (LQT3, ca. 5–10 % der Fälle). Es verbleiben noch ca. 5 % Patienten mit familiärem Long-QT-Syndrom mit seltenen Mutationen kardialer Kalium-, Natrium- und Kalziumkanäle (LQT5 bis LQT8, LQT10, LQT13) sowie Mutationen, die nicht die Struktur der Ionenkanäle unmittelbar, sondern andere intrazelluläre Proteine der Herzmuskelzellen betreffen, die zur Exprimierung, intrazellulären Lokalisation und lokalen Regulation der Ionenkanäle sowie deren Vernetzung mit dem mechanischen Gerüst der Myokardzelle (Zytoskelett) und dem kontraktilen Apparat (Sarkomer) beitragen (LQT4, LQT9, LQT11, LQT12).
Tab. 1
Long QT Syndrom
Subtyp
Gen
Protein
Funktionsdefekt des Ionenkanals
LQT1
KCNQ1
KvLQT1
Reduzierter IKs
LQT2
KCNH2
HERG
Reduzierter IKr
LQT3
SCN5A
Nav1.5
Gesteigerter INa
LQT4
ANK2
Ankyrin B
Reduzierte Membranexpression des Na+-Kanals
LQT5
KCNE1
MinK
Reduzierter IKs
LQT6
KCNE2
MiRP
Reduzierter IKr
LQT7 (Andersen-Syndrom)
KCNJ2
Kir2.1
Reduzierter Auswärtsstrom IK1
LQT8 (Timothy-Syndrom)
CACNA1c
Cav1.2
Gesteigerter ICa
LQT9
CAV3
Kardiales Caveolin-Gen
Gesteigerter INa
LQT10
SCN4B
Natriumkanal-β-4-Untereinheit
Gesteigerter INa
LQT11
AKAP9
Yotiao
Reduzierte IKs-Aktivierung durch Katecholamine
LQT12
SNTA1
Syntrophin
Reduzierter INa
LQT13
KCNJ5
Kir3.4/GIRK4
Reduzierter IKAch
JLN1
KCNQ1
Kv7.1
Reduzierter IKs
JLN2
KCNE1
KCNE1 (minK)
Reduzierter IKs
Bei Patienten mit dem seltenen JLN-Syndrom führt eine gestörte Unterfunktion des IKs zu einer signifikanten Repolarisationsverlängerung im EKG und zu einer reduzierten Endolymphproduktion im Innenohr, das eine Schwerhörigkeit zur Folge hat.
Derzeit verbleiben ca. 20 % der Patienten mit einem Long-QT-Syndrom (noch) ohne Nachweis einer zugrundeliegenden Mutation.

Epidemiologie

Die 1957 erstbeschriebene Form des Long-QT-Syndroms, das Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom wird autosomal-rezessiv übertragen und ist extrem selten (<1:1.000.000).
Die 1963/64 beschriebene zweite Form des Long-QT-Syndroms, das Romano-Ward-Syndrom, wird autosomal-dominant übertragen (Romano et al. 1963; Ward 1964). Die Prävalenz ist höher und liegt bei 1:2000(−2500) in der Allgemeinbevölkerung (Schwartz et al. 2009).

Klinik

Das klinische Spektrum der Long-QT-Syndrome reicht vom lebenslang asymptomatischen Verlauf über rezidivierende Präsynkopen und Synkopen bis zum plötzlichen Herztod bereits im Kindes- und Jugendalter. Das Jervell-Lange-Nielsen Syndrom mit angeborener Innenohrschwerhörigkeit stellt klinisch die schwerste Form des Long-QT-Syndroms dar, da fast 90 % aller Patienten Ereignisse aufweisen. 50 % der Kinder werden vor dem dritten Lebensjahr symptomatisch (Schwartz et al. 2006). Die QTc-Zeit des größten Kollektives von Patienten mit einem JNLS ist mit 557 ± 65 ms deutlich verlängert. Die Erfahrungen mit dem JLNS beruhen auf Einzelbeschreibungen; die größte publizierte Serie umfasst 187 multizentrisch erfasste Patienten (Schwartz et al. 2006). Bereits im Jahre 1856 beschrieb Friedrich Ludwig Meissner, Hals-Nasen-Ohren Arzt in Leipzig, den Fall einer jungen Frau mit einer angeborenen Schwerhörigkeit, die ebenso wie ihre zwei Geschwister an einem plötzlichen Herztod verstarb (Meissner 1856). Schließlich publizierten 1957 die Norweger Anton Jervell und Fred Lange-Nielsen eine Familie mit einer Häufung plötzlicher Herztodesfälle in Verbindung mit einer angeborenen Innenohrschwerhörigkeit sowie einer auffällig verlängerten QT-Zeit im EKG (Jervell und Lange-Nielsen 1957).
Das Romano-Ward-Syndrom manifestiert sich meistens vor der Pubertät bei Männern und nach der Pubertät bei Frauen (Romano et al. 1963; Ward 1964). In Untersuchungen von Patienten mit einem RWS unterschiedlicher Altersstufen beträgt der Anteil symptomatischer Patienten überwiegend 20 %. Patienten mit einem RWS weisen überwiegend die genetischen Subtypen LQT1 bis LQT3 (75 %) auf. Bei Patienten mit LQT1-Syndrom sind klassische Auslöser einer Synkope körperliche Belastung (insbesondere Schwimmen). Beim LQT2-Syndrom werden unmittelbar vor der Synkope häufig laute und plötzliche Geräusche (Wecker) und Schreckreaktionen berichtet. Beim LQT3-Syndrom treten die Ereignisse meist in Ruhe oder im Schlaf unter niedrigen Herzfrequenzen auf.
Die Anamnese der Begleitumstände einer Synkope ist also essenziell, da sie bereits auf die Erkrankung und sogar auf den genetischen Subtyp hinweisen können.

Diagnostik

Die Diagnose eines Long-QT-Syndroms gelingt bei deutlichem Befund durch die konventionelle Elektrokardiographie (EKG). Diese klinisch heterogene Erkrankung ist insgesamt in der Bevölkerung unterdiagnostiziert, da zahlreiche asymptomatischen Patienten oder Patienten mit grenzwertigen oder unauffälligen EKG-Befunden trotz vorhandener Erbanlage existieren. Diagnostische Kriterienskalen wie der häufig eingesetzte Schwartz-Score oder Keating-Score haben bei sehr guter Spezifität (99 %) eine schlechte Sensitivität (19 % und 36 %) (Tab. 2) (Hofman et al. 2007). Die Anwendung im klinischen Alltag ist trotzdem empfehlenswert, um eine systematische Erfassung der EKG- und klinischen Charakteristika von Long-QT-Syndromen zu gewährleisten.
Tab. 2
Schwartz-Score (Nach Schwartz et al. 1993)
Befunde
Punkte
EKG Befunde
A. QTc
≥480 ms
3
  
460–479 ms (Frauen)
2
  
450–459 ms (Männer)
1
 
B. QTc 4. Minute nach Beendigung einer Belastungsuntersuchung ≥480 ms
 
1
 
C. Torsade-de-pointes-Tachykardien
 
2
 
D. T-Wellenalternans
 
1
 
E. Biphasische T-Welle in drei Ableitungen
 
1
 
F. Niedrige altersentsprechende Herzfrequenz (<2. Perzentile)
 
0,5
Klinik
unter Stress
2
  
ohne Stress
1
 
B. Angeborene Schwerhörigkeit
 
0,5
Familienanamnese
A. Familienmitglied mit Long-QT-Syndrom
 
1
 
B. Ungeklärter plötzlicher Herztod eines Familienmitgliedes <30. Lebensjahr
 
0,5
Ergebnis:
≤1 Punkt: geringe Wahrscheinlichkeit für ein LQTS
1,5–3 Punkte: mittlere Wahrscheinlichkeit für ein LQTS
≥3,5 Punkte: hohe Wahrscheinlichkeit für ein LQTS
Bei asymptomatischen Patienten mit einem angeborenen Long-QT-Syndrom oder Patienten mit grenzwertiger QTc-Zeit müssen additive elektrokardiographische Methoden und eine molekulargenetische Untersuchung zur Abklärung eingesetzt werden. Die Indikationen zur genetischen Diagnostik wird in den neuen Empfehlungen der Europäischen Herzrhythmusorganisation (EHRA) differenziert (siehe unten) (Ackerman et al. 2011).

12-Kanal-EKG

Das konventionelle 12-Kanal-EKG ist die wichtigste Methode für die Erfassung der Diagnose Long-QT-Syndrom. Die Messung der QT-Zeit erfolgt vorzugsweise in den Ableitungen II oder V5 (V6) mit Bewertung des längsten Messwertes. Das Ende der T-Welle wird definiert als der Kreuzungspunkt einer Tangente am steilsten Bereich der T-Welle mit der isoelektrischen Horizontale (Goldenberg et al. 2006; Postema et al. 2008). Bei Vorhandensein von Vorhofflimmern sollten zehn konsekutive Messwerte gemittelt werden. Durch die frequenzabhängige Adaptation der QT-Zeit ist eine Frequenzkorrektur überwiegend nach der Bazett-Formel (QTc) notwendig. QTc-Zeiten ≥ 450 ms bei Männern und ≥460 ms bei Frauen sind pathologisch und sprechen für das Vorliegen eines Long-QT-Syndroms.
Neben der Verlängerung der QT-Zeit muss auch die Morphologie der T-Welle begutachtet werden, die zusätzlich einen Hinweis auf ein Long-QT-Syndrom geben kann. In bestimmten Fällen kann anhand der T-Wellenmorphologie der genetische Subtyp vermutet werden: Patienten mit einem LQT1-Syndrom zeigen üblicherweise eine normal konfigurierte aber sehr breitbasig imponierende T-Welle. Patienten mit einem LQT2-Syndrom hingegen haben meist eine niedrigamplitudige und oft biphasisch konfigurierte T-Welle. Die T-Welle beim LQT3-Syndrom erscheint nach einer unverhältnismäßig langen isoelektrischen ST-Strecke verspätet und spitz (Moss et al. 1995).
Ein unauffälliges EKG mit normaler QTc-Zeit oder EKG mit grenzwertiger QTc-Zeitverlängerung und diskreten Veränderungen der T-Wellenmorphologie schließen ein Long-QT-Syndrom allerdings nicht aus. Die zugrunde liegende Mutation kann durch eine unterschiedliche Penetranz und variable Expression einen unauffälligen oder diskreten Phänotyp zur Folge haben, ohne dass daraus ein fehlendes Arrhythmierisiko gefolgert werden kann. Bei einem genetisch gesicherten Long-QT-Syndrom und normwertiger QT-Zeit besteht ein geringes, aber im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod (Inzidenz eines Herzstillstandes innerhalb der ersten 40 Lebensjahre 4 % oder 0,1 %/Jahr) (Goldenberg et al. 2011; Napolitano et al. 2005). Diese Erkenntnis ist auch für die Erfassung familiärer Fälle und Indikationsstellung zur prophylaktischen Therapie wichtig.

Spezielle EKG-Diagnostik: Langzeit-EKG, Stehversuch, Ergometrie

Besteht der klinische Verdacht auf eine rhythmogene Genese von Synkopen, eine Vorgeschichte eines überlebten Herzstillstandes oder eine Familienanamnese für ein Long-QT-Syndrom müssen auch bei Patienten mit normaler oder grenzwertiger QTc-Zeit zusätzliche Untersuchungen durchgeführt werden. Sie dienen dazu, ein im Ruhe-EKG nicht eindeutig zu erkennendes Long-QT-Syndrom zu demaskieren. Dabei ist die physiologische Regulation der QT-Zeit nach Änderungen der Herzfrequenz zu überprüfen. Bei Vorliegen eines Long-QT-Syndroms kommt es zu einer verzögerten oder fehlenden Frequenzanpassung mit einer relativen QT-Zeit-Verlängerung unter höheren Herzfrequenzen. Das Langzeit-EKG kann erste Hinweise einer pathologischen Frequenzadaptation geben und insbesondere bei Patienten mit einem LQT2- oder LQT3-Syndrom pathologische QT-Zeit Verlängerungen bei niedrigen Herzfrequenzen in Ruhephasen und nachts nachweisen (Nemec et al. 2004).
Ein einfach durchzuführender Stehversuch mit kontinuierlicher 12-Kanal-EKG-Ableitung kann wichtige diagnostische Hinweise liefern (Adler et al. 2012; Viskin et al. 2010). Dazu wird der Patient nach einer zehnminütigen Ruhephase im Liegen aufgefordert aufzustehen, um dann weitere fünf Minuten unter kontinuierlicher 12-Kanal-EKG-Registrierung stehen zu bleiben, wobei die reflektorische Tachykardie im Rahmen der Orthostasereaktion erfasst wird. Die QT-Zeit wird in Ruhe (QTBasis), bei maximaler Herzfrequenz (QTmaxHR), unter maximaler Ausprägung (QTstretch = Zeitpunkt, an dem das Ende der T-Welle der folgenden P-Welle am nächsten kommt) sowie in der Erholungsphase (QTreturn = QT-Zeit nach Erreichen der Ausgangsherzfrequenz) dokumentiert (Adler et al. 2012).
Trotz eines vergleichbaren Anstiegs der Herzfrequenz zeigen Patienten mit einem Long-QT-Syndrom (LQT1 und LQT2) eine unveränderte QT-Zeit bei maximaler Herzfrequenz (QTmaxHR − 2 ± 37 ms) gegenüber einer signifikanten Verkürzung der QT-Zeit bei gesunden Kontrollpersonen (QTmaxHR − 19 ± 26 ms) (nach Frequenzkorrektur: QTcmaxHR + 92 ± 48 ms bei LQTS gegenüber QTcmaxHR + 62 ± 39 ms bei gesunden Kontrollpersonen, p <0.001) (Adler et al. 2012; Viskin et al. 2010). Die maximale QT-Zeit ist ebenso signifikant verlängert (QTcstretch + 103 ± 80 ms bei LQTS gegenüber QTcstretch + 66 ± 40 bei Kontrollpersonen, p <0.001). Darüber hinaus ist die QT-Zeit auch in der Erholungsphase bei Patienten mit Long-QT-Syndrom im Vergleich zu Kontrollpersonen verlängert („stunning“ der QT-Zeit).
Auch das Belastungs-EKG kann in der Differenzierung von Patienten mit Long-QT-Syndrom hilfreich sein. Ein in der vierten Minute der Erholungsphase einer Belastungsuntersuchung geschriebenes EKG mit einer QTc-Zeit >445 ms hat eine Sensitivität von 92 % und Spezifität von 88 %, einen Patienten mit einem LQT1- oder LQT2-Syndrom zu identifizieren (Chattha et al. 2010). Nach Beendigung der Belastung bei Patienten mit einem LQT1-Syndrom können symptomatische von asymptomatischen Patienten durch einen besonders ausgeprägten Herzfrequenzabfall unterschieden werden (Crotti et al. 2012). Repolarisationsstörungen mit Änderungen der T-Wellenmorphologie, die im Stehversuch oder häufig in der Erholungsphase nach Belastung auftreten, sind ebenso wegweisend für das Vorliegen eines Long-QT-Syndroms.

Molekulargenetische Diagnostik

Bei Patienten mit einem Long-QT-Syndrom zeigen 10–40 % der Patienten ein nicht sicher diagnostisches EKG mit einer QTc-Zeit von <460 ms (Vyas et al. 2006). Die Differenzierung eines Long-QT-Syndroms stellt in solchen Fällen eine diagnostische Herausforderung dar. Eine molekulargenetische Untersuchung andererseits kann eine Mutation bei Patienten mit einem Long-QT-Syndrom in bis zu 75 % der Fälle (70 % LQT1 bis LQT3) nachweisen. Die Empfehlungen zur molekulargenetischen Diagnostik primär elektrischer Erkrankungen und kongenitaler Kardiomyopathien wurden 2011 durch die Europäische Herzrhythmusorganisation (EHRA) gemeinsam mit der amerikanischen Heart Rhythm Society (HRS) formuliert (Ackerman et al. 2011). Danach ist eine molekulargenetische Diagnostik bei jedem Indexpatienten mit einem Long-QT-Syndrom indiziert, das durch einen Kardiologen auf der Basis von Anamnese, EKG-Analyse mit Interpretation der QT-Zeit und Repolarisation und/oder auffälligen Befunden einer additiven EKG-Diagnostik vermutet wird (Ackerman et al. 2011). Auch bei fehlenden Symptomen und nach Ausschluss sekundärer Ursachen ist eine Gendiagnostik bei Patienten mit einer zweifelsfreien QT-Zeit-Verlängerung (QTc ≥480 ms bei präpubertären Kindern sowie QTc ≥500 ms bei Erwachsenen) indiziert. Ebenso kann eine Gendiagnostik bei repetitiv gemessenen QTc-Werten ≥460 ms bei präpubertären Kindern und QTc ≥480 ms bei Erwachsenen erwogen werden.
Bei Nachweis einer ursächlichen Mutation soll die Diagnostik unbedingt auf die Familie erweitert werden. Ein diagnostisches und molekulargenetisches Familienscreening ist bei allen Verwandten 1. Grades durchzuführen (Konsensusempfehlungen). Dies gilt insbesondere auch für Verwandte mit einem unauffälligen EKG-Befund. Die Gendiagnostik ermöglicht die Identifizierung asymptomatischer Patienten mit einem Long-QT-Syndrom und lässt eine lebenslange kardiologische Überwachung einleiten sowie prophylaktische Maßnahmen empfehlen wie gegebenenfalls Betablockereinnahme, Hinweise zur Meidung QT-Zeit-verlängernder Medikamente und klinischer Trigger (Schwimmen, Sport, laute Geräusche, siehe oben).
Bei Patienten mit einer medikamentös bedingten QT-Zeit-Verlängerung werden in 10–20 % der Fälle Mutationen, die mit einer QT-Zeit-Verlängerung assoziiert sind, nachgewiesen. Eine molekulargenetische Diagnostik wird empfohlen. Bei Verwandten ersten Grades ist zunächst eine EKG-Diagnostik durchzuführen (Ackerman et al. 2011).
Bei symptomatischen Patienten ergeben sich durch die Diagnose des genetischen Subtyps auch Möglichkeiten einer LQT-subtypspezifischen Therapie: beispielsweise der Einsatz von Natriumkanalblockern (Mexiletin oder Ranolazin) beim LQT3-Syndrom, dem pathophysiologisch ein protrahierter depolarisierender Na+-Einwärtsstrom zugrunde liegt.
Grundvoraussetzung für eine molekulargenetische Diagnostik und deren Erweiterung im Rahmen einer prädiktiven Indikationsstellung auf die Familie ist eine ausführliche Aufklärung und eine genetische Beratung. Nach dem am 1.10.2010 in Kraft getretenen Gendiagnostikgesetz muss diese durch einen Facharzt für Humangenetik oder einen Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie mit einer Qualifikation zur „fachgebundenen genetischen Beratung“ geschehen (Beckmann und Kääb 2012).

Differenzialdiagnostik: durch Medikamente erworbenes Long-QT-Syndrom

Bei Nachweis einer QT-Zeit-Verlängerung muss zunächst eine medikamentös bedingte QT-Zeit- Verlängerung ausgeschlossen werden, die ebenso zu lebensgefährlichen Torsade-de-Pointes-Tachykardien führen kann. Zahlreiche Medikamente können über eine Blockade der schnellen Komponente des verzögert aktivierenden Kaliumgleichrichterstromes (IKr) eine QTc-Zeitverlängerung induzieren. In ca. 20 % liegt dabei zugleich ein Erbdefekt des HERG-Gens vor. Hinweise auf potenzielle Interaktionen und ein erhöhtes Risiko für die Nebenwirkung einer QT-Zeit-Verlängerung finden sich im Beipackzettel von Medikamenten und können auf regelmäßig aktualisierten Webseiten abgefragt werden (www.qtdrugs.org). Ob auch gegenteilige Effekte von Medikamenten mit einer QT-Zeit-verkürzenden Nebenwirkung (siehe auch unten Short-QT-Syndrom) proarrhythmische Effekte haben können, ist derzeit noch ungeklärt (Schimpf et al. 2012).
Andere Ursachen einer QT-Zeit-Verlängerung können pathologische Elektrolytspiegel, eine ausgeprägte linksventrikuläre Hypertrophie, Schenkelblöcke oder eine Takotsubo-Kardiomyopathie sein.

Therapie

Risikostratifizierung von Patienten mit Long-QT-Syndrom

Da Patienten mit einem Long-QT-Syndrom ein unterschiedliches Risiko für einen plötzlichen Herztod haben, sollte zunächst eine Risikostratifizierung versucht werden. Da es aufgrund der geringen Häufigkeit der Erkrankung keine randomisierten Studien gibt, beruhen die Erfahrungen zur Prognose und Therapieeffektivität nur auf kleineren, multizentrischen und meist retrospektiven Analysen.
Die QTc-Zeit ist das beste Kriterium, denn eine QTc-Zeit ≥500 ms zeigt ein hohes Risiko für eine Symptomatik an. Diese kann neben einer Synkope der plötzliche Herztod sein. Eine molekulargenetische Diagnostik kann die Risikostratifizierung der Erkrankung verbessern. So haben Frauen mit einem LQT2-Syndrom und Patienten mit einem LQT3-Syndrom ohne Therapie und einer QTc-Zeit ≥500 ms das höchste Arrhythmierisiko (>50 %) in einem Zeitraum von der Geburt bis zum 40. Lebensjahr (Priori et al. 2003) (Abb. 1). Frauen mit QTc-Zeiten ≤ 500 ms und einem LQT2- oder LQT3-Subtyp sowie Männer mit einem LQT3-Subtyp (QTc-Zeiten ≤500 ms) haben ein mittleres Risiko (30–50 %), ein Ereignis zwischen Geburt und 40. Lebensjahr zu erleiden. Andererseits lassen sich Patienten mit einer gering verlängerten QTc-Zeit nicht grundsätzlich in eine Niedrigrisikogruppe einstufen, da inzwischen zahlreiche weitere komplexe genetische Modulatoren bekannt sind, die das Risiko erhöhen können.

Allgemeinmaßnahmen

Zu den Allgemeinmaßnahmen zählen die Vermeidung der oben angeführten klinischen Trigger wie Schwimmen, Sport und dadurch starker Frequenzreduktion am Ende der Belastungsphase bei LQT1, laute Geräusche, Schreckreaktionen bei LQT2. Potenziell QT-Zeit-verlängernde Medikamente dürfen nicht eingenommen werden. Ausgeglichene oder hochnormale Elektrolytspiegel müssen gehalten werden (LQT2).

Medikamentöse Therapie

Die meisten Episoden lebensbedrohlicher Arrhythmien entstehen beim Long-QT-Syndrom durch eine plötzliche Zunahme der Sympathikusaktivität, vermittelt durch die linkskardialen sympathischen Nervenfasern. Eine antiadrenerge Therapie mit einem Betablocker stellt deshalb unverändert die Standardtherapie des Long-QT-Syndroms dar. Sie ist – eine strikte Compliance vorausgesetzt – besonders beim LQT1-Subtyp hocheffektiv. Die Betablockertherapie bei Patienten mit einem LQT2- und LQT3-Subtyp ist insgesamt weniger wirksam. Nicht alle Betablocker weisen allerdings die gleiche antiarrhythmische Effektivität auf. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die unselektiven Betabocker Propranolol (2–3 mg/kg KG/Tag) und Nadolol (1–1,5 mg/kg KG/Tag) deutlich effektiver als β1-selektive Betablocker (Metroprolol) in der Verhinderung rhythmogener Ereignisse sind. Zudem verkürzt Propranolol die QTc-Zeit signifikant im Vergleich zu Nadolol vor allem bei Hochrisikopatienten mit erheblich verlängerter QTc-Zeit (Chockalingam et al. 2012). Bei Patienten mit einem LQT3-Subtyp ist eine Therapie mit dem Natriumkanalblocker Mexiletin möglich, der zu einer Verkürzung der QTc-Zeit führt und antiarrhythmisch wirksam ist. Allerdings gibt es Hinweise, dass dieser Effekt mutationsspezifisch ist und bei bestimmten Mutationen auch das Gegenteil – eine QTc-Zeitverlängerung – bewirken kann (Ruan et al. 2010). Eine solche Therapie bei hochsymptomatischen Patienten oder Kindern bleibt daher spezialisierten Zentren vorbehalten.

ICD-Therapie

Bei Patienten mit einem Long-QT-Syndrom besteht nach überlebtem Herzstillstand die Indikation zur Implantation eines intrakardialen Defibrillators (ICD). Ebenso besteht eine ICD-Indikation bei erneuten Synkopen trotz einer regelmäßig durchgeführten medikamentösen Therapie sowie in bestimmten Fällen als Primärprophylaxe bei Hochrisikopatienten. Der ICD ist die effektivste Methode zur Verhinderung eines plötzlichen Herztodes. Man muss aber beachten, dass die meist jungen Patienten mit zu erwartenden häufigen ICD-Systemwechseln quoad vitam ein längerfristig erhöhtes Risiko für geräteassoziierte Nebenwirkungen aufweisen (Geräte- und Elektrodendysfunktionen, inadäquate ICD-Schocktherapien etc.). Die Notwendigkeit einer differenzierten Indikationsstellung einer ICD-Therapie zeigen Daten des europäischen ICD-Registers von Patienten mit einem Long-QT-Syndrom. Die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes des ICD durch eine Schocktherapie ist gegeben, wenn folgende Kriterien vorhanden sind: Alter <20 Jahre bei Implantation, QTc-Zeit ≥500 ms, Vorgeschichte eines Herzstillstandes und Synkopen trotz medikamentöser Therapie. War keiner dieser Faktoren vorhanden, kam es zu keinen ICD-Interventionen (Schocktherapie) (Schwartz et al. 2010).
Wurden Patienten in Verbindung mit einer medikamentös induzierten QT-Zeit-Verlängerung reanimiert, scheint dieses Kollektiv trotz strikter Meidung solcher Substanzen und normaler QT-Zeit ein erhöhtes plötzliches Herztodrisiko zu haben, denn 44 % der behandelten Patienten erlitten in einem Zeitraum von sieben Jahren eine erneute Episode einer ventrikulären Tachyarrhythmie ohne Einnahme einer QT-Zeit-verlängernden Substanz und unabhängig, ob eine begleitende strukturelle Herzerkrankung vorlag oder nicht (Monnig et al. 2012).

Sympathische Denervation

In ausgewählten Fällen (selten) besteht die therapeutische Option einer operativen Ausschaltung der ersten vier linksseitigen thorakalen sympathischen Ganglien („left cardiac sympathetic denervation“, LCSD). Hierzu zählen Patienten aus der Hochrisikogruppe mit exzessiv verlängerten QTc-Zeiten, mit häufigen Synkopen und Herzstillständen, mit Ineffektivität oder Intoleranz einer Betablockertherapie und mit multiplen ICD-Schockinterventionen. An diese Maßnahme muss gedacht werden beispielsweise vor der ICD-Implantation bei hochsymptomatischen Kindern in Anbetracht der möglichen relevanten Nebenwirkungen eines ICD (z. B. inadäquate Schockabgaben und deren gravierenden psychologischen Folgen).

Verlauf und Prognose

Unter den Indexpatienten beträgt die Mortalität eines unbehandelten Long-QT-Syndroms ungefähr 50 %. Synkopen vor dem siebten Lebensjahr, eine QTc-Zeit ≥500 ms sowie die Existenz der Subtypen LQT2 und LQT3 sind Risikokonstellationen für einen prognostisch ungünstigen Verlauf beim Long-QT-Syndrom (Jons et al. 2010). Die Familienanamnese von Patienten mit einem Long-QT-Syndrom ergab allerdings auch, dass bis zu 5 % der Patienten mit normaler QT-Zeit die Vorgeschichte einer Synkope oder eines Herzstillstand hatten.
Die Mortalität 15 Jahre nach der ersten Synkope von Patienten, die medikamentös oder interventionell (Betablocker, LCSD) behandelt wurden, betrugt 9 % im Vergleich zu 60 % der unbehandelten Patienten (Schwartz 1985). Trotzdem erleiden immer noch ca. 20–30 % der Patienten unter einer medikamentösen Therapie ein erneutes rhythmogenes Ereignis (Synkope, ICD-Intervention, plötzlicher Herztod). Dies kann durch eine fehlende Compliance der Medikamenteneinnahme, durch den Typ des Betablockers (siehe oben) und durch epigenetische Faktoren, die das Arrhythmierisiko beeinflussen, begründet sein. Patienten mit einem LQT3-Syndrom haben eine Rezidivrate von 10–15 % trotz Betablockertherapie und benötigen dann eine weitergehende Therapie (Antiarrhythmika, ICD).

Besondere Aspekte

Schwangerschaft und Long-QT-Syndrom

Die Geschlechtshormone beeinflussen wechselnd das arrhythmogene Risiko von Patienten mit einem Long-QT-Syndrom. Tierexperimentelle Untersuchungen zeigten einen proarrhythmischen Effekt von Estradiol, aber einen antiarrhythmischen Effekt von Progesteron (Odening et al. 2012). Patientinnen mit einem LQT1- oder LQT2-Syndrom haben außerhalb der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für Synkopen und den plötzlichen Herztod im Vergleich zu Männern. Das Risiko für rhythmogene Ereignisse ist während der Schwangerschaft reduziert, aber vor allem bei Patientinnen mit einem LQT2-Syndrom in den ersten neun Monaten postpartum deutlich erhöht (Seth et al. 2007). Daher ist insbesondere in diesem Zeitraum bei Patientinnen mit bekanntem Long-QT-Syndrom auf eine hohe Compliance der Medikamenteneinnahme zu achten.
Nach Geburt des Kindes einer Patientin mit einem Long-QT-Syndrom sollte ein EKG des Kindes geschrieben und vor Entlassung ein kinderkardiologisches Zentrum mit Erfahrung in der Behandlung von Long-QT-Syndromen konsultiert werden. Eine molekulargenetische Diagnostik ist sinnvoll.

Plötzlicher Kindstod und Long-QT-Syndrom

Die Aufklärung von Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod (SIDS) mit Empfehlungen zur Lagerung, Bekleidung und rauchfreien Umgebung des Säuglings führte in den letzten Jahren zu rückläufigen SIDS-Fällen. Dennoch kommt es immer noch zu Ereignissen eines plötzlichen Kindstodes. Außer Nichtbeachtung oder Unkenntnis der genannten Empfehlungen konnten in den letzten Jahren neben hereditären Kardiomyopathien auch primär elektrische Erkrankungen als potenzielle Ursachen identifiziert werden. So ist beispielsweise das Long-QT-Syndrom für ungefähr 10 % der SIDS-Fälle verantwortlich (Arnestad et al. 2007).

Pendant des Long-QT-Syndroms: das Short-QT-Syndrom

Im Jahre 2000 wiesen erstmals Gussak und Mitarbeiter die Existenz eines Short-QT-Syndroms bei einer Familie mit Häufung von Vorhofflimmern junger Patienten und einer nicht verwandten jungen Frau, die einem plötzlichen Herztod erlegen war, nach. Alle diese Fälle zeigten im EKG die Auffälligkeit einer extremen Verkürzung der QT-Zeit (Gussak et al. 2000). Drei Jahre später wiesen wir die Häufung eines familiären plötzlichen Herztodes in zwei europäischen Familien mit verkürzter QT-Zeit nach (Brugada et al. 2004; Gaita et al. 2003). Inzwischen wurde das Short-QT-Syndrom als seltene eigenständige primär elektrische Erkrankung etabliert (Abb. 2). Bei ca. 20 % der Patienten wurde eine ursächliche Mutation, meist eine „gain of function“ des HERG-Ionenkanals (KCNH2, Ionenstrom IKr) nachgewiesen (Giustetto et al. 2011).
Interessanterweise handelt es sich bei vier inzwischen molekulargenetisch diagnostizierten Subtypen des Short-QT-Syndroms um das funktionelle Pendant bereits bekannter Unterformen des Long-QT-Syndroms mit entsprechend gegensätzlich gestörter Ionenkanalfunktion („gain of function“ oder „loss of function“, Tab. 3). Klinisch manifestiert sich diese Erkrankung durch Häufung von Vorhofflimmern (teilweise bereits beim Jugendlichen), von Synkopen und eines plötzlichen Herztodes. Auch einige Fälle eines plötzlichen Kindstodes ließen sich ursächlich auf das Vorliegen eines Short-QT-Syndroms zurückführen (Giustetto et al. 2006). Die QT-Zeit der Patienten mit einem Short-QT-Syndrom liegt <330 ms (QTc). Elektrophysiologisch zeichnen sich die Patienten durch eine erhebliche Verkürzung sowohl der atrialen als auch ventrikulären Refraktärzeiten aus (Gaita et al. 2003).
Tab. 3
Subtypen des Short-QT-Syndroms mit korrespondierendem Subtyp des Long-QT-Syndroms in Abhängigkeit von der Funktionsstörung des Ionenkanals
Subtyp
Gen
Protein
SQTS
LQTS
Subtyp
SQT1
KCNH2
IKr-Kaliumkanal α-Untereinheit (HERG)
Gesteigerter Auswärts-K+-Strom (IKr)
Reduzierter Auswärts-K+-Strom (IKr)
LQT2
SQT2
KCNQ1
IKs-Kaliumkanal α-Untereinheit (KvLQT1)
Gesteigerter Auswärts-K+-Strom (IKs)
Reduzierter Auswärts-K+-Strom (IKs)
LQT1
SQT3
KCNJ2
IK -Kaliumkanal (Kir2.1)
Gesteigerter Auswärts-K+-Strom (IK1)
Reduzierter Auswärts-K+-Strom (IK1)
LQT7
SQT4
CACNA1c
L-Typ-Kalziumkanal α-Untereinheit (Cav1.2)
Reduzierter Ca2+-Strom (ICa)
Gesteigerter Ca2+-Strom (ICa)
LQT8
SQT5
CACNB2b
L-Typ-Kalziumkanal β2-Untereinheit (Cavβ2b)
Reduzierter Ca2+-Strom
SQT6
CACNA2D1
L-Typ-Kalziumkanal δ1-Untereinheit (Cavα2δ-1)
Reduzierter Ca2+-Strom
Überlappungsformen von Short-QT-Syndrom und Brugada-Syndrom haben mit 350–370 ms grenzwertig verkürzte QTc-Zeiten (Kap. Brugada-Syndrom) (Antzelevitch et al. 2007).
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