Epidemiologie
Beim Osteosarkom und malignen fibrösen Histiozytom handelt sich um seltene Erkrankungen. Das Osteosarkom macht mit etwa 40 % jedoch die häufigste Entität unter den knocheneigenen Tumoren aus.
Die Inzidenz des Osteosarkoms liegt bei etwa 0,3 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr. Es bestehen hierbei zwei Altersgipfel. Einer in den ersten beiden Lebensjahrzehnten, d. h. in Kindheit und Adoleszenz, und eine zweiter um das 80. Lebensjahr. Im Kindesalter und in der Adoleszenz handelt es sich beim Osteosarkom um eine der häufigsten malignen Erkrankungen und um den häufigsten soliden malignen Tumor.
Das maligne fibröse Histiozytom des Knochens hingegen macht nur etwa 5 % der knocheneigenen Tumoren aus, Männer sind etwas häufiger betroffen (Altersgipfel 4.–6. Dekade) als Frauen (Altersgipfel 2.–3. Dekade).
Klinik
Das Osteosarkom tritt bevorzugt gelenksnah in den Metaphysen langer Röhrenknochen auf. Am häufigsten sind distaler Femur und proximale Tibia (Kniegelenksregion) betroffen, in dieser Lokalisation finden sich bis zu 50 % der Osteosarkome. Die zweithäufigste Lokalisation ist der proximale Humerus (ca. 10 %). Das Auftreten an anderen Knochen ist wesentlich seltener.
Das maligne fibröse Histiozytom betrifft zumeist den Femur und die Tibia (60 %).
Wichtigste frühe klinische Zeichen sind in den meisten Fällen belastungsabhängige
Schmerzen der betroffenen Region. Therapierefraktäre Schmerzen ohne Anamnese für ein stattgehabtes Trauma bestehend über mehrere Wochen müssen im Kindesalter unbedingt an einen Knochentumor und im Speziellen an ein Osteosarkom denken lassen. Spätere Zeichen sind eine lokale schmerzhafte Schwellung und/oder Symptome durch Destruktion lokaler Strukturen (z. B.
periphere Nervenläsionen bei Nervendestruktion, Bewegungseinschränkung und Gelenkserguss bei Infiltration eines Gelenkes). Allgemeinsymptome sind beim Osteosarkom am ehesten durch das Vorliegen einer Fernmetastasierung bedingt und damit Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung (z. B. Dyspnoe bei Vorliegen von pulmonalen Metastasen).
Therapie
Die Therapie des Osteosarkoms und des malignen fibrösen Histiozytoms des Knochens erfolgt interdisziplinär. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der Notwendigkeit, mehrere Fachdisziplinen mit einzubeziehen, sollte die Therapie nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die Therapie sollte darüber hinaus, wenn möglich, im Rahmen von aktuellen Studien erfolgen (z. B. EURO-B.O.S.S. für Patienten im Alter von 41–65 Jahre, COSS-Register für Patienten bis 40 Jahre).
Am Beginn der Therapie eines lokal begrenzten, nicht metastasierten hochmalignen Osteosarkoms und eines malignen fibrösen Histiozytoms des Knochens steht eine neoadjuvante (präoperative) Chemotherapie. Der Einsatz einer neoadjuvanten und einer adjuvanten (postoperativen) Chemotherapie hat im Vergleich zur alleinigen chirurgischen Therapie die Prognose beider Entitäten entscheidend verbessert.
Weitere Gründe, die für den Einsatz einer neoadjuvanten Chemotherapie sprechen, sind die Erhöhung der Rate extremitätenerhaltender Operationen, die Reduktion der Lokalrezidivrate, ein Zeitgewinn für die Planung der operativen Intervention sowie die frühestmögliche Behandlung von eventuell vorhandenen Mikrometastasen.
Bei niedrigmaligen und kraniofazialen Osteosarkomen erfolgt in der Regel keine neoadjuvante oder adjuvante Chemotherapie, sondern ausschließlich die operative Entfernung. Es muss jedoch im Rahmen der histologischen Aufarbeitung der Präparate das Vorliegen eines hochmalignen Anteils im Tumor ausgeschlossen werden. Ein niedrigmalignes Osteosarkom mit fokal hochmalignem Anteil muss wie ein „High-grade“-Osteosarkom behandelt werden.
Im Rahmen einer neoadjuvanten Chemotherapie haben der Folsäureantagonist
Methotrexat (MTX), das Platinanalogon Cisplatin
, das Stickstoff-Lost-Derivat Ifosfamid
und das Anthrazyklin Doxorubicin
besonderen Stellenwert. Es ist bei der Anwendung dieser Zytostatika unbedingt auf die korrekten supportiven Maßnahmen zu achten, da sonst lebensbedrohliche Nebenwirkungen drohen. Insbesondere im Rahmen der Anwendung von hochdosiertem MTX (bis zu 12 g/m
2 Körperoberfläche) sind in regelmäßigen Abständen Serumspiegelbestimmungen durchzuführen und auf einen korrekt durchgeführten supportiven Leucovorin(
Folsäure)-Rescue zur Minderung der potenziell letalen systemischen Toxizität zu achten. Eine Therapie mittels Ifosfamid bedarf einer Begleitmedikation mit Mesna zur Prophylaxe einer hämorrhagischen Zystitis.
Im Anschluss an eine neoadjuvante Chemotherapie ist die Tumorresektion der entscheidende Schritt. Hierbei ist eine R0-Resektion anzustreben und eine intraläsionale Operation (R1- oder R2-Situation) unbedingt zu vermeiden. Eine R0-Resektion bedeutet eine Resektion im Gesunden ohne das Vorhandensein von Tumorzellen am Absetzungsrand des Präparates. Die R0-Resektion ist ein bedeutender prognostischer Faktor. Vielfach sind Amputationen vermeidbar. Um anschließend eine möglichst gute Funktionalität der Extremität der meist jungen Patienten zu gewährleisten, kommen weitere spezielle Operationstechniken wie z. B. Knochentransplantationen oder auch Umkehrplastik des Unterschenkels zum Einsatz. Die Möglichkeit einer
Strahlentherapie ist im Falle eine R1/R2-Situation zu überprüfen. Im Falle einer R0-Resektion hat sie keinen Stellenwert.
Nach der Operation wird standardmäßig der Grad des histologischen Therapieansprechens nach Salzer-Kuntschik
bestimmt (Tab.
6). Im Rahmen dieser Bestimmung des Regressionsgrades wird der Anteil an verbliebenen vitalen Tumorzellen nach der Applikation der neoadjuvanten Chemotherapie bestimmt. Hierbei entspricht ein Regressionsgrad von 1 einem Präparat ohne vitale Tumorzellen und ein Grad von 6 einem Fehlen eines Effektes der Chemotherapie. Je besser das Ansprechen des Tumors auf die neoadjuvante Therapie ist desto besser die Prognose.
Tab. 6
Regressionsgrad nach Salzer-Kuntschik
1 | Keine vitalen Tumorzellen |
2 | Einzelne vitale Tumorzellen |
3 | Weniger als 10 % vitale Tumorzellen |
4 | 10–50 % vitale Tumorzellen |
5 | Mehr als 50 % vitale Tumorzellen |
6 | Völlig vitaler Tumor |
An die Resektion schließt sich eine adjuvante Chemotherapie an. Die Auswahl der Substanzen richtet sich nach dem histopathologischen Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie. Die Anwendung der adjuvanten Therapie verbessert die Prognose weiterhin, zusammenfassend ist jedoch vor allem das Ansprechen auf die neoadjuvante Therapie ein entscheidender prognostischer Faktor. Eine Therapieintensivierung nach schlechtem histopathologischen Ansprechen für Patienten ≤40 Jahre hat nach den jüngsten Analysen der EURAMOS-1-Studie keinen Vorteil erbracht.
Nach Abschluss der adjuvanten Chemotherapie schließt sich die Nachsorgeperiode an. Eine Erhaltungstherapie spielt beim Osteosarkom und malignen fibrösen Histiozytom des Knochens keine Rolle.
Bei Diagnosestellung liegen bei 10–20 % der Patienten bereits radiologisch erkennbare Fernmetastasen vor. Das bei Diagnosestellung metastasierte Osteosarkom kann, falls die Metastasen initial bzw. nach der neoadjuvanten Therapie resektabel sind, nach dem oben genannten Prinzip in kurativer Intention therapiert werden. Selbst bei wiederholten Operationen kann bei vollständig resezierten Metastasen ein kurativer Therapieansatz realisiert werden. Jedoch ist die Prognose von Patienten mit primärer Metastasierung insgesamt deutlich schlechter.
Sind vorliegende Metastasen bei Diagnosestellung und nach neoadjuvanter Chemotherapie nicht vollständig resektabel, erfolgt die Therapie in palliativer Intention. In diesem Rahmen kann auch eine Bestrahlung in Betracht gezogen werden. Bei einer palliativen Behandlung stehen vor allen Dingen supportive Maßnahmen wie eine suffiziente
Schmerztherapie nach dem WHO-Stufenschema im Vordergrund.
Im Rahmen der Nachsorge erfolgen in Analogie zu aktuellen Studienprotokollen neben Anamnese und körperlicher Untersuchung Röntgen-Thorax-Untersuchungen während der ersten zwei Jahre nach Primärbehandlung alle 6–12 Wochen, im 3.–5. Jahr in halbjährigen Intervallen und im 5.–10. Jahr schließlich alle 6–12 Monate. Analog dazu erfolgen bildgebende Kontrollen der Lokalisation des Primärtumors mittels CT/MRT und
Sonographie.
Prognose
Wichtige Prognosefaktoren des Osteosarkoms und des malignen fibrösen Histiozytoms des Knochens sind Graduierung, Größe und Lage des Primärtumors sowie das Vorhandensein von Metastasen. Bei hoher Malignität verschlechtert sich die Prognose mit der Größe des Primärtumors und der Nähe zum Körperstamm. Ebenso verschlechtert sich die Prognose bei Vorhandensein von Fernmetastasen. Ein weiterer bedeutender Faktor ist der Regressionsgrad nach Salzer-Kuntschik. Je besser das Therapieansprechen, das nach einer neoadjuvanten Chemotherapie bestimmt wird, desto besser die Prognose. Eine R0-Resektion ist ein ebenfalls wichtiger prognostischer Faktor.
Unter Einsatz der oben genannten Therapieprinzipien lassen sich 5-Jahres-Überlebensraten von etwa 60 % erreichen. Mit dem Auftreten von Metastasen verschlechtert sich die Prognose erheblich.