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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 21.04.2015

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Revaskularisation, incl. Sekundärprophylaxe

Verfasst von: Karl-Ludwig Schulte und David Hardung
Die Diagnose der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) wird in den letzten Jahren häufiger gestellt. Die Prävalenz der pAVK als Erkrankung des höheren Lebensalters steigt mit der demographischen Entwicklung. Es besteht ein breites Spektrum an klinischen Manifestationen: die akute Extremitätenischämie, die chronische kritische Ischämie inkl. Ruheschmerz und Nekrose / Gangrän, das Stadium der Claudicatio intermittens und die asymptomatische pAVK. Patienten mit einer symptomatischen pAVK leiden häufig an multilokulären Gefäßläsionen und besitzen internistische Komorbiditäten. Es bieten sich unterschiedliche therapeutische Möglichkeiten an, sodass für jeden Patienten eine bestmögliche Strategie unter Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen sollte. Die Indikation zu einer Revaskularisation ist abhängig von der klinischen Symptomatik, der Lokalisation und Läsionsausprägung der arteriellen Verschlüsse oder Stenosen und dem individuellen Behandlungswunsch des Patienten. Für die optimale Therapie ist primär eine Einschätzung des klinischen Stadiums der pAVK Voraussetzung. Insbesondere in der endovaskulären Kathetertherapie der pAVK sind enorme technische Fortschritte erreicht worden, die somit meist Vorrang vor einer konventionellen chirurgischen Bypasstherapie besitzt.

Einleitung

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der behandelnden Ärzte gerückt worden. Durch die Publikation großer epidemiologischer Studien und Empfehlung einfacher Screeningmethoden (insbesondere die systolische Dopplerdruckmessung am Fuß und Arm mit Kalkulation des Quotienten: ABI, Arm-Knöchel-Index) wird die Diagnose einer pAVK häufiger gestellt (Diehm et al. 2009). Die Prävalenz der pAVK als Erkrankung des höheren Lebensalters steigt mit der demographischen Entwicklung. Begleitend sind insbesondere in der endovaskulären Kathetertherapie der pAVK enorme technische Fortschritte erreicht worden, die somit in der Regel Vorrang vor einer konventionellen chirurgischen Bypasstherapie besitzt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Indikationen, Therapieziele, Strategien und Möglichkeiten und bewertet abschließend neue technische Entwicklungen.

Aktuelle Leitlinien

Primär wurden die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Tendera et al. 2011), die amerikanischen ACCP-Praxisleitlinien (ACCP = „American College of Chest Physicians“) (Alonso-Coello et al. 2012) und die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Angiologie/Gefäßmedizin (Lawall et al. 2009) als Grundlage herangezogen. Letztere befindet sich gerade in Überarbeitung. Das TASC-II-Konsensus-Dokument (TASC II = „Trans-Atlantic Inter-Society Consensus Dokument on Management of Peripheral Arterial Disease“, Norgren et al. 2007) stellt eine Übersicht von pAVK-Läsionen in den einzelnen Gefäßprovinzen dar und empfiehlt für die jeweiligen Läsionen eine primär endovaskuläre oder chirurgische Therapie. Durch den raschen technischen Fortschritt im endovaskulären Bereich stellt dieses Dokument aber nicht mehr den aktuellen Stand des klinischen Alltags dar und befindet sich ebenfalls in Überarbeitung. Dennoch wird die Klassifikation noch zur Einschätzung der Komplexität von Läsionen verwendet: Die Einteilung reicht von einer Typ-A-Läsion mit meist kurzstreckiger Läsion und nur ein Gefäß betreffend bis hin zu einer komplexen und multifokalen Typ-D-Läsion.

Indikationsstellung

Die Indikation zu einer Revaskularisation ist abhängig von der klinischen Symptomatik, der Lokalisation und Läsionsausprägung der arteriellen Verschlüsse oder Stenosen und dem individuellen Behandlungswunsch des Patienten. Hierbei muss aber für jede Maßnahme eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen, um eine bestmögliche, stadiengerechte Therapie für jeden Patienten zu finden. Aufgrund der teilweise konkurrierenden endovaskulären und chirurgischen Verfahren ist hierfür eine interdisziplinäre Diskussion notwendig. Die meisten endovaskulären Kathetertherapien werden heute im Stadium IIb nach Fontaine (Claudicatio intermittens) und im Bereich der Arteria femoralis superficialis durchgeführt.

Therapieziele

Für die optimale Therapie ist primär eine Einschätzung des klinischen Stadiums der pAVK Voraussetzung. Hier besteht ein breites Spektrum an klinischen Manifestationen: die akute Extremitätenischämie, die chronische kritische Ischämie inkl. Ruheschmerz, das Stadium der Claudicatio intermittens und die asymptomatische pAVK.
Die akute Extremitätenischämie ist der gefäßmedizinische Notfall und erfordert eine zeitnahe, oft sofortige Therapie, um die motorische und sensible Funktionsfähigkeit und das Überleben der Extremität zu sichern.
Die chronische kritische Ischämie, entsprechend einem Fontaine-Stadium III und IV, erfordert ebenfalls eine zeitnahe Therapie. Das Ziel ist hier die Abheilung von Läsionen und Vermeidung von Amputationen. Der Umfang der geplanten Revaskularisation ist von dem klinischen Bild abhängig. Bestehen Ruheschmerzen ohne eine trophische Läsion, so kann bereits die Beseitigung eines proximalen Verschlussprozesses mit einer Zuflussverbesserung zu einer suffizienten klinischen Besserung führen. Bestehen aber pAVK-assoziierte Ulzerationen oder gangränöse Veränderungen, zum Beispiel im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms, ist ein aggressiveres Vorgehen gerechtfertigt und eventuell die zusätzliche Wiederherstellung einer unbehinderten infrainguinalen Perfusion bis zum Fuß anzustreben.
Im Stadium einer Claudicatio intermittens stehen die Mobilität und die Lebensqualität des Patienten im Vordergrund. Hier wird in der Regel eine Therapie erst ab dem Stadium Fontaine IIb durchgeführt, wobei in Einzelfällen, z. B. bei einer Einschränkung der beruflichen Tätigkeit durch die Claudicatio, auch eine Therapie bei einer Gehstrecke von >200 m indiziert sein kann.
Die endovaskuläre Behandlung einer klinisch asymptomatischen pAVK ist nicht indiziert.
Eine zusammenfassende Darstellung der stadien- und risikoadaptierten Therapie der pAVK bietet Tab. 1.
Tab. 1
Stadiengerechte und risikoadaptierte Behandlung der pAVK in Abhängigkeit der Stadien nach Fontaine. (Modifiziert nach S3-Leitlinie pAVK, AWMF-Register Nr. 065/003)
Therapie
Fontaine-Stadium
Asymptomatisch
Claudicatio
Kritische Ischämie
I
IIa
IIb
III
IV
Basismaßnahmen
Kontrolle Risikofaktoren
+
+
+
+
+
Thrombozytenfunktionshemmer
+
+
+
+
+
Strukturiertes Gehtraining
+
+
+
  
Wundbehandlung
    
+
Medikamentöse Therapie
Naftidrofuryl, Cilostazol**, Pentoxyphyllin, etc.
 
+
+
  
Revaskularisation nicht möglich: Prostanoide
   
+
+
Revaskularisation
Interventionelle Therapie (proximale Läsionen)
 
+*
+
+
+
Interventionelle Therapie (proximale und distale Läsionen)
  
+*
+
+
Gefäßchirurgische Therapie
 
+*
+
+
+
Risikofaktoren: Nikotinkarenz, Diabetestherapie, Statine, antihypertensive Therapie. Thrombozytenfunktionshemmer: ASS oder Clopidogrel. Proximale Läsionen: Verschlüsse/Stenosen der Becken- und femoropoplitealen Strombahn. Distale Läsionen: Verschlüsse/Stenosen der Unterschenkelarterien
* Bei hohem individuellem Leidensdruck, geeigneter Gefäßmorphologie und/oder fehlender Symptomverbesserung unter konservativer Therapie
** Anwendungseinschränkung beachten
Die wiedererlangte Mobilität in allen genannten Stadien ist zusätzlich von Bedeutung für die kardiovaskuläre (Sekundär-)Prävention, da die Mortalität bei pAVK-Patienten überwiegend durch kardiovaskuläre Ereignisse, wie Myokardinfarkte und Schlaganfälle, bestimmt wird, und regelmäßige körperliche Aktivität das kardiovaskuläre Risiko positiv beeinflusst (Hirsch et al. 2006; Perk et al. 2012).

Therapiestrategien

Patienten mit einer symptomatischen pAVK leiden häufig an multilokulären Gefäßläsionen und besitzen internistische Komorbiditäten. Auf der anderen Seite bieten sich unterschiedliche therapeutische Möglichkeiten an, sodass für jeden Patienten eine bestmögliche Strategie unter Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen sollte.

Multifokale Läsionen

Liegen mehrere nachgeschaltete obstruierende Prozesse vor, ist in der Regel eine vollständige Revaskularisation unverhältnismäßig und mit einem zu hohen interventionellen oder chirurgischen Risiko behaftet. Aus hämodynamischen Gesichtspunkten ist eine proximale Einflussverbesserung immer einer distalen Ausstromverbesserung voranzustellen bzw. vorzuziehen. In vielen Fällen, abgesehen von den oben genannten kritischen Ischämien, ist eine primäre Therapie des am weitesten proximal gelegenen Verschlussprozesses ausreichend und stellt häufig einen risikoarmen Eingriff dar. So ist eine Behandlung von proximalen Läsionen in den Beckenarterien eine gute Ausgangsposition für eine anschließende zunächst konservative Therapie. Erst bei ausbleibender klinischer Verbesserung erfolgt eine Behandlung distaler Stenosen oder Verschlüsse. Nur im Falle einer kritischen Ischämie ist eine gleichzeitige Ein- und Ausstromverbesserung nachgeschalteter Läsionen anzustreben.

Primäre endovaskuläre Therapie

In dem oben genannten TASC-II Konsensus-Dokument werden für viele Läsionen gefäßchirurgische Therapieverfahren empfohlen, die aufgrund technischer Entwicklungen und steigender Untersuchererfahrung auch endovaskulär mit niedrigem Risiko und gutem Ergebnis behandelt werden können. Es hat also, gestützt durch klinische Studien, eine Erweiterung der Indikation zur interventionellen Therapie stattgefunden, insbesondere bei Typ-C-Läsionen und auch Typ-D-Läsionen nach TASC II. Einschränkend muss aber festgehalten werden, dass für viele der neuen Therapieverfahren noch keine Langzeitergebnisse zu klinischen Endpunkten oder Offenheitsraten aus prospektiven randomisierten Vergleichsstudien existieren. Eine endovaskuläre Therapie ist aber in der Regel der kleinere und risikoärmere Eingriff und somit als primäre Therapie zu empfehlen. Hierbei sollte aber berücksichtigt werden, dass eine zukünftige gefäßchirurgische Therapie nicht einschränkt werden sollte. So sollten mögliche Bypasslandungszonen geschont und nicht mit Stentimplantationen überbrückt werden.

Intraarterielle Katheterthrombolysetherapie

Im Falle einer anamnestisch akut aufgetretenen Symptomatik ist ein atherothrombotischer oder thrombembolischer Gefäßverschluss anzunehmen. Die duplexsonographische Morphologie des Verschlusses kann bei echoarmem Material im Gefäßlumen diesen Verdacht erhärten. Innerhalb von ca. 14 Tagen kann hier ein Versuch einer endovaskulären Rekanalisierung erfolgen. Gelingt die endovaskuläre Passage des Verschlusses mit einem Führungsdraht ohne relevanten Widerstand, ist eine Ballondilatation oder Stentimplantation nicht indiziert, da durch diese thrombotisches Material nach distal embolisieren kann. Hier ist die Einlage eines intraarteriellen Thrombolysekatheters indiziert mit nachfolgender Applikation eines fibrinolytischen Medikaments über meist 24 Stunden. Nach Abschluss dieser Fibrinolysetherapie demaskieren sich häufig in der Kontrollangiographie atherosklerotische Läsionen, die eine sekundäre Thrombose des Gefäßes ausgelöst haben und in der gleichen Angiographiesitzung interventionell behandelt werden können. Zusätzlich oder auch alternativ kann bei kurzen Verschlüssen eine Thrombusaspiration durchgeführt werden. Bestehen Kontraindikationen gegen die Therapie mit einem Fibrinolytikum ist bei längeren Verschlüssen die mechanische Rotationsthrombektomie eine Behandlungsalternative. Bei dieser Methode wird das thrombotische Material mechanisch zerkleinert und gleichzeitig abgesaugt.

Vermeidung von Rezidivstenosen

Die technische und primäre klinische Erfolgsrate ist, auch bei chronischen und langstreckigen Gefäßverschlüssen, nach endovaskulärer Therapie sehr hoch. Ein bisher noch ungelöstes Problem, insbesondere der femoropoplitealen Strombahn, ist die Rezidivstenose nach Stentimplantation durch Hyperplasie der Intima. Strategien zur Verhinderung einer Rezidivstenose der peripheren Arterien sind eine Veränderung des Stentdesigns und Stentmaterials, die Verwendung von medikamentenbeschichteten Stents (DES) und vor allem medikamentenbeschichteten Ballons (DEB, „drug eluting balloon“). Das Therapieprinzip besteht aus einer lokalen Applikation eines antiproliferativen Medikaments in der Stenose. Dadurch soll die intimale Hyperplasie und damit eine Restenosierung vermieden werden. Aus den letzten Jahren liegen hierzu einige randomisierte klinische Studien vor, die die Verwendung dieser Technik im klinischen Alltag unterstützen (Abschn. 5).

Biomechanische Aspekte

Einige Gefäßregionen sind aufgrund biomechanischer Belastungen weniger für eine endovaskuläre Therapie und insbesondere eine Stentimplantation geeignet. Hier handelt es sich um gelenküberschreitende Gefäße, wie die A. femoralis communis und die A. poplitea, aber auch die femoropopliteale Strombahn. Besonders die sehr lange, an nur zwei Punkten fixierte A. femoralis superficialis wird nicht nur flektiert und komprimiert, es wirken hier auch Extensions-, Stauchungs- und Torsionskräfte. Falls eine Stentimplantation unumgänglich ist, sind hier spezielle Stents mit hoher Flexibilität und Radialkraft auszuwählen. Eine Stentimplantation ist notwendig bei unbefriedigendem Ergebnis nach einer Ballonangioplastie (PTA): u. a. bei einer Reststenose nach PTA >30 %, einer flusslimitierenden Dissektion oder einem frühen Wiederverschluss des Gefäßes („early recoil“). Die A. femoralis communis bleibt allerdings Domäne der Gefäßchirurgie, auch um dieses Gefäß als Zugangsgefäß für weitere Interventionen zu erhalten.

Interdisziplinäres Vorgehen – Hybrideingriffe

Im Rahmen von multilokulären Läsionen ist die bestmögliche Therapie für den Patienten ggf. eine Kombination aus endovaskulärer und gefäßchirurgischer Therapie. So kann zum Beispiel ein Verschluss der A. iliaca communis endovaskulär behandelt werden und anschließend eine gefäßchirurgische Desobliteration der A. femoralis communis erfolgen. Möglich sind auch interdisziplinäre Hybrideingriffe mit intraoperativer endovaskulärer Versorgung.

Alternative Zugangswege

Die gängige Vorgehensweise zur Rekanalisation von Gefäßverschlüssen ist die antegrade Drahtpassage nach ipsilateraler Punktion der A. femoralis communis oder nach kontralateraler Punktion der A. femoralis communis mit nachfolgendem „Cross-over“-Maneuver über die Bifurkation der Aorta und die Beckenarterien. Gelingt der Wiedereintritt bzw. die Verschlusssondierung nicht, können alternative Zugangswege dennoch zu einem interventionellen Erfolg führen: Die kruralen Gefäße können retrograd punktiert werden, sodass auch stark kalzifizierte Gefäßverschlüsse rekanalisiert werden können. Eine weitere Möglichkeit ist die antegrade Passage des Führungsdrahtes über ein Unterschenkelgefäß bis in den Arcus plantaris und die nachfolgende retrograde Sondierung in das Zielgefäß (Abb. 1). Auch im Oberschenkel können alternative Zugangswege indiziert sein: Ansatzlose Verschlüsse der A. femoralis superficialis können durch eine distale Punktion, z. B. über eine Punktion der A. poplitea oder der distalen A. femoralis superficialis, retrograd passiert werden. Letztlich ist auch ein Zugang über die A. brachialis, vorwiegend bei Beckenarterienläsionen, möglich.

Therapie der speziellen Gefäßregionen

Beckenarterien

Interventionelle Therapie

Im Bereich der Beckenarterien ist auch für komplexe Läsionen (TASC A-C und in erfahrenen Zentren TASC D) primär die endovaskuläre Therapie indiziert. Es besteht die Indikation zu einer primären Stentimplantation, da die Offenheitsraten hierunter mit einer chirurgischen Therapie vergleichbar sind. Es ist die Verwendung von ballonexpandierbaren Stents und selbstexpandierbaren Nitinolstents möglich, wobei erstere eine größere Radialkraft aufweisen und präziser platziert werden können, was insbesondere bei bifurkationsnahen Läsionen von Bedeutung ist.

Gefäßchirurgische Therapie

Die Therapie der Wahl sind als Alternative zu einer Stent-PTA (perkutane transluminale Angioplastie) die Desobliteration, ein aortobiiliakaler oder aortobifemoraler Bypass. Alternativ kann auch bei erhöhtem Operationsrisiko für einen abdominellen Eingriff ein femorofemoraler „Cross-over“-Bypass erwogen werden, wobei hier eine frei perfundierte kontralaterale Beckenstrombahn Voraussetzung ist und ggf. vorher durch Intervention herzustellen ist (Abb. 2). Reserveverfahren sind extraanatomische Bypässe (z. B. ein axillobifemoraler Bypass). Die Offenheitsraten eines aortobifemoralen Bypasses liegen nach zehn Jahren bei 80–90 % (Chiu et al. 2010).

Femoropopliteale Arterien

Interventionelle Therapie

Im Bereich der femoropoplitealen Gefäße finden sich häufig diffuse Gefäßveränderungen und langstreckige Stenosen und Verschlüsse. Die Indikationsstellung zu einer Stentimplantation ist insbesondere bei längeren Läsionen ab 5 cm (≥TASC B) erweitert worden, da die Offenheitsraten mittelfristig im Gegensatz zur alleinigen perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA) hierdurch verbessert werden. Insbesondere im Falle einer kritischen Ischämie ist die Indikation zu einer Stentimplantation großzügig zu stellen. Berücksichtigt werden sollte aber die Vermeidung von Stentimplantation in gelenkübergreifende Gefäßsegmente der A. femoralis communis und der A. poplitea. Trotz relevanter Raten an Restenosen bei diesen biomechanisch stark beanspruchten Gefäßen kann durch die primäre endovaskuläre Therapie vielen Patienten mit einer risikoarmen Therapie eine rasche Symptomverbesserung geboten werden.

Gefäßchirurgische Therapie

Die beste Offenheitsrate ermöglicht eine Bypassoperation unter Verwendung eines autologen venösen Gefäßes (meist die kontralaterale V. saphena magna). Zu beachten ist, dass dadurch die Gewinnung autologen Venenmaterials für eine etwaige spätere aortokoronare Venenbypass(ACVB)-Operation erschwert oder verunmöglicht ist. Alternativ bieten sich prothetische Bypässe an, die allerdings eine schlechtere Offenheitsrate im Bereich von 40–50 % nach fünf Jahren aufweisen (Takagi et al. 2010).

Unterschenkelarterien

Interventionelle Therapie

Die Indikation zu einer endovaskulären Therapie im Unterschenkelbereich ist in der Regel die Vermeidung von Amputationen oder die Abheilung von Läsionen bei Diabetikern (Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes 2010). In den letzten Jahren wurde die Indikation zu einer interventionellen Therapie dieser Läsionen immer häufiger gestellt, und es wurden in diesem Bereich zunehmend positive Erfahrungen gesammelt. Hier ist primäres Ziel nicht die Langzeitoffenheitsrate, vielmehr reichen häufig bereits wenige Wochen freier Perfusion in mindestens eines der Unterschenkelgefäße aus, um eine Abheilung eines Ulkus zu erreichen oder eine Amputation zu vermeiden. Bezüglich einer Stentimplantation wird die Indikation strenger gesehen, sie wird erst bei insuffizientem Ergebnis nach PTA empfohlen. Die Indikation für einen Einsatz von medikamentenbeschichteten Ballons und insbesondere Stents ist offen. Eine komplexe Unterschenkelintervention zeigt Abb. 2.

Gefäßchirurgische Therapie

Für die gefäßchirurgische Therapie von gelenküberschreitenden femorokruralen Bypässen besitzen venöse Bypässe ebenfalls besser Offenheitsraten als prothetische Bypässe. Hier liegen die Offenheitsraten nach fünf Jahren für venöse Bypässe bei 70 % und für prothetische bei 25 % (Norgren et al. 2007). Eine ergänzende chirurgische Therapie bei multifokaler Atherosklerose ist die Einstromverbesserung, zum Beispiel mit einer „Profundaplastik“. Diese Rekonstruktion der proximalen A. femoralis profunda führt über eine Verbesserung der Kollateralisierung zu einer Verbesserung der distalen Perfusion. Falls keine gefäßchirurgische Revaskularisierung erreicht werden kann und die interventionelle Therapie ausgereizt ist, ist eine Amputation die letzte Option, um eine fortschreitende Infektion oder Nekrose der Extremität zu kontrollieren.

Nachsorge

Klinische Verlaufskontrollen

Die klinischen Verlaufskontrollen eines Patienten mit bekannter pAVK sollten neben der klinischen Symptomatik, dem Lokalbefund und dem Pulsstatus auch die Bestimmung eines Knöchel-Arm-Druckes (ABI) beinhalten. Bei relevanter Verschlechterung sollte eine Bildgebung angeschlossen werden, in der Regel die farbkodierte Duplexsonographie. Regelmäßige klinische Kontrollen sollten dazu genutzt werden, kardiovaskuläre Komorbiditäten zu erfassen, da die erhöhte Mortalität diese Patienten zum Großteil durch diese Erkrankungen bedingt ist. Zusätzlich sind regelmäßige Kontrollen der kardiovaskulären Risikofaktoren indiziert, insbesondere die Indikation für eine lipidsenkende Therapie (CSE-Hemmer = Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmer). Alle Patienten sind dringend zu einer Nikotinkarenz zu motivieren und ggf. in Entwöhnungsprogramme einzuschließen. Zusätzlich profitieren die Patienten von einer Therapie mit Inhibitoren des Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE-Hemmer) oder mit Angiotensinrezeptorblockern, ausgewählte Patienten auch von einer Betablockertherapie.

Thrombozytenfunktionshemmung und Antikoagulation

Eine antithrombozytäre Therapie wird nach einem endovaskulären oder gefäßchirurgischen Eingriff zur Verbesserung der langfristigen Offenheit empfohlen. Additive positive Effekte auf das Risiko systemischer kardiovaskulären Ereignisse in diesem Hochrisikokollektiv sollten nicht vernachlässigt werden. Im Anschluss an eine infrainguinale Implantation eines nicht medikamentenbeschichteten „Bare-Metal“-Stents (BMS) wird eine duale antithrombozytäre Therapie mit Acetylsalicylsäure und einem Thienopyridin, vorzugsweise Clopidogrel, für vier Wochen empfohlen. Für medikamentenbeschichtete Ballons (DEB) und Stents (DES) ist die Dauer der dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT, „dual antiplatelet therapy“) individuell vom Untersucher festzulegen. Sie liegt meist im Rahmen von ein bis sechs Monaten nach Implantation.
Liegt wegen Komorbiditäten die Indikation zu einer oralen Antikoagulation vor, so wird aktuell nach mehreren großen klinischen Studien eine Tripeltherapie aus DAPT plus orale Antikoagulation durch das hohe Blutungsrisiko sehr kritisch gesehen. Viele Zentren haben die Studienergebnisse in die klinische Routine übernommen und empfehlen nur noch eine antithrombozytäre Monotherapie (meist mit Clopidogrel) zusätzlich zur oralen Antikoagulation (Dewilde et al. 2013).
Die Notwendigkeit zur Antikoagulation nach gefäßchirurgischer Anlage eines Bypasses konnte nicht nachgewiesen werden. Einzelne Studien beschreiben tendenziell verbesserte Offenheitsraten venöser Bypässe unter Antikoagulation, erkauft mit einem verdoppelten Risiko für schwere Blutungen (Empfehlungsstärke IIb nach der „European Society of Cardiology“, ESC). Prothetische Bypässe profitieren eher von einer antithrombozytären Therapie statt einer Antikoagulation. Eine duale antithrombozytäre Therapie kann bei prothetischen Bypässen erwogen werden (Empfehlungsstärke IIb nach ESC).

Bewertung neuer technischer Entwicklungen

Medikamentenbeschichtete Ballons

Eine vielversprechende Therapie im Bereich biomechanisch stark beanspruchter Gefäßabschnitte, wie der A. femoralis superficialis und der A. poplitea, sind medikamentenbeschichtete Ballons (DEB). Dabei erfolgt die lokale Applikation antiproliferativer Substanzen mittels eines Angioplastieballons, der hier nur als Medikamententräger fungiert. Die bisher vorliegenden Studien (THUNDER, Tepe et al. 2008, FEMPAC, Werk et al. 2008, LEVANT-I, Scheinert et al. 2014a, IN.PACT SFA, Tepe et al. 2015) zu medikamentenbeschichteten Ballons in der femoropoplitealen Strombahn zeigen in kleineren Kollektiven eine signifikante Verminderung der Restenoserate bzw. des späten Lumenverlustes und der Notwendigkeit zur erneuten Revaskularisation. Weitere Studien mit größeren Patientenzahlen und längeren Läsionslängen laufen derzeit noch.
Im Bereich der Unterschenkelarterien gibt es teils widersprüchliche Studienergebnisse. In der DEBATE-BTK-Single-Center-Studie wurde eine signifikante Reduktion der Restenoserate und der Notwendigkeit zu einer erneuten Intervention des Zielgefäßes bei Diabetikern nachgewiesen, die eine DEB-Therapie im Unterschenkelbereich erhielten (Liistro et al. 2013). Die IN.PACT-DEEP-Multi-Center-Studie (Zeller et al. 2014) zeigte bei Patienten mit einer kritischen Extremitätenischämie in der DEB-Gruppe einen Trend zu einer erhöhten Rate an Major-Amputationen, sodass die Studie vorzeitig beendet und der verwendete DEB vom Markt genommen wurde. In der BIOLUX-P-II Studie wiederum zeigten sich positive Effekte im Vergleich zur PTA (Scheinert et al. 2014b).
Medikamentenbeschichtete Ballons unterscheiden sich unter anderem in Art des verwendeten Ballons, Trägerstoff (Excipient), Dosis des antiproliferativen Medikaments und Applikation des Medikaments auf den Ballon bei der Herstellung. Aufgrund dieser Unterschiede kann von der Wirksamkeit eines DEB nicht auf die eines anderen geschlossen werden. Von einem Klasseneffekt kann nicht ausgegangen werden, und jeder DEB muss im Rahmen von Studien seine Wirksamkeit beweisen.

Medikamentenbeschichtete Stents

Die ersten Studien zu medikamentenbeschichteten Stents (DES) der peripheren Arterien zeigten keine Verbesserung der Restenoserate an der A. femoralis superficialis (SCIROCCO-Studie, Duda et al. 2006). Demgegenüber zeigen die Daten der Zilver-PTX-Studie für den Nitinolstent mit Paclitaxelbeschichtung vielversprechende Ergebnisse, die sich auch im Langzeitverlauf von fünf Jahren bestätigen (Dake et al. 2013, Dake 2014).

Bioresorbierbare Stents

Eine neue Entwicklung im interventionellen Bereich sind bioresorbierbare Stents, die auf resorbierbaren Biopolymeren (z. B. Polylactid) bestehen. Aussagekräftige Studiendaten liegen bisher nicht vor.
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