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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Martin Dreyling
Publiziert am: 22.01.2019

Niedrig maligne Lymphome

Maligne Lymphome (NHL) umfassen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des lymphatischen Systems. Die WHO-Klassifikation 2017 unterscheidet anhand morphologischer, immunhistochemischer und genetischer Marker Vorläuferneoplasien (akute lymphatische Leukämien) und reife Neoplasien, die von B-Zellen, T-Zellen oder Natural-Killer-(NK-)Zellen abstammen (z. B. die eigentlichen malignen Lymphome).

Definition und Einleitung

Maligne Lymphome (NHL) umfassen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des lymphatischen Systems. Die WHO-Klassifikation 2017 unterscheidet anhand morphologischer, immunhistochemischer und genetischer Marker Vorläuferneoplasien (akute lymphatische Leukämien) und reife Neoplasien, die von B-Zellen, T-Zellen oder Natural-Killer-(NK-)Zellen abstammen (z. B. die eigentlichen malignen Lymphome).
WHO-Klassifikation der lymphatischen Neoplasien
  • Vorläuferzellneoplasien
  • Reife B-Zell-Neoplasien
  • Reife T-Zell- und NK-Zell-Neoplasien
  • Posttransplantat-assoziierte Lymphoproliferation (PTLD)
Klinische Eigenschaften der unterschiedlichen Erkrankungen gehen in diese Klassifikation nicht ein, und dementsprechend findet sich in dieser Klassifikation keine Aufteilung in niedrig oder hoch maligne B-Zell-Lymphome. Allerdings ist diese Unterscheidung im klinischen Alltag weiterhin gebräuchlich.
Im Gegensatz zu den hoch malignen Lymphomen präsentieren sich die niedrig malignen Lymphome häufig mit einer langsam, häufig über Jahre progredienten Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie, Zytopenie und B-Symptomen. Zudem findet sich bei bis zu 35 % der Patienten initial und bei bis zu 50 % der Patienten im Verlauf ein extranodaler Befall. Seltener finden sich Rash, Juckreiz, Fatigue, Fieber und Ergüsse. Allerdings sind innerhalb einer Krankheitsentität sehr unterschiedliche Verläufe und Manifestationen der Erkrankung möglich.
Die häufigsten indolenten Lymphome sind das follikuläre Lymphom (25 % aller malignen Lymphome), das in der WHO-Klassifikation mit der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) zusammengefasste „small lymphocytic lymphoma“ (SLL), das nodale, extranodale und splenische Marginalzonenlymphom (Abschn. 7.2), das lymphoplasmazytische Lymphom (Morbus Waldenström, Abschn. 7.3), das klinisch häufig rasch progredient verlaufende Mantelzelllymphom (Abschn. 7.4) und die seltene Haarzellleukämie.

Physiologie der niedrig malignen Lymphome

Maligne Lymphome gehen zu mehr als 90 % von B-Zellen aus und können sich zu jedem Zeitpunkt der B- und T-Zell-Ontogenese entwickeln.
In der B-Zell-Ontogenese kommt es während der Keimzentrumsreaktion zu 2 wesentlichen physiologischen genetischen Modifikationen, im Rahmen derer onkogene Mutationen erworben werden können: Während der sog. „Class-Switch“-Rekombination kommt es zu einem Immunglobulin-Klassenwechsel von IgM zu IgG, IgA oder IgE. Weiterhin kommt es im Rahmen der somatischen Hypermutation unter Antigeneinfluss zu Punktmutationen, kleinen Deletionen oder Insertionen in den variablen Regionen der Immunglobulin-Schwer- und -Leichtkettengene. Dieser Prozess läuft neben anderen unter Kontrolle des Enzyms AID („activation-induced deaminase“) ab. Die durch die Aktivität dieses Enzyms vermittelte genomische Instabilität kann zu chromosomalen Translokationen zwischen Onkogenen und dem Immunglobulinlokus führen. Beispiele hierfür sind die Translokation t(14;18)(q32;q21), die beim follikulären Lymphom zu einer Überexpression des antiapoptotischen Proteins Bcl2 führt, oder die Translokation t(11;14)(p13;q11), die beim Mantelzelllymphom zu einer Überexpression von Cyclin D1 führt. Cyclin D1 beschleunigt den Übertritt von der G1- in die S-Phase des Zellzyklus und führt zu einem Proliferationsvorteil der malignen Zellen. Allerdings scheinen diese Translokationen alleine nicht ausreichend für die klinische Manifestation eines malignen Lymphoms zu sein. So lässt sich die Translokation t(14;18) bei gesunden älteren Menschen ebenso nachweisen wie klonale Zellen vom Immunphänotyp der CLL (monoklonale B-Zell-Lymphozytose, MBL). Durch klonale Evolution werden im Laufe des Krankheitsprogresses weitere Mutationen in der prämalignen Zelle erworben, die letztlich zum Ausbruch der Erkrankung führen.
Ein weiterer Pathomechanismus ist die Integration viraler Genome. Insbesondere das Ebstein-Barr-Virus (EBV), das humane T-Zell-lymphotrope Virus I (HTLV-I) und das humane Herpesvirus-8 (HHV-8) sind als transformierende Viren für maligne Lymphome beschrieben.

Epidemiologie, Alter, Gender

Indolente Lymphome sind Erkrankungen des höheren Lebensalters. Das häufigste indolente Lymphom ist das follikuläre Lymphom, das in den USA einen Anteil von ca. 25 % an allen Lymphomen hat. Das Verhältnis von betroffenen Männern zu Frauen ist ausgeglichen. Kaukasier scheinen häufiger als Afroamerikaner, Asiaten oder Südamerikaner betroffen zu sein. Das mittlere Erkrankungsalter ist 60 Jahre. Pädiatrische Patienten sind sehr selten und werden als Krankheitssubentität in der WHO-Klassifikation geführt.
Im Gegensatz zum follikulären Lymphom ist das Mantelzelllymphom deutlich seltener und macht in den USA ca. 6 % der jährlich neudiagnostizierten Lymphomerkrankungen aus. Männer sind deutlich häufiger als Frauen betroffen. Mit steigendem Lebensalter nimmt die Krankheitsinzidenz zu.
Obwohl einige epidemiologische Studien darauf hinweisen, dass äußere Umweltfaktoren (z. B. verschiedene Chemikalien und Herbizide) eine wichtige Rolle in der Ätiologie der Non-Hodgkin-Lymphome spielen, sind diese Zusammenhänge noch nicht in großen Feldstudien bestätigt worden.

Klinik

In den meisten follikulären Lymphomen stehen zervikale, axilläre oder inguinale Lymphknotenschwellungen im Vordergrund. Meist ist die Erkrankung bereits bei Erstdiagnose im fortgeschrittenen Stadium. In bis zu 20 % der Fälle kommt es zu einer vorübergehenden Regression der Läsionen. Im Gegensatz zu hoch malignen Lymphomen sind große Mediastinaltumoren selten. Größere abdominelle Lymphknoten sind meist asymptomatisch, nur selten kommt es zu einem Ileus oder einer Hydronephrose. Neben nodalen Läsionen können im Rahmen eines Extranodalbefalls selten andere Organe betroffen sein. Ausnahme ist hier das extranodale Marginalzonenlymphom, bei dem es auf dem Boden von Infekten oder Autoimmunerkrankungen häufig zum Befall von Organstrukturen, am häufigsten des Magens, der Konjunktiven, der Parotis oder der Schilddrüse und der Lunge kommt. Im Gegensatz zum diffus großzelligen B-Zell-Lymphom ist ein ZNS-Befall selten. In ca. 20 % der Fälle kommt es zu B-Symptomen (unerklärtes Fieber, Nachtschweiß mit Wäschewechsel, unerklärter Gewichtsverlust). Durch die Knochenmarkinfiltration kann es speziell beim splenischen Marginalzonenlymphom und Morbus Waldenström häufig zu Zytopenien kommen.

Diagnostik

Die Ausgangsdiagnostik (Tab. 1) dient der genauen Festlegung des Krankheitsstadiums (Staging). Eine Lymphknotenbiopsie ist zur sicheren Diagnosestellung unerlässlich, eine zytologische Untersuchung ist nicht ausreichend. Aufgrund der vielfältigen Therapieoptionen ist bei Erstdiagnose ein vollständiges Ausgangs-Staging obligat, da eine zuverlässige Stadieneinteilung von prognostischer und therapeutischer Relevanz ist. Die Einleitung einer Notfalltherapie ohne Vorliegen der exakten histologischen Diagnose und der vollständigen Ausgangsuntersuchungen ist aufgrund des chronischen Verlaufs der Erkrankung nur in Ausnahmefällen indiziert.
Tab. 1
Stadien nach den Ann-Arbor-Kriterien
Stadium
Kriterien
I
Befall einer Lymphknotenregion oder einer extranodalen Lokalisation
II
Befall von ≥2 Lymphknotenregionen oder extranodalen Lokalisationen auf derselben Seite des Zwerchfells
III
Befall von Lymphknotenregionen oder extranodalen Lokalisationen auf beiden Seiten des Zwerchfells
IV
Diffuser oder disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe (z. B. Knochenmark, Leber, Lunge) mit oder ohne Lymphknotenbefall
Eine Positronen-Emissions-Tomografie-(PET-)Untersuchung ist in der Bildgebung potenziell der Computertomografie (CT) überlegen. Eine Auswertung von PET-Daten der PRIMA-Studie zeigte dass Patienten mit PET-positivem Befund nach der Induktionstherapie ein kürzeres progressionsfreies Überleben haben als PET-negative Patienten. Beim Großteil der Fälle ergeben sich jedoch sowohl beim Ausgangs-Staging (Ausnahme: frühes Stadium I/II) als auch den Abschlussuntersuchungen aus einem positiven Befund keine therapeutischen Konsequenzen (Trotman et al. 2018).
Nach den internationalen Lugano-Kriterien sollte auch beim follikulären Lymphom ein PET-CT nach Abschluß der Therapie erfolgen (cave: in Deutschland keine Kostenerstattung). Speziell in den seltenen Fällen den seltenen Fällen eines lokalisierten Stadiums I/II oder bei Verdacht auf eine sekundäre Transformation wird eine solche Diagnostik empfohlen.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnosen der meist im Vordergrund stehenden Lymphadenopathie sind vielfältig, allerdings kann durch eine gezielte Lymphknotenexstirpation oder -biopsie in den meisten Fällen die definitive Diagnose gestellt werden.
Benigne Differenzialdiagnosen umfassen akute oder chronische, häufig virale Infektionskrankheiten (EBV, HIV, CMV, Toxoplasmose), und die Sarkoidose. Maligne Erkrankungen umfassen nodale Metastasen solider Tumoren ebenso wie den Befall durch maligne Lymphome oder akute Leukosen.
Im histopathologischen Bild ahmt das follikuläre Lymphom die physiologische Lymphknotenarchitektur nach. Gelegentlich kann eine Unterscheidung zur reaktiven follikulären Hyperplasie schwierig sein. Hier hilft die Immunhistochemie mit dem charakteristischen Nachweis der BCL-2-Überexpression.

Therapie

In fortgeschrittenen Stadien besteht eine Behandlungsindikation erst bei klinischer Symptomatik, großer Tumorlast oder hämatopoetischer Insuffizienz. Auf der andere Seite sind niedrig maligne Lymphome im Allgemeinen zunächst gut zu behandeln und sprechen je nach Lymphomentität und eingesetzter Therapie in über 90 % der Fälle auf eine Therapie an. Allerdings kommt es bei vielen Patienten im langjährigen Verlauf zum Rezidiv mit abnehmendem Ansprechen und höherer Aggressivität, ein Übergang in ein hoch malignes Lymphom wird mit einer Latenz von bis zu 20 Jahren in bis zu 25 % der Fälle beobachtet. Trotz der deutlichen Fortschritte durch die Kombination konventioneller Chemotherapie mit monoklonalen Antikörpern oder immunmodulierenden Substanzen bleibt die Therapie der niedrig malignen Lymphome damit formal palliativ.

Follikuläres Lymphom

In den bei 15–20 % der Patienten vorliegenden frühen Krankheitsstadien I und II ist die lokale Strahlentherapie („involved field“ zur Verringerung der Nebenwirkungen; Gesamtdosis 24–30 Gy) mit kurativer Intention die Therapie der Wahl.
Phase-II-Studien zeigen, dass nur im Stadium I und Lymphknoten <2–3 cm auch nach 10 Jahren ca. 80 % der Patienten nach lokaler Strahlentherapie weiterhin krankheitsfrei bleiben. Im Stadium II bzw. bei größeren Lymphknoten (>3–5 cm) rezidivieren dagegen die Mehrheit der Patienten innerhalb der 1. Dekade. Bei größeren Strahlenfeldern (z. B. abdomineller Bulk) treten gehäuft Nebenwirkungen auf, so dass in strahlensensitiven Arealen von dieser Behandlungsoption abzusehen ist. In einer Phase-II-Studie erzielte eine Kombination der Strahlentherapie mit Rituximab im historischen Vergleich eine ebenso gute Langzeitwirkung wie Großfeldbestrahlungen.
Fortgeschrittene Stadien des follikulären Lymphoms sind die Domäne der systemischen Therapie. Allerdings gilt bei asymptomatischen Patienten aufgrund zahlreicher Vergleichsstudien weiterhin ein abwartendes Verhalten. In Deutschland erfolgt eine systemische Therapie üblicherweise nur bei klinischer Symptomatik, großer Lymphommasse und rascher Dynamik.
Durch die gute Verträglichkeit des Anti-CD20-Antikörpers Rituximab in der Monotherapie und die exzellente Wirksamkeit in der Immunchemotherapie wurde dieser Ansatz infrage gestellt, allerdings fehlen weiterhin Studien zum Nachweis eines Überlebensvorteils bei frühzeitiger Rituximab-Monotherapie. Je nach Allgemeinzustand, Alter und Komorbidität ist daher der Goldstandard in der ersten und in den weiteren Therapiephasen eine Immunchemotherapie mit Obinutuzumab/Rituximab und CHOP, Bendamustin oder CVP, gefolgt von einer zweijährigen Antikörper-Erhaltungstherapie (Abb. 1) (Salles et al. 2011; Marcus et al. 2017). Die Wahl des optimalen Chemotherapiepartners ist nicht abschließend geklärt, allerdings scheint eine Kombination von Obinutuzumab/Rituximab und Bendamustin zumindest ebenbürtig zu sein und weist eine geringere Akuttoxizität als das Standardregime G/R-CHOP auf. Andererseits sollte speziell bei sekundärer Transformation der Einsatz von Anthrazyklinen vorgezogen werden (Dreyling et al. 2016). Im Anschluss an die Immunchemotherapie ist eine Antikörper-Erhaltung indiziert (Salles et al. 2011; Marcus et al. 2017). Neben der Immunchemotherapie ist die immunmodulatorisch wirksame Substanz Lenalidomid in Kombination mit Rituximab beim follikulären Lymphom hoch wirksam (cave: außerhalb der Zulassung!).
Für die Therapie in der Rezidivsituation gilt wie bei der Erstlinientherapie, dass die Therapieeinleitung erst bei klinischer Symptomatik indiziert ist. Es gibt keinen Standard für die Rezidivtherapie, und die Optionen reichen von einer Wiederholung der Erstlinientherapie über andere Immunchemotherapie-Kombinationen bis zur Radioimmuntherapie oder Hochdosistherapie. In ausgewählten Fällen kann eine allogene Blutstammzelltransplantation erwogen werden, die allerdings das Risiko einer hohen Toxizität birgt. Die Auswahl des geeigneten Therapieregimes sollte sich am klinischen Bild und der Verträglichkeit der Vortherapie orientieren (Tab. 2).
Tab. 2
Therapeutischer Algorithmus beim follikulären Lymphom
Niedrige Tumorlast
Hohe Tumorlast
Stadium I/II
Stadium III/IV
Stadium III/IV (<65 Jahre)
Stadium III/IV (>65 Jahre)
Strahlentherapie („involved site“) 24–30 Gy +/− Rituximab
In ausgewählten Fällen: „watch and wait“
„Watch and wait“
Bei Symptomen: Rituximab-Monotherapie oder Immunchemotherapie
Immunchemotherapie (B-G/R, G/R-CHOP, G/R-CVP)
In ausgewählten Fällen: Rituximab-Monotherapie
Immunchemotherapie (B-G/R, G/R-CHOP, G/R-CVP)
In ausgewählten Fällen: Rituximab-Monotherapie
  
CR/PR: G/R-Erhaltungstherapie (für 2 Jahre)
CR/PR: G/R-Erhaltungstherapie (für 2 Jahre)
1. Rückfall/Progress
In ausgewählten Fällen: palliative Radiatio (z. B. 2x2 Gray)
Immunchemotherapie (B-G/R, G/R-CHOP, G/R-CVP)
Diskussion autologe Stammzelltransplantation (Frührezidive)
In ausgewählten Fällen: Rituximab-Monotherapie
• Idelalisib (doppelt refraktär)
Lenalidomid-Rituximab
(Zulassung in 2019 erwartet)
In Abhängigkeit von Vortherapie und Remissionsdauer:
• Immunchemotherapie (B-G/R, G/R-CHOP, G/R-CVP)
• Diskussion autologe Stammzelltransplantation (Frührezidive)
• Antikörper-Erhaltung (2 Jahre)-Erhaltung (für 2 Jahre)
• Alternativ: Radioimmuntherapie
• Idelalisib (doppelt refraktär)
Lenalidomid-Rituximab
(Zulassung in 2019 erwartet)
• In ausgewählten Fällen: allogene Transplantation
In Abhängigkeit von Vortherapie und Remissionsdauer:
• Immunchemotherapie (B-G/R, G/R-CHOP, G/R-CVP) Antikörper-Erhaltung (2 Jahre)
• Alternativ: Radioimmuntherapie
• Idelalisib (doppelt refraktär)
Lenalidomid-Rituximab
(Zulassung in 2019 erwartet)
Im Rezidiv ist besonders die Möglichkeit einer Transformation in einen höheren Grad, wie z. B. ein follikuläres Lymphom°IIIb oder ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom, auszuschließen. Klinisch kommt es in diesen Fällen zu einer rasch progredienten Lymphadenopathie, Extranodalbefall, insbesondere zu ZNS-Befall, und ausgeprägter B-Symptomatik. Laborchemisch lässt sich in diesen Fällen häufig eine erhöhte Laktatdehydrogenase (LDH) als Surrogatmarker für den Zellumsatz dokumentieren. In diesem Fall ist eine erneute Lymphknotenbiopsie unerlässlich, da eine solche Transformation in ein hoch malignes Lymphom therapeutische Konsequenzen zur Folge hat.

Marginalzonenlymphom

Unter der Diagnose Marginalzonenlymphom werden die extranodalen (speziell MALT: „mucosa-associated lymphoid tissue lymphoma“) sowie das splenische und die selteneren nodalen Lymphome zusammengefasst. Insbesondere bei den beiden letzteren Subtypen kann die Abgrenzung zu anderen indolenten Lymphomen (follikuläres Lymphom, Immunozytom) in manchen Fällen allerdings schwierig sein.
Das gastrische MALT-Lymphom stellt die häufigste Manifestation dar und entwickelt sich aus einer chronischen bakteriellen Infektion (Helicobacter pylori [Hp], Abb. 2). In frühen Stadien stellt die Hp-Eradikation die etablierte Therapie von indolenten Hp-positiven MALT-Lymphomen mit sehr guter Langzeitprognose dar. Bei Hp-negativen Patienten oder bei persistierendem Lymphom nach erfolgreicher Hp-Eradikation erfolgt eine involved site radiatio mit sehr günstiger Langzeitprognose. Im Fall eines fortgeschrittenen Stadiums erfolgt eine systemische Immunchemotherapie bei Entwicklung Lymphom-assoziierter Symptome.
Das splenische Marginalzonenlymphom befällt die Milz, Lymphkonten im Milzhilus sowie das Knochenmark. Andere periphere Lymphknoten sind nur selten betroffen. Klinisch manifestiert sich das splenische Marginalzonenlymphom durch lokale Symptome der Splenomegalie sowie durch Zytopenien und den Hypersplenismus. Auch das splenische Marginalzonenlymphom zeichnet sich durch einen sehr indolenten Verlauf mit medianem Überleben von mehr als 10 Jahren aus. Dementsprechend erfolgt eine Therapie erst bei Symptomen. Je nach Krankheitsverlauf, Symptomatik und Allgemeinzustand können eine Splenektomie, eine Rituximab-Monotherapie oder eine milde Rituximab-basierte Immunchemotherapie erwogen werden.
Ca. 10 % der Marginalzonenlymphome sind primär nodal. Für die Therapie des nodalen Marginalzonenlymphoms orientiert sich die Therapie an den Richtlinien für das follikuläre Lymphom. Im Fall einer symptomatischen Erkrankung ist eine Rituximab-basierte Immunchemotherapie indiziert, wodurch lang anhaltende Remissionen erzielt werden.

Lymphoplasmozytisches Immunozytom (Morbus Waldenström)

Der Morbus Waldenström ist durch eine charakteristische IgM-Makroglobulinämie mit monoklonalen Proteingradienten sowie Knochenmarkinfiltration ohne größere Lymphknotenmassen gekennzeichnet. Nach der aktualisierten WHO-Klassifikation beschränkt sich diese Diagnose ausschließlich auf die Histologie eines lymphoplasmozytischen Immunozytoms. Pathogenetisch scheint eine MYD88-Mutation, die in der überwiegenden Zahl der Patienten identifiziert werden kann und den NF-kB-Signalweg aktiviert, von entscheidender Bedeutung zu sein. Durch das Paraprotein kann es zu einem Hyperviskositätssyndrom mit Schwindel, Schleimhautblutungen, Sehstörungen und Ablagerungen in Gewebe mit Organfunktionsstörungen kommen. Weitere Komplikationen sind eine Hämolyse durch Kälteagglutinine, Raynaud-Syndrom, Nierenfunktionsstörungen und eine periphere Neuopathie (Abb. 3).
Wie bei den anderen niedrig malignen Lymphomen gibt es derzeit keinen kurativen Ansatz, weswegen eine Therapie erst bei krankheitsspezifischen Symptomen indiziert ist, wie Zytopenien, das Hyperviskositätssyndrom, Organomegalien, Neuropathie, Amyloidose, Kryoglobulinämie oder Hämolyse. Bei hohen Serum-IgM-Werten mit drohendem oder bereits vorhandenem Hyperviskositätssyndrom kann notfallmäßig durch Plasmapheresen am raschesten eine Senkung der Paraprotein-Konzentration erreicht werden. Unmittelbar im Anschluss daran sollte eine systemische Therapie erfolgen, im Regelfall eine Immunchemotherapie mit Rituximab und BEndamustin oder anderes Alkylanz. Im Rezidiv ist, vor allem bei kurzer erster Remission in jüngeren Patienten, eine nachfolgende Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation zu diskutieren, bei der Mehrheit der älteren Patienten weist Ibrutinib eine hohe Wirksamkeit auf und erzielt lang anhaltende Remissionen (Dimopoulos et al. 2018).

Mantelzelllymphom

Allgemein weist das Mantelzelllymphom einen aggressiveren Verlauf auf, sodass in der Regel eine Therapieeinleitung sofort nach Diagnosestellung indiziert ist. Anders als beim follikulären Lymphom hat eine alleinige Radiotherapie im Allgemeinen keinen Stellenwert in der Therapie des Mantelzelllymphoms (Dreyling et al. 2017). In den seltenen lokalisierten Krankheitsstadien mit geringer Tumorlast sind zwar vereinzelt Langzeitremissionen beschrieben, meist kommt es nach ausschließlicher Radiotherapie jedoch innerhalb kurzer Zeit zum Rezidiv.
Durch den Einsatz des Anti-CD20-Antikörpers Rituximab konnte eine wesentliche Verbesserung in der Therapie des Mantelzelllymphoms erreicht werden. Dennoch ist aufgrund des aggressiven klinischen Verlaufs bei jungen Patienten eine dosisintensivierte Therapie anzustreben. In diesem Fall stellt eine Cytarabin-haltige Induktion gefolgt von einer Hochdosistherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation und nachfolgender Rituximab-Erhaltung die aktuelle Standardtherapie dar, die in der Regel lang anhaltende Remissionen erzielt. Dagegen scheint die Effektivität einer Hochdosistherapie bei multipel vorbehandelten Patienten nur begrenzt zu sein, weshalb dieses Therapieverfahren allgemein schon in erster Remission als konsolidierendes Verfahren empfohlen wird. In Analogie zum follikulären Lymphom ist beim älteren Patienten im Anschluss an eine konventionelle Immunchemotherapie eine Rituximab-Erhaltungstherapie indiziert, die zu einer deutlichen Verlängerung der Überlebensraten führt (Abb. 4).
Im Rezidiv stehen speziell bei kurzen Remission auf eine Chemotherapie gezielte Therapiestrategien im Vordergrund (Ibrutinib oder Lenalidomid +/-Rituximab).

Verlauf und Prognose

Formal sind niedrig maligne Lymphome weiterhin palliative Erkrankungen. Der Verlauf der niedrig malignen Lymphome ist jedoch hochvariabel. Während manche Patienten über mehr als ein Jahrzehnt einen stabilen Krankheitsverlauf zeigen und manche Patienten, speziell im höheren Alter, niemals eine Therapie benötigen, kommt es bei anderen Patienten zu einem raschen Progress. Initial werden mit einer kombinierten Immunchemotherapie lang anhaltende Remissionen (im Median 5–10 Jahre) erzielt. Mit Fortschritt der Erkrankungen sinkt jedoch das Therapieansprechen und die Remissionsdauer nach einer Therapie.
Das Tumor-Grading und der auf klinischen Parametern (Alter, Performance-Status, Stadium, extranodaler Befall) und der Serum-LDH basierende „Follicular Lymphoma International Prognostic Index“ (FLIPI; Solal-Céligny et al. 2004) sind die besten prognostischen Marker. Diese Marker haben jedoch derzeit keine therapeutische Konsequenz.
Literatur
Dimopoulos MA, Tedeschi A, Trotman J, García-Sanz R, Macdonald D, Leblond V, Mahe B, Herbaux C, Tam C, Orsucci L, Palomba ML, Matous JV, Shustik C, Kastritis E, Treon SP, Li J, Salman Z, Graef T, Buske C (2018) Phase 3 Trial of Ibrutinib plus Rituximab in Waldenström’s Macroglobulinemia. iNNOVATE Study Group and the European Consortium for Waldenström’s Macroglobulinemia. N Engl J Med 378(25):2399–2410
Dreyling M, Ghielmini M, Rule S, Salles G, Vitolo U, Ladetto M (2016) Newly diagnosed and relapsed follicular lymphoma: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 27(suppl 5):v83–v90CrossRef
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Marcus R, Davies A, Ando K, Klapper W, Opat S, Owen C, Phillips E, Sangha R, Schlag R, Seymour JF, Townsend W, Trněný M, Wenger M, Fingerle-Rowson G, Rufibach K, Moore T, Herold M, Hiddemann W (2017) Obinutuzumab for the First-Line Treatment of Follicular Lymphoma. N Engl J Med 377(14):1331–1344CrossRef
Salles G, Seymour JF, Offner F, Lopez-Guillermo A, Belada D, Xerri L et al (2011) Rituximab maintenance for 2 years in patients with high tumour burden follicular lymphoma responding to rituximab plus chemotherapy (PRIMA): a phase 3, randomised controlled trial. Lancet 377(9759):42–51CrossRef
Solal-Céligny P, Roy P, Colombat P, White J, Armitage JO, Arranz-Saez R et al (2004) Follicular lymphoma international prognostic index. Blood 104(5):1258–1265CrossRef
Trotman J, Barrington SF, Belada D, Meignan M, MacEwan R, Owen C, Ptáčník V, Rosta A, Fingerle-Rowson GR, Zhu J, Nielsen T, Sahin D, Hiddemann W, Marcus RE, Davies A (2018) Prognostic value of end-of-induction PET response after first-line immunochemotherapy for follicular lymphoma (GALLIUM): secondary analysis of a randomised, phase 3 trial: PET investigators from the GALLIUM study. Lancet Oncol 19(11):1530–1542CrossRef