Die
periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK
) ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der behandelnden Ärzte gerückt worden. Durch die Publikation großer epidemiologischer Studien und Empfehlung einfacher Screeningmethoden (insbesondere die systolische Dopplerdruckmessung am Fuß und Arm mit Kalkulation des Quotienten: ABI, Arm-Knöchel-Index
) wird die Diagnose einer pAVK häufiger gestellt (Diehm et al.
2009). Die
Prävalenz der pAVK als Erkrankung des höheren Lebensalters steigt mit der demographischen Entwicklung. Begleitend sind insbesondere in der endovaskulären Kathetertherapie der pAVK enorme technische Fortschritte erreicht worden, die somit in der Regel Vorrang vor einer konventionellen chirurgischen Bypasstherapie besitzt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Indikationen, Therapieziele, Strategien und Möglichkeiten und bewertet abschließend neue technische Entwicklungen.
Aktuelle Leitlinien
Primär wurden die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Tendera et al.
2011), die amerikanischen ACCP-Praxisleitlinien (ACCP = „American College of Chest Physicians“) (Alonso-Coello et al.
2012) und die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Angiologie/Gefäßmedizin (Lawall et al.
2009) als Grundlage herangezogen. Letztere befindet sich gerade in Überarbeitung. Das TASC-II-Konsensus-Dokument (TASC II = „Trans-Atlantic Inter-Society Consensus Dokument on Management of Peripheral Arterial Disease“, Norgren et al.
2007) stellt eine Übersicht von pAVK-Läsionen in den einzelnen Gefäßprovinzen dar und empfiehlt für die jeweiligen Läsionen eine primär endovaskuläre oder chirurgische Therapie. Durch den raschen technischen Fortschritt im endovaskulären Bereich stellt dieses Dokument aber nicht mehr den aktuellen Stand des klinischen Alltags dar und befindet sich ebenfalls in Überarbeitung. Dennoch wird die Klassifikation noch zur Einschätzung der Komplexität von Läsionen verwendet: Die Einteilung reicht von einer Typ-A-Läsion mit meist kurzstreckiger Läsion und nur ein Gefäß betreffend bis hin zu einer komplexen und multifokalen Typ-D-Läsion.
Indikationsstellung
Die Indikation zu einer Revaskularisation ist abhängig von der klinischen Symptomatik, der Lokalisation und Läsionsausprägung der arteriellen Verschlüsse oder Stenosen und dem individuellen Behandlungswunsch des Patienten. Hierbei muss aber für jede Maßnahme eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen, um eine bestmögliche, stadiengerechte Therapie für jeden Patienten zu finden. Aufgrund der teilweise konkurrierenden endovaskulären und chirurgischen Verfahren ist hierfür eine interdisziplinäre Diskussion notwendig. Die meisten endovaskulären Kathetertherapien werden heute im Stadium IIb nach Fontaine (Claudicatio intermittens) und im Bereich der Arteria femoralis superficialis durchgeführt.
Therapieziele
Für die optimale Therapie ist primär eine Einschätzung des klinischen Stadiums der pAVK Voraussetzung. Hier besteht ein breites Spektrum an klinischen Manifestationen: die akute
Extremitätenischämie, die chronische kritische Ischämie
inkl. Ruheschmerz, das Stadium der Claudicatio intermittens
und die asymptomatische pAVK.
Die akute Extremitätenischämie ist der gefäßmedizinische Notfall und erfordert eine zeitnahe, oft sofortige Therapie, um die motorische und sensible Funktionsfähigkeit und das Überleben der Extremität zu sichern.
Die chronische kritische Ischämie, entsprechend einem Fontaine-Stadium III und IV, erfordert ebenfalls eine zeitnahe Therapie. Das Ziel ist hier die Abheilung von Läsionen und Vermeidung von Amputationen. Der Umfang der geplanten Revaskularisation ist von dem klinischen Bild abhängig. Bestehen Ruheschmerzen ohne eine trophische Läsion, so kann bereits die Beseitigung eines proximalen Verschlussprozesses mit einer Zuflussverbesserung zu einer suffizienten klinischen Besserung führen. Bestehen aber pAVK-assoziierte Ulzerationen oder gangränöse Veränderungen, zum Beispiel im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms, ist ein aggressiveres Vorgehen gerechtfertigt und eventuell die zusätzliche Wiederherstellung einer unbehinderten infrainguinalen Perfusion bis zum Fuß anzustreben.
Im Stadium einer
Claudicatio intermittens stehen die Mobilität und die
Lebensqualität des Patienten im Vordergrund. Hier wird in der Regel eine Therapie erst ab dem Stadium Fontaine IIb durchgeführt, wobei in Einzelfällen, z. B. bei einer Einschränkung der beruflichen Tätigkeit durch die Claudicatio, auch eine Therapie bei einer Gehstrecke von >200 m indiziert sein kann.
Die endovaskuläre Behandlung einer klinisch asymptomatischen pAVK ist nicht indiziert.
Eine zusammenfassende Darstellung der stadien- und risikoadaptierten Therapie der pAVK bietet Tab.
1.
Tab. 1
Stadiengerechte und risikoadaptierte Behandlung der pAVK in Abhängigkeit der Stadien nach Fontaine. (Modifiziert nach S3-Leitlinie pAVK, AWMF-Register Nr. 065/003)
Basismaßnahmen | Kontrolle Risikofaktoren | + | + | + | + | + |
Thrombozytenfunktionshemmer | + | + | + | + | + |
Strukturiertes Gehtraining | + | + | + | | |
Wundbehandlung | | | | | + |
Medikamentöse Therapie | Naftidrofuryl, Cilostazol**, Pentoxyphyllin, etc. | | + | + | | |
| | | | + | + |
Revaskularisation | Interventionelle Therapie (proximale Läsionen) | | +* | + | + | + |
Interventionelle Therapie (proximale und distale Läsionen) | | | +* | + | + |
Gefäßchirurgische Therapie | | +* | + | + | + |
Die wiedererlangte Mobilität in allen genannten Stadien ist zusätzlich von Bedeutung für die
kardiovaskuläre (Sekundär-)Prävention, da die Mortalität bei pAVK-Patienten überwiegend durch kardiovaskuläre Ereignisse, wie
Myokardinfarkte und Schlaganfälle, bestimmt wird, und regelmäßige körperliche Aktivität das kardiovaskuläre Risiko positiv beeinflusst (Hirsch et al.
2006; Perk et al.
2012).