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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 25.11.2014

Nierentransplantation: prä-operative Evaluation

Verfasst von: Bernhard K. Krämer
Die prä-OP-Evaluation ist ein Hilfsmittel bei der Entscheidung, ob Transplantibilität des Patienten vorliegt und sich der Erfolg der Nierentransplantation maximieren lässt, indem relevante Komorbiditäten präoperativ diagnostiziert und behandelt werden.
Die prä-OP-Evaluation ist ein Hilfsmittel bei der Entscheidung, ob Transplantibilität des Patienten vorliegt und sich der Erfolg der Nierentransplantation maximieren lässt, indem relevante Komorbiditäten präoperativ diagnostiziert und behandelt werden.
Je nach Präselektion werden 31 % der vorgestellten Patienten vor Aufnahme auf die Warteliste abgelehnt, überwiegend aus medizinischen Gründen (46 %) und Patientenwünschen (25 %) (Holley et al. 1998).
Nachfolgend genannte Voruntersuchungen erfolgen routinemäßig in den meisten Transplantationsprogrammen (in Anlehnung an u. a. European Best Practice Guidelines – EBPG Expert Group on Renal Transplantation 2002; Canadian Society of Transplantation Consensus Guidelines – Knoll et al. 2005; American Society of Transplant Physicians Clinical Practice Guidelines – Kasiske et al. 1995; Lissabon Conference – Abbud-Filho et al. 2007; Bunnapradist u. Danovitch 2007).

Anamnese

  • Anamnese setzt den Schwerpunkt u. a. auf frühere Transplantationen, Schwangerschaften, Bluttransfusionen, kardiovaskuläre und maligne Vorerkrankungen, renale Grunderkrankung.
  • Komplette körperliche Untersuchung setzt den Fokus auf den kardiovaskulären und abdominellen Befund.

Labor- und Routineuntersuchungen

  • Routinelabor:
    Blutbild, Differenzialblutbild, CRP, S-Kreatinin, S-Harnstoff, Elektrolyte, Quick, PTT, Serumlipide, PTH, Urinanalyse, Virusserologie (Hepatitis B, C, HIV, CMV, EBV, fakultativ HSV 1 und 2, VZV), Lues-Serologie, fakultativ Tbc-Screening, HLA-Typisierung und PRA (Panel-reaktive Antikörper)-Test.
  • Apparative/konsiliarische Routineuntersuchungen:
    Ruhe-EKG, Röntgen-Thorax in 2 Ebenen, Abdomensonographie (u. a. Darstellung Eigennieren, Iliakalgefäße), zahn- und HNO-ärztliche Fokussuche (+ Röntgen-Zahnpanorama und -NNH).

Weitergehende Untersuchungen

  • Urologische Vorsorgeuntersuchung bei über 50-jährigen Männern
  • Gynäkologische Vorsorgeuntersuchung (+ Mammographie bei über 40-Jährigen)
  • (Vorsorge-)Koloskopie bei über 50-Jährigen oder V.a.-Divertikulose
  • Gastroskopie bei Ulkusanamnese oder Barrett-Ösophagus
  • Echokardiographie und Belastungsuntersuchung (z. B. Dobutamin-Stressechokardiographie oder Myokardperfusionsszintigramm) bei erhöhtem kardiovaskulären Risiko (vorbekannte CV-Erkrankung wie AMI, Herzinsuffizienz, bekannter Diabetes mellitus I/II, multiple (≥3) kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Alter >45 ♂ bzw. 55 Jahre ♀, Hypertonie, Hyperlipidämie, Nikotinabusus, lange CKD-Dauer, positive Familienanamnese)
  • Koronarangiographie erwägen, z. B. bei positiver Belastungsuntersuchung, früherem Myokardinfarkt oder Diabetes mellitus
  • Klinische Untersuchung bzw. Karotis-Doppler bei Z.n. TIA oder hohem Gefäßrisiko, MRA bei ADPKD + Symptome und/oder Familienanamnese, zerebrales Aneurysma
  • Periphere Gefäß-Doppler-Untersuchung bei nicht oder schlecht tastbaren peripheren Pulsen, bei Claudicatio, generalisierter Atherosklerose und Diabetes mellitus
  • Lungenfunktionsprüfung bei vorbekannter Lungenerkrankung (z. B. COPD) oder auffälligem Auskultationsbefund
  • Miktionszystographie bei Blasenentleerungsstörung, rekurrierenden Harnswegsinfektionen/Pyelonephritiden und vesikoureteralem Reflux
  • Zystoskopie ± Biopsie bei Malignomverdacht bzw. früherer Cyclophosphamidtherapie
  • Speziallabor α1-Fetoprotein bei Hepatitis B/C, Thrombophilie-Screening bei Thromboseneigung, Knochenmarkspunktion bei MGUS

Kontraindikationen

  • Absolute Kontraindikationen
    sind u. a. unbehandelte/unbehandelbare floride Infektionen wie Osteomyelitis, maligner Tumor mit schlechter Prognose, aktiver Substanzmissbrauch (Alkohol, Drogen), stark eingeschränkte Lebenserwartung, schwerste Begleiterkrankungen kardial, pulmonal, vaskulär oder hepatisch (falls kombinierte Transplantation nicht in Frage kommt).
  • Relative Kontraindikationen
    (teilweise vorherige Behandlung erforderlich) sind aktive Infektion, schwere KHK, Herzinsuffizienz, schwere bilaterale pAVK, zerebrovaskuläre Erkrankung, aktive Hepatitis B/C, unkontrollierte HIV-Infektion, schwere Lebererkrankung, aktives Magenulkus, behandeltes Malignom (ggf. Wartezeit bis T-Meldung), schwerer Hyperparathyreoidismus, primäre Oxalose, psychosoziale Störungen, Non-Compliance.
  • Spezialfragen sind:
    • Alter des Nierentransplantatempfängers, bei dem es keine absolute numerische Altergrenze (mehr) gibt, sondern das biologische Alter im Vordergrund steht (viele über 65-Jährige und auch über 70-Jährige wurden erfolgreich transplantiert und sind gute Kandidaten für Spenderorgane mit erweiterten Spenderkriterien z. B. ESP).
    • Übergewicht wird in aller Regel nicht mehr als Kontraindikation angesehen (bei extremer Adipositas, z. B. BMI 40 kg/m2 Adipositaschirurgie erwägen).
    • Renale Grunderkrankung, bei der das Rekurrenzrisiko bei u. a. FSGS, membranöser GN, membranoproliferativer GN, IgA-Nephropathie und diabetischer Nephropathie, HUS/TTP hoch ist, ohne eine Transplantation per se jedoch auszuschließen bzw. bei der eine gute Krankheitskontrolle für 6–12 Monate vor Transplantation erforderlich ist, wie z. B. beim SLE, der renalen Vaskulitis (ANCA oder Anti-GBM-assoziert) oder HUS/TTP.
    • Notwendigkeit der Prätransplant-Nephrektomie, z. B. bei Platzproblemen bei ADPKD oder rezidivierenden Infektionen ± Nephrolithiasis.
    • Kardiale Vorerkrankungen, wobei eine bekannte KHK bei asymptomatischen Patienten und/oder unauffälliger Belastungsuntersuchung und/oder nicht kritischer Koronarstenose bzw. bei Z.n. interventioneller Therapie, aber auch eine gering-mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion eine Transplantation nicht ausschließen, jedoch ein akuter Myokardinfarkt <6 Monate oder progressive Angina pectoris.
    • Lungenerkrankungen wie unkontrolliertes Asthma, schwere pulmonale Hypertonie, schwere COPD (FEV1 < 25 %) und Heimsauerstofftherapie schließen Transplantation in der Regel aus.
    • Gastrointestinale Vorerkrankungen: keine Cholezystektomie bei asymptomatischer Cholezystolithiasis, bei rekurrierenden Divertikulitiden Resektion erwägen.
    • Malignome: meist rekurrenzfreie Wartezeit 2–5 Jahre vor Transplantation, z. B. in der Regel 5 Jahre bei Mammakarzinom, Kolonkarzinom, Melanom, keine Wartezeit bei Basaliom, Spinaliom, asymptomatisches, kleines Nierenzellkarzinom oder In situ-Blasenkarzinom.
    • Reevaluation auf der Warteliste ist je nach Komorbidität, z. B. in 1-jährigen (z. B. relevante kardiovaskuläre Komorbidität wie signifikante KHK oder Aortenstenose) Abständen notwendig.
Literatur
Abbud-Filho M, Adams PL, Alberu J et al (2007) A report of the Lisbon Conference on the care of the kidney transplant recipient. Transplantation 83(8 Suppl):1–22CrossRef
Bunnapradist S, Danovitch GM (2007) Evaluation of adult kidney transplant candidates. Am J Kidney Dis 50:890–898PubMedCrossRef
EBPG Expert Group on Renal Transplantation (2002) European Best Practice Guidelines for renal transplantation. Nephrol Dial Transplant 17(Suppl 4):1–67
Holley JL, Monaghan J, Byer B et al (1998) An examination of the renal transplant evaluation process focusing on cost and the reasons for patient exclusion. Am J Kidney Dis 32:567–574PubMedCrossRef
Kasiske BL, Ramos EL, Gaston RS et al (1995) The evaluation of renal transplant candidates: clinical practice guidelines. Patient Care and Education Committee of the American Society of Transplant Physicians. J Am Soc Nephrol 6:1–34PubMed
Knoll G, Cockfield S, Blydt-Hansen T et al (2005) Canadian Society of Transplantation: consensus guidelines on eligibility for kidney transplantation. Can Med Assoc J 173:1–25CrossRef