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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 09.03.2015

Paragangliome (Glomustumore)

Verfasst von: Peter Klein-Weigel
Paragangliome (Glomustumoren) der Kopf-Hals-Region sind seltene, zumeist gutartige neuroendokrine Tumoren, die eine ausgeprägte Vaskularisation aufweisen. Kopf-Hals-Paragangliome können mit verschiedenen endokrinen Tumorsyndromen assoziiert sein. Die Paragangliome der Halsregion werden zumeist zufällig im Rahmen einer Ultraschall- oder Schnittbilddiagnostik entdeckt oder machen sich durch eine schmerzlose Raumforderung am Hals bemerkbar. B-Bild-Sonographie und Dopplersonographie identifizieren die typischen Glomustumoren der Karotisgabel mit hoher Sensitivität. Darüber hinaus stellen die Magnetresonanztomographie und die Computertomographie die diagnostischen Methoden der Wahl dar. Die Kausaltherapie ist die chirurgische Tumorentfernung, eventuell nach vorheriger endoluminaler Embolisation.

Definition

Paragangliome (Glomustumoren) der Kopf-Hals-Region sind seltene, zumeist gutartige neuroendokrine Tumoren, die eine ausgeprägte Vaskularisation aufweisen (Derrick und Carty 2013). Prädilektionsstellen sind in abnehmender Häufigkeit die Karotisgabel, der parapharyngeale Verlauf des Nervus vagus, das Foramen jugulare und das Tympanon (Derrick und Carty 2013). Kopf-Hals-Paragangliome können mit verschiedenen endokrinen Tumorsyndromen assoziiert sein.

Ätiologie

Ursächlich konnten vor allem Mutationen der Gene SDHD, SDHC und SDHB der Succinatdehydrogenase identifiziert werden (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007). Während Mutationen der SDHC zu solitären Kopf-Hals-Paragangliomen führen, kommt es bei Mutationen der B- und D-Untereinheiten häufiger zu multiplen Paragangliomen, Phäochromozytomen und malignen Tumorvarianten (Derrick und Carty 2013). Ein Auftreten im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasietypen (MEN) 2A und 2B ist möglich (Derrick und Carty 2013).
Mehr als zwei Drittel der Fälle tritt sporadisch auf, der Rest familiär gehäuft. Der Vererbungsmodus ist für alle Varianten autosomal-dominant. Mutationen des SDHD-Gens werden aber nur dann phänotypisch, wenn die Vererbung über den Vater erfolgt („paternal imprinting“) (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007).

Pathophysiologie und Pathoanatomie

Paragangliome entstammen chromaffin-negativen Zellen, die sich von der embryonalen Neuralleiste ableiten und sind in der WHO-Klassifikation der neuroendokrinen Tumoren kategorisiert (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007).

Epidemiologie

Die Erkrankung tritt in geographisch höher gelegenen Regionen häufiger auf als im Flachland. Hereditäre Fälle neigen zu einer früheren Manifestation als sporadische (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007). Das Auftreten vor dem Erwachsenenalter ist möglich, aber sehr selten.

Klinik

Die Paragangliome der Halsregion werden zumeist zufällig im Rahmen einer Ultraschall- oder Schnittbilddiagnostik entdeckt oder machen sich durch eine schmerzlose Raumforderung am Hals bemerkbar (Derrick und Carty 2013). Paragangliome der Paukenhöhle können zu einseitiger Leitungsschwerhörigkeit führen. In Abhängigkeit von der Lokalisation, der Größe und einem eventuellen infiltrativen Wachstum imponieren auch Hirnnervenläsionen, vornehmlich der Nn. VII, IX, X, XI und XII (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007). Treten die Tumoren zusammen mit einem Phäochromozytom auf, können dessen Symptome, insbesondere rezidivierende Hochdruckkrisen, im Vordergrund stehen (Derrick und Carty 2013).

Diagnostik

B-Bild-Sonographie und Dopplersonographie identifizieren die typischen Glomustumoren der Karotisgabel mit hoher Sensitivität. Darüber hinaus stellen die Magnetresonanztomographie (MRT) und die Computertomographie (CT) die diagnostischen Methoden der Wahl dar (Derrick und Carty 2013). Zur Abklärung eventueller multipler Lokalisationen hat sich neben den genannten Schnittbildverfahren die Somatostatinrezeptor-Szintigraphie, insbesondere in Fusionstechnik mit dem MRT oder CT, bewährt (Fish et al. 2007).
1–3 % der Fälle sind hormonaktiv, sodass eine Hormondiagnostik (insbesondere Katecholamine) angezeigt ist.
Bei Verdacht auf eine familiäre Variante ist eine genaue Familienanamnese und eine Untersuchung der Familienangehörigen ersten Grades sowie ein genetischer Test zur Identifikation der Mutation erforderlich (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007). Es empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit mit einem humangenetischen Institut.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostische Erwägungen betreffen insbesondere Lymphome, gutartige und bösartige Weichteiltumoren und andere neurogene und hormonaktive Tumoren.

Therapie

Die Kausaltherapie ist die chirurgische Tumorentfernung, eventuell nach vorheriger endoluminaler Embolisation (Derrick und Carty 2013; Fish et al. 2007). Eine frühzeitige Detektion und die Behandlung von Tumoren <2 cm führt zu einem günstigeren chirurgischen Ergebnis (Fish et al. 2007). Bei multiplem Auftreten und/oder bei Auftreten an ungünstigen anatomischen Stellen kann auch eine Radiotherapie (extern, via Somatostatinrezeptortracer oder durch eine stereotaktische Radiochirurgie) durchgeführt werden (Fish et al. 2007; Wong et al. 2013).
Literatur
Derrick L, Carty SE, Young Jr (2013) Paragangliomas: epidemiology, clinical presentation, diagnosis, and histology
Fish JH, Klein-Weigel P, Biebl M, Janecke A, Tauscher T, Fraedrich G (2007) Systematic screening and treatment evaluation of hereditary neck paragangliomas. Head Neck 29:864–73CrossRefPubMed
Wong BJ, Roos DE, Borg MF (2013) Glomus jugulare tumours: a 15 year radiotherapy experience in South Australia. J Clin Neurosci