Skip to main content
DGIM Innere Medizin
Info
Publiziert am: 28.07.2015

Ösophaguskarzinom

Verfasst von: Thomas Zander
Das Ösophaguskarzinom bezeichnet Karzinome im Bereich der Speiseröhre beginnend an der oberen Speiseröhrenöffnung bis hin zum Übergang in den Magen. Das wichtigste klinische Symptom ist die Schluckstörung. Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch eine Biopsie und histopathologische Untersuchung. Die wichtigsten technischen Untersuchungen sind beim Staging die Endoskopie ggf. mit Endosonographie und die Computertomographie des Halses, Thorax und Abdomens. Zur Planung der Therapie erfolgt eine Untersuchung des Patienten bezüglich seiner kardialen Leistung, der pulmonalen Reserve, der Nieren- und Leberfunktion, der allgemeinen Operationsfähigkeit sowie eine Abklärung sämtlicher bekannter Vorerkrankungen. Die Therapie des Ösophaguskarzinoms ist abhängig von der histologischen Entität, der Lokalisation, dem Stadium, dem Allgemeinzustand und dem Wunsch des Patienten. Grundsätzlich differenziert zunächst die Fernmetastasierung das therapeutische Vorgehen. Insgesamt ist die Prognose des Ösophaguskarzinoms ungünstig.

Definition

Das Ösophaguskarzinom bezeichnet Karzinome im Bereich der Speiseröhre beginnend an der oberen Speiseröhrenöffnung bis hin zum Übergang in den Magen. Am oralen Ende müssen die Ösophaguskarzinome von den Oropharynxkarzinomen unterschieden werden. Aboral ist die Unterscheidung zu den gastroösophagealen Übergangskarzinomen („adenocarcinoma of the esophageal gastric junction“, AEG) wichtig. Die Karzinome gehen im Allgemeinen von der inneren, epithelialen Auskleidung der Speiseröhre aus und unterteilen sich in Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome. Daher sind die Ösophaguskarzinome abzugrenzen von anderen gutartigen oder bösartigen Tumoren der Speiseröhre wie z. B. den Myomen, Sarkomen oder gastrointestinalen Stromatumoren.

Pathophysiologie

Im oberen Bereich des Ösophagus überwiegen die Plattenepithelkarzinome, während distal vor allem Adenokarzinome auftreten. Dies steht in engem Zusammenhang mit der Pathophysiologie der Tumoren. Ähnlich wie die Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle liegt bei Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus häufig eine chronische Belastung durch Rauchen und Alkohol, insbesondere in der Kombination, vor. Die dort vorkommenden Karzinogene (v. a. Nitrosamine, Aldehyde) führen zu Schleimhautschädigung und langfristig zur Entwicklung von Karzinomen. Für die Entstehung des Adenokarzinoms spielt vor allem der gastroösophageale Reflux und der Barrett-Ösophagus eine wichtige pathophysiologische Rolle. Weitere Risikofaktoren sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Risikofaktoren
Plattenepithelkarzinom
Adenokarzinom
- Rauchen
- Alkohol
- Thorakale Bestrahlung
- Niedriger Sozialstatus
- Niedriger oraler Hygienestatus
- Symptomatischer Reflux
- Barrett-Ösophagus
- Übergewicht
- Rauchen
- Thorakale Bestrahlung
- Ernährung

Epidemiologie

Weltweit ist das Plattenepithelkarzinom der prädominante Subtyp des Ösophaguskarzinoms. Jedoch hat in Westeuropa und USA die steigende Inzidenz der Adenokarzinome bereits dazu geführt, dass dieser Subtyp überwiegt. Während in einigen Ländern wie Türkei, Kasachstan und nördliches China die Inzidenz des Ösophaguskarzinoms sehr hoch ist (100 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner), liegt sie in der westlichen Welt zwischen 5 und 8 pro 100.000 Einwohner. Aufgrund der häufig erst späten Symptome und daher späten Diagnose liegt die Mortalität mit 5/100.000 Personen hoch. So erkrankten in den USA 2009 16.470 Personen an einem Ösophaguskarzinom, und es verstarben 14.530.

Klinik

Das wichtigste klinische Symptom ist die Schluckstörung. Bei Plattenepithelkarzinomen geht diese häufig zu einem früheren Zeitpunkt mit einer Gewichtsreduktion und der typischen Anamnese mit Rauchen und Alkoholkonsum einher. Patienten mit einem Adenokarzinom, das meist distal gelegen ist, berichten häufig über eine lange Krankengeschichte mit Sodbrennen und neu aufgetretenen Schluckstörungen ohne ausgeprägten Gewichtsverlust. Darüber hinaus sind die Symptome uncharakteristisch, was eine späte Diagnose begünstigt.

Diagnostik

Die Sicherung der Diagnose Ösophaguskarzinom erfolgt durch eine Biopsie und histopathologische Untersuchung. Die histologische Zuordnung zu den unterschiedlichen Entitäten Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom und seltene andere Entitäten (z. B. kleinzelliges Karzinom, Sarkome, Stromatumoren) ist für die weitere Therapie zwingend notwendig. Als erstes diagnostisches Verfahren wird daher oft die Ösophagogastroduodenoskopie eingesetzt, um den Tumor bioptisch zu sichern. Im Rahmen der Endoskopie wird zusätzlich besonders auf die Lagebeziehung des Tumors zum Musculus cricopharyngeus bei proximalen Plattenepithelkarzinomen geachtet. Bei distalen Ösophaguskarzinomen ist die Lagebeziehung zum Magen zu beachten. Als Orientierungslinie dient hier die Z-Linie. Es wird evaluiert, ob und wie weit das Karzinom auch in den Magen übergreift. Darüber hinaus wird v. a. im mittleren Abschnitt des Ösophagus die Lagebeziehung zu den großen Gefäßen und v. a. der Trachea untersucht, da dies entscheidend ist für das weitere Procedere. Alle anatomischen Angaben bei der Endoskopie erfolgen als Abstand zur Zahnreiche (AZR), um auch zu einem späteren Zeitpunkt eine sichere Orientierung zu ermöglichen.
Nach Sicherung der Diagnose wird die Ausbreitung des Tumors untersucht, was als Staging bezeichnet wird. Ziel ist hierbei eine möglichst genaue Definition des Tumorstadiums anhand des TNM-Systems (Tab. 2). Das TNM-Stadium beschreibt die lokale Ausbreitung des Tumors in Bezug auf die Wandschichten des Ösophagus (T), die Ausbreitung der lymphogenen Metastasierung (N) und das Vorhandensein von Fernmetastasen (M). Die wichtigsten technischen Untersuchungen sind hierbei die Endoskopie ggf. mit Endosonographie und die Computertomographie (CT) des Halses, Thorax und Abdomens. Hinzu kommen ggf. noch PET-CT, Laparoskopie und Bronchoskopie. Endoskopie und Endosonographie sind die sensitivsten Methoden zur Evaluation des Primärtumors und Bestimmung der Lokalisation und des T-Stadiums. Die Genauigkeit der Endosonographie zur Bestimmung des T-Stadiums liegt zwischen 73–89 % und die zur Bestimmung des lokalen Lymphknotenbefalls bei 84 % bei nodal positiven Patienten und nur bei 69 % bei nodal negativen Patienten (Fuchs et al. 2013; Berger et al. 2010).
Tab. 2
Stadieneinteilung
Stadium
T
N
M
5-Jahres-Überleben (%)
0
Tis
0
0
80
IA
T1
0
0
67
IB
T2
0
0
43
IIA
T3
0
0
26
IIB
T1–2
1
0
16
III
T4
0
0
 
Jedes T
>0
0
IV
Jedes T
Jedes N
M1
3
Die Computertomographie dient der weiteren Ausbreitungsdiagnostik und insbesondere der Untersuchung auf Fernmetastasen. Darüber hinaus ist das CT der Goldstandard zur Untersuchung der Lagebeziehung des Tumors zu den anderen Organen im Thorax wie der Trachea, dem Herzen oder den großen Gefäßen. Zur Untersuchung der Fernmetastasierung kann die Computertomographie durch weitere Untersuchungen ggf. ergänzt werden, wie PET-CT zur funktionellen Einordnung von unklaren morphologischen Veränderungen, Laparoskopie zur Inspektion der Bauchhöhle mit der Frage nach Peritonealkarzinose, Ultraschall zur besseren Einordnung insbesondere von unklaren Leberläsionen oder Kernspintomographie (MRT) zur differenzialdiagnostischen Untersuchung von unklaren morphologischen Veränderungen insbesondere der Leber. Zur Untersuchung der Lagebeziehung des Tumors zur Trachea und den Bronchien kann eine Bronchoskopie notwendig sein.
Zur Planung der Therapie erfolgt zusätzlich eine strukturierte Untersuchung des Patienten bezüglich seiner kardialen Leistung (Elektrokardiographie, Echokardiographie, ggf. weiterführende Diagnostik), der pulmonalen Reserve (Spirometrie, Bodyplethysmographie, ggf. weitere Untersuchungen), der Nieren- (Labor) und Leberfunktion (Labor), der allgemeinen Operationsfähigkeit sowie eine Abklärung sämtlicher bekannter Vorerkrankungen. Da sowohl die kurativen wie auch die palliativen Therapien eine erhebliche Belastung darstellen, ist eine prätherapeutische Untersuchung der Organfunktionen unerlässlich.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch kommen bei dem Leitsymptom Dysphagie und Verschlechterung des Allgemeinzustandes eine Reihe von Erkrankungen infrage. Chronischer Reflux kann zu narbigen Veränderungen des Ösophagus führen, die Schluckstörungen zur Folge haben können. Die Achalasie äußert sich klinisch ebenfalls als Schluckstörung. Darüber hinaus treten selten andere Tumoren (z. B. Leiomyome, Leiomyosarkome, gastrointestinale Stromatumoren) im Bereich des Ösophagus auf. Differenzialdiagnostisch müssen weiterhin anatomische Varianten (Divertikel, aberrante Gefäße) in Betracht gezogen werden. Schließlich können entzündliche Veränderung (Ösophagitis) zu Schmerzen beim Schlucken und konsekutiven Schluckstörungen führen. Veränderungen im Mund-Rachen-Raum oder neurologische Ausfälle können weiterhin zu Dysphagie führen. Somit ist eine umfassende Diagnostik notwendig, sollte eine Endoskopie und Biopsie nicht zu einem Ergebnis führen.

Therapie

Die Therapie des Ösophaguskarzinoms ist abhängig von der histologischen Entität, der Lokalisation, dem Stadium, dem Allgemeinzustand und dem Wunsch des Patienten. Die Therapiefestlegung erfolgt interdisziplinär. Grundsätzlich differenziert zunächst die Fernmetastasierung das therapeutische Vorgehen. Für Patienten ohne Fernmetastasierung und damit lokoregionärer Erkrankung bestehen kurative multimodale Therapiekonzepte, die meist die Operation als zentralen Baustein beinhalten (Abb. 1). Für Patienten mit Fernmetastasierung steht die optimale symptomatische Therapie in Kombination mit einer systemischen Therapie im Vordergrund (Pennathur et al. 2013; Allum et al. 2011).

Operation

Im oberen Speiseröhrendrittel ist eine Operation häufig nicht möglich ohne einen stark mutilierenden Eingriff ggf. mit Entfernung des Kehlkopfes. Aus diesem Grund erfolgt hier nur in Ausnahmefällen eine Operation. Im mittleren Drittel des Ösophagus erfolgt die Operation über einen Zwei-Höhlen-Eingriff mit radikaler Entfernung der mediastinalen, parakardialen und zöliakalen Lymphknoten und des Ösophagus, wobei die Rekonstruktion im Allgemeinen durch den Magen erfolgt. Der distale Anschluss erfolgt hoch thorakal oder ggf. zervikal. Im unteren Drittel des Ösophagus kann oft auf einen Zwei-Höhlen-Eingriff verzichtet werden und die Entfernung über einen abdominellen Zugang als transhiatale Ösophagektomie erfolgen. Die radikale Entfernung der Lymphknoten ist unerlässlich, die Rekonstruktion erfolgt durch den Magen. Liegen Kontraindikationen für eine Rekonstruktion durch den Magen vor, so kann die Rekonstruktion des Ösophagus auch durch ein Koloninterponat erfolgen. Aufgrund der Komplexität des Eingriffes sind die Kontraindikationen zu beachten (Lungenfunktion, Herzfunktion, Leberfunktion, Alter).

Radiochemotherapie

Fallbeispiel: 65-jähriger Raucher mit Schluckstörungen seit vier bis sechs Wochen, Gewichtsabnahme um 10 kg auf 65 kg bei einer Körpergröße von 175 cm ohne weitere Vorerkrankungen und guter kardialer und pulmonaler Funktion. In der Diagnostik zeigt sich ein uT3-Plattenepithelkarzinom bei 24–28 cm ab Zahnreihe ohne Hinweis auf Fernmetastasierung oder Infiltration in andere Organe. Hier ist eine neoadjuvant intendierte Radiochemotherapie mit anschließender Operation zu empfehlen.
Die Radiochemotherapie erfolgt neoadjuvant oder definitiv. Als klassische Chemotherapeutika werden Cisplatin/5-Fluoruracil (5-FU) oder Paclitaxel/Carboplatin eingesetzt. Bei der neoadjuvanten Therapie werden über fünf Wochen ca. 45 Gy als strahlentherapeutische Dosis simultan zur Chemotherapie appliziert, bei der definitiven Therapie über sieben Wochen ca. 60 Gy.

Radiotherapie

Die alleinige Bestrahlung hat in der Therapie des Ösophaguskarzinom lediglich als symptomatische Therapie einen Stellenwert.

Chemotherapie

Fallbeispiel: 68-jährige Patientin (160 cm, 93 kg) mit chronischem Reflux bemerkt Schluckstörungen und eine deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustands. In der Endoskopie findet sich ein Adenokarzinom AEG Typ 1. In der weiteren Diagnostik zeigen sich acht Lebermetastasen. Bei dieser Patientin ist eine systemische Therapie zu empfehlen.
Bei Patienten mit Fernmetastasierung (M1) stellt die Chemotherapie die Therapie der Wahl dar. Für das Plattenepithelkarzinom ist aktuell eine platinhaltige Kombinationstherapie der Standard. Bei Adenokarzinomen erfolgt zunächst eine Bestimmung des HER2-Status, um zu evaluieren, ob zusätzlich eine Antikörpertherapie mit z. B. Trastuzumab indiziert ist. Zusätzlich erfolgt in jedem Fall eine platinhaltige Kombinationstherapie. Da der Erfolg dieser Standardtherapie unbefriedigend ist, sollten Patienten wenn immer möglich klinischen Studien zugeführt werden. Insbesondere die personalisierte Therapie und die Immuntherapie werden hier aktuell evaluiert.

Supportive Therapie

Bei Patienten mit Ösophaguskarzinomen spielt die Nahrungsaufnahme eine besonders wichtige Rolle. Bei einem kurativen Therapieansatz kann die Ernährung bei fehlender Nahrungsaufnahme über eine direkt jejunal gelegene Ernährungssonde (z. B. Jejunokath) gesichert werden. Auf eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) sollte verzichtet werden, wenn noch eine Operation mit Magenhochzug infrage kommt. Bei Patienten ohne kurative Therapieoption kann zunächst eine Sicherung der Passage durch Einlage eines Stents oder durch eine lokale Brachytherapie erreicht werden.
Insbesondere bei Patienten ohne kurative Therapieoption (palliativ) sollte stets ein besonderes Augenmerk auf die Symptomkontrolle gelegt werden. Hier bietet sich ein frühzeitiger Kontakt mit einem Palliativmediziner an, sodass kein Bruch in der Behandlung entsteht, wenn keine explizit antitumorale Therapie mehr möglich ist.

Verlauf und Prognose

Insgesamt ist die Prognose des Ösophaguskarzinoms ungünstig. Häufig kommt es früh zu einer deutlichen Einschränkung des Allgemeinzustandes durch die frühzeitige Behinderung der Nahrungsaufnahme. Nur etwa 30 % der Patienten sind bei Diagnosestellung noch operabel und haben dann ein 5-Jahres-Überleben von ca. 25 %. Die Prognose der einzelnen Stadien ist in Tab. 2 wiedergegeben.
Literatur
Allum WH, Blazeby JM, Griffin SM, Cunningham D, Jankowski JA, Wong R (2011) Guidelines for the management of oesophageal and gastric cancer. Gut 60(11):1449–1472PubMedCrossRef
D.P. Berger, R. Engelhardt, R. Mertelsmann: Das Rote Buch, 4. Auflage; ECOmed, Landsberg 2010
R. Fuchs, D. Guggenberger, U. Neumann, C. Trautwein (Hrsg): GI – Tumore, 2013
Pennathur A, Gibson MK, Jobe BA, Luketich JD (2013) Oesophageal carcinoma. Lancet 381(9864):400–412PubMedCrossRef