Die häufigsten renalen Komplikationen in der Schwangerschaft sind Harnwegsinfekte. In der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ist die Präeklampsie die häufigste Ursache einer Nierenerkrankung. Eine
Hypertonie tritt ebenfalls nicht selten auf und kann unterschiedliche Ursachen haben. Ein
akutes Nierenversagen, Nierensteine, eine thrombotische Mikroangiopathie oder ein
HELLP-Syndrom sind deutlich seltener.
Harnwegsinfekte
Eine asymptomatische Bakteriurie wird außerhalb der Schwangerschaft nicht mit
Antibiotika behandelt. In der Schwangerschaft hingegen kann eine asymptomatische Bakteriurie
unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Diese wird diagnostiziert, wenn mehr als 10
5 Bakterien/ml im
Urin nachweisbar sind. Bei einem symptomatischen Harnwegsinfekt (Pollakisurie, Dysurie, Algurie) reichen 10
2 Bakterien/ml für die Diagnose aus. Die Therapie nach Leitlinie kann mit Cephalosporinen der Gruppe 2 und 3 erfolgen, ein
Antibiogramm ist sinnvoll. Die
Pyelonephritis ist zusätzlich durch Unwohlsein, Flankenschmerzen und
Fieber bis hin zu einem septischen Verlauf gekennzeichnet. Sie wird am häufigsten zwischen der 20. und 28. Gestationswoche beobachtet und betrifft meist die rechte Niere, da diese in der Schwangerschaft oft einen stärker dilatierten Ureter aufweist. Als Erreger werden vor allem
Escherichia coli,
Klebsiella spp.,
Proteus spp.,
Enterokokken,
Staphylokokken und Pseudomonaden isoliert. Die leitliniengerechte Therapie erfolgt meist mit Cephalosporinen der Gruppe 2 und 3. Eine Pyelonephritis sollte mindestens zwei Wochen lang antibiotisch behandelt werden. Zur Kontrolle des Therapieerfolges ist eine
Urinkultur eine Woche nach Absetzten der Antibiotika empfehlenswert.
Nierensteine in der Schwangerschaft sind selten und treten nicht häufiger auf als bei Nichtschwangeren, sie betreffen 0,03–1 % aller Schwangerschaften. Meist gehen die Steine spontan ab, die Frauen werden in der Regel symptomatisch behandelt.
Hypertonie
Die
Hypertonie ist eine häufige Erkrankung in der Schwangerschaft und liegt bei Blutdruckwerten >140/90 mmHg vor. Sie besteht bei 3–5 % aller Schwangeren und wird dadurch, dass Frauen heutzutage zunehmend später schwanger werden, weiter steigen. Eine Hypertonie erhöht das gesundheitliche Risiko für die Mutter und das ungeborene Kind (Tab.
2) (European Society of Gynecology (ESG) et al.
2011; Orbach et al.
2013). Grundsätzlich werden vier verschiedene Hypertonieformen in der Schwangerschaft unterschieden:
Tab. 2
Risiko einer Hypertonie für die Schwangerschaft
- Erhöhtes Risiko einer Präeklampsie - Erhöhtes Risiko einer Plazentaablösung - Erhöhtes Risiko für einen Kaiserschnitt | - Erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt - Erhöhtes Risiko für eine Wachstumsverzögerung - „Small for gestational age“ - Erhöhtes Risiko für Frühgeburtlichkeit |
Bei
chronisch vorbestehender Hypertonie ist der Blutdruck bereits vor der Schwangerschaft und/oder vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) erhöht und persistiert länger als 12 Wochen postpartal. Die
Gestationshypertonie tritt erst nach der 20. SSW mit oder ohne Proteinurie auf, es fehlen dabei Symptome einer Präeklampsie. Sie kann aber in eine klassische Präeklampsie übergehen. Bei
Präeklampsie/Eklampsie tritt eine
arterielle Hypertonie und Proteinurie nach der 20. SSW bei vorher normotensiver Patientin auf und ist von mütterlichen renalen, zerebralen, hepatischen und gerinnungsassoziierten Veränderungen verbunden. Die
Präeklampsie/Eklampsie bei vorbestehender Hypertonie liegt vor, wenn eine Schwangere mit bekannter chronischer
Hypertonie plötzlich eine deutliche Verschlechterung ihres Blutdrucks und eine neu aufgetretene zunehmende Proteinurie entwickelt.
Das Risiko einer Präeklampsie ist bei
Hypertonie mit 25 % deutlich erhöht, ohne Hypertonie kommt eine Präeklampsie in 5–6 % aller Schwangerschaften vor (Broughton Pipkin
2001). Bei schwerer Hypertonie im ersten Trimester entwickelt sich in 50 % der Fälle eine Präeklampsie.
Frauen mit einer schweren
Hypertonie und arteriellen Blutdruckwerten >150/95–100 mmHg profitieren von einer medikamentösen Behandlung. Empfehlenswert sind z. B. Methyldopa, Labetalol und Nifedipin (Tab.
3). Eine zu starke Blutdrucksenkung kann allerdings die plazentare Perfusion reduzieren und ist mit einem erniedrigten Geburtsgewicht des Kindes assoziiert. Daher sollte bei einer milden Hypertonie der Einsatz von Medikamenten gut abgewogen werden. Nach den europäischen Leitlinien wird empfohlen, Blutdruckwerte >140/90 mmHg nur dann zu behandeln, wenn eine Gestationshypertonie, eine chronische Hypertonie mit zusätzlicher Gestationshypertonie oder eine Hypertonie mit Endorganschäden vorliegt (European Society of Gynecology (ESG) et al.
2011). Für alle anderen Hypertonieformen sollte erst bei Werten >150/95 mmHg behandelt werden. Das Blutdruckziel liegt bei 130–150/90–100 mmHg. Alle
Antihypertensiva sind plazentagängig. Daher sollte die bestehende Blutdruckmedikation bereits vor Beginn einer Schwangerschaft geprüft und ggf. umgestellt werden. „Angiotensin Converting Enzyme“ (ACE
)-Hemmer und Angiotensinrezeptor(AT1)-Blocker
sind teratogen und foetogen und sollten daher frühzeitig gewechselt werden.
Diuretika sollten in der Schwangerschaft nur in Ausnahmefällen, z. B. bei schwerer
Herzinsuffizienz und Lungenödem oder schwerer Hypervolämie, eingesetzt werden. Für alle anderen Antihypertensiva, die routinemäßig eingesetzt werden, konnten bisher keine teratogenen oder foetogenen Nebenwirkungen nachgewiesen werden. Daher können Frauen schwanger werden, während sie diese Medikamente einnehmen.
Tab. 3
Blutdruckmedikation in der Schwangerschaft
- ACE-Hemmer (z. B. Ramipril , Enalapril , Lisinopril , Fosinopril , Perindopril ) - AT1-Rezeptorantagonisten (z. B. Valsartan, Candesartan, Losartan, Irbesartan) - Direkte Reninantagonisten - Diuretika | - Mittel der 1. Wahl: α-Methyldopa
- Dihydralazin - β-Blocker (z. B. Labetalol, bei schwerer Hypertonie: Metoprolol) - α-Blocker (z. B. Doxazosin) |
Präeklampsie
Die Präeklampsie ist durch eine endotheliale Dysfunktion und Minderperfusion in vor allem der Plazenta, der Nieren, der Leber und des Gehirns gekennzeichnet. Das klinische Bild umfasst die Entstehung oder Verschlechterung einer
Hypertonie nach der 20. Schwangerschaftswoche, das Auftreten einer Proteinurie und von
Ödemen. Zusätzlich können
Sehstörungen, Krampfanfälle und das
HELLP-Syndrom auftreten. Hierbei kommt es zu Gerinnungsstörungen und Thrombopenie mit zerebralen Blutungen und Leberblutungen, Oberbauchschmerzen und Erbrechen. Es findet sich eine thrombotische Mikroangiopathie mit hämolytischer
Anämie,
Fragmentozyten, Serumbilirubin- und LDH-Erhöhung, Transaminasenerhöhung sowie eine
Thrombozytopenie <100.000/μl. Treten generalisierte zerebrale Krampfanfälle auf, spricht man von einer
Eklampsie. Da es im dritten Trimester physiologisch zu einer Erhöhung des Blutdrucks kommt, kann die Differenzialdiagnose einer Präeklampsie schwierig sein. Neben dem Urintest für Proteinurie, der Überwachung von Blutbild (Hämoglobinwert, Thrombozytenzahl) und Nierenfunktion (Serumkreatinin,
Elektrolyte, Serumharnsäure) und der Leberfunktionsparameter (GOT, GPT, Gerinnung) kann heute auch die sFlt-1/PlGF-Ratio Aufschluss über eine Präeklampsie geben.
Die Nieren zeigen bei der Präeklampsie histologisch eine glomeruläre Endotheliose, die zu einem Verschluss der Kapillarlumina führen kann. Es kommt zu einer Abnahme der
glomerulären Filtrationsrate und zu einer Proteinurie durch die Störung des glomerulären Filters der Niere. Häufig zeigt sich eine nephrotische Proteinurie. Das mütterliche und fetale Risiko scheint mit der Höhe der Proteinurie korreliert zu sein. Zusätzlich kann es durch die Zirkulationsstörungen zu einer akuten Tubulusnekrose kommen, die sich als
akutes Nierenversagen manifestiert. Die Verschlechterung der Nierenfunktion kann einen Grund für die Einleitung der Geburt sein. Diagnostisch ist neben der Bestimmung von Serumkreatinin und Urinprotein die Bestimmung der Serumharnsäure wichtig. Physiologisch sind niedrige Serumharnsäurewerte in der Schwangerschaft von <4,5 mg/dl. Steigt die Serumharnsäure an, kann dies erste Hinweise auf die Entwicklung einer Präeklampsie liefern.
Bei erhöhtem Risiko einer Präeklampsie sollte niedrigdosiertes Aspirin ab der 12. SSW erwogen werden, wenn kein erhöhtes Risiko einer gastrointestinalen Blutung vorliegt.
Obwohl die Veränderungen der Präeklampsie im Prinzip mit der Geburt komplett reversibel und mit Geburt der Plazenta beendet sind, besteht ein erhöhtes Risiko eines Rezidivs bei erneuter Schwangerschaft und eine erhöhte Gefahr einer chronischen Nierenerkrankung im Verlauf. Daher muss das Risiko für den Fetus mit dem Risiko der Mutter abgewogen werden. Wegen der Gefahren der Frühgeburtlichkeit wird versucht, die Schwangerschaft durch konsequente Blutdruckeinstellung, Ruhe und intensive Überwachung möglichst lange zu erhalten. Hier kann es notwendig sein, intravenöse
Antihypertensiva zu verabreichen, z. B. Labetalol oder Dihydralazin. Der systolische Zielblutdruck sollte <160 mmHg liegen, der Blutdruck jedoch nicht zu weit reduziert werden, weil hierdurch die Plazentaperfusion und Versorgung des Kindes weiter kompromittiert werden können.
Diuretika sind bei der Präeklampsie relativ kontraindiziert, da sie das ohnehin verminderte intravasale Volumen weiter reduzieren.
Magnesium wird zur Prophylaxe von Krampfanfällen eingesetzt, ist jedoch bei eingeschränkter Nierenfunktion vorsichtig zu dosieren, da Magnesium renal eliminiert wird. Indikationen zur Einleitung der Geburt sind die zunehmende Organdysfunktion der Mutter (Nieren- und Leberfunktionsverschlechterung, zerebrale Veränderungen, Thrombopenie), unkontrollierbarer Bluthochdruck, fetale Wachstumsretardierung oder fetaler Stress und ein Gestationsalter >37 Wochen.
Innovative Studien untersuchen erstmals einen kausalen Therapieansatz der Präeklampsie durch gezielte Senkung von sFlt-1-Spiegeln in der mütterlichen Zirkulation mittels Apherese (Thadhani et al.
2011).
Thrombotische Mikroangiopathie
Die schwangerschaftsassoziierte thrombotische Mikroangiopathie
(TMA) ist durch eine Coombs-negative hämolytische
Anämie und
Thrombozytopenie sowie Mikrothromben in verschiedenen Organen, u. a. auch in den Nieren, gekennzeichnet. Die häufigste Ursache hierfür ist das
HELLP-Syndrom. Allerdings gibt es auch andere Gründe für eine TMA. Bei Patientinnen mit TMA kann es zu einem akuten
Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit kommen, ebenfalls wird oft eine
Hypertonie beobachtet. Ein
hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) entwickelt sich meist erst postpartum (Fakhouri et al.
2010), eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
(TTP) oft im dritten Trimenon oder postpartum. Im Gegensatz zum HELLP-Syndrom sind die Leberwerte bei diesen beiden Erkrankungen meist normal. Eine wichtige therapeutische Option bei TTP und HUS ist die Plasmapherese.