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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 20.04.2015

Parasitosen und bakterielle Lebererkrankungen

Verfasst von: Thomas von Hahn
Raumforderungen der Leber können neben Tumoren auch durch verschiedene bakterielle und parasitäre Krankheitserreger verursacht sein. Die differentialdiagnostische Abgrenzung kann Probleme bereiten. Im Folgenden werden die Entitäten des pyogener Abszesses, des Amöbenabszesses und der Echinokokkose dargestellt.

Definition

Zahlreiche bakterielle und parasitäre Pathogene befallen die Leber und/oder Gallenwege. Dieses Kapitel behandelt Erkrankungen, die sich hauptsächlich dort manifestieren:

Pyogener Leberabszess

Pathophysiologie

Der pyogene Leberabszess entsteht entweder durch Übergreifen bakterieller Infektionen direkt aus den Gallenwegen (chologen) oder durch hämatogene Streuung von – häufig abdominal lokalisierten – Infektionsherden. Zu den Risikofaktoren gehören weibliches Geschlecht, Diabetes mellitus, Zustand nach Lebertransplantation sowie jedwede hepato-biliäre oder pankreatische Erkrankung.

Epidemiologie

Die jährliche Inzidenz wird mit 2 pro 100.000 angegeben. Frauen sind etwa 3fach häufiger betroffen.

Klinik

Fieber (90 %) und abdominelle Schmerzen (75 %) sind die häufigsten Symptome gefolgt von Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust und allgemeiner Malaise.

Diagnostik

Besteht nach Klinik und Anamnese der Verdacht auf eine der hier beschriebenen bakteriellen oder parasitären Lebererkrankungen, ist neben der Labordiagnostik eine Bildgebung mittels Ultraschall (Abb. 1a), Computertomographie oder MR-Tomographie zentraler Teil der Diagnostik.
Im Labor zeigen sich häufig eine Erhöhung von Bilirubin, AP, γGT, AST, ALT, CRP sowie eine Leukozytose und Anämie.
Viele verschiedene grampositive und -negative Keime können pyogene Leberabszesse verursachen. Am häufigsten liegt eine polymikrobielle Flora unter Beteiligung von Anaerobiern vor. In bis zu 22 % lassen sich auch Candida-Spezies nachweisen. Der Nachweis einer Monoinfektion mit Staphylokokken oder Streptokokken legt einen extraabdominellen Infektfokus nahe. Vor diesem Hintergrund ist eine mikrobielle Diagnostik mit Resistenztestung immer indiziert. Die Materialentnahme sollte nicht über bereits liegende Drainagen erfolgen, da diese oft mit Hautkeimen kontaminiert sind. Parallel sollten Blutkulturen entnommen werden, diese sind in etwa der Hälfte der Fälle positiv.

Genetische Diagnostik

Eine genetische Diagnostik spielt hier keine Rolle.

Differenzialdiagnostik

Neben der Unterscheidung zwischen den in diesem Kapitel beschriebenen Krankheitsentitäten untereinander sind die wichtigsten Differenzialdiagnosen die verschiedenen gutartigen und bösartigen Tumore der Leber. Insbesondere zentral einschmelzende Lebermetastasen können sich einem Abszess ähnlich präsentieren. Neben der Klinik sind hier die Bildgebung ggf. mit mehreren Modalitäten, die diagnostische Punktion und der Verlauf unter Therapie hilfreich.

Therapie

Hauptbestandteile der Therapie sind Antibiotika-Gabe und die perkutane oder endoskopische Einlage einer Drainage, die einige Tage in situ verbleiben sollte, bis der Ausfluss versiegt. Bei kleinen Abszessen (<3–5 cm) kann alternativ eine ein- oder mehrmalige Aspiration oder ein rein medikamentöse Vorgehen sinnvoll sein. Sehr große, gekammerte oder multiple Abszesse sowie das Versagen der perkutanen Drainage können eine offene chirurgische Intervention notwendig machen. Aufgrund der vielen möglichen Erreger und der oft schweren Erkrankung ist eine inititale Breitspektrum-Antibiose sinnvoll, die bei Vorliegen der mikrobiologischen Untersuchungen fokussiert wird. Die Antibiose ist oft längerfristig (4–6 Wochen) erforderlich. Zu den möglichen empirischen Regimen zählen Breitspektrumpenicilline plus Betalaktamase-Inhibitor (z. B. Piperacillin-Tazobactam), Cephalosporine der dritten Generation plus Metronidazol, Ciprofloxacin plus Metronidazol oder die Carbapeneme. Die zusätzliche lokale Gabe von Antibiotika bei der Punktion oder über eine einliegende Drainage ist möglich, aber der Nutzen dieser Maßnahme ist nicht gesichert.

Verlauf und Prognose

Die Letalität liegt in entwickelten Ländern bei 2–12 %. Der Nachweis anaerober Keime, Malignome und die Notwendigkeit einer operativen Therapie sind mit einer schlechten Prognose assoziiert.

Amöbenabszess

Pathophysiologie

Der Leberabszess durch Entamoeba histolytica ist die häufigste extra-intestinale Manifestation der Amöbenruhr. Die Faktoren, die eine Fortleitung in die Leber verursachen, sind weitgehend unklar. Auffällig häufig sind Männer im mittleren Lebensalter betroffen.
Eine typische und schwerwiegende Komplikation des Amöbenabszesses ist die Ruptur gefolgt von Ausbreitung in die Peritonealhöhle oder – seltener – die Pleurahöhle oder den Herzbeutel. Auch sekundäre Thrombosen der Lebervenen oder V. cava inferior kommen vor.

Epidemiologie

Weltweit kommt es vor allem in tropischen und subtropischen Regionen pro Jahr zu geschätzten 40–50 Mio. intestinalen Infektionen mit E. histolytica. Nur eine Minderheit entwickelt einen Leberabszess oder andere noch deutlich seltenere extraintestinale Manifestationen. Männer sind etwa 7-fach häufiger betroffen.
In Westeuropa findet sich die Erkrankung in der Regel nur in Reisenden oder Migranten aus Endemiegebieten.

Klinik

Der Amöbenabszess präsentiert sich typischerweise nach eine Inkubationszeit von einigen Monaten oder manchmal Jahren ähnlich dem pyogenen Abszess mit Fieber und Schmerzen im rechten Oberbauch. Gleichzeitiger Durchfall als Manifestation einer gleichzeitigen Amöbenruhr besteht nur in einem Drittel der Fälle; einigen weiteren Patienten ist zumindest eine zurückliegende Durchfall-Episode erinnerlich.

Diagnostik

Besteht nach Klinik und Anamnese der Verdacht auf eine der hier beschriebenen bakteriellen oder parasitären Lebererkrankungen, ist neben der Labordiagnostik eine Bildgebung mittels Ultraschall (Abb. 1b), Computertomographie oder MR-Tomographie zentraler Teil der Diagnostik.
Im Labor zeigen sich häufig eine Erhöhung von AP, GGT, AST, ALT und CRP. Das Bilirubin ist meistens nicht oder nur gering erhöht. Typisch ist weiter eine Leukozytose ohne Eosinophilie.
95 % der Patienten haben bei Erstvorstellung nachweisbare Antikörper gegen E. histolytica. Bei Bewohnern von Endemiegebieten sind diese jedoch in 30 % der Fälle positiv und unterscheiden nicht zwischen akuter und abgelaufener Infektion. Im Stuhl können Amöben per Mikroskopie, Antigen-Test oder PCR nachgewiesen werden, wobei beachteten werden muss, dass die Parasiten nur intermittierend ausgeschieden werden.
Eine Punktion des Abszesses ist bei diagnostischer Unsicherheit sinnvoll. Typischerweise ist das Punktat braun-schmierig („Anchovis-Paste“) und ein direkter mikroskopischer Nachweis von Trophozoiten gelingt nur in 20 % der Fälle. Ein Erregernachweis im Punktat mittels Antigentest oder PCR ist oft möglich.

Genetische Diagnostik

Eine genetische Diagnostik spielt hier keine Rolle.

Differenzialdiagnostik

Siehe Abschn. Pyogener Leberabszess.

Therapie

Der Amöbenabszess kann meist rein medikamentös behandelt werden. Eine Punktion sollte bei drohender Ruptur oder unzureichendem klinischen Ansprechen auf die medikamentöse Therapie erfolgen.
Die Behandlung der Amöben im Lebergewebe erfolgt initial mit Metronidazol (3-mal 500–750 mg über 7–10 Tage) und ist in über 90 % erfolgreich. Auch bei negativer Stuhlmikroskopie sollte im Anschluss eine gegen im Darmlumen befindliche Amöben gerichtete Therapie erfolgen. Hierfür stehen Paromomycin oder Diloxanidfuroat zur Verfügung.

Verlauf und Prognose

Bei adäquater Therapie ist die Prognose gut und die Letalität liegt unter 1 %. Bei erfolgreicher Therapie kommt es zu einer raschen klinischen Besserung. Die in der Bildgebung weiter darstellbare Abszessformation ist dann avital und bildet sich langsam über Monate oder Jahre zurück.

Echinokokkose

Pathophysiologie

Die Echinokokkose ist die Infektion durch Echinokokkus-Bandwürmer. Der kleine Hundebandwurm (E. granulosus oder E. cysticus) verursacht die zystische Echinokokkose und der kleine Fuchsbandwurm (E.multilocularis) verursacht die alveoläre Echinokokkose. Selten infizieren auch E. vogeli und E. oligarthrus, Erreger der polyzystischen Echinokokkose, den Menschen.
Der Mensch ist hierbei akzidenteller Wirt und dient nicht der Weiterverbreitung der Parasiten. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht beschrieben. Definitiver Wirt sind fleischfressende Säugetiere, vor allem Hunde (E. granulosus) und Füchse (E. multilocularis), in deren Darm die adulten Würmer leben und in großen Mengen Eier ausscheiden, die in feuchtem Milieu über viele Monate infektiös bleiben. Werden die Eier von einem Intermediärwirt (bei E. granulosus vor allem Schafe, Ziegen und andere Nutztiere; bei E. multilocularis vor allem kleine Nagetiere wie Ratten und Mäuse) oder dem Menschen als akzidentellen Wirt oral aufgenommen, schlüpfen Larven, die die Darmwand durchdringen und in viszeralen Organen, meist der Leber, Zysten (sog. Hydatiden) bilden, die zahlreiche Protoscolices (Kopfanlagen) enthalten. Werden die Zysten von einem definitiven Wirt verzehrt, reifen diese in seinem Darm zu adulten Bandwürmern und vervollständigen so den Lebenszyklus.

Zystische Echinokokkose

In der Regel liegt eine einzelne durch Bindegewebe gegen das umgebende Gewebe gut abgegrenzte Zyste vor. Tochterzysten bilden sich nach innen (Abb. 1). Mitunter werden E. cysticus-Zysten im Laufe der Zeit spontan avital und kalzifizieren. Zahlreiche Organe können befallen werden, jedoch ist in 90 % nur ein Organsystem betroffen – dies ist in etwa 70 % die Leber und in 25 % die Lunge. Solange die Zyste vital ist, kann sie um bis zu 5 cm pro Jahr wachsen.

Alveoläre Echinokokkose

Die alveoläre Echinokokkose wächst ähnlich einem malignen Tumor in das umgebende Gewebe ein, kann Organgrenzen überschreiten und auch in entfernte Gewebe „metastasieren“. Damit handelt es sich im Vergleich zur zystischen Echinokokkose um die wesentlich aggressivere Erkrankung.

Epidemiologie

Die zystische Echinokokkose kommt weltweit vor, wobei die Prävalenz erheblich variiert. Aus einigen hochendemischen Gebieten in den Anden oder China wurden Prävalenzraten von 5–10 % berichtet. In Europa sind vor allem die Mittelmeerländer und der Balkan betroffen. Die alveoläre Echinokokkose kommt in zahlreichen Endemiegebieten auf der Nordhalbkugel vor. In Deutschland sind vor allem Baden-Württemberg und Bayern betroffen. Im Jahr 2011 wurden dem Robert-Koch-Institut 142 Fälle von Echinokokkose (zystische Echinokokkose 88 Fälle, alveoläre Echinokokkose 32 Fälle, nicht spezifiziert 22 Fälle) gemeldet.

Klinik

Zystischen Echinokokkose

Die Primärinfektion ist nahezu immer asymptomatisch. Die Erkrankung kann über viele Jahrzehnte klinisch stumm bleiben, aber größere Zysten ab etwas 10 cm können auch durch Hepatomegalie, Schmerzen im rechten Oberbauch oder Masseneffekte (z. B. Kompression des Ductus hepaticus oder der Pfortader) klinisch manifest werden. Die Ruptur der Zyste kann eine anaphylaktische Reaktion und eine disseminierte Aussaat der Erkrankung nach sich ziehen.

Alveoläre Echinokokkose

Die alveoläre Echinokokkose wird in aller Regel im Verlauf progredient symptomatisch, oft mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust und Schmerzen im rechten Oberbauch. Weitere Symptome sind vom Befallsmuster abhängig.

Diagnostik

Besteht nach Klinik und Anamnese der Verdacht auf eine der hier beschriebenen bakteriellen oder parasitären Lebererkrankungen, ist neben der Labordiagnostik eine Bildgebung mittels Ultraschall (Abb. 1c), Computertomographie oder MR-Tomographie zentraler Teil der Diagnostik.
Die Laborveränderungen bei Echinokokkose sind unspezifisch. Nur in 15 % liegt eine Eosinophilie vor. Wichtigster Labortest ist die Bestimmung von Antikörpern gegen Echinokokken. Falsch positive Ergebnisse kommen vor allem bei Befall mit anderen Bandwurmspezies vor. In 10 % der Fälle von zystischer Echinokokkose der Leber sind keine Antikörper nachweisbar. Bei extrahepatischem Befall sind solche seronegativen Verläufe noch häufiger. Eine negative Serologie schließt eine Echinokokkose damit nicht aus. Assays zum Nachweis von Echinokokkus Antigen im Serum sind verfügbar, aber ihre Sensitivität liegt unter der der Serologie.
Die perkutane Punktion und Aspiration von Zysten ist möglich, birgt aber ein unklares Risiko von Anaphylaxie und Aussaat. Diese Maßnahme sollte daher diagnostischen Problemsituationen vorbehalten bleiben und unter dem Schutz einer anti-parasitären Therapie erfolgen.

Genetische Diagnostik

Eine genetische Diagnostik spielt hier keine Rolle.

Differenzialdiagnostik

Siehe Abschn. Pyogener Leberabszess.

Therapie

Zystischen Echinokokkose

In einigen Fällen können asymptomatische, kalzifizierte und somit vermutlich avitale Zysten zunächst nur beobachtet werden. Wachsende oder als vital eingeschätzte Zysten sollten jedoch behandelt werden. Zur Therapie gehören die medikamentöse Therapie mit Albendazol (Alternativen: Mebendazol, Praziquantel) und entweder die Resektion oder die PAIR-(perkutane Aspiration, Instillation einer protoscolicidalen Substanz und Reaspiration-) Prozedur. In vielen Fällen wird heute der PAIR-Ansatz, meist unter Verwendung von hypertonem Kochsalz oder Ethanol als Protoscolizid, bevorzugt. Faktoren wie eine Ruptur-gefährdete oberflächliche Lokalisation sprechen eher für ein chirurgisches Vorgehen. Beide Verfahren, PAIR und Resektion, sind in über 90 % erfolgreich, die Therapie-assoziierte Morbidität der PAIR scheint jedoch niedriger zu sein.

Alveoläre Echinokokkose

Sofern das Ausmaß der Läsionen und der Zustand des Patienten dies erlauben, erfolgt die chirurgische Resektion gefolgt von anti-parasitärer Therapie mit Albendazol über mindestens 2 Jahre. In inoperablen Fällen ist eine langfristige medikamentöse anti-parasitäre Therapie erforderlich.

Verlauf und Prognose

Zystischen Echinokokkose

Die Prognose der zystischen Echinokokkose ist auch ohne Therapie meist günstig, insbesondere wenn es sich um einen Zufallsbefund handelt.

Alveoläre Echinokokkose

Unbehandelt führt die alveoläre Echinokokkose über 15 Jahre nach Symptombeginn nahezu allen Fälle zum Tode. Nach kurativer Therapie ist die Prognose erheblich günstiger. Auch unter palliativer antiparasitärer Therapie werden noch 15-Jahres-Überlebensraten über 50 % erreicht.
Literatur
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