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DGIM Innere Medizin
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Verfasst von:
Peter Walger
Publiziert am: 23.03.2017

Rationaler Einsatz von Antibiotika

Hohe Prävalenzraten resistenter Staphylokokken (MRSA) und Enterokokken (VRE), eine bedrohliche Ausweitung der Resistenzentwicklung bei gramnegativen Stäbchenbakterien und die Selektion von Clostridium difficile bei gleichzeitig deutlichem Rückgang in der Entwicklung neuer Antibiotika haben weltweit den rationalen Einsatz der vorhandenen Antibiotika in den Focus internationaler und nationaler Kampagnen gestellt. Die Implementierung von Antibiotic-Stewardship-Programmen dient dabei dem Ziel, durch einen rationalen Einsatz der vorhandenen Antibiotika ihre Wirksamkeit zu erhalten. Wesentliches Ziel einer Therapie mit Antibiotika ist die Heilung eines individuellen, an einer bakteriellen Infektion erkrankten Patienten. Das Erreichen bester klinischer Behandlungsergebnisse kann nur unter Beachtung einer Minimierung von Toxizität, Selektion pathogener Erreger und Resistenzentwicklung erzielt werden. In diesem Kapitel werden die Grundlagen einer rationalen Antibiotikatherapie dargestellt.

Einleitung

Vor jeder Einleitung einer Therapie mit Antibiotika muss die Verdachtsdiagnose einer bakteriellen Infektion stehen. Zur Sicherung des Verdachtes dienen klinische Befunde (Fieber, Schmerzen, Tachypnoe, Bewusstseinsstörungen etc.), die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung, laborchemische Parameter und Ergebnisse der Bildgebung sowie mikrobiologischer Untersuchungen. In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung, dem vermuteten Sitz der Infektion, dem Alter und dem Risikoprofil des Patienten muss die Entscheidung zur antibiotischen Therapie zeitnah erfolgen.
Bei den schwersten Verlaufsformen einer Infektion, der Sepsis oder dem septischen Schock, muss die erste Antibiotikagabe innerhalb von 1 Stunde nach Aufnahme ins Krankenhaus und nach Abnahme von mindestens 2 Blutkulturpärchen erfolgen. Bei weniger schweren Infektionen können Befunde der Bildgebung oder des Labors abgewartet werden, bevor die Therapie begonnen wird, in der Regel innerhalb von 6–8 Stunden. Nur bei chronischen Infektionen von Knochen oder Gelenken sollten mikrobiologische Befunde abgewartet werden, um eine gezielte Therapie beginnen zu können.
In der Regel ist der bakterielle Erreger nicht bekannt. Die Wahl des geeigneten Antibiotikums erfolgt empirisch-kalkuliert. Sitz der Infektion, Kenntnis der typischen Erreger, vorbekannte mikrobiologische Befunde, vorausgegangene antibiotische Therapien und die Kenntnisse der lokalen oder regionalen Resistenz- und Erregerprävalenzen sind die Voraussetzung für die Wahl des geeigneten Antibiotikums. Ist der Erreger identifiziert, erfolgt die weitere Therapie gezielt. Ein Wechsel des Antibiotikums zum Beispiel von einem Breit- auf ein Schmalspektrumantibiotikum oder Beendigung der Gabe eines Kombinationspartners können sinnvoll sein. Bei gutem Ansprechen der Therapie kann sequenziell von der parenteralen auf eine orale Applikation gewechselt werden.
Die oft als „Kollateralschäden“ bezeichneten negativen Auswirkungen und Komplikationen der Antibiotikatherapie sind ihre toxischen oder allergischen Nebenwirkungen, Risiken, die sich aus Interaktionen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsbestandteilen ergeben, die Selektion pathogener Erreger und die Induktion oder Selektion von Resistenzen.

Indikationen für den Einsatz von Antibiotika

Die Diagnose einer bakteriellen Infektion wird vermutet, wenn typische klinische Symptome in Verbindung mit körperlichen Untersuchungsbefunden und ggf. weiteren technischen und laborchemischen Untersuchungsergebnissen auf einen entzündlich-infektiologischen Organbefund hinweisen. In der Regel lässt sich eine bakterielle Infektion einem infizierten Organ oder einem Infektionsherd zuordnen. Infektionen ohne Herdbefund können sich als Fieber ohne Organzuordnung bzw. als Fieber unklarer Zuordnung (fever of unknown origin, FUO), als primäre Sepsis mit oder ohne Bakteriämie und mit oder ohne identifizierbare Eintrittspforte manifestieren.
Die Abgrenzung zu einer Virusinfektion bei Nichtimmunsupprimierten stellt dabei eine Herausforderung bei respiratorischen Infektionen der tiefen Atemwege dar, während Infektionen der Harnwege oder der Haut- und Weichgewebe, der Knochen oder Gelenke, innerer Organe wie Gallenblase, Appendix, Intestinaltrakt in der Regel eindeutiger als bakteriell verursacht diagnostiziert werden können. Fehlende Klarheit in den Diagnosekriterien einer bakteriellen Infektion führt zu antibiotischen Therapien von Besiedlungen, von Virusinfektionen oder von Fieber nicht bakterieller Genese, d. h. zu Therapien ohne Indikation. Infektionen bei Immunsupprimierten und insbesondere bei neutropenen Patienten stellen eine besondere diagnostische Herausforderung dar, weil eine bakterielle Ursache nur ein Teil der infrage kommenden Ätiologien inflammatorisch febriler Zustände darstellt.
Typische Befunde bei schweren bakteriellen Infektionen sind Fieber oder Hypothermie, Leukozytose oder Leukopenie, Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) und/oder des Procalcitonins (PCT), lokale Infektionszeichen mit Bezug auf das betroffene Organsystem und klinische Instabilität im Sinne systemischer Reaktionen auf die lokale Entzündung (Sepsis, septischer Schock). Diagnosekriterien und die Indikationen für eine antibiotische Therapie bei stationären Patienten sollten in hauseigenen Leitlinien schriftlich formuliert sein.
Die Grundlagen sind in den Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen (Bodman et al. 2010) und zur oralen Therapie von Infektionen im Erwachsenenalter (Lode et al. 2006; Scholz et al. 1999) oder in den Leitlinien der wissenschaftlichen Fachgesellschaften unter anderem zur Sepsis (Reinhart et al. 2010; Dellinger et al. 2013), zur ambulant erworbenen Pneumonie (Ewig et al. 2016), zur nosokomialen Pneumonie (Dalhoff et al. 2012), zu den Harnwegsinfektionen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 2016), zur Endokarditis (Habib et al. 2015), zu infektiösen Darmerkrankungen (Hagel et al. 2015) oder zur Therapie der Helicobacter-pylori-Infektion (Fischbach et al. 2016) festgelegt.
Wichtige und häufige Infektionskrankheiten in der Allgemeinen und Inneren Medizin
Zu den häufigeren bakteriellen Infektionskrankheiten bei ambulanten Patienten gehören die ambulant erworbene Pneumonie, die bakterielle Exazerbation der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD), Harnwegsinfektionen, Haut- und Weichgewebeinfektionen sowie infektiöse Darmerkrankungen und intraabdominelle Infektionen wie die Cholezystitis, Divertikulitis und die Helicobacter-assoziierte Gastritis.
Die für die Therapie infrage kommenden Antibiotika sind in Tab. 1 aufgeführt.
Tab. 1
Die wichtigsten ambulanten Infektionen und ihre leitliniengerechte Therapien
Infektionen
Antibiotika der 1. Wahl nach Leitlinie
Alternativen
Wichtigste Erreger und Anmerkungen
Ambulant erworbene Pneumonie (CAP)
Einteilung nach Pneumonietriade: Ausschluss nosokomiale Pneumonie, Pneumonie bei Immunsuppression und Pneumonie bei COPD
Einteilung nach Schweregrad und Alter (CRB-65-Score), mit und ohne Komorbidität, Risikofaktoren Pflegeheim oder Bettlägerigkeit, Multiresistenzrisiko sehr gering (<1 %), individuelles Risiko abschätzen
Leichte CAP, ambulant behandelbar
CRB-65-Score = 0, ohne Komorbidität
Amoxicillin (3 × 1 g oral)
Moxifloxacin (1 × 400 mg oral) oder Levofloxacin (1 × 500 mg oral)
Clarithromycin (2 × 500 mg oral)
Doxycylin (2 × 100 mg Tag 1, dann 1 × 100 mg)
In Deutschland keine relevante Penicillinresistenz, Non-Response von Amoxicillin bei atypischen Erregern, daher ambulante Responsekontrolle (second look)
Orale Therapie mit Sultamicillin nicht empfohlen (keine Pneumoniedaten, keine ausreichende Bioverfügbarkeit bei „Label-Use“-Gabe) (2 × tgl.)
Leichte CAP, ambulant behandelbar
CRB-65-Score = 0, mit Komorbidität
Amoxicillin/Clavulansäure (3 × 1 g oral [825 + 125 mg])
Moxifloxacin oder Levofloxacin oral
Mittelschwere CAP, stationäre Behandlung erforderlich
CRB-65-Score = 1–2
Amoxicillin/Clavulansäure (3–4 × 2,2 g i.v.)
Ampicillin/Sulbactam (3–4 × 3 g i.v.)
Optional plus Makrolid für 3 Tage
Moxifloxacin oder Levofloxacin
In der Regel Sequenztherapie je nach Response nach 2–3 Tagen
Bei schwerer CAP Sequenztherapie möglich,
Bei Pneumokokken-Nachweis: gezielte Therapie mit Penicillin G (4 × 5 Mega)
Bei Legionellen-Nachweis: Levofloxacin (1 × 750 mg)
Bei Staphylokokken-Nachweis (MSSA): Flucloxacillin (4–6 × 2 g) oder Cefazolin (3× 2 g)
Schwere Pneumonie
CRB-65-Score = 3–4
Piperacillin/Tazobactam (3–4 × 4,5 g) oder Ceftriaxon (1 × 2 g) oder Cefotaxim (3 × 2 g)
Obligat plus Makrolid für 3 Tage
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Therapie immer parenteral beginnen
Akute Exazerbation einer COPD
Je nach Schweregrad und Vortherapie:
Amoxicillin/Clavulansäure
Ampicillin/Sulbactam
Piperacillin/Tazobactam
Moxifloxacin oder Levofloxacin
Pseudomonas-Risiko beachten, dann Carbapenem Gruppe 1 oder Kombination mit Ciprofloxacin erwägen
Harnwegsinfektionen (HWI) einschließlich Niere und Urogenitaltrakt
Mit Ausnahme der Schwangerschaft bestehen keine Indikationen zur Therapie asymptomatischer Bakteriurien, Differenzierung unkomplizierter und komplizierter HWI wichtig, bei Männern an Urethritis denken; Ausschluss einer sexuell übertragbaren Infektion (Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis, Ureoplasma urealyticum)
Unkomplizierte HWI (Zystitis)
Fosfomycin Trometamol (1 × 3000 mg, Einmalgabe)
Nitrofurantoin ret. (2 × 100 mg für 3–5 Tage)
Pivmecillinam (in Deutschland zugelassen seit 5/2016; 3 × 400 mg für 3 Tage; auch gegen ESBL + E. coli wirksam)
Ciprofloxacin
Cotrimoxacol
E. coli, Proteus mirabilis, Klebsiella pneumoniae
Therapie möglichst nach Erregernachweis bzw. regionaler Resistenzlage, empirisch kalkuliert parenteral nur bei schweren Infektionen beginnen, ansonsten wenn möglich gezielte Therapie nach Erregernachweis
Komplizierte HWI, einschließlich Urosepsis
Ambulant erworben:
Cephalosporine Gruppe 3a
Fluorochinolone
Carbapeneme Gruppe 2 (Ertapenem)
Nosokomial erworben:
Cephalosporine 3b oder 4
Fluorochinolone
Piperacillin/Tazobactam
Carbapenem Gruppe 1 (Imipenem, Meropenem)
3–5 Tage nach Entfieberung bzw. Fokuskontrolle
Der Stellenwert der neuen Kombination aus Ceftolozan/Tazobactam kann aktuell nicht ausreichend beurteilt werden
Erregerspektrum erweitert um nosokomiale Keime wie Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Staphylokokken, multiresistente Erreger
Therapie möglichst nach Erregernachweis durch Urinkultur, bei Urosepsis Therapiebeginn innerhalb der ersten Stunde nach Blutkulturentnahme, urologische Fokusdiagnostik
Akute unkomplizierte Pyelonephritis einschließlich Urosepsis
Cephalosporin Gruppe 3a (Ceftriaxon oder Cefotaxim)
oder Piperacillin/Tazobactam 5–7 Tage
Bei Sepsis Kombination mit Aminoglykosid erwägen (Gentamycin 1 × 5 mg/kg KG)
Ciprofloxacin oder Levofloxacin Amoxicillin/Clavulansäure nur nach Resistenzlage
Erregerspektrum wie bei unkomplizierter Zystitis
Sequenztherapie nach Besserung, orale Therapiefortsetzung, meistens 7 Tage insgesamt ausreichend, bei Urosepsis siehe oben
Therapieprinzipien wie unter „Komplizierte HWI“
Dauer: 2–4 Wochen
Anpassung nach Erregernachweis
Siehe unter „Komplizierte HWI“
Akute Epididymitis, Epididymoorchitis
Levofloxacin (1 × 500–750 mg) bevorzugen, da neben den klassischen Uropathogenen auch Chlamydien adäquat abgedeckt sind
Bei Gonorrhoe Ceftriaxon (1 g i.m.) plus Doxycyclin (1 × 200 mg p.o.)
Dauer: 7–14 Tage
Urethritis- und Urindiagnostik abwarten, Therapieanpassung nach den Ergebnissen
Hohe Fluorochinolon-Resistenzen von E. coli beachten
Komplizierte Urogenitalinfektionen der Frau einschließlich Endometritis, Salpingitis, Tuboovarialabszess und Pelveoperitonitis
Zusätzliche Therapie von Anaerobiern wichtig, daher Kombinationen mit Metronidazol wählen
Individuelle Therapiekonzepte nach Schweregrad der Infektion und regionaler Resistenzlage
Proben sollten laparoskopisch gewonnen werden
 
Erregerspektrum breit: Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoe, Prevotella spp., Bacteroides spp., Peptokokken, Peptostreptokokken
Kombinationspartner bei Sequenztherapie: Doxycyclin, Clindamycin oder Metronidazol
Bakterielle Gastroenteritis
Empirisch kalkuliert:
Ciprofloxacin (2 × 500 mg p.o. oder 2 × 400 mg i.v. für 3–5 Tage) oder Azithromycin (1 × 500 mg p.o. für 3 Tage) oder Ceftriaxon (1 × 2 g i.v. für 3–5 Tage)
Anpassung der Therapie nach Erregernachweis und Resistenztestung:
Salmonellen: Ciprofloxacin oder Ceftriaxon 5–7 Tage, bei Immunsuppression 14 Tage, bei fokalen Absiedlungen evtl. länger, bei prolongierter Ausscheidung >3 Monate Ciprofloxacin für 4 Wochen
Shigellen: Azithromycin oder Ciprofloxacin
Campylobacter: 1. Wahl: Azithromycin (1 × 1000 mg einmalig oder 500 mg für 3 Tage), Ciprofloxacin nur nach Resistenztestung
Yersinien: Ciprofloxacin (für 5–7 Tage) oder Cotrimoxazol (1920 mg p.o. oder i.v. für 5–7 Tage)
Bei Bakteriämie Ciprofloxacin oder Ceftriaxon für 7–14 Tage
Antibiotische Therapie nur bei Fieber, systemischen Infektionszeichen, blutigen Diarrhoen, Immunsuppression
Bei EHEC (enterohämorrhagischer E. coli) nur in Ausnahmefällen Therapie mit Carbapenem
Das seit 5/2016 in Deutschland zur Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes zugelassene Pivmecillinam ist auch wirksam gegen Salmonellen, Shigellen und Yersinien
Campylobacter jejuni, C. coli, Salmonellen, Shigellen, Yersinien, obligat pathogene E. coli, Vibrio cholerae
Erregerdiagnostik nur in begründeten Fällen (schweres Krankheitsbild, chronische Diarrhoe >4 Wochen, Immunsuppression, Hospitalisierung, Komorbiditäten, nosokomiale Diarrhoe, Ausbruchsgeschehen, arbeitsmedizinische Gründe, vor antibiotischer Therapie)
Clostridium-difficile-Kolitis
Therapie nach Schweregrad:
Leichte bis moderate Kolitis: Metronidazol (3 × 400 oder 500 mg oral oder i.v.)
Schwere Kolitis: Vancomycin (4 × 125 mg oral)
Kombination von Metronidazol und Vancomycin nicht durch Studien gesichert
Bei Rezidiven Vancomycin-Ausschleichschema oder Fidaxomycin (2 × 200 mg 10 Tage)
Einzelfallbeschreibungen: Tigecyclin (2 × 50 mg i.v., höhere Dosierung [Off-Label-Anwendung] sinnvoll)
Divertikulitis
Bei lokaler Peritonitis:
Cefuroxim oder Cefotaxim oder Ceftriaxon oder Ciprofloxacin
(jeweils zusammen mit
Metronidazol) oder Ampicillin/Sulbactam oder Amoxicillin/Clavulansäure i.v.
Dauer: 4–5 Tage
Bei schwerem Verlauf (diffuse Peritonitis):
Piperacillin/Tazobactam oder Carbapenem 2 (Ertapenem) oder Tigecyclin oder Moxifloxacin
Dauer: 5 Tage, bei nosokomialer Ätiologie 7–10 Tage
In der Regel Mischinfektion durch Erreger der Darmflora (E. coli, Bacteroides fragilis, Enterokokken)
Chirurgische Therapieoption abklären
Multiresistenzen wegen ambulanter Ätiologie selten
Cholezystitis
Primär chirurgische Therapie innerhalb von 24 Stunden (Fokussanierung)
Kurzzeittherapie (single shot) mit Piperacillin/Tazobactam, Cephalosporin Gruppe 3a oder 4 in Kombination mit Metronidazol
Fluorochinolon oder Carbapenem nach Resistenzlage
Darmflora, am häufigsten E. coli und Klebsiella pneumoniae, nosokomiales Spektrum nach Interventionen
Helicobacter-pylori-assoziierte Gastritis
Eradikation mit Clarithromycin (2 × 250–500 mg) plus Metronidazol (2 × 400–500 mg) (italienisch) oder plus Amoxicillin (2 × 1000 mg) (französisch) für 7–14 Tage
Jeweils plus Protonenpumpeninhibitor (PPI)
Zweitlinientherapie:
Bismut-Kalium-Salz plus Tetracyclin (4 × 125 mg) plus Metronidazol (4 × 125 mg) (fixe Kombination) plus PPI
Clarithromycin (2 × 500 mg) plus Amoxicillin (2 × 1000 mg) plus Metronidazol (2 × 500 mg) plus PPI
Levofloxacin (2 × 500 mg) oder Moxifloxacin (2 × 400 mg) plus Amoxicillin (2 × 1000 mg) plus PPI
Clarithromycin-Resistenzen aktuell steigend (>10 %), bei Herkunft aus Süd-Ost-Europa oder Clarithromycin-Vortherapie Tripletherapie ohne Makrolid wählen (französisch oder Bismut-haltige Vierfachtherapie [Quadrupel])
Primäre Peritonitis
Ceftriaxon (1 × 2 g)
Cefotaxim (3 × 2 g)
Piperacillin/Tazobactam (3 × 4,5 g)
Dauer: 7 Tage
Bei CAPD-Patienten:
Kombination mit Ciprofloxacin oder nach Erregernachweis anpassen
Dauer: 7–10 Tage
 
Patienten mit Aszites bei Leberzirrhose in 70 %
Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella pneumoniae), Staphylokokken (besonders bei kontinuierlicher ambulanter Peritonealdialyse [CAPD], Enterokokken, Streptokokken)
Nekrotisierende Pankreatitis mit infizierten Nekrosen
Therapie nur nach Infektionsnachweis
Fluorochinolone, Piperacillin/Tazobactam, Carbapeneme, Tigecyclin
Dauer: 7–10 Tage
Bei Nachweis von Candida-Spezies 14 Tage Therapie mit einem Echinocandin oder bei moderater Klinik und C.-albicans-Nachweis Fluconazol
 
Enterobacteriaceae, Enterokokken, Staphylokokken, Anaerobier, Candida spp.
Multiresistente Erreger je nach individuellem Risiko
Akute bakterielle Haut- und Weichgewebeinfektionen (acute bacterial skin and skin structure infections, ABSSSI)
Zu den primär konservativ zu behandelnden SSSI gehören Impetigo contagiosa, Furunkel, Karbunkel, Erysipel, begrenzte Phlegmone und Erysipeloid
Indikationen für eine antibiotische Therapie sind die diffuse Ausbreitung der Infektion im Weichgewebe oder eine systemische Entzündungsreaktion mit Fieber, Leukozytose und CRP-Anstieg
Impetigo/Ekthym
Penicillin V (oral)
Bei Non-Response nach 2 Tagen Wechsel auf Cephalosporin 1 (Cefazolin) oder 2 (Cefuroxim), bei oraler Gabe schlechte orale Bioverfügbarkeit beachten, dann eher Clindamycin
β-hämolysierende Streptokokken A, B, C und G, Staphylococcus aureus
Lokale antiseptische Therapie zusätzlich
Furunkel/Karbunkel
Parenterale Gabe von Flucloxacillin oder Cefazolin bei Lokalisation im Gesichtsbereich (zentrofazial), ansonsten orale Therapie mit Flucloxacillin oder Clindamycin
In der Regel reicht die chirurgische Inzision, wenn keine systemischen Infektzeichen
Bei MRSA-Nachweis Linezolid (2 × 600 mg oral)
Staphylococcus aureus (MSSA)
An cMRSA oder MSSA mit Produktion von PVL (Panton-Valentine-Leukozidin) denken: übertragbare Furunkulose, Rezidivneigung, bei PVL-Nachweis von MSSA Hygienemanagement wie bei MRSA
Erysipel
Penicillin G (4 × 5 Mega für 7–14 Tage)
Sequenztherapie nach 5–7 Tagen mit oralem Penicillin V (3 × 1,2–1,5 Mega) möglich
Bei Penicillin-Allergie Clindamycin (3 × 600 mg)
Bei Non-Response und schwieriger Abgrenzung zur Phlegmone Wechsel auf Cefazolin (3 × 2 g) oder Cefuroxim (3 × 1,5 g) (zusätzliche Staphylokokkenwirksamkeit)
β-hämolysierende Streptokokken A, selten B-, C- oder G-Streptokokken
Gelegentlich schwierige Abgrenzung zur begrenzten Phlegmone mit Haupterreger Staphylococcus aureus
Bei chronisch-rezidivierendem Erysipel Langzeittherapie als Prophylaxe: Penicillin V (2 × 250 mg/Tag bzw. 2 × 0,4 Mega für 12 Monate)
Alternative bei Non-Compliance Benzathin-Penicillin (2,4 Mega i.m. alle 2–3 Wochen für zunächst 6 Monate)
Bei Penicillinallergie Clarithromycin (2× 250 mg oral)
Begrenzte Phlegmone (Zellulitis)
Parenterale Therapie bei kritischer Lokalisation (Gesicht, Sehnenbeugen) oder Tiefenausdehnung
Cefazolin (3 × 2 g) oder Cefuroxim (3 × 1,5 g) oder Flucloxacillin (3–4 × 2 g)
Bei unkomplizierter Infektion orale Therapie möglich
Clindamycin (3 × 600 mg i.v.)
Bei chronischem Verlauf und antibiotischen Vortherapien sind zusätzlich gramnegative und anaerobe Erreger sowie Multiresistenzen zu berücksichtigen; Therapie mit Piperacillin/Tazobactam oder einem Carbapenem oder Tigecyclin erwägen
Gezielte Therapie nach Erregernachweis anstreben
Staphylococcus aureus
Infektion im Umfeld einer chronischen Wunde, Ulkus
Fieber bei Neutropenie
Eine besondere Herausforderung ist die adäquate antiinfektive Therapie bei Fieber in Neutropenie. Schwere Infektionen sind die führende Todesursache neutropener Patienten, die unmittelbare kausale antiinfektive Therapie ist lebensrettend. Das höchste Risiko für prolongierte Neutropenien als Therapiefolge haben Patienten mit hämatologischen Neoplasien, insbesondere einer Akuten myeloischen Leukämie (AML) sowie nach allogener Stammzelltransplantation.
Ein hoher Anteil der Infektionen verläuft als Fieber ohne nachweisbaren Ursprung (fever of unknown origin, FUO), trotzdem ist eine komplette klinische und körperliche Untersuchung essenziell. Hierzu gehören die sorgfältige Untersuchung von Haut und Schleimhäuten, Eintrittsstellen zentraler und peripherer Gefäßzugänge, Punktionsstellen, Atemwege, Urogenitaltrakt, Abdomen und Perianalregion. Diese erfolgt nach der initialen Entnahme von 2 × 2 Blutkulturen und der sofortigen empirisch kalkulierten parenteralen Gabe eines bakteriziden Breitspektrumantibiotikums in Form eines Carbapenems oder von Piperacillin-Tazobactam mit oder ohne Kombinationspartner in Abhängigkeit von der klinischen und mikrobiellen Risikokonstellation. Bei persistierendem Fieber oder klinischer Instabilität wird der Wechsel auf ein Carbapenem oder die Kombination mit einem Aminoglykosid oder einer anderen Substanz zum Schließen einer Wirkungslücke empfohlen. Bei Niedrigrisikopatienten ohne Zeichen einer schweren Infektion, ohne vorausgegangene Fluorochinolon-Prophylaxe und bei zu erwartender Neutropeniedauer von maximal 5 Tagen kann auch eine orale Antibiotikatherapie erfolgen. Eine besondere Herausforderung sind Lungeninfiltrate in der Neutropenie, die differenzialdiagnostisch als Manifestationen einer pulmonalen Pilzinfektion, in der Regel durch Aspergillus fumigatus, gewertet werden müssen. Eine Candida-Pneumonie ist eine Rarität. Bei intestinaler Mukositis kann es zu septischen Candida-Infektionen in der Regel in Form einer Candidämie ohne Organbeteiligung kommen. Wenn eine prolongierte Neutropenie von mehr als 10 Tagen erwartet wird, soll bei persistierendem Fieber eine empirisch kalkulierte antimykotische Therapie erwogen werden (Weissinger et al. 2012; Penack et al. 2014).

Grundprinzipien der antibiotischen Therapie

Die richtige Wahl des Antibiotikums

Mit der Wahl des Antibiotikums nach Stellen der Diagnose oder Verdachtsdiagnose soll das für den Patienten relevante Erreger- und Resistenzspektrum erfasst sein. Dabei sind zeit- und ortsnahe Erreger- und Resistenznachweise im Patienten, in seiner unmittelbaren Umgebung, seiner Station oder Abteilung, seines Krankenhauses oder der Region relevant.
Je schwerer der Patient erkrankt ist, desto sicherer sollen alle potenziellen Erreger im Spektrum des ausgewählten Antibiotikums liegen, desto sicherer soll es in einer adäquaten Konzentration an den Ort der Infektion gelangen und desto schneller soll es die verantwortlichen Erreger abtöten. Eine initial inadäquate antibiotische Therapie schwerer Infektionen korreliert mit erhöhter Morbidität und Mortalität.
Für die empirisch kalkulierte Therapie schwerer Infektionen gelten daher folgende Regeln (Bodman et al. 2010; Reinhart et al. 2010; Dellinger et al. 2013):
  • Wahl eines bakteriziden Antibiotikums mit breitem Spektrum
  • Wirksamkeit gegen die wahrscheinlichsten Erreger und deren Resistenzen
  • Parenterale Gabe
  • Initial hohe Dosierung ohne Berücksichtigung einer eingeschränkten Elimination
  • Einhaltung der korrekten Dosierungsintervalle
  • Frühestmöglicher Beginn der Antibiotikagabe bei Sepsis oder septischem Schock innerhalb der 1. Stunde nach stationärer Aufnahme, bei sonstigen schweren Infektionen möglichst zeitnah nach Durchführung entsprechender Diagnostik innerhalb von 4–6 Stunden
  • Zusätzliche Gabe eines weiteren Antibiotikums als Kombinationspartner in bestimmten Fällen
Die wichtigsten bakteriziden Antibiotika sind die Beta-Laktam-Antibiotika mit den vier Untergruppen Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Monobactame und die Fluorochinolone.
Eine Liste der wichtigsten bakteriziden Antibiotika mit den relevanten Indikationen und Zulassungen zeigt Tab. 2. Die relevanten bakteriostatischen Antibiotika werden in Tab. 3 zusammengefasst. Zu ihnen gehören die Makrolide (Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin und Azithromycin), Tetracycline (einzige relevante Substanz Doxycyclin), Lincosamide (einzige Substanz Clindamycin), Glycylcycline (einzige Substanz Tigecyclin), Cotrimoxazol und die Oxazolidinone Linezolid und Tedizolid.
Tab. 2
Einteilung der wichtigsten bakteriziden Antibiotika nach Klassen und Gruppen mit Indikationen und Zulassungen (Bodman et al. 2010; Brodt 2013; http://www.infektliga.de/antiinfektiva/antibiotika/penicilline/. Zugegriffen am 31.12.2015)
Antibiotikaklasse
Gruppeneinteilung und relevante Substanzen
Wichtige Eigenschaften
Zulassung und Einschränkungen durch Resistenzen in Deutschland
Penicilline (Beta-Laktame)
Benzylpenicilline
Penicillin G
Oral:
Penicillin V
Schmalspektrum, wirksam gegen Streptokokken, Pneumokokken, Meningokokken, Spirochäten, Clostridien, Actinomyces-Arten, Corynebakterien (Diphtherie), Borrelien, Leptospiren, Gonokokken
Für eine kalkulierte-empirische Initialtherapie zu schmal
Breite Zulassung
Keine relevanten Resistenzraten bei Pneumokokken, A-Streptokokken, Meningokokken
Stärkste Wirkungsintensität bei Penicillin-sensiblem Erreger
Gegen Staphylokokken unwirksam, da >80 % Penicillinasen bilden
Isoxazolylpenicilline
Flucloxacillin
Oral:
Flucloxacillin
Schmalspektrum gegen Methicillin-sensible Staphylococcus aureus, (MSSA)
Für eine gezielte Therapie geeignet
Infektionen durch Penicillinase-bildende Staphylococcus aureus bei erhaltener Oxacillin-Sensibilität, keine Wirksamkeit bei Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA)
Aminopenicilline +/- Betalaktaminhibitor
Ampicillin +/- Sulbactam
Amoxicillin +/- Clavulansäure
Oral:
Amoxicillin
± Clavulansäure
Sultamicillin
Wie Penicillin G, zusätzlich Enterococcus faecalis, Listerien, Haemophilus spp.
Durch Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor (BLI) Erweiterung des Spektrums auf Betalaktamase-bildende grampositive und gramnegative Erreger
Für eine kalkulierte Therapie geeignet
Breite Zulassung
Enterococcus faecalis nur in ca. 2 % resistent
E. coli in >50 % resistent
Standardtherapie ± BLI der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP)
Amidinopenicillin
Mecillinam
Oral:
Pivmecillinam
Nur im gramnegativen Bereich wirksam, besonders bei E. coli einschließlich ESBL-Bildnern, Klebsiellen, Proteus, Enterobacter, Serratia, auch gegen Salmonellen, Shigellen und Yersinien
Zulassung in Deutschland nur bei unkompliziertem Harnwegsinfekt, in Österreich auch bei Pyelonephritis, chronischen oder rezidivierenden HWI, symptomatische oder asymptomatische Bakteriurie in der Schwangerschaft; Salmonellosen, Shigellosen, Alternative bei Typhus abdominalis, Sanierung von Salmonellenausscheidern
Geringe Resistenzentwicklungen in Ländern mit langjähriger Anwendung (u. a. Skandinavien)
Acylaminopenicilline
Piperacillin
± Beta-Laktam-Inhibitor
Oral:
Breites Wirkungsspektrum einschließlich Pseudomonas aeruginosa und die meisten Enterobacteriaceae, durch Kombination mit dem Betalaktamaseinhibitor Tazobactam Erweiterung des Spektrums
Für eine kalkulierte Therapie schwerer Infektionen geeignet
Breite Zulassung
Resistenzraten von Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa lokal variierend
Bei Nachweis von „extended-spectrum beta-lactamases“ (ESBL) oft noch wirksam
Sehr langsame oder keine Resistenzentwicklung unter Therapie
Cephalosporine (Beta-Laktame)
Gruppe 1
Cefazolin
Oral:
Cefaclor
Cefalexin
Cefadroxil
Schmales Wirkspektrum gegen Streptokokken und Staphylokokken, unzureichend gegen E. coli, Klebsiella spp.
Für eine gezielte Therapie von Staphylococcus-aureus-Infektionen und zur perioperativen Prophylaxe geeignet
Breite Zulassung
Keine Anaerobier-, Legionellen- und Enterokokken-Wirksamkeit (natürliche Resistenz), keine Wirksamkeit bei MRSA
Gruppe 2
Cefuroxim
Cefotiam
Oral:
Cefuroxim-Axetil
Wirksam gegen Streptokokken und Staphylokokken, erweitertes Spektrum im gramnegativen Bereich einschließlich Haemophilus influenzae
Zur perioperativen Prophylaxe geeignet, wenn auch E. coli (Abdominalchirurgie) mit abgedeckt sein soll, Einschränkung der oralen Therapie wegen schlechter oraler Bioverfügbarkeit (ca. 40 %, bei alkalischem Magensaft z. B. unter PPI noch geringer)
Breite Zulassung
Anaerobier-, Legionellen- und Enterokokken-Lücke, Inaktivierung durch ESBL
Gruppe 3a
Ceftriaxon
Cefotaxim
Oral:
Cefixim
Cefpodoxim-Proxetil
Ceftibuten
Gute Wirksamkeit gegen Pneumokokken und Streptokokken sowie gramnegative Erreger; zusätzlich Borrelien, Gonokokken, Meningokokken, gegen Staphylococcus aureus (MSSA) schwächer wirksam als Cephalosporine der Gruppe 1 oder 2, daher zur perioperativen Prophylaxe weniger gut geeignet
Breite Zulassung
Anaerobier-, Legionellen- und Enterokokken-Lücke, Inaktivierung durch ESBL, keine Pseudomonas-Wirksamkeit
Gruppe 3b
Ceftazidim
Ceftazidim/Avibactam
Oral:
Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa, soweit keine Resistenzen; gegen Pneumokokken, Streptokokken und Staphylokokken (MSSA) unzureichend wirksam
Durch Avibactam Erweiterung des Spektrums auf Carbapenem-Resistenzen Ambler-Klassen A und C, keine Wirkung gegenüber Metallobetalaktamasen (Ambler B) und der Mehrzahl der OXA-Serin-Betalaktamasen (Ambler D)
Breite Zulassung
Steigende Pseudomonas-Resistenzen
Anaerobier-, Legionellen- und Enterokokken-Lücke
Inaktivierung durch ESBL
Ceftazidim/Avibactam: FDA-Zulassung für komplizierte intraabdominelle Infektionen (cIAI) und komplizierte HWI 2015, Zulassung in Europa 2016 für cIAI, komplizierte Harnwegsinfektionen einschließlich Pyelonephritis (cUTI), nosokomiale Pneumonie (HAP) einschließlich beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP), Behandlung von aeroben gramnegativen Infektionen bei erwachsenen Patienten, deren Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind
Gruppe 4
Cefepim
Oral:
Gute Pseudomonas-aeruginosa-Wirksamkeit, auch gegen AmpC-Betalaktamasen-positive Enterobacteriaceae wie Enterobacter spp. und Citrobacter spp., nicht gegen ESBL wirksam
Gegen Staphylococcus aureus wie Gruppe 3a und 3b unzureichend
Breite Zulassung
Alle systemischen oder lokalen Infektionen durch sensible Erreger
Anaerobier-, Legionellen- und Enterokokken-Lücke
Inaktivierung durch ESBL
Gruppe 5
Ceftobiprol
Ceftarolin
Ceftolozan
Oral:
Ceftobiprol entspricht der Gruppe 4 plus MRSA- und Enterococcus-faecalis-Wirksamkeit
Nur für ambulant erworbene Pneumonie (CAP) und „hospital-acquired pneumonia“ (HAP) zugelassen, nicht jedoch für die Beatmungs-assoziierte Pneumonie (VAP)
Wird durch ESBL inaktiviert
Aktuell noch geringe Anwendungserfahrung
MRSA-Indikation Off-Label-Anwendung
Ceftarolin entspricht der Gruppe 3a plus MRSA- und Enterococcus-faecalis-Wirksamkeit
Für CAP und acute bacterial „skin and skin structure infection (ABSSSI)“ bzw. akute bakterielle Haut-Weichgewebeinfektionen (ABHWGI) (HWGI) zugelassen
Wird durch ESBL inaktiviert
Aktuell noch wenig Anwendungserfahrung
MRSA-Indikation Off-Label-Anwendung
Ceftolozan nur in fixer Kombination mit Tazobactam:
Breites Wirkspektrum einschließlich multiresistenter Pseudomonas aeruginosa, entsprechend Gruppe 4
Aktuell noch geringe Anwendungserfahrungen
Keine Wirksamkeit gegen MRSA, Enterokokken sowie einige ESBL
Für komplizierte Harnwegsinfektionen einschließlich Pyelonephritis und komplizierte intraabdominelle Infektionen (cIAI) durch gramnegative sensible Erreger, in den USA auch für nosokomiale Pneumonie (VAP) zugelassen
Carbapeneme (Beta-Laktam)
Gruppe 1
Meropenem
Imipenem
Oral:
Breitestes Wirkungsspektrum im grampositiven und gramnegativen Bereich einschließlich Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii, Anaerobier und ESBL-Bildner
Keine Wirksamkeit gegen Stenotrophomonas maltophilia, MRSA und Enterococcus faecium
Breite Zulassung
Für Meningitis nur Meropenem zugelassen
Inaktivierung durch Carbapenemasen oder Doppelresistenzen durch ESBL oder AmpC plus Porenverlust
Resistenzen durch Carbapenemasen weltweit steigend, noch <1 % in Deutschland, aber Ausbrüche (!), auch polyklonale Ausbrüche durch Plasmidtransfer
Gruppe 2
Ertapenem
Oral:
Wie Gruppe 1, aber keine Wirksamkeit gegen Enterococcus faecalis, einige Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii
Breite Zulassung
Nicht Meningitis!
Inaktivierung durch Carbapenemasen (siehe oben)
Monobactame (Beta-Laktame)
Aztreonam
(keine Zulassung in Deutschland)
Oral:
Inhalativ:
Aztreonam inhalativ
Ausschließlich gegen gramnegative Erreger wirksam außer Acinetobacter baumannii, Stenotrophomonas maltophilia und ESBL-Bildner, wirksam gegen Carbapenemase-Bildner vom MBL-Typ (Metallobetalaktamasen)
In Deutschland geringe Anwendungserfahrung
In Zukunft bedeutsam in Kombination mit neuem Betalaktamase-Inhibitor Avibactam wegen Wirksamkeit gegen alle Carbapenemase-Bildner, einschließlich Metallobetalaktamasen (z. B. NDM-1), weil Aztreonam gegen MBL wirkt und Avibactam die Wirksamkeit auf Carbapenemasen vom Serin-Typ ausweitet
Fluorochinolone
Gruppe 1
Nur oral:
Norfloxacin
Gramnegative Stäbchen, Pseudomonas aeruginosa
Nur noch bei Harnwegsinfektionen oder zur Sekundärprophylaxe bei spontan bakterieller Peritonitis eingesetzt
Wegen hoher E.-coli-Resistenzen und fehlender systemischer Wirkung nur noch geringe Bedeutung
Nach Risikobewertung durch die FDA (2016) wegen zum Teil schwerer irreversibler Nebenwirkungen am muskuloskelettalen System sowie am peripheren und zentralen Nervensystem Indikationseinschränkung nur noch für schwere Infektionen, bei denen es keine Alternativen gibt; eine Risikoneubewertung durch die EMA ist auch in Europa initiiert (2017)
Gruppe 2
Ciprofloxacin
Oral:
Ciprofloxacin
Gute Wirksamkeit gegen gramnegative Erreger einschließlich Pseudomonas aeruginosa und Haemophilus influenzae
Unzureichend wirksam gegen Staphylococcus aureus (MSSA), Pneumokokken und Enterokokken
Schwächer wirksam gegen atypische Pneumonieerreger Chlamydien, Legionellen und Mykoplasmen im Vergleich zu Fluorochinolonen der Gruppen 3 und 4 (siehe unten)
Breite Zulassung
Nieren- und Harnwegsinfektionen, HNO, Atemwege (nicht bei Pneumokokken), Bauchraum, Genitalorgane, Knochen- und Gelenke, Haut- und Weichgewebe, Sepsis, Neutropenie
Wegen steigender Resistenzen bei Enterobacteriaceae (besonders E. coli) sowie Selektion von MRSA und C. difficile Bedeutungsverlust in der kalkulierten Initialtherapie
Einschränkung auf schwere Infektionen wegen Persistenz schwerer Nebenwirkungen (siehe oben)
Gruppe 3
Levofloxacin
Oral:
Levofloxacin
Bessere Wirksamkeit gegen grampositive Erreger wie Staphylokokken (MSSA), Streptokokken, Pneumokokken sowie die Erreger atypischer Pneumonien Chlamydien, Legionellen und Mykoplasmen
Gegen Pseudomonas aeruginosa schwächer als Ciprofloxacin (Gruppe 2)
Breite Zulassung
Ambulant erworbene Pneumonie (CAP), ABSSSI
Wegen steigender Resistenzen bei Enterobacteriaceae (besonders E. coli) sowie Selektion von MRSA und C. difficile Bedeutungsverlust in der kalkulierten Initialtherapie schwerer Infektionen
Einschränkung auf schwere Infektionen wegen Persistenz schwerer Nebenwirkungen (siehe oben)
Gruppe 4
Moxifloxacin
Oral:
Moxifloxacin
Wirkungsspektrum wie Gruppe 3, aber mit Pseudomonas-Lücke, deutlich höhere Wirksamkeit bei grampositiven Erregern und bessere Wirksamkeit bei den Erregern atypischer Pneumonien, zusätzlich gute Wirksamkeit gegenüber Anaerobiern, Stellenwert in der Tuberkulose-Therapie
Breite Zulassung
CAP, infektexazerbierte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), ABSSSI
Wegen steigender Resistenzen bei Enterobacteriaceae (besonders E. coli) sowie Selektion von MRSA und C. difficile Bedeutungsverlust in der kalkulierten Initialtherapie
Einschränkung auf schwere Infektionen wegen Persistenz schwerer Nebenwirkungen (siehe oben)
Aminoglykoside
Streptomycin (TBC)
Oral:
Topisch:
Neomycin (dermatologisch)
Paramomycin (intestinal)
Gute Wirksamkeit im gramnegativen Bereich, aber in den letzten Jahren abnehmende Bedeutung wegen Oto- und Nephrotoxizität
In der gezielten Therapie als Kombinationspartner bei Infektionen durch multiresistente Erreger und optional bei Endokarditis; wichtige Reserveantibiotika
Keine Wirksamkeit im sauren und anaeroben Milieu
Breite Zulassung
Kombinationspartner bei schweren (nosokomialen) Infektionen durch gramnegative Erreger, Fieber in Neutropenie, Pseudomonas-Infektionen bei zystischer Fibrose und anderen strukturellen Lungenerkrankungen, Endokarditis
Bei Therapie >3 Tage Therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) indiziert
Glykopeptide
Dalbavancin
Oritavancin
Oral:
Vancomycin
Teicoplanin
Ausschließlich gegen grampositive Erreger wirksam, einschließlich MRSA und Enterococcus faecium
Als orale Therapie ist Vancomycin bei C. difficile indiziert, Teicoplanin auch wirksam, aber keine Daten, keine Nennung in Leitlinien
Sepsis, Endokarditis, Knochen- und Gelenksinfektionen, Haut- Weichgewebe-, Nieren- und Harnwegsinfektionen
Wegen Nephrotoxizität TDM indiziert
Keine relevante Resistenzen von MRSA, aber steigende induzierbare Resistenzen bei Enterococcus faecium (Vancomycin-resistente Enterokokken [VRE], VanA-Typ Vancomycin- und Teicoplanin-resistent, VanB-Typ nur Vancomycin-resistent)
Dalbavancin und Oritavancin: Zulassung für ABSSSI seit März 2016, lange Halbwertszeit, 1 oder 2 Applikationen im Abstand von 7 Tagen, aktuell noch keine ausreichenden Erfahrungen in der Anwendung
Zyklische Lipopeptide
Daptomycin
Ausschließlich gegen grampositive Erreger wirksam, einschließlich MRSA und VRE
Zugelassen zur Therapie der Rechtsherz-Endokarditis ± Bakteriämie durch MRSA, ABSSSI
Sinnvoll bei VRE-Bakteriämie bzw. -Endokarditis Off-Label-Anwendung
Kontraindiziert bei Pneumonie (Inaktivierung durch Surfactant)
Aktuell noch keine relevanten Resistenzraten, aber sporadisch bei MRSA und VRE
Wichtiges Reserveantibiotikum bei ABSSSI
Wegen guter Gewebegängigkeit und Biofilmaktivität zunehmende Bedeutung bei Fremdkörper-assoziierten Infektionen (Off-Label-Anwendung)
Polymyxine
Colistin
Ausschließlich gegen gramnegative Erreger wirksam, einschließlich multiresistente Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii (ESBL- und Carbapenemase-Bildner)
Wichtiges Reserveantibiotikum mit steigender Bedeutung
Zulassung für Infektionen mit Colistin-empfindlichen Erregern, wenn die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind
Colistin soll möglichst mit einem anderen geeigneten Antibiotikum kombiniert werden; bei Monoeinsatz muss mit steigenden Resistenzen gerechnet werden
Aktuell Beginn einer weltweiten Ausbreitung Colistin-resistenter E. coli nach Colistin-Einsatz in der Geflügelmast, Erstnachweis des übertragbaren Gens mcr-1 in China
Epoxide
Fosfomycin
Oral:
Fosfomycin-Trometamol
Breites Wirkspektrum gegen gramnegative und grampositive Erreger einschließlich multiresistenter Erreger (ESBL-Bildner, MRSA, VRE)
Nicht wirksam gegen Acinetobacter spp. und Anaerobier der Bacteroides-Spezies
Breite Zulassung
Wegen schneller sekundärer Resistenzentwicklung nur als Kombinationspartner einzusetzen
Wichtiges Reserveantibiotikum bei multiresistenten Erregern, bei gramnegativen Erregern einschließlich Pseudomonas aeruginosa möglichst nur gezielt einsetzen (nach Resistogramm)
Nephrotoxizität und Natriumbelastung beachten
Nitroimidazole
Metronidazol
Oral:
Metronidazol
Wirksam gegen anaerobe grampositive und gramnegative Bakterien
Nicht wirksam gegen Propionibakterien und Actinomyzeten
Breite Zulassung für Infektionen durch Anaerobier und zur perioperativen Prophylaxe
In der Regel als Kombinationspartner bei Mischinfektionen; Monotherapie bei leichter bis mittelschwerer C.-difficile-Kolitis (oral und parenteral wirksam)
Zusätzliche Indikationen bei Protozoen-Infektionen (Tab. 3) sowie bei Helicobacter-pylori-assoziierter Ulkus-/Gastritis-Krankheit als Teil der Tripletherapie
Makrozykline
Fidaxomycin
(nur oral verfügbar)
Orales Schmalspektrumantibiotikum gegen Clostridium difficile
Zulassung zur Therapie bei Rezidiven von C.-difficile-Kolitis
Ansamycine
Rifampicin
Oral:
Rifampicin
Wichtiges Tuberkulostatikum in der Vierfachkombination
Wirksamste Biofilm-aktive Substanz, Empirisch bei akuten Fremdkörper-assoziierten Infektionen und hoher Wahrscheinlichkeit von Staphylococcus aureus; ansonsten nur gezielt bei nachgewiesener Sensibilität von MRSA oder Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS)
Zulassung zur Therapie der Tuberkulose
Bei Fremdkörper-assoziierten Infektionen durch Staphylococcus aureus und nachgewiesener Sensibilität in der Off-Label-Anwendung wichtigste Biofilm-wirksame Substanz
Bei Meningokokken-Meningitis und invasiven Haemophilus-influenzae-Infektionen zur postexpositionellen Meningitis-Prophylaxe indiziert
Rifabutin
(nur oral verfügbar)
Wirksamkeit gegen atypische Mykobakterien (Mycobacterium-avium-intracellulare-Komplex, MAI-Komplex)
Prophylaxe und Therapie von Infektionen durch atypische Mykobakterien, besonders von MAI bei AIDS-Patienten
Rifaximin
(nur oral verfügbar)
Wirksam gegen nichtinvasive bakterielle Erreger der Reisediarrhoe
Keine ausreichende Wirksamkeit gegen Clostridium difficile
Zugelassen zur Therapie der unkomplizierten Reisediarrhoe (zweifelhafte Indikation) sowie zur Rezidivprophylaxe der hepatischen Enzephalopathie
Studienlage unzureichend
Nitrofurane
Nitrofurantoin
(nur oral verfügbar)
Wirksam gegen grampositive Erreger von Harnwegsinfektionen (HWI) (Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken, einschließlich E. faecium und VRE) sowie die wichtigsten gramnegativen Bakterien einschließlich ESBL-Bildner
Keine Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp. und Proteus spp.
Nach S3-Leitlinie zur Therapie des unkomplizierten HWI empfohlen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften AWMF Konsultationsfassung 2016)
Trotz breiter Zulassung heute nur noch zur Therapie von unkomplizierten HWI verwendet
„Die Weiterverwendung dieses Chemotherapeutikums ist ein warnendes Beispiel für Perpetuierung historischer Irrtümer in der Medizin“ (Brodt 2013)
BLI, Betalaktamase-Inhibitor; CAP, Ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia); COPD, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung; ESBL, extended-spectrum beta-lactamases; FDA, Food and Drug Administration; HAP, hospital-acquired pneumonia, (chronic obstructive pulmonary diesease); Hp, Helicobacter pylori; ABHWGI, akute bakterielle Haut- und Weichgewebeinfektionen; HWI, Harnwegsinfektionen; KNS, Koagulase-negative Staphylokokken; MAI, Mycobacterium avium-intracellulare; MBL, Metallobetalaktamasen; MRSA, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus; MSSA, Methicillin-sensibler Staphylococcus aureus; ABSSSIacute bacterial skin and skin structure infection“, skin and skin structure infection; TDM, Therapeutisches Drug-Monitoring; VAP, ventilator-associated pneumonia
Tab. 3
Einteilung der wichtigsten bakteriostatischen Antibiotika nach Klassen und Gruppen mit Indikationen und Zulassungen (Bodman et al. 2010; Brodt 2013; http://www.infektliga.de/antiinfektiva/antibiotika/penicilline/. Zugegriffen am 31.12.2015)
Antibiotikaklasse
Relevante Substanzen
Wichtige Eigenschaften
Zulassung und Einschränkungen durch Resistenzen in Deutschland
Oxazolidinone
Linezolid
Tedizolid
Oral:
Linezolid
Tedizolid
Ausschließlich gegen grampositive Erreger wirksam, einschließlich MRSA und VRE
Zugelassen zur Therapie von CAP, HAP und komplizierten ABSSSI
Sporadisch Resistenzen von VRE und KNS, besonders bei hohem Selektionsdruck
Keine Indikation bei Bakteriämie oder Sepsis
Glycylcycline
Tigecyclin
Oral:
Breites Wirkspektrum gegen gramnegative und grampositive Erreger, einschließlich ESBL-Bildner, MRSA, VRE, Anaerobier, Chlamydien, Legionellen, Mykoplasmen und Carbapenem-resistente Enterobacteriaceae und Acinetobacter spp.
Keine Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa, Proteus spp. und Morganella morganii
Zugelassen zur Therapie komplizierter ABSSSI und komplizierter intraabdomineller Infektionen (cIAI)
Aktuell noch keine relevanten Resistenzen
Keine Indikation bei Sepsis, Bakteriämie und nosokomialer Pneumonie
Wichtiges Reserveantibiotikum bei Multiresistenz
In der Standarddosierung (Label-Anwendung) eher unterdosiert
Makrolide
Erythromycin
Clarithromycin
Azithromycin
Oral:
Erythromycin
Clarithromycin
Azithromycin
Roxithromycin
Gute Wirksamkeit gegen Mykoplasmen, Legionellen, Chlamydien, Streptokokken, einschließlich Pneumokokken und Bordetella pertussis sowie weitere „atypische“ Infektionserreger wie Bartonella spp. (Katzenkratz-Krankheit), Campylobacter jejuni, Corynebacterium diphtheriae, Haemophilus ducreyi (weicher Schanker), atypische Mykobakterien (MAI)
Unzureichend gegen Haemophilus influenzae, steigende Resistenzen bei Helicobacter pylori (Hp)
Zulassung bei Atemwegsinfektionen, Keuchhusten, Diphtherie, Scharlach und Erysipel
Wichtiger Kombinationspartner bei stationärer CAP (3 Tage), Clarithromycin ist Teil der Tripletherapie der Hp-Gastritis-Krankheit (cave: steigende Resistenzen)
Es wird ein immunmodulatorischer Effekt angenommen (Amsden 2005)
Resistenzen bei Pneumokokken fallend
Lincosamide
Clindamycin
Oral:
Clindamycin
Wirksam gegen Staphylokokken, Streptokokken, Anaerobier der Bacteroides-Spezies, Corynebakterien und Mycoplasma pneumoniae
Hemmung der Toxinproduktion von Streptokokken und Staphylokokken bei Toxic-Shock-Syndromen
Wegen guter Gewebegängigkeit besonders bei Knochen- und Gelenksinfektionen, komplizierten ABSSSI und komplizierten Infektionen im HNO-, Zahn-, Mund- und Kieferbereich
Folsäureantagonisten
Cotrimoxazol
Oral:
Cotrimoxazol
Breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Erreger, Nocardia spp.
Breite Zulassung, aber sinkende Bedeutung als Harnwegsantibiotikum wegen hoher E.-coli-Resistenzen
Mittel der Wahl in der Therapie der Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie, Toxoplasmose-Enzephalitis (Tab. 4) und Nokardiose
Tetracycline
Doxycyclin
Breites Wirkungsspektrum gegen Gonokokken, Meningokokken, Listerien, Aktinomyzeten, Pasteurella spp., Yersinien, Haemophilus, Brucellen, Burkholderia spp., Vibrio cholerae, Campylobacter jejuni, Treponema pallidum, Leptospiren, Borrelien, Francisella spp., Bordetella pertussis, Mykoplasmen, Chlamydien, Ehrlichia spp., Coxiellen (Q-Fieber)
Breite Zulassung bei Infektionen durch sensible Erreger, insbesondere durch intrazelluläre Erreger wie Chlamydien
Wichtiges Antibiotikum für die gezielte Therapie zahlreicher seltenerer Infektionen (siehe Erregerspektrum)
Keine Relevanz in der kalkulierten Therapie bei Verdacht auf Infektionen durch Staphylokokken, Streptokokken und Pneumokokken
CAP, Ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia); cIAI, komplizierte intraabdominelle Infektion; ESBL, extended-spectrum beta-lactamases; HAP, hospital-acquired pneumonia; Hp, Helicobacter pylori; KNS, Koagulase-negative Staphylokokken; MRSA, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus; ABSSSI, acute bacterial skin and skin structure infection; VRE, Vancomycin-resistente Enterokokken
Bakteriostatische Antibiotika sind in der Regel bei Sepsis, schweren Infektionen mit Bakteriämie oder bei Infektionen in schlecht erreichbaren Organen bzw. Geweben in der empirisch kalkulierten Therapie nicht geeignet oder nur als Kombinationspartner zusammen mit einer bakteriziden Substanz einzusetzen (2, 13). Die häufigste Kombination betrifft das Schließen der Legionellenlücke aller Beta-Laktam-Antibiotika durch zusätzliche Gabe eines Makrolids bei der Initialtherapie der schweren ambulant erworbenen Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP). Auch wenn Substanzen eingesetzt werden, die ausschließlich im grampositiven Erregerspektrum wirksam sind, wie zum Beispiel Daptomycin oder Linezolid bzw. Tedizolid, kann eine Kombination zur Erweiterung des Spektrums in den gramnegativen Bereich sinnvoll sein. Eine Mischätiologie kann zum Beispiel bei abdominellen oder komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen oder bei einer Aspirationspneumonie vermutet werden. Relevante Wirkungslücken, die Anlass zu Kombinationstherapien sein können, sind die Enterokokken- und Anaerobierlücke der Cephalosporine bis zur 4. Generation oder die Pseudomonas-Lücke von Moxifloxacin, Ertapenem und Tigecyclin.
Der unterschiedliche Zulassungsstatus der Antibiotika zeigt, dass im Gegensatz zu den älteren Substanzen mit sehr breitem Zulassungsspektrum die neueren Antibiotika in der Regel nur für wenige Indikationen zugelassen sind. Indikationen, die allein durch die Resistenzlage des Erregers erforderlich werden, weil sie ohne Alternative sind, liegen daher häufig im Off-Label-Bereich (Bodman et al. 2010; Brodt 2013; Karow und Lang-Roth 2016).

Charakterisierung der Antibiotika

Vgl. Tab. 3 und 4.
Tab. 4
Antibiotika mit einer Indikation für nicht-bakterielle Infektionen (Protozoen, Pilze)
Antibiotikum
Nicht bakterielle Erreger
(Pilze, Protozoen)
Zulassung und Einschränkungen
Doxycyclin oral
Plasmodium falciparum (Malaria tropica)
In Deutschland keine Prophylaxezulassung, daher Off-Label-Anwendung; in den Empfehlungen zur Malariatherapie der WHO und der DTG zur Prophylaxe bei Reisen in Länder mit hochresistenter Malaria tropica empfohlen
In der Therapie der Malaria tropica nur als Kombinationspartner, Dosis: 1 × 100 mg oral, ab 90 kg KG 200 mg
Cotrimoxazol intravenös und oral
Pneumocystis jirovecii (Schlauchpilz der Gattung Ascomycota)
Toxoplasma gondii (Protozoon)
Hochdosistherapie (3 × 5–6 Amp. à 480 mg)
Alternativen bei Pneumocystis jirovecii: Pentamidin, Atovaquon, Clindamycin plus Primaquin
Alternativen bei Toxoplasmose: Spiramycin, Pyrimethamin, Sulfadiazin, Clindamycin und Atovaquone
Indikation zur Primär- und Sekundärprophylaxe beider Infektionen: täglich 1 Tbl. à 480 mg
Metronidazol intravenös und oral
Giardia lamblia (Protozoon, Erreger der Lambliasis/Giardiasis)
Entamoeba histolytica (Amöbe, Erreger der Amöbenruhr, Amöbenabszesse)
Trichomonas vaginalis (Protozoon, Erreger von Vaginalinfektionen)
Giardia lamblia: 3 × 250 mg/Tag p.o. für 7 Tage
Entamoeba histolytica: 3 × 400 mg/Tag p.o. für 10 Tage, Nachbehandlung mit Paromomycin zur Rezidivprophylaxe
Trichomonas vaginalis: 2 × 400 mg/Tag p.o. für 5 Tage (Partnerbehandlung)
Paromomycin intramuskulär und oral
Leishmaniose
Entamoeba histolytica (Amöbenruhr)
Keine Zulassung zur Leishmaniose-Therapie, aber Status eines Orphan-Antibiotikums (WHO) als intramuskuläre Applikation bei der viszeralen Leishmaniose
Oral zur Rezidivprophylaxe der Amöbenruhr nach Metronidazol-Therapie
DTG, Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit; WHO, World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation)

Richtige Anordnung der antibiotischen Therapie

Zur richtigen Anordnung einer antibiotischen Therapie gehören folgende Festlegungen, die in Form einer schriftlichen Eintragung in der Patientenakte dokumentiert sein sollten:
  • Indikationsdiagnose
  • Nennung des Antibiotikums als Generikum (kein Produktname)
  • Nennung von Dosis, Dosisintervall und Applikationsmodus
  • Anordnung der Dauer (vorläufig, Änderung nach mikrobiologischen Befunden und Response)
  • Anordnung der Response-Kontrollen nach 48 und/oder nach 72 Stunden
In Abhängigkeit von mikrobiologischen Befunden, den Ergebnissen der Response-Kontrollen, von möglichen Nebenwirkungen und von pharmakokinetischen Aspekten (z. B. einer eingeschränkten Nierenfunktion) erfolgen Modifikationen der Dosis, des Dosisintervalls oder/und der Substanzwahl, oder es ist eine erweiterte Diagnostik oder zusätzliche Therapie erforderlich. Zeichen eines Response sind Besserung der klinischen Symptomatik, Rückbildung der klinischen Instabilität und Nachweis des Abfalls der inflammatorischen Parameter. Als definierte Zeichen der klinischen Stabilität können in Anlehnung an die S3-Leitlinie zur CAP folgende Parameter gewertet werden:
  • Herzfrequenz <101/min
  • Atemfrequenz <25/min
  • Systolischer Blutdruck >89 mmHg
  • Körpertemperatur <37,9 °C
  • Gesicherte Nahrungsaufnahme oral oder über sichere Zugänge
  • Normaler Bewusstseinszustand oder status quo ante bei ZNS-Erkrankung
  • Fehlen einer Hypoxämie, d. h. pO2 > 59 mmHg bzw. SaO2 > 89 % unter Raumluft bzw. bei Patienten mit Sauerstoffpflichtigkeit unter Sauerstoffgabe

Richtige Dauer der antibiotischen Therapie

In den letzten Jahren zeigte sich in zahlreichen Studien ein deutlicher Trend zu kürzeren Therapiezeiten (Tab. 5).
Tab. 5
Empfehlungen zur Therapiedauer nach Stand der aktuellen Leitlinien oder Empfehlungen (Bodman et al. 2010; Reinhart et al. 2010; Ewig et al. 2016; Dalhoff et al. 2012; Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 2016; Habib et al. 2015; Hagel et al. 2015; Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften: S1 Leitlinie Ambulant erworbene bakterielle (eitrige) Meningoenzephalitis 2012; Brodt 2013; Karow und Lang-Roth 2016)
Infektion
Spezielle Erreger bzw. ausgewähltes Antibiotikum
Zeit in Tagen
Ambulant erworbene Pneumonie (alle Schweregrade)
  
5–7
Spezifische Erreger
Pseudomonas aeruginosa
Acinetobacter baumannii complex
Bis 14
7–10
Staphylococcus aureus
Bis 14
Staphylococcus aureus mit Bakteriämie
 
 
Unkomplizierte Bakteriämie (in der Regel Gefäßkatheter-assoziiert, keine Absiedlungen, negative BK-Verlaufskontrollen, Katheter entfernt, rascher Therapieresponse)
14
 
Komplizierte Bakteriämie (Unbekannter Focus oder Focus nicht entfernbar, z. B. Endokarditis, sekundäre Absiedlungen, positive Kontroll-BK)
28 oder mehr
Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung
  
7
Spezifische Erreger
Pseudomonas aeruginosa
8
Nosokomiale Pneumonie
  
8
Bakterielle Meningitis (in Abhängigkeit vom Erreger)
  
7–21
 
Neisseria meningitides
Haemophilus influenzae
7
 
10–14
 
Streptococcus agalactiae
Gramnegative Erreger
21
 
Listerien
21
Komplizierte intraabdominelle Infektionen
  
4–7
Harnwegsinfektionen (akut, unkompliziert), abhängig vom Antibiotikum
  
1–7
 
Fosfomycintrometamol
Nitrofurantoin
Nitrofurantoin ret.
Fluorochinolon, Cefpodoximproxetil
Cotrimoxazol
Trimethoprim
1
7
5
3
3
5
Harnwegsinfektionen (akut, kompliziert)
  
5–7
 
Fluorochinolon
Levofloxacin
7–14
5 Tage möglich
  
≥8
Komplizierte Haut-/Weichgewebeinfektionen (Phlegmone, Abszesse)
  
5–7
 
Penicillin G
10–14
Knochen- und Gelenksinfektionen
  
28–42
Prothesen-assoziierte Infektionen
  
70
Bakterielle Darmerkrankungen, je nach Erreger und Antibiotikum
  
3–5–7
 
Azithromycin
Fluorochinolon
3
5–7
Clostridium-difficile-Kolitis
  
10–14
Endokarditis, je nach Erreger und Klappenersatz
  
28–42
Spezifische Erreger
Bei Klappenersatz und MSSA/MRSA
>42
Kultur-negative Endokarditis (seltene Erreger, serologische Diagnose)
Monate
Für viele Infektionen liegen aber keine gesicherten Daten aus kontrollierten Studien über die definitive Dauer der antibiotischen Therapie vor. In jedem Einzelfall ist daher die konkrete Entscheidung zur Beendigung der Therapie vom Nachweis eines Response abhängig. Bei schnellem Response innerhalb von 2–3 Tagen sind die kürzeren (leitliniengerechten) Therapiezeiten zu wählen.
Aus den Leitlinien lassen sich die in Tab. 5 zusammengestellten Empfehlungen zur Therapiedauer geben.

Sequenztherapie – Wechsel von parentaler auf orale Therapie

Bei klinischem Ansprechen, Erzielen einer klinischen Stabilität und Rückgang der inflammatorischen Parameter kann frühzeitig von einer parenteralen auf eine orale Therapie umgestellt werden. Diese sequenzielle Therapie sollte frühestens ab dem 2. oder 3. Tag beginnen und nicht zu einer Verlängerung der gesamten Therapiedauer führen. Bei sehr gutem Ansprechen der Therapie bis Tag 2 und einer möglichen Therapiedauer von <5 Tagen kann auf die orale Umstellung verzichtet werden.
Der Einsatz oraler Antibiotika sollte nur mit Substanzen erfolgen, die eine ausreichende orale Bioverfügbarkeit besitzen. Hierzu gehören (in der angegebenen ausreichend hohen Dosierung und unter Berücksichtigung zusätzlicher Empfehlungen zur Nahrungsaufnahme) die in Tab. 6 genannten Substanzen.
Tab. 6
Orale Bioverfügbarkeit wichtiger Antibiotika (Bodman et al. 2010; Brodt 2013; Karow und Lang-Roth 2016; http://www.infektliga.de/antiinfektiva/antibiotika/penicilline/. Zugegriffen am 31.12.2015)
Substanz
Parenterale Dosierung (Standard)
Orale Dosierung
Bioverfügbarkeit in %
Amoxicillin
3 × 1 g
70–90
Amoxicillin plus Clavulansäure
3 × 2,2 g
2–4 × 1 g
60 (Clavulansäure)*
Sultamicillin
2 × 375–750 mg – 1,5 g
~80
Flucloxacillin
3–6 × 2 g
3 × 1 g
50
Cefuroxim
3 × 1,5 (–3) g
2 × 250–500 mg
40–45**
Abfall auf ~25 % bei Magen-pH >4 (PPI-Einnahme)
Cefpodoxim
2 × 200–400 mg
50**
Abfall auf ~25 % bei Magen-pH >4 (PPI-Einnahme)
Clindamycin
3–4 × 600 mg
3–4 × 600 mg
~90
Ciprofloxacin
2–3 × 400 mg
2–3 × 500 mg
60–80
Levofloxacin
1 × 0,5 (–1) g
1 × 750 mg
>90
Moxifloxacin
1 × 400 mg
1 × 400 mg
~85
Clarithromycin
2 × 500 mg
2 × 500 mg
~50
Azithromycin
1 × 500 mg (3 Tage)
oder 1 × 1,5 g (Einzelgabe)
1 × 500 mg
35–40
Cotrimoxazol
3 × 0,16/0,8 g
bei Pneumocystis jirovecii: 0,16/0,8 g pro 4 kg KG
3 × 0,16/0,8 g
>90
Doxycyclin
1 × 200 mg
1 × 200 mg
>90
Rifampicin
1 × 600 mg maximal
1 × 10 mg/kg KG (600 mg maximal)
>90
Linezolid
2 × 600 mg
2 × 600 mg
>99
Metronidazol
3 × 500 mg
3 × 400 oder 500 mg
>90
PPI, Protonenpumpeninhibitor
*Verbesserung durch Einnahme unmittelbar vor Nahrungsaufnahme
**Bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme Erhöhung um 10–30 %

Richtige Dosis und Dosierintervall: Aspekte der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik

Pharmakokinetische Parameter geben eine Auskunft darüber, ob das Antibiotikum in der richtigen Zeit in ausreichend hoher Konzentration am Ort der Infektion ankommt und dort ausreichend lange verweilt, während die Pharmakodynamik die antimikrobiellen Eigenschaften des Antibiotikums in Abhängigkeit vom Erreger und der Konzentration am Ort der Infektion einschließlich seiner Nebenwirkungen und Interaktionen beschreibt.
Die Pharmakokinetik eines Antibiotikums wird entsprechend durch die Konzentrationen der Substanz pro Zeit in Abhängigkeit von Aufnahme, Resorption, Verteilung im Plasma und Gewebe und Ausscheidung, die Pharmakodynamik durch die Minimale Hemmkonzentration (MHK) erfasst. Die Wirkung eines Antibiotikums kann daher annähernd gut beschrieben werden, wenn pharmakokinetische und pharmakodynamische Parameter in einem gemeinsamen Denkmodell (PK/PD-Modell) zusammen betrachtet werden.
Nach PK/PD-Aspekten lassen sich die verschiedenen Antibiotikaklassen in 3 Gruppen einteilen (Tab. 7), je nachdem ob die Wirksamkeit auf der Maximalkonzentration oberhalb der MHK (Cmax/MHK), auf der Zeit oberhalb der MHK (t > MHK) oder aus einer Kombination von beidem, d. h. auf dem Verhältnis der Gesamtexposition oberhalb der MHK (gemessen als Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve oberhalb der MHK, AUC24 h/MHK) beruht. Hiernach ist die Bakterizidie bei Beta-Laktam-Antibiotika zeitabhängig, während sie bei den Fluorchinolonen, den Aminoglykosiden und den zyklischen Lipopeptiden konzentrationsabhängig ist (Karow und Lang-Roth 2016).
Tab. 7
Einteilung der Antibiotika nach pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Aspekten (PK/PD-Modell) (Bodman et al. 2010; Roberts und Lipman 2009)
Substanzklasse
Cmax/MHK*
AUC24 h/MHK**
t > MHK***
Beta-Laktame
+
Makrolide (außer Azithromycin)
+
Azithromycin
+
Tetracycline
+
Glycylcycline (Tigecyclin)
+
Glykopeptide
+
+
Fluorchinolone
+
+
Aminoglykoside
+
Oxazolidinone (Linezolid)
+
+
Fosfomycin
+
Lincosamide (Clindamycin)
+
Zyklische Lipopeptide (Daptomycin)
+
+
*Cmax/MHK = Maximalkonzentration einer Einmalgabe im Verhältnis zur Minimalen Hemmkonzentration (MHK), Ziel >10 bei Aminoglykosiden
**AUC24 h/MHK = area under the curve (Fläche der 24-h-Konzentrations-Zeit-Kurve) d. h. der Gesamtkonzentration innerhalb von 24 Stunden oberhalb der MHK, Ziel: >125–250
***t > MHK = Zeit, innerhalb derer die Konzentration des Antibiotikums oberhalb der MHK liegt, bezogen auf 24 Stunden, Ziel: mindestens 40 % bei Carbapenemen, 50 % bei Penicillinen und >60 % bei Cephalosporinen
Bei den meisten Antibiotikaklassen wird dem Verhältnis von Gesamtexposition und MHK (AUC24 h/MHK) eine wichtige Bedeutung bei der Vorhersage der Wirksamkeit zugemessen.
Die PK/PD-Zuordnung ist entscheidend bei der Festlegung der Dosierungshöhe und der Dosierungsintervalle, wenn durch veränderte physiologische Bedingungen der Pharmakokinetik Dosisänderungen erforderlich werden. Dies trifft am häufigsten bei Einschränkungen der Elimination infolge einer Nierenfunktionsstörung (Reduktion der Gesamtdosis) sowie bei Änderungen des Verteilungsvolumens infolge von Sepsis mit endothelialem Leakage, Überwässerung, Hypalbuminämie, extrakorporalen Kreisläufen oder Erhöhung der renalen Clearance zu (Erhöhung der Gesamtdosis).
Substanzen mit konzentrationsabhängiger Wirksamkeit (Aminoglykoside, zyklische Lipopeptide) müssen bei eingeschränkter Nierenfunktion (Elimination) mit verlängerten Intervallen zwischen den Einzeldosen verabreicht werden, Substanzen mit zeitabhängiger Wirksamkeit (Beta-Laktame, Makrolide, Linezolid, Clindamycin, Fosfomycin) müssen mit reduzierter Dosis in Beibehaltung der Dosierungsintervalle appliziert werden. Die Initialdosis wird unabhängig von der Nierenfunktion in Normaldosierung nach Standard gegeben.
Besteht die Indikation zur Dosiserhöhung infolge eines erhöhten Verteilungsvolumens (Sepsis mit kapillärer Leckage, Hypervolämie etc.), kann neben der Einzeldosiserhöhung auch die Verkürzung des Dosierungsintervalls (zusätzliche Einzeldosis) oder auch bei einzelnen Beta-Laktam-Antibiotika die prolongierte Applikationsdauer gewählt werden.
Seltener erfordert eine eingeschränkte Leberfunktion Dosisanpassungen einzelner Antibiotika. Betroffen sind vor allem Substanzen mit ausschließlicher Metabolisierung durch Leberenzyme wie Clindamycin und Minocyclin. Auch bei der Dosierung von Tetracyclinen, Clavulansäure (in der Kombination mit Amoxicillin), Flucloxacillin, Makroliden und Fluorochinolonen sind Anpassungen bei höhergradiger Leberinsuffizienz nötig.
Die Dosierung von Antibiotika bei starken Körpergewichtsabweichungen ist schwierig. Bei Adipositas (WHO Grad II und III, BMI >30 bzw. 40 kg/m2, KG >100 kg) führt die Einhaltung der Standarddosen aufgrund des höheren Verteilungsvolumen eher zu Unterdosierungen. In der Regel ist eine gewichtsadaptierte Dosisanpassung erforderlich, wobei die Anpassung der Dosis für lipophile Substanzen relevanter ist. Die PK/PD-Parameter der einzelnen Substanzen (siehe oben) sollten beachtet werden, bei normaler Nierenfunktion sollte an der oberen Dosisgrenze therapiert werden. Wenn ein Therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) zur Verfügung steht, sollte es angewandt werden.
Eine besondere Bedeutung hat die korrekte Einhaltung von Dosierung und Dosierungsintervall bei der Therapie von Infektionen in schwer erreichbaren Geweben bzw. Organstrukturen (Tab. 8) (Bodman et al. 2010; Karow und Lang-Roth 2016; Roberts und Lipman 2009).
Tab. 8
Einteilung der Organe und Gewebe nach pharmakokinetischer Erreichbarkeit der Antibiotika
Leichte Erreichbarkeit
Schwere Erreichbarkeit
Bindegewebe
Intraabdominalorgane
Lunge, bronchiale Mukosa
Epithelial lining fluid (ELF)
Muskel
Niere
Peritoneum
Glaskörper des Auges
Herzklappen
Knochen, Knochenmark
Pankreas
Prostata
ZNS

Nebenwirkungen und Interaktionen

Antibiotika können toxische, allergische und biologische Nebenwirkungen verursachen. Den meisten Nebenwirkungen liegen pharmakokinetische Ursachen zugrunde (Dosierungsfehler bei Niereninsuffizienz). Aber auch pharmakodynamische Synergismen durch Kombination von Substanzen mit gleichem Nebenwirkungsprofil oder pharmazeutische Unverträglichkeiten sind für unerwünschte Arzneimittelwirkungen verantwortlich. So kann die orale Bioverfügbarkeit eines Fluorochinolons durch die gleichzeitige Einnahme von Medikamenten, die zweiwertige Kationen wie Kalzium, Aluminium oder Magnesium enthalten, fast komplett blockiert werden. Zusätzlich können Interaktionen mit gleichzeitig verabreichten Medikamenten oder Nahrungsbestandteilen (Grapefruit-Effekt) zu einer Verstärkung oder Abschwächung therapeutisch gewünschter Effekte oder unerwünschter Wirkungen führen. Da CYP-Enzyme zusammen mit Transportproteinen, wie den P-Glykoproteinpumpen, eine Barriere bilden, die den Organismus vor Fremdstoffen (Xenobiotika) schützen sollen, führt deren Hemmung zu erhöhten und damit potenziell toxischen Wirkspiegeln, deren Induktion zu möglichem Wirkverlust. Potente CYP-Inhibitoren sind neben Antibiotika der Klassen Makrolide und Fluorochinolone die Azol-Antimykotika sowie zahlreiche HIV-Virustatika, insbesondere Ritonavir und andere Proteaseninhibitoren, sowie Hepatitis-C-Virustatika. Wichtige Substrate sind Antiepileptika, Psychopharmaka, Immunsuppressiva, Antithrombotika, CSE-Hemmer (Statine), Kalziumantagonisten, Antiarrhythmika (besonders Amiodaron und Herzglykoside) und Opioide.
Oft liegen einzelnen unerwünschten Nebenwirkungen mehrere Pathomechanismen zugrunde. So führen direkte kardiotoxische Effekte der Fluorochinolone oder Makrolide zu einer QT-Zeit-Verlängerung, die durch Interaktionen mit anderen Medikamenten oder Synergismen verstärkt werden. Hierzu zählen insbesondere Antiarrhythmika, Neuroleptika, Antidepressiva, Domperidon, Methadon und Tyrosinkinasehemmer. Typische interaktionsassoziierte Nebenwirkungen sind das Serotonin-Syndrom bei Kombinationen serotoninerger Substanzen (z. B. Tramadol oder Antidepressiva) mit Linezolid, Rhabdomyolyse bei gleichzeitiger Gabe von CSE-Hemmern (Statine) und Daptomycin oder Makroliden (Ausnahme: Azithromycin) und Krampfanfälle bei Kombinationen von Valproat mit Carbapenemen, bei denen es zum Wirkspiegelabfall des Valproats kommt. Nephrotoxische Effekte von Cotrimoxazol können bei Kombinationen mit Thiaziddiuretika und ACE-Hemmern zu schweren Elektrolytentgleisungen (hyponatriämische Hyperkaliämien) führen (Antoniou et al. 2010; Fralick et al. 2014). Auch lassen sich die biologischen Effekte einer Clostridium-difficile-Selektion mit konsekutiver Kolitis in der Anfangsphase nicht sicher von gastrointestinalen toxischen Nebenwirkungen des verabreichten Antibiotikums abgrenzen.
Zu den biologischen Nebenwirkungen zählen neben der C.-difficile-Selektion besonders auch die Selektion bzw. Induktion von Resistenzen, die sich als Unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) oft erst bei folgenden Patienten auswirkt, wenn deren antibiotische Therapien versagen. Bei längerer oder wiederholter Gabe von Breitspektrumantibiotika kann es auch zu klinisch relevanten Fehlbesiedlungen mit Sprosspilzen kommen, die sich als Mundsoor oder Vulvovaginitis manifestieren. (Kämmerer 2011).
Da die meisten Antibiotika gastrointestinale Störungen, Exantheme und Blutbildveränderungen (z. B. Thrombopenien) verursachen können, werden in Tab. 9 nur die wichtigsten zusätzlichen toxischen und allergischen Nebenwirkungen sowie relevanten Interaktionsrisiken aufgeführt.
Tab. 9
Relevante toxische und allergische Nebenwirkungen, Interaktions- und Resistenzrisiken der Antibiotikaklassen
Antibiotikaklasse
 
Toxische/allergische
Induktion bzw. Selektion von Resistenzen oder potenziell pathogenen Erregern
Relevante Interaktionen und Unverträglichkeiten
Betalaktame
Thrombozytopenie, Eosinophilie, Leukopenie: <2 %
Gastrointestinale Unverträglichkeit, Diarrhoen: 2–10 %
Hepatopathie: bis 10 %
Krampfanfälle bei Vorrisiko (Epilepsie, Meningitis, gestörte Blut-Liquorschranke), Exantheme: 1–2 %
Quincke-Ödem-ähnliche Zustände: 0,5–1 %
Anaphylaxie: <0,1 %
Selten interstitielle Nephritis, Pneumonitis, am häufigsten bei Penicillinen, selten Kreuzallergien mit Cephalosporinen
Geringes Resistenzpotenzial der Penicilline, ESBL-Induktion der Cephalosporine (2. und 3. Generation) dagegen problematisch, zusätzlich MRSA-, VRE- und Clostridium-difficile-Selektion
Keine relevanten Interaktionsrisiken, aber Inkompatibilitäten bei gemeinsamer Gabe von
Beta-Laktamen + Aminoglykosiden
Amoxicillin/Clavulansäure oder Ampicillin/Sulbactam + Glukoselösungen
Beta-Laktamen + Natriumbicarbonat
Beta-Laktamen + Acetylcystein (ACC)
Spiegelreduktion mit Wirkverlust von Valproat bei Kombination mit Carbapenemen
Beta-Laktam-Inhibitoren
Cholestatische Hepatopathie durch Clavulansäure (1:10.000–1:100.000) und seltener durch Sulbactam
 
Kombination mit hepatotoxischen Substanzen meiden, auf kurze Therapiedauer nach Leitlinie achten
Fluorochinolone
Hepatopathie, neuropsychiatrische Nebenwirkungen in 4–10 %, Senkung der Krampfschwelle, periphere Neuropathien z. T. irreversibel, Phototoxizität (cave Sonnenschutz)
Long-QT, besonders in Kombination mit synergistisch wirkender Komedikation oder Hypomagnesiämie (Nachimuthu et al. 2012), Hypokaliämie
Destabilisierung von Bindegewebsstrukturen, Gelenks-, Muskel- und Sehnenveränderungen z. B. Achilles-Sehnen-Entzündung, -Rupturen, fraglich auch Aortenaneurysmata
Hohes Resistenzpotenzial
Starke Induktion bzw. Selektion resistenter Enterobacteriaceae (besonders E. coli), MRSA, VRE und Clostridium-difficile-Selektion
CYP-Inhibition (P450-1A2) durch Ciprofloxacin (nicht relevant bei Levo- oder Moxiflocacin) führt durch Abbauverzögerung von z. B. Theophyllin, Coffein, Clozapin, Olanzapin, Agomelatin, Duloxetin zu toxischer Wirksteigerung
Die Bioverfügbarkeit von oral applizierten Fluorchinolonen (besonders Ciprofloxacin) nimmt drastisch ab, wenn sie mit mineralischen Antazida, zink- oder eisenhaltigen Multivitaminpräparaten, Kalzium (Milchprodukte!) oder Sucralfat eingenommen werden (Chelatbildung)
Renale Ausscheidung von Methotrexat (MTX) wird gehemmt (cave MTX-Toxizität (Jarfaut et al. 2013))
Makrolide
Gastrointestinale Unverträglichkeit mit Diarrhoe-Neigung, Motilin-ähnliche Steigerung der Peristaltik durch Erythromycin
Long-QT, besonders in Kombination mit synergistisch wirkender Komedikation oder Hypomagnesiämie, Hypokaliämie
Resistenzen von Pneumokokken und A-Streptokokken aktuell rückläufig, rasche Resistenzentwicklung bei steigendem Verbrauch
CYP-Inhibition (3A4), (nicht relevant für Azithromycin)
Cave Rhabdomyolyse bei Kombination mit CSE-Hemmern (Statinen), Fibraten
Long-QT bei Betablockern, Antiarrhythmika, Psychopharmaka, Fluorochinolonen (Nachimuthu et al. 2012), Toxizität bei Digitalispräparaten (Lee et al. 2011; Hughes und Crowe 2010), Hypotension und Schock bei Kalziumantagonisten (Wright et al. 2011)
Aminoglykoside
Nephrotoxizität, Ototoxizität, geringer bei Kurzzeitgabe (3 Tage) und 1× täglicher Dosierung
Resistenzentwicklung aktuell rückläufig aufgrund des restriktiven Einsatzes
 
Glykopeptide
Bei rascher Infusion von Vancomycin „Red-Man-Syndrom“ mit Hautrötung am Oberkörper, Schmerzen und Krämpfen der Brust- und Rückenmuskulatur
Nephrotoxizität
Thrombophlebitis selten
Resistenzselektion bei E. faecium
Weltweit nur wenige Einzelfälle einer Resistenz bei MRSA, aber Entwicklung einer intermediären Resistenz möglich (VISA = vancomycin-intermediate Staphylococcus aureus)
Synergistische Effekte bei Kombinationen mit anderen nephro- oder ototoxischen Substanzen, Inaktivierung durch hoch dosiertes Heparin bei gemeinsamer Applikation
Oxazolidinone (Linezolid, Tedizolid)
Linezolid: ....Y 28 Tage, Zytopenien bei Therapie >2 Wochen (Blutbildkontrolle)
Periphere Neuropathien, Optikusneuropathie, selten progredient und irreversibel bei Therapie >28 Tage, Laktatazidosen: Häufigkeit der Nebenwirkungen seltener, aber noch wenig Anwendungserfahrungen
Sporadische Fälle von Linezolid-resistenten KNS, MRSA und VRE, Zunahme bei hohem Verbrauch
Serotoninerges Risiko bei gleichzeitiger Gabe adrenerger oder serotoninerger Substanzen (u. a. Antidepressiva, Opioide [besonders Tramadol und Fentanyl], Sympathomimetika, Lithium)
Wirkverlust von Linezolid bei gemeinsamer Gabe mit Rifampicin (Gebhart et al. 2007; Gandelman et al. 2011)
Induktion von CYP-Enzymen und P-Glykoprotein durch Tedizolid ähnlich Rifampicin kann zu Wirkverlust CYP-abhängiger Substanzen führen
Lincosamide (Clindamycin)
Diarrhoe häufig (5–20 %), Hepathopathie selten
Selektion von C. difficile
Synergistische Verstärkung einer neuromuskulären Blockade
Metronidazol
Gastrointestinale Störungen, ZNS-Störungen, periphere Neuropathien (reversibel), aseptische Meningitis, Long-QT
 
Synergismen mit ZNS- und Long-QT-assoziierten Nebenwirkungen der Komedikation
CYP-Inhibition (2C9), Wirkungssteigerung von Vitamin-K-Antagonisten (Blutungen) (Juurlink et al. 2003)
Tetracycline (Doxycyclin)
Gastrointestinale Störungen häufig
Phototoxizität, ZNS-Symptome: Fotophobie, Kopfschmerz
Selten
Abnahme der oralen Bioverfügbarkeit bei gleichzeitiger Einnahme von polyvalenten Kationen (Antazida, Milchprodukte), Chelatbildung
Glycylcycline (Tigecyclin)
Gastrointestinale Störungen häufig
 
Keine relevanten Interaktionen
Folsäureantagonisten mit Sulfonamid: Cotrimoxazol
  
CYP-Inhibitor (2C9)
Relevante Interaktionen beschrieben mit oralen Antikoagulanzien (Blutungen), Phenytoin (Kardiotoxizität), ACE-Hemmern/AT-1-Blocker (Hyperkaliämierisiko), Sulfonylharnstoffen (Hypoglykämie) (Antoniou et al. 2010; Juurlink et al. 2003)
Zyklische Lipopeptide (Daptomycin)
Myopathie (CK-Erhöhung), Hepatopathie, eosinophile Pneumonitis
 
Synergismus mit Myopathie-induzierenden Substanzen (z. B. CSE-Hemmer, Fibrate), Nebenwirkungsrisiko durch CYP-Inhibitoren erhöht
Epoxide (Fosfomycin)
Resistenzen bei Klebsiella spp. und Enterobacter cloacae >20 %, Proteus spp. ~15 %
Bei E. coli vermutlich steigend wegen ambulantem Einsatz bei unkomplizierten HWI, Daten erst sporadisch
Wegen der Hypernatriämie mit sekundärer Hypokaliämie Gefahr synergistischer Effekte durch andere Einflüsse auf Elektrolyte und Wasserhaushalt
Colistin
Nephrotoxizität, ZNS-Symptome
Bei Monotherapie rasche Resistenzentwicklung
Synergismen mit anderen nephrotoxischen Einflüssen
Rifampicin
Häufig Hepatopathie, selten Pankreatitis, Sehstörungen, Visusverlust, Optikusneuritis
Selten Zytopenien, hämolytische Anämie, thrombozytopenische Purpura, Hypoprothrombinämie
Häufig Hypersensitivitätsreaktionen mit Fieber, Urtikaria, Pruritus, Erythema exsudativum multiforme, Anaphylaxie, Lupus-like-Syndrom
MRSA- und KNS-Therapie nur gezielt nach Resistogramm
Keine Monotherapie, da rasche Resistenzentwicklung
Starke CYP- und Transportproteininduktion, daher Wirkverlust Metabolisierungs- und Transportsystem-abhängiger Substanzen durch verstärkte Elimination, enges Monitoring gleichzeitig gegebener Medikamente
ESBL, extended-spectrum beta-lactamases; HWI, Harnwegsinfektionen; KNS, Koagulase-negative Staphylokokken; MRSA, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus; VISA, vancomycin-intermediate Staphylococcus aureus; VRE, Vancomycin-resistente Enterokokken

Fazit für die Praxis

  • Zur Anordnung einer antibiotischen Therapie gehört die Sicherheit, dass es sich um eine bakterielle Infektion handelt.
  • Die antibiotische Therapie von bakteriellen Infektionen soll leitliniengerecht erfolgen. Leitlinien-Compliance ist ein wichtiges Ziel von Antibiotic Stewardship. Nationale und internationale Leitlinien sollen in Form von Hausleitlinien konkretisiert und auf die lokalen Gegebenheiten angepasst und schriftlich formuliert werden.
  • Es gilt, die Behandlung von Besiedlungen, viralen Infektionen und von nicht infektiologischen Entzündungszuständen mit Antibiotika zu vermeiden.
  • Die Wahl des richtigen Antibiotikums richtet sich nach Art, Ort und dem Schweregrad der Infektion, nach dem Risikoprofil des Patienten und nach dem wahrscheinlichen Erregerspektrum einschließlich möglicher Resistenzen.
  • Bei der Wahl sind Anamnese, Komorbiditäten und Komedikationen zu berücksichtigen, um die Risiken toxischer, allergischer und biologischer Nebenwirkungen der Antibiotika so gering wie möglich zu halten.
  • Beginn, Dauer und Beendigung der Antibiotikagabe sind ebenso wie Dosis, Dosisintervall und Applikationsart schriftlich anzuordnen.
  • Responsekontrollen nach 48–72 Stunden und die Berücksichtigung der mikrobiologischen Ergebnisse sind wesentlich, um über Fortsetzung, Eskalation, Fokussierung oder Deeskalation zu entscheiden.
  • Bei stationären Patienten und insbesondere bei schweren Infektionen soll die klinische Diagnose möglichst durch adäquate mikrobiologische Diagnostik abgesichert sein. Bei schweren Infektionen, insbesondere bei Sepsis, ist die Entnahme von mindestens 2 Blutkulturpärchen aus getrennten Entnahmeorten peripherer Venen oder frisch gelegter zentraler Venenkatheter vor Therapiebeginn essenziell.

Zusammenfassung

Hohe Prävalenzraten resistenter Staphylokokken (MRSA) und Enterokokken (VRE), eine bedrohliche Ausweitung der Resistenzentwicklung bei gramnegativen Stäbchenbakterien und die Selektion von Clostridium difficile bei gleichzeitig deutlichem Rückgang in der Entwicklung neuer Antibiotika haben weltweit den rationalen Einsatz der vorhandenen Antibiotika in den Fokus internationaler und nationaler Kampagnen gestellt.
Die Implementierung von Antibiotic-Stewardship-Programmen dient dabei dem Ziel, durch einen rationalen Einsatz der vorhandenen Antibiotika ihre Wirksamkeit zu erhalten. Wesentliches Ziel einer Therapie mit Antibiotika ist die Heilung eines individuellen, an einer bakteriellen Infektion erkrankten Patienten. Das Erreichen bester klinischer Behandlungsergebnisse kann nur unter Beachtung einer Minimierung von Toxizität, Selektion pathogener Erreger und Resistenzentwicklung erzielt werden (de With et al. 2013).
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