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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 11.12.2015

Renale Komplikationen in der Schwangerschaft

Verfasst von: Christine Kurschat und Thomas Benzing
In der Schwangerschaft ist eine Dilatation der Ureteren und des Nierenbeckens physiologisch und kann einen Harnaufstau vortäuschen. 80 % aller Schwangeren zeigen im dritten Trimenon eine Hydronephrose, die häufiger rechts als links besteht. Eine asymptomatische Bakteriurie betrifft 2–10 % aller Schwangeren und sollte antibiotisch behandelt werden, ein Harnwegsinfekt ist bei 1–2 % nachweisbar. Schwere renale Komplikationen in der Schwangerschaft sind insgesamt selten. Die klinisch relevanteste schwere Komplikation ist die Präeklampsie, die in 2–8 % aller Schwangerschaften auftritt und mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität sowohl der Mutter als auch des Kindes einhergeht.

Definition

Renale Komplikationen in der Schwangerschaft reichen von einer asymptomatischen, physiologischen Dilatation des Nierenbeckens und der Ureteren über Bakteriurien, Harnwegsinfekte und die Entwicklung oder Verschlimmerung einer Hypertonie bis hin zu einer Präeklampsie mit Nierenfunktionsverschlechterung und akuter Bedrohung von Mutter und Kind.

Physiologie und Pathophysiologie

Physiologie

Während der Schwangerschaft nimmt das Blutvolumen signifikant zu. Parallel hierzu wird die Durchblutung der Nieren deutlich gesteigert, und die Nieren werden 1–2 cm größer. Kreatinin und Harnsäure im Serum sinken signifikant ab (Kreatinin auf 36–45 μmol/l [0,4–0,5 mg/dl], Harnstoff auf 3,0 mmol/l [18 mg/dl], Harnsäure auf 190–256 μmol/l [3,2–4,3 mg/dl]). Bei Schwangeren, die eine unzureichende physiologische Anpassung der Nieren zeigen, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Wachstumsretardierung des Fetus. Neuere Studien belegen, dass zusätzlich bei den Kindern ein erhöhtes Risiko für eine verminderte Anzahl von Nephronen, eine spätere Hypertonie oder kardiovaskuläre Erkrankungen besteht.
Ein Serumkreatinin in der Schwangerschaft von >70 μmol/l (0,8 mg/dl) sowie ein Anstieg der Harnsäure auf >4,5 mg/dl sollten als pathologisch betrachtet werden.
Im Laufe der Schwangerschaft kommt es zu einer physiologischen Dilatation der Ureteren und des Nierenbeckens, welches einen Harnaufstau vortäuschen kann. Im dritten Trimenon zeigen 80 % aller Schwangeren das Bild einer Hydronephrose, rechts häufiger als links. Diese prädisponiert die Schwangere für eine Bakteriurie und aufsteigende Harnwegsinfektionen, ist aber primär nicht pathologisch.
Der Einsatz von Formeln, um die glomeruläre Filtrationsrate zu berechnen, ist in der Schwangerschaft nicht validiert. Daher ist bei speziellen Fragestellungen die Bestimmung der Kreatininclearance im 24-Stunden-Urin notwendig. Allerdings kann die korrekte Sammlung des Urins eine Herausforderung darstellen.
Eine Proteinurie bis zu 500 mg/Tag kann in der Schwangerschaft physiologisch sein und ist Ausdruck der physiologischen Hyperfiltration (Taylor und Davison 1997). Allerdings ist die Proteinurie auch ein Kardinalsymptom der Präeklampsie. Daher sollte eine Proteinurie in der Schwangerschaft mindestens alle vier Wochen, bei nierenkranken Patientinnen häufiger, kontrolliert werden.
Der Blutdruck nimmt im ersten Trimenon deutlich ab und steigt zum Ende der Schwangerschaft langsam wieder auf das Niveau vor der Schwangerschaft an.

Pathophysiologie

Wegen der physiologischen Dilatation der Ureteren sowie des Nierenbeckens haben Frauen in der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Harnwegsinfekten. Anomalien der Harnwege, Diabetes, höheres Lebensalter, Sichelzellanämie und rezidivierende frühere Harnwegsinfekte prädisponieren zu einer asymptomatischen Bakteriurie.
Die Präeklampsie wird durch pathologische Vorgänge in der Plazenta hervorgerufen. Ursächlich ist eine Dysbalance zwischen angiogenen und antiangiogenen Faktoren wie „placental growth factor“ (PlGF), „vascular endothelial growth factor“ (VEGF), löslichem VEGF-Rezeptor 1 (sFlt-1) und anderen (Powe et al. 2011). Antiangiogene Faktoren wie sFlt-1 sind deutlich erhöht, dies wird vermutlich durch eine Plazentaischämie verursacht. sFlt-1 bindet an VEGF und PlGF und verhindert dadurch die Interaktion dieser Faktoren mit endothelialen Rezeptoren. Dadurch kommt es zu einer schwerwiegenden endothelialen Dysfunktion, progredienten Endothelschäden bis hin zur Auslösung einer thrombotischen Mikroangiopathie, die als HELLP-Syndrom („hemolysis, elevated liver enzyme levels, low platelet count“) in Erscheinung treten kann. Zusätzlich wird durch oxidativen Stress eine systemische proinflammatorische Reaktion ausgelöst. Durch eine zusätzliche Vasokonstriktion, Plättchenaktivierung und mütterliche Volumenkontraktion kommt es zu einer verminderten Durchblutung der Plazenta, der Nieren, der Leber und des Gehirns. Diese Veränderungen steigern sich im Verlauf der Schwangerschaft und verschwinden erst mit der Geburt.

Epidemiologie

Eine asymptomatische Bakteriurie ist in 2–10 % aller Schwangerschaften nachweisbar, ein symptomatischer Harnwegsinfekt kommt bei 1–2 % aller Schwangeren vor. Eine Pyelonephritis entwickelt sich in weniger als 1 % aller Schwangeren, aber in bis zu 30 % aller Patientinnen mit asymptomatischer Bakteriurie.
Eine Hypertonie tritt bei 3–5 % aller Schwangerschaften auf (Magee et al. 1999). 20 % der Frauen haben eine primäre Hypertonie, 4 % eine sekundäre Hypertonie, 35 % eine Präeklampsie und 41 % eine Gestationshypertonie. Weltweit ist die Hypertonie die zweithäufigste Todesursache bei Schwangeren nach Blutungskomplikationen.
Eine Präeklampsie entwickelt sich in 2–8 % aller Schwangerschaften und geht mit einer deutlich erhöhten Mortalität der Mutter und des Kindes einher (Conde-Agudelo et al. 1999). Bei Frauen, die bereits eine Präeklampsie in einer früheren Schwangerschaft durchgemacht haben, liegt das Risiko einer erneuten Präeklampsie zwischen 15 und 65 %. Es sind mütterliche und väterliche Risikofaktoren für die Entwicklung einer Präeklampsie bekannt (Tab. 1). Das Vollbild einer Eklampsie (mit zerebralen Krampfanfällen) ist mittlerweile in westlichen Ländern mit einer Prävalenz von 0,3 % aller hypertensiven Schwangerschaften selten.
Tab. 1
Risikofaktoren für eine Präeklampsie
Mütterliche Risikofaktoren
- Erstgebärende
- Anamnese einer Präeklampsie
- Blasenmole
- Trisomie 13, fetaler Hydrops
- Alter >40 Jahre
Väterliche Risikofaktoren
- Vater durch eine Präeklampsie/Eklampsie-Schwangerschaft geboren
Mütterliche Komorbiditäten
- Chronische Hypertonie
- Bekannter Diabetes mellitus
Mütterliche genetische Faktoren
- Präeklampsie in Schwangerschaft eines Angehörigen 1. Grades
Das HELLP-Syndrom geht mit einer mütterlichen Sterblichkeit von 1 % und einer perinatalen Mortalität von 7–34 % einher.
Ein akutes Nierenversagen in der Schwangerschaft mit Dialysepflichtigkeit ist heute selten und tritt in ca. 1 von 20.000 Schwangerschaften auf.

Klinik, Diagnostik und Therapie

Die häufigsten renalen Komplikationen in der Schwangerschaft sind Harnwegsinfekte. In der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ist die Präeklampsie die häufigste Ursache einer Nierenerkrankung. Eine Hypertonie tritt ebenfalls nicht selten auf und kann unterschiedliche Ursachen haben. Ein akutes Nierenversagen, Nierensteine, eine thrombotische Mikroangiopathie oder ein HELLP-Syndrom sind deutlich seltener.

Harnwegsinfekte

Eine asymptomatische Bakteriurie wird außerhalb der Schwangerschaft nicht mit Antibiotika behandelt. In der Schwangerschaft hingegen kann eine asymptomatische Bakteriurie unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Diese wird diagnostiziert, wenn mehr als 105 Bakterien/ml im Urin nachweisbar sind. Bei einem symptomatischen Harnwegsinfekt (Pollakisurie, Dysurie, Algurie) reichen 102 Bakterien/ml für die Diagnose aus. Die Therapie nach Leitlinie kann mit Cephalosporinen der Gruppe 2 und 3 erfolgen, ein Antibiogramm ist sinnvoll. Die Pyelonephritis ist zusätzlich durch Unwohlsein, Flankenschmerzen und Fieber bis hin zu einem septischen Verlauf gekennzeichnet. Sie wird am häufigsten zwischen der 20. und 28. Gestationswoche beobachtet und betrifft meist die rechte Niere, da diese in der Schwangerschaft oft einen stärker dilatierten Ureter aufweist. Als Erreger werden vor allem Escherichia coli, Klebsiella spp., Proteus spp., Enterokokken, Staphylokokken und Pseudomonaden isoliert. Die leitliniengerechte Therapie erfolgt meist mit Cephalosporinen der Gruppe 2 und 3. Eine Pyelonephritis sollte mindestens zwei Wochen lang antibiotisch behandelt werden. Zur Kontrolle des Therapieerfolges ist eine Urinkultur eine Woche nach Absetzten der Antibiotika empfehlenswert.
Nierensteine in der Schwangerschaft sind selten und treten nicht häufiger auf als bei Nichtschwangeren, sie betreffen 0,03–1 % aller Schwangerschaften. Meist gehen die Steine spontan ab, die Frauen werden in der Regel symptomatisch behandelt.

Hypertonie

Die Hypertonie ist eine häufige Erkrankung in der Schwangerschaft und liegt bei Blutdruckwerten >140/90 mmHg vor. Sie besteht bei 3–5 % aller Schwangeren und wird dadurch, dass Frauen heutzutage zunehmend später schwanger werden, weiter steigen. Eine Hypertonie erhöht das gesundheitliche Risiko für die Mutter und das ungeborene Kind (Tab. 2) (European Society of Gynecology (ESG) et al. 2011; Orbach et al. 2013). Grundsätzlich werden vier verschiedene Hypertonieformen in der Schwangerschaft unterschieden:
Tab. 2
Risiko einer Hypertonie für die Schwangerschaft
Mütterliches Risiko
Kindliches Risiko
- Erhöhtes Risiko einer Präeklampsie
- Erhöhtes Risiko einer Plazentaablösung
- Erhöhtes Risiko für einen Kaiserschnitt
- Erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt
- Erhöhtes Risiko für eine Wachstumsverzögerung
- „Small for gestational age“
- Erhöhtes Risiko für Frühgeburtlichkeit
  • Chronisch vorbestehende Hypertonie
  • Gestationshypertonie
  • Präeklampsie/Eklampsie
  • Präeklampsie/Eklampsie bei vorbestehender Hypertonie.
Bei chronisch vorbestehender Hypertonie ist der Blutdruck bereits vor der Schwangerschaft und/oder vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) erhöht und persistiert länger als 12 Wochen postpartal. Die Gestationshypertonie tritt erst nach der 20. SSW mit oder ohne Proteinurie auf, es fehlen dabei Symptome einer Präeklampsie. Sie kann aber in eine klassische Präeklampsie übergehen. Bei Präeklampsie/Eklampsie tritt eine arterielle Hypertonie und Proteinurie nach der 20. SSW bei vorher normotensiver Patientin auf und ist von mütterlichen renalen, zerebralen, hepatischen und gerinnungsassoziierten Veränderungen verbunden. Die Präeklampsie/Eklampsie bei vorbestehender Hypertonie liegt vor, wenn eine Schwangere mit bekannter chronischer Hypertonie plötzlich eine deutliche Verschlechterung ihres Blutdrucks und eine neu aufgetretene zunehmende Proteinurie entwickelt.
Das Risiko einer Präeklampsie ist bei Hypertonie mit 25 % deutlich erhöht, ohne Hypertonie kommt eine Präeklampsie in 5–6 % aller Schwangerschaften vor (Broughton Pipkin 2001). Bei schwerer Hypertonie im ersten Trimester entwickelt sich in 50 % der Fälle eine Präeklampsie.
Frauen mit einer schweren Hypertonie und arteriellen Blutdruckwerten >150/95–100 mmHg profitieren von einer medikamentösen Behandlung. Empfehlenswert sind z. B. Methyldopa, Labetalol und Nifedipin (Tab. 3). Eine zu starke Blutdrucksenkung kann allerdings die plazentare Perfusion reduzieren und ist mit einem erniedrigten Geburtsgewicht des Kindes assoziiert. Daher sollte bei einer milden Hypertonie der Einsatz von Medikamenten gut abgewogen werden. Nach den europäischen Leitlinien wird empfohlen, Blutdruckwerte >140/90 mmHg nur dann zu behandeln, wenn eine Gestationshypertonie, eine chronische Hypertonie mit zusätzlicher Gestationshypertonie oder eine Hypertonie mit Endorganschäden vorliegt (European Society of Gynecology (ESG) et al. 2011). Für alle anderen Hypertonieformen sollte erst bei Werten >150/95 mmHg behandelt werden. Das Blutdruckziel liegt bei 130–150/90–100 mmHg. Alle Antihypertensiva sind plazentagängig. Daher sollte die bestehende Blutdruckmedikation bereits vor Beginn einer Schwangerschaft geprüft und ggf. umgestellt werden. „Angiotensin Converting Enzyme“ (ACE)-Hemmer und Angiotensinrezeptor(AT1)-Blocker sind teratogen und foetogen und sollten daher frühzeitig gewechselt werden. Diuretika sollten in der Schwangerschaft nur in Ausnahmefällen, z. B. bei schwerer Herzinsuffizienz und Lungenödem oder schwerer Hypervolämie, eingesetzt werden. Für alle anderen Antihypertensiva, die routinemäßig eingesetzt werden, konnten bisher keine teratogenen oder foetogenen Nebenwirkungen nachgewiesen werden. Daher können Frauen schwanger werden, während sie diese Medikamente einnehmen.
Tab. 3
Blutdruckmedikation in der Schwangerschaft
Kontraindizierte und relativ kontraindizierte Medikamente
Mögliche Medikamente
- ACE-Hemmer (z. B. Ramipril, Enalapril, Lisinopril, Fosinopril, Perindopril)
- AT1-Rezeptorantagonisten (z. B. Valsartan, Candesartan, Losartan, Irbesartan)
- Direkte Reninantagonisten
- Diuretika
- Mittel der 1. Wahl: α-Methyldopa
- Dihydralazin
- Kalziumantagonisten (z. B. retardiertes Nifedipin, Amlodipin)
- β-Blocker (z. B. Labetalol, bei schwerer Hypertonie: Metoprolol)
- α-Blocker (z. B. Doxazosin)

Präeklampsie

Die Präeklampsie ist durch eine endotheliale Dysfunktion und Minderperfusion in vor allem der Plazenta, der Nieren, der Leber und des Gehirns gekennzeichnet. Das klinische Bild umfasst die Entstehung oder Verschlechterung einer Hypertonie nach der 20. Schwangerschaftswoche, das Auftreten einer Proteinurie und von Ödemen. Zusätzlich können Sehstörungen, Krampfanfälle und das HELLP-Syndrom auftreten. Hierbei kommt es zu Gerinnungsstörungen und Thrombopenie mit zerebralen Blutungen und Leberblutungen, Oberbauchschmerzen und Erbrechen. Es findet sich eine thrombotische Mikroangiopathie mit hämolytischer Anämie, Fragmentozyten, Serumbilirubin- und LDH-Erhöhung, Transaminasenerhöhung sowie eine Thrombozytopenie <100.000/μl. Treten generalisierte zerebrale Krampfanfälle auf, spricht man von einer Eklampsie. Da es im dritten Trimester physiologisch zu einer Erhöhung des Blutdrucks kommt, kann die Differenzialdiagnose einer Präeklampsie schwierig sein. Neben dem Urintest für Proteinurie, der Überwachung von Blutbild (Hämoglobinwert, Thrombozytenzahl) und Nierenfunktion (Serumkreatinin, Elektrolyte, Serumharnsäure) und der Leberfunktionsparameter (GOT, GPT, Gerinnung) kann heute auch die sFlt-1/PlGF-Ratio Aufschluss über eine Präeklampsie geben.
Die Nieren zeigen bei der Präeklampsie histologisch eine glomeruläre Endotheliose, die zu einem Verschluss der Kapillarlumina führen kann. Es kommt zu einer Abnahme der glomerulären Filtrationsrate und zu einer Proteinurie durch die Störung des glomerulären Filters der Niere. Häufig zeigt sich eine nephrotische Proteinurie. Das mütterliche und fetale Risiko scheint mit der Höhe der Proteinurie korreliert zu sein. Zusätzlich kann es durch die Zirkulationsstörungen zu einer akuten Tubulusnekrose kommen, die sich als akutes Nierenversagen manifestiert. Die Verschlechterung der Nierenfunktion kann einen Grund für die Einleitung der Geburt sein. Diagnostisch ist neben der Bestimmung von Serumkreatinin und Urinprotein die Bestimmung der Serumharnsäure wichtig. Physiologisch sind niedrige Serumharnsäurewerte in der Schwangerschaft von <4,5 mg/dl. Steigt die Serumharnsäure an, kann dies erste Hinweise auf die Entwicklung einer Präeklampsie liefern.
Bei erhöhtem Risiko einer Präeklampsie sollte niedrigdosiertes Aspirin ab der 12. SSW erwogen werden, wenn kein erhöhtes Risiko einer gastrointestinalen Blutung vorliegt.
Obwohl die Veränderungen der Präeklampsie im Prinzip mit der Geburt komplett reversibel und mit Geburt der Plazenta beendet sind, besteht ein erhöhtes Risiko eines Rezidivs bei erneuter Schwangerschaft und eine erhöhte Gefahr einer chronischen Nierenerkrankung im Verlauf. Daher muss das Risiko für den Fetus mit dem Risiko der Mutter abgewogen werden. Wegen der Gefahren der Frühgeburtlichkeit wird versucht, die Schwangerschaft durch konsequente Blutdruckeinstellung, Ruhe und intensive Überwachung möglichst lange zu erhalten. Hier kann es notwendig sein, intravenöse Antihypertensiva zu verabreichen, z. B. Labetalol oder Dihydralazin. Der systolische Zielblutdruck sollte <160 mmHg liegen, der Blutdruck jedoch nicht zu weit reduziert werden, weil hierdurch die Plazentaperfusion und Versorgung des Kindes weiter kompromittiert werden können. Diuretika sind bei der Präeklampsie relativ kontraindiziert, da sie das ohnehin verminderte intravasale Volumen weiter reduzieren. Magnesium wird zur Prophylaxe von Krampfanfällen eingesetzt, ist jedoch bei eingeschränkter Nierenfunktion vorsichtig zu dosieren, da Magnesium renal eliminiert wird. Indikationen zur Einleitung der Geburt sind die zunehmende Organdysfunktion der Mutter (Nieren- und Leberfunktionsverschlechterung, zerebrale Veränderungen, Thrombopenie), unkontrollierbarer Bluthochdruck, fetale Wachstumsretardierung oder fetaler Stress und ein Gestationsalter >37 Wochen.
Innovative Studien untersuchen erstmals einen kausalen Therapieansatz der Präeklampsie durch gezielte Senkung von sFlt-1-Spiegeln in der mütterlichen Zirkulation mittels Apherese (Thadhani et al. 2011).

Akutes Nierenversagen

Das akute Nierenversagen in der Schwangerschaft ist selten. Prärenale Ursachen im ersten Trimester sind z. B. eine Hyperemesis gravidarum oder ein septischer Abort (Tab. 4). Beim septischen Abort besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Nierenrindennekrose. Im späteren Schwangerschaftsstadium sind eine Präeklampsie mit und ohne HELLP-Syndrom oder schwere Komplikationen wie die Schwangerschaftsfettleber oder eine Abruptio placentae möglich. Eine Harnwegsobstruktion in der Schwangerschaft führt in der Regel nicht zu einem akuten Nierenversagen.
Tab. 4
Ursachen eines akuten Nierenversagens in der Schwangerschaft
 
Spezifische Ursachen
Prärenal
- Hyperemesis gravidarum
- Schwere Blutung
- Sepsis/septischer Abort
Renal
- Akute Tubulusnekrose
- Nierenrindennekrose
- Thrombotische Mikroangiopathie
- Präeklampsie/HELLP-Syndrom
- Medikamententoxizität
Postrenal
- Nierensteine
- Harnwegsobstruktion (selten)

Thrombotische Mikroangiopathie

Die schwangerschaftsassoziierte thrombotische Mikroangiopathie (TMA) ist durch eine Coombs-negative hämolytische Anämie und Thrombozytopenie sowie Mikrothromben in verschiedenen Organen, u. a. auch in den Nieren, gekennzeichnet. Die häufigste Ursache hierfür ist das HELLP-Syndrom. Allerdings gibt es auch andere Gründe für eine TMA. Bei Patientinnen mit TMA kann es zu einem akuten Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit kommen, ebenfalls wird oft eine Hypertonie beobachtet. Ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) entwickelt sich meist erst postpartum (Fakhouri et al. 2010), eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) oft im dritten Trimenon oder postpartum. Im Gegensatz zum HELLP-Syndrom sind die Leberwerte bei diesen beiden Erkrankungen meist normal. Eine wichtige therapeutische Option bei TTP und HUS ist die Plasmapherese.

Verlauf und Prognose

Harnwegsinfekte

Trotz adäquater Therapie werden bei bis zu 20 % aller Frauen mit asymptomatischer Bakteriurie die Keime durch Antibiotika nicht eradiziert, sodass eine tägliche Antibiotikaprophylaxe während der Schwangerschaft diskutiert werden sollte. Da Harnwegsinfekte und Pyelonephritiden zu frühzeitigen Wehen und niedrigem Geburtsgewicht prädisponieren, sollten die Schwangeren engmaschig überwacht werden (Romero et al. 1989).

Hypertonie

Eine Gestationshypertonie sowie die Hypertonie im Rahmen der Präeklampsie verschwinden mit der Geburt des Kindes. Vier bis sechs Wochen nach der Geburt steigt der Blutdruck wieder an, sodass Frauen, die vor der Schwangerschaft Antihypertensiva eingenommen haben, diese in der Regel wieder benötigen.

Präeklampsie

Nach der Geburt dauert die Besserung der Symptome meist fünf bis sieben Tage. Die Hypertonie sollte nach spätestens drei Monaten verschwunden sein, die Proteinurie nach spätestens einem Jahr. Die Rekurrenz der Präeklampsie in einer späteren Schwangerschaft beträgt im Durchschnitt ca. 15 %, allerdings 25 % bei Frauen, die vor der 28. Schwangerschaftswoche eine Präeklampsie entwickelt haben.
Frauen mit Präeklampsie haben ein erhöhtes Risiko für eine spätere Hypertonie oder eine chronische Nierenerkrankung, eine koronare Herzerkrankung, Thromboembolien und zerebrovaskuläre Insulte. Daher sollten sie auch nach der Geburt regelmäßig kontrolliert werden.

Akutes Nierenversagen

Die Prognose des akuten Nierenversagens in der Schwangerschaft hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. Bei der Präeklampsie und bei blutungsassoziierten Nierenfunktionseinschränkungen ist die Erholungsrate deutlich besser als beim HUS oder beim septischen Abort. Die mütterliche Mortalität liegt zwischen 6 und 30 %, die fetale Mortalität ist höher und hängt stark von der perinatalen Versorgung ab (Gammill und Jeyabalan 2005; Bentata et al. 2012).

Thrombotische Mikroangiopathie

Die mütterliche Mortalität bei HUS/TTP hat in den letzten Jahren stark abgenommen und liegt zwischen 10 und 20 %. Die perinatale Mortalität ist mit 30–80 % hoch und wird vor allem durch plazentare Infarkte sowie eine Wachstumsretardierung hervorgerufen. Bis zu 70 % aller Patientinnen mit HUS-assoziiertem akuten Nierenversagen entwickeln eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz (Fakhouri et al. 2010).
Literatur
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European Society of Gynecology (ESG), Association for European Paediatric Cardiology (AEPC), German Society for Gender Medicine (DGesGM), Regitz-Zagrosek V, Blomstrom Lundqvist C, Borghi C, Cifkova R, Ferreira R, Foidart J-M, Gibbs JSR et al (2011) ESC Guidelines on the management of cardiovascular diseases during pregnancy: the Task Force on the Management of Cardiovascular Diseases during Pregnancy of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 32:3147–3197CrossRef
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Internetadressen
AWMF-Leitlinie Harnwegsinfektionen. http://​www.​awmf.​org/​leitlinien/​detail/​ll/​043-044.​html. Zugegriffen am 12.10.2014
ESH/ESC-Leitlinie zur Behandlung der Hypertonie. http://​www.​hochdruckliga.​de/​bluthochdruck-behandlung-leitlinien.​html. Zugegriffen am 12.10.2014