In mehreren großen Studien wurde gezeigt, dass das Klagen über vermeintliche Mund- und Augentrockenheit nicht mit den objektivierbaren Befunden korreliert. Obwohl es von der „European Study Group“ ausgearbeitete Fragen gibt, mit denen Patienten mit Mund- und Augentrockenheit identifiziert werden sollen, sind diese daher in der Praxis nicht hilfreich. Stattdessen ist die Objektivierung der eingeschränkten Sekretproduktion der Drüsen bei dem Verdacht auf ein
Sjögren-Syndroms obligat, egal ob der Patient über Trockenheit klagt oder nicht.
Augentrockenheit
Der wichtigste Test der Tränenproduktion ist der Schirmer-Test
, bei dem ein eingeknickter Streifen Filterpapier im äußeren Drittel des Unterlids für fünf Minuten platziert wird. Anschließend wird die Eindringtiefe der Tränenflüssigkeit in den Streifen gemessen. Eine Eindringtiefe von maximal 5 mm in 5 min ist pathologisch. In einer jüngeren Untersuchung der „Sjögren’s International Collaborative Clinical Alliance“ (SICCA) an über 1600 Patienten, die unter dem Verdacht auf
Sjögren-Syndrom sehr gründlich untersucht wurden, war dieser Test allerdings weniger sensitiv als die Anfärbung von devitalisierten Zellen der Hornhaut (Cornea). Diese kann mit Bengal-Rosa erfolgen, angenehmer für den Patienten soll die Anfärbung mit Lissamingrün sein. Nach Aufbringung des Farbstoffs auf die Bindehaut des Patienten reichert sich der Farbstoff in geschädigter Hornhaut an. Das Ausmaß der Anfärbung wird dann vom Augenarzt beurteilt, der die Ausprägung des epithelialen Defekts auf jedem Auge semiquantitativ auf einer Skala von 0 bis 9 bewertet. Ein Wert (der van Bijsterveld-Score) von mindestens vier Punkten wird als pathologisch angesehen.
Der einfachen Durchführung halber führen wir in unserer ambulanten Diagnostik den Schirmer-Test durch.
Mundtrockenheit
Die Speichelproduktion kann am einfachsten mit dem Saxon-Test quantifiziert werden, bei dem der Patient zwei Minuten auf einer sterilen 7,5 × 7,5-cm2-Kompresse kauen muss. Die Kompresse wird vor und nach dem Kauen gewogen. Die Gewichtsdifferenz entspricht der Speichelmenge, die der Patient in zwei Minuten produziert hat (Normwert anhand unserer eigenen Untersuchungen >3,5 g/2 min, von anderen Untersuchungen aber auch mit 2,75 g/2 min angegeben).
In den „American/European Consensus Group Criteria“ zur Klassifikation des
Sjögren-Syndroms werden statt des Saxon-Tests die Speicheldrüsenszintigraphie
und die Sialographie zur Sicherung der Mundtrockenheit anerkannt (Vitali et al.
2002). Diese Untersuchungen sind aber wesentlich aufwendiger als der Saxon-Test und werden daher nur selten durchgeführt.
Die
Sonographie der Speicheldrüsen ist zwar nicht geeignet, die Mundtrockenheit zu quantifizieren. Sie hat sich aber als einfaches Verfahren zur Diagnostik der Speicheldrüsenentzündung im Rahmen des
Sjögren-Syndroms herausgestellt. Es können parenchymale Inhomogenitäten und eine Verkleinerung der submandibulären Drüsen <3 ml nachgewiesen werden. Die Sensitivität der Untersuchung für das Sjögren-Syndrom betrug in einer Studie an 316 konsekutiven Patienten mit verschiedenen rheumatischen Erkrankungen 63 % und die Spezifität 99 % (3).
Nach Objektivierung einer Mund- und/oder Augentrockenheit ist das
Sjögren-Syndrom noch nicht gesichert, sondern eine Reihe von Differenzialdiagnosen können ebenfalls zur Beeinträchtigung der Drüsenfunktion führen (Abschn.
6). Um das Sjögren-Syndrom zu diagnostizieren, muss erst eine Autoimmunerkrankung als Ursache der Trockenheit nachgewiesen werden. Dazu sollten entweder typische
Autoantikörper vorliegen oder eine Speicheldrüsenbiopsie pathologisch ausfallen.
Autoantikörper
Das
Sjögren-Syndrom ist mit
Antikörpern gegen SS-A (Sjögren-Syndrom-Antigen-A, früher auch Ro genannt) assoziiert. Die Sensitivität dieser Antikörper liegt beim Sjögren-Syndrom aber nur bei ca. 50–60 % (García-Carrasco et al.
2002). Antikörper gegen SS-A werden auch bei ca. 50 % der SLE-Patienten und bei ca. 1 % der Blutspender nachgewiesen, sodass die Spezifität für das Sjögren-Syndrom nicht sehr hoch ist. Antikörper gegen SS-B (früher auch La genannt) sind spezifischer als die gegen SS-A, werden aber nur bei ca. 25–30 % der Patienten mit Sjögren-Syndrom nachgewiesen und sind fast immer mit SS-A-Antikörpern kombiniert.
Speicheldrüsenbiopsie
Wenn bei der Abklärung der Verdachtsdiagnose
Sjögren-Syndrom keine
Antikörper gegen SS-A und/oder SS-B nachgewiesen werden, ist eine Speicheldrüsenbiopsie erforderlich. Speicheldrüsenbiopsien können aus der Glandula parotis oder aus labialen Speicheldrüsen der Unterlippe entnommen werden. Die Biopsie aus der Glandula parotis ist zwar sensitiver, wird aber wegen der potenziellen Komplikationen wie Speicheldrüsenfistel, Schädigung peripherer Nerven oder Infektionen nur selten durchgeführt. Die Trefferquote von Biopsien aus Speicheldrüsen der Unterlippe hinsichtlich der Diagnostik des Sjögren-Syndroms steigt mit der Erfahrung des ausführenden Arztes und des beurteilenden Histopathologen.
Das
Sjögren-Syndrom ist mit einem lymphozytären Infiltrat bzw. Bildung von lymphozytären Foci (definiert als Aggregat von mindestens 50
Lymphozyten und Histiozyten) assoziiert.
Die Ausprägung dieser Veränderungen kann nach dem Graduierungschema von Chisholm und Mason erfasst werden. Der Nachweis einer fokalen lymphozytären Sialadenitis mit mindestens einem lymphozytären Focus pro 4 mm
2 (dem Gesichtsfeld des Mikroskops) beurteiltem Drüsengewebe entspricht einem Grad 3 bzw. 4 nach Chisholm und Mason und ist mit einer Sensitivität von 83 % und einer Spezifität von 82 % mit dem
Sjögren-Syndrom assoziiert. Daher wurde das Vorliegen eines Focus-Scores ≥1 als ein Kriterium für die Klassifikation des Sjögren-Syndroms akzeptiert (Vitali et al.
2002).
Klassifikationskriterien
Diagnosekriterien des
Sjögren-Syndroms gibt es nicht. 1993 wurden erstmals vorläufige Klassifikationskriterien einer europäischen Studiengruppe, bestehend aus Mitgliedern aus 26 Zentren in 12 Staaten, vorgeschlagen. Seitdem wurden diese Kriterien mehrfach überarbeitet. Zuletzt wurden daraus die „American/European Consensus Group“-Kriterien entwickelt (Tab.
2) (Vitali et al.
2002).
Tab. 2
Klassifikationskriterien des Sjögren-Syndroms der „American/European Consensus Group“
1. Objektiv verminderte Tränenproduktion |
2. Objektiv verminderte Speichelproduktion |
3. Subjektiv verminderte Tränenproduktion |
4. Subjektiv verminderte Speichelproduktion |
5. Pathologische Speicheldrüsenbiopsie |
|
Nach diesen Kriterien liegt dann ein primäres
Sjögren-Syndrom vor, wenn mindestens vier der sechs Kriterien in Tab.
2 erfüllt sind, davon mindestens eines der Kriterien 5 oder 6. Die Diagnose eines Sjögren-Syndroms kann auch bei Patienten ohne subjektive Sicca-Symptome gestellt werden, sofern drei der vier objektiven Kriterien vorliegen.
Es muss aber betont werden, dass diese Klassifikationskriterien nicht für die Diagnosestellung in der allgemeinärztlichen Praxis evaluiert wurden.
Extraglanduläre Manifestationen
Zwar wurden extraglanduläre Manifestationen des
Sjögren-Syndroms nicht hinsichtlich ihrer Bedeutung in der Diagnostik des Sjögren-Syndroms evaluiert. Aus meiner klinischen Erfahrung heraus halte ich aber Kombinationen solcher Manifestationen (Tab.
1) für wichtige Anhaltspunkte in der Stellung der Diagnose. So sind die interstitielle Zystitis oder die
Zöliakie bei Patienten mit Sjögren-Syndrom jeweils ca. zehnmal häufiger als in der Bevölkerung und sollten zur Messung der Tränen- und Speichelproduktion veranlassen.